Völkermord an den Herero und Nama
Der Aufstand der Herero und Nama von 1904 in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, kostete durch Überfälle, Kampfhandlungen, Krankheiten oder Vertreibung mindestens 24.000 Herero, etwa 10.000 Nama, damals in der Literatur als „Hottentotten" bezeichnet, und zwischen 1.365 bis 1.441 weißen Einwohnern und deutschen Soldaten das Leben.
Am 12. Januar 1904 erhoben sich die Herero zu einem Aufstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft im damaligen Deutsch-Südwestafrika, wobei 123 deutsche Siedler bei Überfällen getötet wurden. Die personalschwache Schutztruppe der Kolonie, die nur über 766 Mann verfügte, war anfänglich den Aufständischen nicht gewachsen.
Die deutsche Regierung unter Kaiser Wilhelm II. entsandte daraufhin ein Marineexpeditionskorps mit etwa 15.000 Mann unter Generalleutnant Lothar von Trotha. Die Kriegführung Trothas war der Situation in Südwestafrika nicht angepasst und führte zu vielen Toten auf beiden Seiten. Außerdem verursachte sie unter den Nama, einem Stamm der Khoi Khoi, Hungersnöte und den Siedlern herbe wirtschaftliche Verluste.
Gründe des Aufstands
Nach der erfolgreichen Befriedung der Herero in den 1890ern kam es 1897 zu einer Rinderpest, die das Sozialgefüge und das Selbstbewusstsein dieses Hirtenvolks schwer erschütterten. Das Massensterben der Rinder führte zu einem starken Preisanstieg für Fleisch, der die Rinderzucht in den bislang den Herero vorbehaltenen Gebieten für deutsche Siedler attraktiv machte. Diese kauften von einzelnen Hererohäuptlingen Land, so dass für die übrigen immer weniger an Weidegründen und Frischwasserbrunnen zur Verfügung stand.
Ein weiterer Faktor, der zu Spannungen zwischen deutschen Siedlern und den Herero führte, war der Verkauf von großen Landstrichen durch die Häuptlinge. Das den Nomadenstämmen unbekannte Konzept des Landhandels ließ sie im nachhinein weiterhin ihre Viehbestände dort weiden, was den Zorn der Siedler auf sich zog, welche die Hirten gewaltsam vertreiben ließen.
Der deutschen Schutzmacht war es sehr daran gelegen, den unkontrollierten Zuwachs von Waffen im Land zu unterbinden und die Kampfkraft der Stämme zu vermindern. Dies stieß aber auf den entschlossenen Widerstand der Betroffenen, welche sich auf diese Art nicht in das deutsche Ordnungssystem einbinden lassen wollten. So entwickelte sich aus dem Zähl- und Registrierungsvorhaben der Kolonialverwaltung bei den Bondelswarts-Nama in Warmbad im Oktober 1903 eine wenig geplante, aber dennoch heftige militärische Auseinandersetzung, die sich bis über das Jahresende hinzog und erst nach dem Einsatz von Verstärkungstruppen aus dem Norden des Landes am 27. Januar 1904 mit einem Sieg der Deutschen beendet werden konnte. Dadurch war das Zentrum des Landes ohne ausreichende militärische Bedeckung, was es der Verwaltung in Windhoek unmöglich machte, auf die Anfänge des von Okahandja ausgehenden Hereroaufstandes vom Januar 1904 angemessen zu reagieren.
Militärische Schwierigkeiten auf Seiten der Deutschen
Das Deutsche Reich war auf einen Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika völlig unvorbereitet. Zu Beginn des Kriegs gegen die Herero im Januar 1904 bestand die Schutztruppe aus vier Kompanien, einer Geschützbatterie und einer Reihe zumeist kleinerer Stationsbesatzungen mit insgesamt 769 deutschen und 132 eingeborenen Soldaten. Verstärkung aus dem Schutzgebiet erhielt die Schutztruppe durch 1.141 Reservisten, Angehörige der Landwehr, Landsturmpflichtige und Kriegsfreiwillige. Des Weiteren konnten noch die Hilfstruppen der Baster, Witboois und Bethanier aufgeboten werden. Mit diesen Kräften war es trotz einer technisch ungleich besseren Bewaffnung (Maxim-Maschinengewehr) nicht möglich, den Aufstand der Hereros niederzuwerfen.
Die Herero konnten nach Schätzungen etwa 5.000 bis 7.000 Krieger ins Feld führen. Die erfolgreiche Verteidigung aller größeren Stationen wie Okahandja und Omaruru und deren Entsetzung aus eigener Kraft war daher schon ein großer Erfolg für die Deutschen und für den weiteren Verlauf des Krieges von entscheidender Bedeutung.
Auch nach dem Eintreffen von Verstärkungen aus Deutschland reichten die zur Verfügung stehenden Kräfte für einen vollständigen militärischen Erfolg nicht aus, zumal starke Kräfte bei der Sicherung der deutschen Stationen und Siedlungen sowie der Verkehrswege gebunden waren. Es zeigte sich als besonderer Nachteil, dass Deutschland, anders als etwa England und Frankreich, nicht über eine ständige Eingreiftruppe verfügte, welche für einen Einsatz in Übersee ausgebildet und ausgerüstet war. So bestanden die aus der Heimat per Schiff eintreffenden Verstärkungen großenteils aus schnell aufgestellten Verbänden von Freiwilligen der verschiedensten Truppenteile, die völlig unvorbereitet nach Afrika in Marsch gesetzt werden mussten. Die Leistungsfähigkeit neu eintreffender Verbände war daher begrenzt. Fehlende Ausbildung (zum Beispiel bezüglich der besonderen Anforderungen an die Gesundheitsvorsorge auf einem afrikanischen Kriegsschauplatz) und mangelnde Erfahrung führten teilweise zu schweren Verlusten, sowohl im Gefecht als auch durch Krankheiten wie beispielsweise Typhus.

Der deutsche Gouverneur Theodor von Leutwein, der bis zu seiner Ablösung durch Generalleutnant von Trotha auch Befehlshaber der Schutztruppe war, war sich der begrenzten eigenen Möglichkeiten bewusst. Zudem waren ihm, als Landeskenner, die fast unüberwindlichen Schwierigkeiten für den Einsatz ausreichender Kräfte in dem weiten, nahezu unerschlossenen Land bekannt. In richtiger Einschätzung der Lage plante Leutwein eine politische Lösung des Konflikts, welche durch militärische Mittel vorzubereiten war. Dagegen forderte die deutsche Öffentlichkeit, in völliger Verkennung der schwierigen Situation vor Ort, eine rasche und kompromisslose Niederwerfung der Hereros. General Lothar von Trotha war gewillt, der öffentlichen Forderung nachzukommen. Dabei unterlief ihm eine verhängnisvolle Fehleinschätzung der Lage. Von Trotha war der Überzeugung, mittels konzentrischen Angriffs aller verfügbaren Kräfte die Hereros zu einer Entscheidungsschlacht stellen und den Aufstand mit einem Schlag militärisch beenden zu können. Von Trotha unterschätzte die örtlichen Schwierigkeiten für eine solch umfassende Bewegung, die militärischen Fähigkeiten der Hereros aber auch die Bedeutung der auf deutscher Seite kämpfenden eingeborenen Hilfstruppen.
Die deutsche Führung
Das Hauptquartier in Okahandja bestand 1904 aus folgenden Personen:
- Oberkommandierender: Generalleutnant v. Trotha
- Generalstab: Oberstleutnant Charles de Beaulieu (Chef); Major Quade; Hauptmann Salzer; Hauptmann Maximilian Bayer (Zentralabteilung/Kriegstagebuchführer)
- Adjutantur: Hauptmann Paul von Lettow-Vorbeck; Oberleutnant Bosse
- Ordonnanzoffizier: Leutnant v. Goßler
- Feldintendant: Intendanturrat Nachtigall
- Chef des Sanitätswesens: Generaloberarzt Dr. Robert Schian
- Feldgerichtsbarkeit: Oberkriegsgerichtsrat Dr. Volley
- Führer der Signalabteilung: Leutnant Rückforth
- Chef des Veterinärwesens: Stabsveterinär Moll
- Kommandant des Hauptquartiers: Oberleutnant v. Trotha
- beim Hauptquartier befanden sich ferner: Hauptmann a. D. Dannhauer als Berichterstatter des „Berliner Lokal Anzeiger“ sowie Colonel Trench als britischer Militär-Attaché
Der Aufstand der Herero
Ausbruch des Aufstandes
Unmittelbar vor dem Aufstand massierten sich die Herero in der Region Waterberg, offiziell wegen Erbschaftsstreitigkeiten um den Tod von Waterberg-Herero-Häuptling Kambazembi. Die Herero kauften in den letzten Wochen vor dem Aufstand von deutschen Händlern ohne Rücksicht auf Verschuldung in einer „allgemeinen Kaufwut“ alles nützliche ein. Hererodiener wurden gegenüber ihren Herren häufig ausfallend.
„Ich kämpfe, tötet alle Deutschen“
Am 11. Januar 1904 verabschiedete Samuel Maharero in Osona diesen Befehl, mit folgender Resolution als Zusatz:
- Okahandja, den 11. Januar
- An alle Großleute meines Landes. Ich bin Samuel Maharero, Oberhäuptling der Herero. Ich habe einen Befehl für alle meine Leute angefertigt, dass sie nicht weiter ihre Hände legen an folgende: Engländer, Bastands, Bergdamara, Nama, Buren. Alle diese rühren wir nicht an. Tut dies nicht! Ich habe einen Eid geschworen, dass dieser Beschluss nicht bekannt werden darf, auch nicht den Missionaren. Genug.
Häuptling Daniel Kariko sagte eidesstattlich aus, dass die Hererogroßleute auch vereinbarten, alle deutschen Frauen und Kinder sowie Missionare und ihre Familien zu verschonen.
Die Verschonungsbefehle Mahareros und der Großleute wurden bis auf wenige Ausnahmen beachtet, und Frauen und Kinder, die aufgegriffen wurden, zu deutschen Siedlungen geleitet. Dort waren sie willkommene (weil einzig präzise) Informationsquellen für den deutschen Stab. Die deutschen Männer wurden allerdings unterschiedslos getötet, sehr häufig im Angesicht ihrer Familie.
Die Taktik der Herero
Die Herero gingen professionell und überlegt vor. Dem Aufstand waren durchdachte strategische Planungen vorausgegangen. Sie unterschätzten jedoch die Fähigkeit des Deutschen Reiches, große Truppenkontingente in nur kurzer Zeit nach Afrika zu befördern. Die Herero hatten nur die Möglichkeit, schnell, entschlossen und ohne Nachsicht die Deutschen zu besiegen, bevor deren Nachschub eintreffen konnte.
Schon Ende des Jahre 1903 hatten sich die Zeichen für einen baldigen Aufstand vermehrt. Augenzeugen berichteten, dass Herero immer öfter bewaffnet durch das Land zogen. Außerdem versuchten sie in großangelegtem Stil, Waffen und Munition ins Land zu schmuggeln. Ferner berichteten Händler, dass die Herero verschiedenste Waren kauften und horteten, die auf eine größere Aktion schließen ließen. Fragen nach der Absicht dieser Großkäufe beantworteten die Nama-Großleute ausweichend. Auch deutsche Farmer meldeten besorgt, dass sich etwas „zusammenbraue“.
Optimistische deutsche Meldungen sprachen anfangs noch von einer lokalen Erhebung der Hererobevölkerung. Doch schon am 11. Januar gab Samuel Maharero allen Ovahereroführern den Befehl, die Waffen gegen die Deutschen zu erheben. Und schon am 12. Januar 1904 mussten die Deutschen entsetzt erleben, dass die Herero unter ihrem Häuptling Samuel Maharero Okahandja umzingelt, die Eisenbahnbrücke bei Osona zerstört und die wichtige Telegraphenverbindung in die Landeshauptstadt Windhuk gekappt hatten. Auch ein von Swakopmund kommender Zug konnte die Hauptstadt nicht mehr erreichen.
Im Laufe der kommenden Tage versuchte Samuel Maharero, die Baster unter Kapitän Hermanus van Wyk und die Nama unter Kapitän Hendrik Witbooi in den Kampf einzubeziehen. Er schrieb aus diesem Grund zwei Briefe an Witbooi, die diesen jedoch niemals erreichten. Van Wyk weigerte sich indes, Samuel Maharero zu unterstützen, und übergab die an Hendrik Witbooi adressierten Briefe den Deutschen.
Die Herero gingen von Anfang an gegen die deutschen Siedler vor. Sie brannten deren Höfe nieder und töteten zumeist die Männer. Damit trafen sie aber auch die unschuldigsten Neuankömmlinge in Südwestafrika – vielfach arme Menschen, die aus Not in das Land gekommen waren – und ernteten den Zorn der Deutschen in der Heimat. Den Hereros kam zugute, dass sich der Hauptteil der deutschen Schutztruppe und Gouverneur Leutwein im Süden befanden, um einen lokalen Aufstand der Bondelzwart niederzuschlagen. Dadurch befanden sich nur schwache deutsche Kräfte im Kampfraum.
Neben Angriffen gegen Farmen wurden die ersten Schläge der Herero gegen Depots, Eisenbahnlinien und Handelsstationen geführt. Dabei kamen rund 140 Deutsche und sieben Buren ums Leben, darunter wurden in Okahandja auch Frauen umgebracht, die durch einen Befehl Samuel Mahareros an seine Leute eigentlich geschützt waren. An anderen Orten wurde den deutschen Frauen und Kindern freies Geleit zur nächsten Schutzstation gewährt. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit der Deutschen – im Aufstandsgebiet lagen nur 2 Ersatzkompanien – gelang es ihnen mit zähem Überlebenswillen, die Städte und letztendlich auch die Telegraphenlinie zu halten.
Weiterer Verlauf des Aufstands bis zum Sieg über die Herero
Januar 1904
Strategisch wichtig für die Deutschen in dieser ersten Kriegsphase war ein schon am 12. Januar aus Swakopmund abgefahrener improvisierter Panzerzug unter dem Befehl von Leutnant Theodor Kurt Hartwig von Zülow, der die Trupps sichern konnte, welche die an mehreren Stellen von den Hereros unterbrochene Schmalspurbahnstrecke nach Okahandja reparierten. Letztendliches Ziel war, den Belagerungsring um Okahandja zu durchbrechen. Durch diesen Panzerzug war wieder eine rasche Truppenverschiebung gewährleistet. Am 13. Januar erreicht der Zug den Bahnhof Waldau. Dieser Panzerzug, der aus zwei als Doppellok gespannten Feldbahnlokomotiven 104 bestand, war der erste Panzerzug Deutschlands überhaupt. Die vom Chef des Generalstabes, Graf von Schlieffen, eingeleitete Beschaffung professioneller Panzerzüge, wurde von seinem Nachfolger (1906-1914), Helmuth v. Moltke, weiterverfolgt.
Am 12. Januar traf eine telegraphische Meldung auf S.M.S. Kleiner Kreuzer „Habicht“ ein, der seit dem 10. Januar aufgrund seiner jährlichen Instandsetzungsarbeiten in Kapstadt vor Anker lag:
- „Okahandja belagert. Eisenbahn-Telegraphenunterbrechung. Erbitten, gemäß militärischen Auftrages, schleunigst Kriegsschiff Habicht“.
Der sogleich von Berlin erbetene Befehl zur Abfahrt nach Swakopmund traf am 14. vormittags gegen 11 Uhr ein, so dass das Schiff am Abend desselben Tages auslaufen konnte. Die englischen Hafenbehörden unterstützen die übereilte Abfahrt mit allen Kräften. Uniformen befanden sich jedoch nicht an Bord und so wurden die weißen Bord-Arbeitsanzüge dazu erklärt. Um wenigstens in den Genuss einer notdürftigen Tarnung zu kommen, wurden diese Arbeitsanzüge in einer Lauge aus Kaffee und Tabak gekocht und erhielten dadurch eine haltbare schmutzigbraune Färbung.
Unmittelbar nach der Landung in Swakopmund am 18. Januar, kam der zur Zeit am Platz kommandierende Bezirksamtmann, Dr. Fuchs, an Bord und erstattete Bericht. Laut diesem Bericht waren am 12. Januar alle Hererostämme – ausgenommen der der Otjimbinguer – aufgestanden und hatten Farmer getötet und sich deren Vieh bemächtigt. Windhuk, Okahandja, Omaruru hatten sie eingeschlossen, die Bahnlinie von Okahandja bedroht, Karibib und die Verbindung mit Swakopmund beunruhigt. Hieraufhin war Oberleutnant von Zülow mit sämtlichen dienstfähigen Mannschaften – Reserven und Landwehr, zusammen 60 Mann – von Swakopmund abgerückt, hatte seine Truppe in Karibib durch Einziehen aller Wehrfähigen auf 110 Mann gebracht und diesen Ort, unter Mitnahme von Proviant für drei Tage, zum Entsatz Okahandjas verlassen. Von Zülows letzte Nachricht war die Meldung von seinem Eintreffen in Okasise am 13. Januar. Seitdem fehlte jede Nachricht über seinen Verbleib. Zur Verstärkung Karibibs war noch ein rund 20-köpfiger Trupp unter Baumeister Laubschat hinaufgesandt worden. Die Verbindung mit Karibib war noch sichergestellt; doch wurde die Lage dort mit jedem Tage bedrohlicher. Die Herero hatten bereits mehrere Patrouillen abgeschossen und die schwache Besatzung war kaum imstande, den Ort für den Fall eines Angriffs zu halten. Auch aus dem Süden fehlte jede Nachricht, nur Gerüchte, die 2. Feldkompanie unter Victor Franke sei auf dem Rückmarsch nach Windhuk. Auch mit dem Norden, wo Hauptmann Kliefoth mit seiner Kompanie noch bei Outjo stehen sollte, fehlte jegliche Verbindung.
Den Oberbefehl über das Schutzgebiet übernahm jetzt, an Stelle des abwesenden Gouverneurs, Korvettenkapitän Gudewill. Sofort wurde die Ausschiffung des Landungskorps in Stärke von zwei Offizieren, ein Arzt, 52 Mann befohlen. Der Führer, Kapitänleutnant Hans Gygas, 1. Offizier der S.M.S. „Habicht“, erhielt Befehl, nach Karibib zu marschieren und diesen Ort zu sichern, die Verbindung mit Swakopmund unter allen Umständen aufrecht zu erhalten, weitere Unternehmungen jedoch, wenn nicht dringend geboten, in Anbetracht der geringen Stärke des Landungskorps zu unterlassen. Der Befehlshaber der in Karibib stationierten Truppen, Oberleutnant Kuhn, hatte den durch das Bahnhofsgebäude, die Gaststätte Rösemann, Wohnhäuser sowie das Rubiensche Hotel nebst Kegelbahn umschlossenen Stadtplatz eilig verbarrikadieren lassen. Mit dem Eintreffen des Marinekorps trat eine wesentliche Beruhigung der verängstigen weißen Bevölkerung ein.
Am 14. Januar wurden die Postämter von Waldau und Waterberg von den Eingeborenen zerstört. Gewalt bricht auch in Omarasa, nördlich vom Waterberg, aus. Der Militärposten Waterberg wird von den Ovaherero erobert. Auf den Panzerzug haben diese Gefechte keinen Einfluss; er rollt weiter Richtung Okahandja. Dieser Vormarsch auf Schienen war ein erster Schritt zur Stabilisierung der deutschen Lage, doch für entscheidende Vorstöße mussten neue Truppen herangezogen werden. Dazu wurde der am weitesten nördlich bei Gibeon stehenden 2. Feldkompanie unter Hauptmann Victor Franke Order erteilt, nach Norden abzurücken. Leutwein übergab Victor Franke, da er selbst erst den Aufstand der Bondelzwaart niederschlagen musste, für die Zeit seiner Abwesenheit das Kommando. Mit einer Gewaltanstrengung schaffte es Franke auch, die 380 Kilometer nach Windhuk, wo der nächsten Schlag der Hereros erwartet wurde, binnen fünf Tagen zurückzulegen.
Am 15. Januar wurde Kurt Streitwolf in ein Gefecht in Oparakane verwickelt und von Zülow erreichte, nachdem das teilweise zerstörte Bahngleis zwischen Waldau und Okahandja notdürftig geflickt worden war, mit seinem Panzerzug Okahandja.
Franke hielt sich nicht lange in Windhuk auf, sondern zog nach Okahandja, wo er, gemeinsam mit dem Panzerzug, die Herero in Schach hielt und sie in den Kaiser-Wilhelm-Bergen in einem Gefecht schlug. Damit war Okahandja am 27. Januar endgültig befreit. Weiter gen Norden marschierend, konnte Franke auch die Städte Karibib und das belagerte Omaruru am 4. Februar entsetzen. Durch Frankes militärisches Können hatte der Generalstab jetzt endgültig Freiheit gewonnen, weiteren Nachschub heranzuführen. Fast alle Geländegewinne der Hereros waren somit zunichte gemacht; die Bahnlinie war offen und die Hauptorte waren befreit.
Am 16. Januar begann die Belagerung von Gobabis und eine deutsche Kompagnie aus Outjo geriet in Okanjande, nahe dem heutigen Otjiwarongo, in einen Hinterhalt.
Die Nachricht vom Aufstand war zwischenzeitlich im Reich eingetroffen. Die Regierung befahl, Marineinfanterieeinheiten in Marsch zu setzen, die in einer Stärke von zwei Seebataillonen (500 Mann) am 21. Januar eingeschifft wurden. Des Weiteren wurde eine Freiwilligentruppe aus Angehörigen des Heeres aufgestellt, die ebenfalls Ende Januar/Anfang Februar ihren Marschbefehl erhielten. Die dafür benötigten Gelder wurden im Deutschen Reichstag nach eingehender und kontroverser Debatte, bei Stimmenthaltung der SPD, bewilligt.
Februar 1904

Am 12. Februar traf Leutwein, aus dem Süden kommend, ein und übernahm das Oberkommando. Samuel Maharero hatte in der Zwischenzeit um Waffenhilfe beim Namahäuptling Hendrik Witbooi vorgesprochen, was dieser, in Treue zu seinem 1894 mit Leutwein geschlossenen Vertrag, ablehnte. Die Nama kämpften so noch bis zum September 1904 auf deutscher Seite. Außerdem hatte Maharero Schwierigkeiten, die eigenen Truppen, bei denen auch die Frauen und Kinder waren, zu verpflegen und zu führen. Die Verhandlungen, die Leutwein im folgenden wie einst mit Witbooi nun auch mit Maharero führte, sah Berlin als Zeichen der Schwäche des Gouverneurs. Auch kamen sie zu keinem Ergebnis. Doch Leutwein wusste nun, wo sich der Hererohäuptling aufhielt.
Für das kommende Vorgehen wurden die Kampfverbände der Deutschen in drei Abteilungen gegliedert:
- Westabteilung unter Major von Estorff (2. und 4. Feldkompanie, eine Kompanie des Seebataillons, einige Geschütze verschiedenen Kalibers).
Ihr Ziel: Befriedung des Distrikts Omaruru - Hauptabteilung unter Gouverneur Leutwein (eine Kompanie des Seebataillons, 2 Maschinenkanonen, 500 Mann Freiwilligentruppe, welche in die 5., 6., 7. Kompanie sowie eine Feldbatterie eingeteilt wurden).
Ihr Ziel:
Bis zu endgültigen Formierung, die frühestens nach einem Monat erwartet wurde: Halten von Okahandja, Verunsicherung des Gegners
Nach der Formierung: Auskundschaften der feindlichen Hauptstreitmacht und anschließender Angriff - Ostabteilung unter Major Franz Georg von Glasenapp (Kompanie von Winkler, Kompanie Eggers, zwei Kompanien des Seebataillons, einige Geschütze verschiedenen Kalibers).
Ihr Ziel: Befriedung des Distrikts Gobabis, Abschotten der Ostgrenze um eine Flucht der Hereros zu verhindern
Die Westabteilung marschierte von Omaruru aus dem Feind entgegen. Am 25. Februar erreichte die rund 100 Mann starke deutsche Truppe den Otjihanamaparero-Berg, an dem sich rund 1.000 Mann der Herero-Armee um ein Wasserloch verschanzt hatten. Die Stellung war sehr gut gewählt und konnte von den unterlegenen Deutschen nur sehr schlecht angegriffen werden. Da ein Frontalangriff für Major von Estorff ausschied, versuchte er die Flanken des Gegners „aufzurollen“. Dies gelang aber erst, nachdem Teile des rechten Flügels (2. Feldkompanie) dem linken (4. Feldkompanie) beistanden. Neun Stunden tobte der Kampf, dann konnten die Deutschen das Wasserloch in Besitz nehmen und der geschlagene Hereroverband zog sich in Richtung Waterberg zurück. Nach dem Sieg marschierte die Westabteilung nach Okahandja, um sich mit der Hauptabteilung zu vereinigen. Am 24. März erreichte sie die Stadt und wurde in Leutweins Abteilung eingegliedert.
Die 412 Mann starke Ostabteilung, bestehend aus meist unerfahrenen Männern, hatte den Auftrag, ein Gebiet in der Größe Bayerns zu sichern. Am 14. Februar marschierten die Einheiten aus Windhuk in Richtung Kampfgebiet ab. Doch sie erreichten nur gerade verlassene Siedlungen. Der Gegner war ihnen strategisch immer einen Schritt voraus. Schließlich entschloss sich von Glasenapp gegen den erhaltenen Befehl, den Spuren der Tetjo-Herero, Richtung Westen zu folgen und nicht die Ostgrenze abzusperren. Da das Versorgungslager der Ostabteilung aber Gobabis war, wurden die Nachschubwege immer länger. Bei einem Versuch, die Rinderherden der Tetjo-Hereros für sich in Besitz zu nehmen, geriet ein Kundschaftertrupp unter von Glasenapp in einen Hinterhalt. 70 Prozent der Patrouille (18 Mann) wurden getötet. Dies war ein schwerer Schlag für die Moral der Truppe. Leutwein befahl die Abteilung am 11. März nach Okahandja, damit sie die Hauptabteilung beim Kampf gegen Samuel Maharero unterstützen könne. Später wurde der Befehl wieder geändert. Nun sollte die Ostabteilung Fühlung zu den Tetjos halten und dem ursprünglichen Befehl nachkommen, die Ostgrenze abzuriegeln.
April 1904
Eine größere Schlacht fand am 9. April statt, als Oberst Leutwein die rund 3.000 Mann starke Hauptmacht des Feindes bei Onganjira angriff und nach achtstündigem Gefecht bei Einbruch der Dunkelheit die feindlichen Stellungen durchbrach. Es fielen auf deutscher Seite zwei Offiziere und zwei Mann, daneben waren zahlreiche schwere Verwundungen zu verzeichnen. Auch Hauptmann Maximilian Bayer vom Oberkommando der Schutztruppe nimmt an der Schlacht teil. Zwei weitere Gefechte mit günstigen Ausgängen die Deutschen finden am 9. April bei Onganjira und am 12. April bei Oviumbo statt. Die Herero ziehen danach in Richtung Waterberg ab. Am 13. April mussten Leutweins Männer bei Okatumba ein schweres zehnstündiges Gefecht bestehen, wobei auf deutscher Seite zwei Offiziere und sieben Reiter fielen. Über die Opfer auf der Seite der Herero ist nichts bekannt. Ende April brachen bei der Kolonne Glasenapp Typhuserkrankungen aus, die fast mehr Opfer forderten als die Kugeln der Hereros.
August 1904
Ein konzentrischer Angriff auf die im Raum Waterberg lagernden Herero führte am 11. August 1904 zur Schlacht am Waterberg, bei der von Trotha sein Ziel, die Vernichtung der waffentragenden Herero, jedoch nicht erreichte. Ein Großteil des Hererovolkes wich daraufhin nach Osten ins wasserarme Sandfeld (Omaheke-Steppe) aus. Laut dem Missionar Friedrich Bernsmann hatten sich kurz vor dem deutschen Angriff 35.000 Herero einschließlich Frauen und Kinder am Waterberg eingefunden. Mit dem dazugehörigen Vieh, das mindestens nocheinmal soviele Kopfe zählte, war der an Quellen zwar relativ reiche, aber dennoch in seinen Ressourcen beschränkte Waterberg völlig überlaufen.
- (Quelle: Beilage Nr. 3 zu der im Sept. 1906 in Otjibingue ausgerichteten Konferenz der Herero-Missionare, Archiv der Rheinischen Mission, Barmen).
September 1904
Nach der Schlacht am Waterberg flohen die Herero mit ihren Familien ins Sandfeld. Tausende verdursteten dabei.
Die gescheiterte Proklamation des Generals von Trotha

Am 2. Oktober 1904 erließ General von Trotha folgende Proklamation an das Volk der Herero:
- „Ich, der große General der Deutschen Soldaten, sende diesen Brief an das Volk der Herero. Die Herero sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und andere Körperteile abgeschnitten, und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage dem Volk: Jeder, der einen der Kapitäne an eine meiner Stationen als Gefangenen abliefert, erhält tausend Mark, wer Samuel Maharero bringt, erhält fünftausend Mark. Das Volk der Herero muss jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen. Innerhalb der Deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück, oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Deutschen Kaisers.“
Nach Verkündung dieser Proklamation an die anwesenden Herero wurde der Truppe folgender Befehl erteilt:
- Dieser Erlaß ist bei den Appells den Truppen mitzuteilen mit dem Hinzufügen, daß auch der Truppe, die einen der Kapitäne fängt, die entsprechende Belohnung zu teil wird und daß das Schießen auf Weiber und Kinder so zu verstehen ist, daß über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu zwingen. Ich nehme mit Bestimmtheit an, daß dieser Erlaß dazu führen wird, keine männlichen Gefangenen mehr zu machen, aber nicht zu Grausamkeiten gegen Weiber und Kinder ausartet. Diese werden schon fortlaufen, wenn zweimal über sie hinweggeschossen wird. Die Truppe wird sich des guten Rufes der deutschen Soldaten bewußt bleiben.
- (Quelle: Bundesarchiv Potsdam, Akten des Reichskolonialamtes, RKA, 10.01 2089, Bl. 23, Handschriftliche Abschrift der Proklamation an das Volk der Herero und des Zusatzbefehls an die Kaiserliche Schutztruppe, 2.10.1904)
Dieser nach der vorgegangenen Proklameration an die Schutztruppe ausgegebene Befehl wird heute verbreitet als „Vernichtungsbefehl“ bezeichnet. Dieser Befehl, welcher im Widerspruch zur Tradition deutscher Streitkräfte vor Beginn der Kolonialpolitik stand und sowohl in der Schutztruppe als auch in der deutschen Öffentlichkeit kritisiert wurde, konnte zu keiner Zeit vollständig umgesetzt werden. Der deutschen Schutztruppe fehlte es, infolge des Anfang Oktober 1904 erfolgten Ausbruchs des Namaaufstands, an den hierfür erforderlichen Truppen. Die im Raum Omaheke eingesetzten deutschen Einheiten waren zu diesem Zeitpunkt teilweise einsatzunfähig. Folgerichtig meldete der Chef des Generalstabes v. Schlieffen am 23. November 1904 an Reichskanzler v. Bülow, dass eine Vernichtung der Herero nicht möglich sei. „Es wird daher kaum etwas anderes übrig bleiben, als zu versuchen, die Herero zur Übergabe zu veranlassen.“ Dabei seien die Maßnahmen des Generals v. Trotha kontraproduktiv und sollten daher aufgehoben werden.
Reaktion der Öffentlichkeit
Die Reaktionen auf die Proklamation von Trothas, vor allem im Deutschen Reich, zwangen von Trotha, der zur Beendigung des Krieges „die Nation als solche vernichtet“ oder „aus dem Lande gewiesen“ sehen wollte (Brief an den Generalstab vom 4. Oktober 1904), seinen Kurs zu ändern. Im Reichstag wurde die Kriegführung des Generals unter anderem von dem SPD-Führer August Bebel angeprangert: „Einen derartigen Krieg wie Herr von Trotha kann jeder Metzgerknecht führen.“
Der Gouverneur von Südwestafrika, Theodor Leutwein, mit dem von Trotha nach eigenem Bekunden in ständigem Widerspruch lag, schrieb bereits am 28. Oktober 1904 an das Auswärtige Amt (Kolonial-Abteilung): „Diese Proklamation hat mich schließlich zur Absendung des oben erwähnten Telegramms veranlaßt, da ich der Ansicht bin, daß mit ihr in die Rechte des Gouverneurs eingegriffen worden ist.“ Und weiter: „Nach alledem was ich vorstehend dargelegt habe, bitte ich die hohe Abteilung mir nicht zu verargen, wenn ich eines Tages die Nachricht von meiner erfolgten Abreise sende.“ Leutwein kam sich „durchaus überflüssig“ vor. (Quelle: RKA 2089, Bl. 21-22, Leutwein an Auswärtiges Amt, 28.10.1904.)
Die Proklamation wurde zur echten Zerreißprobe zwischen der Landesverwaltung und der kleinen, scheinbar übermächtigen Fraktion der Trotha-Parteigänger. Daher schrieb Leutwein am 12. November 1904 erneut an das Auswärtige Amt (Kolonial-Abteilung): „Aber eine Vernichtungspolitik braucht sie darum doch nicht zu werden, dies nicht aus Liebe zu den Eingeborenen, sondern aus Liebe zu unserer Sache. Denn ich halte eine Vernichtung der Eingeborenen zumal eines so lebenskräftigen Stammes wie die Herero wirtschaftlich für schädlich und militärisch für undurchführbar. [...]“ (Quelle: RKA 2089, Bl. 98-99, Leutwein an Auswärtiges Amt, 12.11.1904.)
Der Druck der Öffentlichkeit, besonderes der evangelischen Missionskirchen, wuchs. Der Generalsstab in Berlin kam am 23. November im Sinne Leutweins zu der Überzeugung, dass der Plan Trothas nicht umzusetzen war. Der Chef des Generalstabes der Armee in Berlin, General Alfred von Schlieffen, stellte den Beschluß an diesem Tag in einem Schreiben an Reichskanzler Bernhard von Bülow folgendermaßen dar: „Es wird daher kaum etwas anderes übrig bleiben, als zu versuchen, die Hereros zur Übergabe zu veranlassen. Das wird erschwert durch die Proklamation des Generals v. Trotha, der jeden Herero erschießen lassen will. Wenn durch eine neue Proklamation den Hereros, welche sich unseren Truppen stellen, das Leben zugesagt wird, so werden sie der neuen Zusage kaum trauen wollen. Es muß indes versucht werden.“ (Quelle: RKA 2089, Bl. 3ff., Schlieffen an den Reichskanzler, 23.11.1904.)
Tags darauf erhielt dann der Kaiser vom Kanzler einen Brief, daß die von Trotha geforderten Maßnahmen im Widerspruch zu den christlichen und menschlichen Prinzipen ständen und die „vollständige und planmäßige Ausrottung der Herero alles durch die Forderungen der Gerechtigkeit und der Wiederherstellung der deutschen Autorität gebotene Maß überschreiten.“ Zudem würde die Proklameration dazu beitragen „dem deutschen Ansehen unter den zivilisierten Nationen Abbruch zu tun.“ (Quelle: RKA 2089, Bl. 8-11, Bülow an Wilhelm II., 24.11.1904.)
Trotha mußte die Proklamation am 12. Dezember 1904 auf ausdrücklichen Befehl des Generalstabes aus Berlin zurückzunehmen. Er wurde angewiesen, mit Ausnahme der Rädelsführer das Leben der Herero zu schonen und die von den evangelischen Missionaren angebotene Vermittlungstätigkeit nicht zurückzuweisen. Im Hinblick auf die öffentliche Meinung distanzierte sich später auch die Reichsführung von Trotha, denn der Kolonialpolitiker Paul Rohrbach hatte bereits am 7. Oktober 1904 mit Blick in die Zukunft festgestellt: „Die Trothasche Proklamation wird uns bei aller Welt schaden und hier nicht das Mindeste nützen. Die Idee, daß die „Schuldigen“, die Häuptlinge der Hereros, die Mörder der Weißen, je zur Bestrafung in unsere Hände fallen werden, daß das ganze Volk mit seinen Kapitänen je sich uns auf Gnade und Ungnade ergeben könnte oder daß wir jeden Herero einzeln im Sandfeld fangen werden, ist absurd. Wir können anstellen, was wir wollen, so werden wir doch nie darum herumkommen, zu irgendeiner Zeit von uns aus ein Ende mit dem Hererokrieg zu machen und die Hereros wieder heranzuziehen.“ (Quelle: Lic. Dr. Paul Rohrbach, Aus Südwest-Afrikas schweren Tagen, Bernhard Thalacker Verlagsbuchhandlung, Berlin 1907)
Als Dr. Friedrich von Lindequist zum neuen Gouverneur des Schutzgebietes ernannt wurde, legte er Wert darauf, festzustellen, dass er diesen Posten nur unter der Bedingung annehmen würde, dass von Trotha als Truppenbefehlshaber abgelöst würde. So geschah es, dass von Trotha die Kolonie am 18. November 1905 für immer verlassen musste.
Kaiser Wilhelm II. weigerte sich nach der Rückkehr von Trothas mehrfach, diesen zu empfangen.
Das Schicksal der Herero
Mittlerweile hatte die Flucht in die Omaheke während der Trockenzeit zu einer Tragödie geführt. Nahezu das gesamte Vieh der Herero war verendet. Nach für realistisch befundenen Schätzungen des Missionars Irle fielen etwa 14.000 Hereros Durst, Hunger und Krankheiten zum Opfer. Mit den Schätzungen des deutschen Missionar Friedrich Bernsmann (23.000 bis 25.000 Überlebende) demzufolge maximal rund 12.000 Hereros in der Wüste umgekommen sind, erhält man ein ungefähr richtiges Verhältnis. Nach Aufhebung des „Vernichtungsbefehles“ durch den Generalstab in Berlin am 12. Dezember 1904 wurden zahlreiche Überlebende von der Schutztruppe aufgegriffen und Rettungsmaßnahmen eingeleitet.
Der Gefreite Paul Haberland berichtet:
- „Hunger und abermals Hunger! Bedauert haben wir die Kinder, die für alles nichts können. Nur den stolzen ›Großmännern‹ war keine Not anzusehen. Unter allen erregte ein junges, bis zum Skelett abgemagertes Weib das Mitleid aller Kameraden. Mit kindlicher Liebe führte sie ihre alte, erblindete Mutter an einem Ochsenriemen nach. Hier zeigte sich wieder der durchweg gutmütige Zug der deutschen Soldaten, die den armen Teufeln alles Entbehrliche gaben und mit ihnen teilten.“
Einen Tag bevor von Trotha seinen Vernichtungsbefehl zurücknahm, bekam er ein telegraphisch am 11. Dezember 1904 vom Reichkanzler von Bülow die ausdrückliche Unterstützung, nach der Rücknahme des "Vernichtungsbefehls" die Herero zur Arbeit einsetzen und hierfür geeignete Sammellager errichten zu dürfen. Der Plan wurde daraufhin umgesetzt.
Die Situation der Herero besserte sich erst, als Ende 1905 Dr. Friedrich von Lindequist Gouverneur des Schutzgebietes Deutsch-Südwestafrika wurde. Er hatte den Posten nur unter der Bedingung angenommen, dass der von ihm aufgrund seiner Unmenschlichkeit abgelehnte von Trotha als Truppenbefehlshaber abgelöst würde. Von Trotha verließ daraufhin am 18. November 1905 für immer Deutsch-Südwest.
Der Aufstand der Nama

Der Aufstand der Nama, ein Stamm der Khoi Khoi, ist nicht so genau dokumentiert wie der Aufstand der Herero. Es fehlt noch ein Übersichtswerk mit genaueren Angaben. In der historischen europäischen Literatur bis in die Gegenwart wurden die Nama auch zum Teil leicht abwertend als Hottentotten bezeichnet.
Oktober 1904
Im Oktober 1904, kurz vor Niederschlagung der Revolte der Herero, wechselten die bisher mit den Deutschen verbündeten Nama, unter ihren Anführern Hendrik Witbooi und Jakob Morenga, die Seite und griffen ihre bisherigen deutschen Partner an. Völlig überraschend meldete Leutwein am 8. Oktober, die Witboois, auf deren Treue vor allem der Gouverneur selbst gebaut hatte, wären in feindlicher Absicht aus Gibeon abmarschiert und hätten benachbarte Stationen angegriffen. Zusätzlich liefen Meldungen ein, dass Morenga weiterhin starken Zulauf erhielt. Der Nama-Kapitän Hendrik Witbooi verschonte in Gibeon weder den ihm allzeit überaus freundlich gesinnten Bezirksamtmann von Burgsdorff, noch Missionare, noch Farmer. Auch Frauen wurden umgebracht. Mit den Witboois, welche die Schutztruppe bei der Bekämpfung der Herero aktiv unterstützt hatten, war ein wichtiger Bündnispartner verloren gegangen. Die Kriegführung von Herero und Nama unterschied sich grundlegend. Während die Herero die offene Feldschlacht suchten, operierten die Nama in Form einer Guerillataktik aus dem Hinterhalt heraus.
Dezember 1904
Im Dezember 1904 gab es deutsche Kriegsgefangenenlager in Windhuk, Okahanddja und Swakopmund.
Januar 1905
Die Schlacht von Stamprietfontein am 1. Januar 1905 zwischen Hendrik Witbooi und den Deutschen unter Major Meister endete unentschieden.
Am 4. Januar gelingt es deutschen Truppen nach 50stündigem Gefecht bei Groß-Nabas, diese wichtigste Festung der Hottentotten zu erstürmen.
Eine friedliche Gruppe von Ovambo-Arbeitern in Etaneno, südlich von Outjo, wurde von den Deutschen angegriffen. Dies führte zum fast völligen Stillstand der Zuwanderung von Ovambo-Arbeitern. Der finnische Missionar Martti Rautanen schaffte es trotz des deutschen Missgeschicks, den Ovambo-König vom Ondongagebiet zu überreden, nicht den König Nehale zu unterstützen, der unter Ovaherero-Einfluss bereit war, wie 1904 die Deutschen wieder anzugreifen.
Februar 1905
Gefecht und Überfall bei Kalkfontein N. Neuformierung des Feldlazaretts Nr. 13 und Stationierung in Kalkfontein am Auob.
Mai 1905
Im Gefecht von Leukop nahe der britischen Grenze wird Jakob Morenga am 19. Mai von den Deutschen unter dem Befehl von Hauptmann Franz Siebert geschlagen. Viele Nama flüchten daraufhin auf britisches Gebiet, kehren jedoch einzeln wieder zurück.
Juni 1905
Die Schlacht von Narus am Karebfluss tobte vom 15. bis 17. Juni. Der Kampf zwischen den vereinten Verbänden von Jakob Morenga und Jan Hendrik gegen die deutschen Truppe endete mit Verlusten für die Deutschen. Erneute Friedensverhandlungen zwischen der Schutztruppe und Marengo sowie Cornelius Frederiks scheiterten erneut, da die Deutschen, verursacht durch Fehlkoordination, die Nama während des Waffenstillstandes angriffen.
Juli 1905
Jakob Morenga verwickelte die Deutschen am 3. Juli in ein Gefecht bei Wasserfall. Der Witbooi-Kapitän Sebulon wird verfolgt.
August 1905
Am 1. August besetzte der Nama-Kapitän Hendrik Witbooi mit seinen Truppen das Felsengebirge westlich von Gibeon. Am 5. August griff Abraham Morris die Schutztruppen in Wortel (Nomaos) an.
September 1905
Cornelius Frederiks wurde am 3. September in der Schlacht von Ai-Ais geschlagen. Er zog daraufhin den Fischfluss hinab zum Oranje und von dort in die Großen Karasberge, wo er sich mit Marengos Truppen vereinigte. In der Schlacht von Nubib, am 13. September in den Zarisbergen kämpften die vereinigten Ovaherero- und Namatruppen unter dem Oberbefehl des Ovahereroführers Andreas gegen die Schutztruppe unter Georg Maercker. Am gleichen Tag kam es in Guigatsis zu einem Gefecht zwischen Abraham Morris und den Deutschen. In Nochas fand am 15. September eine Schlacht zwischen Jakob Marengo und Johannes Christian gegen die Deutschen unter Friedrich von Erckert statt. Nach dieser Schlacht zogen Marengo und Christian weiter gen Süden. Auf ihrem Weg zum Oranje griffen sie eine deutsche Nachschubkolonne in Naruchas, südwestlich von Kalkfontein-Süd (Karasburg), an.
Oktober 1905
Morenga und Christian zerstörten am 6. Oktober den deutschen Beobachtungsposten auf Jerusalem, südlich von Heirachabis. Von dort zogen sie zum Oranje, wo sie am 10. Oktober den Grenzposten Schuitdrift überfielen. In der Schlacht von Hartebeestmund nahe Pelladrift am Oranje gegen Jakob Morenga und Johannes Christian erleiden die Deutschen am 24. und 25. Oktober Verluste. Je drei Offiziere starben und waren verwundet, bei den Mannschaftsdienstgraden lagen die Verluste bei 14 Toten und 35 Verwundeten.
Am 29. Oktober 1905 starb Hendrik Witbooi im Kampf in Vaalgras (Koichas) als er und seine Männer versuchten, eine deutsche Transportkolonne zu überfallen. 15 Minuten, nachdem er auf einem Pferd reitend angeschossen worden war, starb er. Mit ihm fiel auch ein Mitglied seiner Familie, Petrus Jod.
Die Witboois wurden durch den Tod ihres Kapitäns so geschockt, dass sie sich Anfang 1906 geschlossen ergaben. Damit war die größte Gruppe der rebellierenden Namas aus dem Kampf geschieden.
November 1905
Verlegung des 13. Feldlazarett nach Kub in Bereitschaft.
Dezember 1905
Am 7. Dezember wird das 13. Feldlazarett in Kub aufgelöst.
Januar 1906
Am 1. Januar übernimmt in Berlin General Helmuth von Moltke die Nachfolge Alfred von Schlieffens als Generalstabschef des deutschen Heeres.
März 1906
Im März wurde Cornelius mit 200 Mann nach einer monatelangen Verfolgungsjagd durch eine Abteilung unter Hauptmann Richard D. Volkmann gestellt und aufgerieben. In der zweiten Jahreshälfte konnten auch die Bondelzwarts zum Aufgeben gebracht werden. Damit war bis auf den Franzmann-Kapitän Simon Kopper, der noch bis Anfang 1908 von englischem Gebiet aus weiterkämpfte, der Süden unterworfen.
Dezember 1906
Von Anfang an waren ein breite deutsche Öffentlichkeit sowie viele Abgeordnete aus verschiedenen Gründen gegen den Krieg. Am 13. Dezember kommt es zum Eklat im Berliner Reichstag. Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow löst diesen auf Verordnung des Kaisers auf, nachdem die Abgeordneten die Bewilligung zusätzlicher Mittel für den Krieg in Deutsch-Südwestafrika mehrheitlich abgelehnt hatten.
Im Dezember wird mit Unterstützung von Missionaren, die bereits während des Hereroaufstands helfend und vermittelnd tätig waren, ein Friedensschluss mit den letzten auf Südwester Gebiet aufständischen Bondelzwarts vereinbart.
Januar 1907
Die Probleme der Schutztruppe bei der Bekämpfung des Aufstands führte zu einer Regierungskrise in Berlin und erzwungenen Neuwahlen des Reichstags (sog. Hottentottenwahlen am 25. Januar 1907).
März 1907
Am 31. März 1907 wurde das offizielle Ende des Kriegszustandes bekanntgegeben.
Morenga führte den Guerillakrieg weiter, bevor er bei einem Gefecht mit Einheiten der britischen Kappolizei am 19. September 1907 bei Eenzamheid getötet wurde.
1903 hatte die deutsche Kolonialverwaltung in Windhuk Eheschließungen zwischen Deutschen und Eingeborenen enach Druck aus der fortschrittlicheren Kolonialabteilung in Berlin für rechtmäßig erklären müssen. Diese in Windhuk stets ungeliebte Vorgabe wurden jedoch 1907, unter dem Eindruck der Aufstände durch das Südwester Gouvernement - rückwirkend - wieder für nichtig erklärt. Grund für die Mischehen war auf deutscher Seite in erster Linie, dass sich nicht genügend deutsche Frauen bereit erklärten, in die Kolonien zu heiraten und ein hartes Farmerleben aufzunehmen, was für die dort lebenden schwarzen Frauen keinerlei Hürden bedeutete.
März 1908
Nach dem Gefecht zwischen der Schutztruppe unter Hauptmann Friedrich von Erckert und den letzten Aufständischen unter Simon Kopper vom 16. März in der Kalahari kapitulieren die Nama am 17. März 1908 endgültig.
Tote durch den Aufstand
Auf deutscher Seite sind die Verluste sehr genau dokumentiert. Es fielen 676 Menschen, 76 gelten als vermisst. Die meisten dürften beim Hereroaufstand umgekommen sein. Zusätzlich verstarben 689 Soldaten des Marine-Expeditionskorps, vor allem an Typhus. Der Erlass Mahareros und die Vereinbarung der Hererokapitäne, keine deutschen Frauen und Kinder zu töten wurden in den meisten Fällen eingehalten.
Die genaue Zahl der getöteten Herero ist unbekannt. Bereits die Angaben über die Zahl der Herero vor dem Krieg beruhten ausschließlich auf Schätzungen. Der deutsche Missionar Jakob Irle schätzte ihre Zahl auf insgesamt 80.000 Menschen; 1975 schätzte Gerd Sudholt die Zahl auf 40.000. Walter Nuhn errechnete ca. 23.000-24.000 überlebende Herero, von denen 21.000 in deutscher Gefangenschaft waren. Unter Zugrundelegung der sehr niedrig angesetzten Schätzung Sudholts kommt Nuhn auf eine wahrscheinliche Zahl von 16.000-17.000 Toten durch den Krieg selbst, was sich mit der Schätzung Irles auf 14.000 im Sandfeld verdursteten deckt. (Vor dem Krieg konnte nur vage geschätzt werden, da die Herero über ein großes Gebiet verteilt waren; die Schätzungen im und nach dem Krieg dürften genauer sein, da die Herero sich zum Orlog massierten.) Von den 21.000 Gefangenen waren 15.000 Kriegsgefangene (der Rest, alte und schwache Leute und Kinder, wurde in Hospitälern und unbewachten Lagern der Rheinischen Mission untergebracht, die besser geführt wurden). Von den Kriegsgefangenen kamen nach Aufstellung des Oberkommandos der Schutztruppen 45,2 Prozent um, was etwa 7.000 ausmacht. Damit ergibt sich nach Nuhn eine Gesamtzahl von 16.000-17.000 überlebenden Herero, 14.000 in deutscher Gefangenschaft. 1911 wurde die Zahl der Herero in Deutsch-Südwestafrika bei einer offiziellen Volkszählung mit 15.130 festgestellt. Damit starben nach Nuhn etwa 24.000 Herero durch Krieg, Vertreibung und die Bedingungen in den deutschen Konzentrationslagern. Legt man anstelle der niedrig angesetzten Sudholt-Schätzung Irles sehr hoch gegriffene Schätzung an, kommt man entsprechend auf 64.000 Herero; die wahre Zahl ist nicht mehr feststellbar, liegt aber entsprechend zwischen 24.000 und 64.000. Zahlen zwischen 37.000 und 40.000 gelten als realistisch.
Manchmal wird von einschlägigen Kreisen auch eine falsche Zahl von 4.000 angegeben. Die Aufstellung des Oberkommandos meldete von ca. 15.000 gefangenen Hereros und 2.000 Namas 7.682 Tote. Alleine die Toten in den Gefangenenlagern, selbst wenn alle 2.000 Nama überlebt hätten, ergeben schon mindestens 5.000 Tote ohne Berücksichtigung der Toten durch den Aufstand selbst und im Sandfeld.
Von den 20.000 Nama, die sich im Herbst 1904 unter ihren Anführern Hendrik Witbooi und Jakob Morenga gegen die Kolonialmacht erhoben, überlebten weniger als die Hälfte. 2.000 Nama kamen in deutsche Gefangenschaft.
Konzentrationslager in Deutsch-Südwestafrika
Der Begriff „Konzentationslager" wird erstmals in den Jahren 1904/05 von Berlin verwendet, um Internierungs- und Sammellager für gefangene Hereros und Namas zu bezeichnen. „Erfunden" hatte ihn der britische Feldmarschall und Politiker Earl Horatio Herbert Kitchener erstmals im Krieg gegen die holländischstämmigen Buren in Südafrika um 1900. Er internierte dort die Frauen und Kinder seiner Feinde. Der Begriff „Konzentrationslager" zu jener Zeit darf aufgrund der Geschehnisse im 2. Weltkrieg nicht mit den Arbeits- und Vernichtungslagern Hitlers und Stalins gleichgesetzt werden. Der Begriff „Konzentrationslager" zur Zeit des 2. Deutschen Kaiserreiches als Bezeichnung für Gefangenensammellager ist daher zu relativieren, auch wenn sein Auftreten in der damaligen Literatur den Leser heute sofort stutzig macht. Die Lager hatten vor der Vereinnahmung durch die diktatorischen Systeme einen eher provisorischen Charakter. Dass hinter dem Stacheldraht kriegsbedingter Gefangenenlagern zu allen Zeiten grausame und menschenverachtende Zustände herrschen konnten, die von den Verursachern gewollt und/oder ungewollt waren, ist hinreichend bekannt und bis in die jüngste Gegenwart geschehen.

Die gefangengenommenen Hereros wurden, ähnlich dem durchgeführten britischen Vorgehen gegen Nichtkombattanten im Burenkrieg, in Konzentrationslagern interniert und teilweise zu Zwangsarbeit eingesetzt. Anfang 1905 berichtet der Missionar Vedder sehr kritisch über die Zustände im Swakopmunder Lager. Die Stadt Swakopmund, sowie die Lüderitzbucht mit der Haifischinsel, hatten sich aufgrund der geringen Fluchtmöglichkeiten für die Anlage eines Gefangenenlagers angeboten. Berüchtigt wurde es, als sich herausstellte, dass etliche Internierte den südlichen Winter mit seinem nasskalten Seeklima nicht vertrugen. So berichten dortige Verwaltungsbeamte im Mai 1906 von 1.700 eingewiesenen kriegsgefangenen Namas, Bathaniern und Witboois. Ihnen schien diese Zahl offensichtlich als viel zu hoch für das Lager, verlangten sofortige Abhilfe und Anlieferung von Nahrung und Kleidung, um das Leben ihrer Gefangenen nicht weiter zu gefährden. Laut diesem Bericht starben zahlreiche Hereros infolge der Swakopmunder Feuchtigkeit und Kälte. Erschreckend hohen Todesraten gab es allerdings erst im Sommer. Es ist anzunehmen, dass die zusammengedrängten Menschen an all jenen Krankheiten starben, unter denen auch die deutsche Truppe litt: Skorbut und Seuchen wie Typhus und Ruhr, deren Diagnose und Bekämpfung damals schwierig waren. Wesentlich verschärft wurde das Problem in Swakopmund durch das dortige Trinkwasser, das mit Krankheitserregern infiziert und abführend war. Bekannt unter dem Namen „Swakopmundia-Diarhoe" ließen als Folge des Trinkwassergenusses auch viele Swakopmunder Deutsche vom Wassertrinken ab und wandten sich eher dem desinfizierenden Alkohol zu. Hinzu kam, dass es deutschen Dienststellen während dieses Krieges oft aufgrund der langen, schwierigen und gefährlichen Transportwege nicht einmal gelang, die eigene Truppe mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Der Nachschub musste per Schiff übers Meer gebracht und mit langsamen Maulesel- oder Ochsenplanwagen über unwirtliche Sandwege geschafft werden. Oft verhedderten sich die langen Leinen der Treiber und ließen die Karawane stoppen, nicht selten brach auch ein Rad, dessen Auswechseln ebenfalls Zeit kostete. Geländegängige Automobile waren noch nicht entwickelt - ein amtlicher Versuch mit zwei LKW war im Sand gescheitert. Während der gesamten deutschen Kolonialzeit Südwestafrikas fuhr dort keine einzige Benzinkutsche mehr. Die Swakopmunder Lagerverwaltung konnte aufgrund der genannten Umstände ihren Gefangenen daher oft nichts anderes anbieten als Reis, was grundsätzlich ja ein hochwertiges nahrhaftes Lebensmittel ist. Laut eines Berichts war es den Kriegsgefangenen in ihrem geschwächten Zustand jedoch vielfach unmöglich, diesen zu verdauen. Wie es um die Tropenmedizin in Deutsch-Südwest bestelllt war und welche Probleme sich auftaten, kann man in Dr. Alexander Lions Standardwerk (sh. Literaturhinweis) nachlesen.
Die zahlreichen Protestschreiben von niederen Beamten, Privatpersonen und Pfarrern konnten nichts an diesem Zustand ändern, dokumentieren jedoch das Dahinsiechen der Herero und zeigen, dass viele Deutsche vom Verhalten ihrer Militärbehörden entsetzt waren.
Die Situation der Herero besserte sich erst, als Ende 1905 Dr. Friedrich von Lindequist Gouverneur des Schutzgebietes Deutsch-Südwestafrika wurde. Er hatte den Posten nur unter der Bedingung angenommen, dass der von ihm aufgrund seiner Unmenschlichkeit abgelehnte von Trotha als Truppenbefehlshaber abgelöst würde. Dies geschah. Von Trotha verließ daraufhin am 18. November 1905 für immer Deutsch-Südwest.
Völkerrechtliche Situation
1904 gab es noch kein internationales Gesetz oder eine Vereinbarung bezüglich kolonisierter Nationen. Ehemalige Kolonialregierungen, wie Großbritannien, Frankreich, Belgien und Portugal, setzten sich auch heute nicht für die Etablierung solcher Vereinbarungen ein, da sie vermeiden wollen, alte historische Schulden aufarbeiten zu müssen. Im Zusammenhang mit dem Aufstand der Herero und der Nama in der ehemals deutschen Kolonie in Südwestafrika sei auf ein ähnliches Kapitel in der englischen Kolonialgeschichte hingewiesen, das kurz zuvor die Menschen im damaligen Deutschland genauso erschütterte, wie die Taten eines von Trotha: den Burenkrieg (1899-1902), den einschlägige britische Medien bis heute heldenhaft verklären. Während des Burenkrieges ließ Lord Kitchener seine Truppen das Land durchkämmen, welche die Farmen der Buren niederbrannten, die Männer töteten und rund 120.000 burische Frauen und Kinder in Konzentrationslager verschleppten, wo mindestens 20.000 an Hunger und Krankheit starben.
Schadensersatzklagen gegen Deutschland
Im Jahr 2002 wurde vor einem US-Gericht Klage von US-Anwälten der Kanzlei Musolino & Dessel im Auftrag der Herero People’s Reparations des Hereoführers Kuaima Riruako in Gesamthöhe von ca. zwei Milliarden Dollar eingereicht, da man hoffte, in den USA höhere Entschädigungen einklagen zu können als in Deutschland. Zwei Klagen vor dem District Court in Washington, DC gegen die Bundesrepublik Deutschland, als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs, nach dem Alien Tort Claims Act und eine gegen die Deutsche Bank, die Terex-Corperation und die Woermann-Linie, wurden bisher abgewiesen. (Quellen: [1] [2], FAZ am Sonntag Nr. 33).
Politische Haltung Deutschlands
Bundeskanzler Helmut Kohl besuchte Namibia als erster deutscher Kanzler seit 1904. Er vermied dabei ein Zusammentreffen mit Hereroabgesandten. Die deutsche Regierung und das Bundesaußenministerium bedauern das Geschehene, übernehmen aber keine Verantwortung für die Geschehnisse zur Zeit des Deutschen Reiches. Sie verweisen darauf, dass seit 1990 500 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Namibia geleistet wurden. Allerdings wird diese vor allem durch die alleinregierende SWAPO der Ovambo verwaltet und gelangt daher kaum zu den Herero, die eine materielle Wiedergutmachung Deutschlands speziell für ihre Volksgruppe einfordern.
Repräsentanten der Herero argumentieren, dass nach der vierten Haager Konvention von 1899 Repressalien gegen die Zivilbevölkerung der Verlierer schon damals untersagt gewesen seinen. Laut Arte-TV vom 3. August 2004 verlangt ein Sprecher der Herero in Berlin von den Deutschen das Eingeständnis der Schuld und ein Bekenntnis zu ihrer kolonialen Vergangenheit. Er verweist auf die Mahnmale des Holocaust und sieht sein Volk benachteiligt, da nirgends die Schlacht am Waterberg erwähnt werde. Die Tatsache, dass auch andere Nationen keinerlei Schuld für ihre mitunter weitaus blutigere koloniale Vergangenheit empfänden, würde dabei keine Rolle spielen.
Heidemarie Wieczorek-Zeuls Bekenntnis zur Schuld
Am 14. August 2004 nahm Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an einer Gedenkfeier zum 100. Jahrestag in Okakarara am Waterberg teil, bei der unter anderem Szenen des Aufstands von Angehörigen der Hereros nachgespielt wurden. Die Ministerin war die erste offizielle Vertreterin einer deutschen Regierung, die an einer Gedenkfeier zu den Ereignissen teilnahm. In einer Rede bekannte sie sich zur politischen und moralischen Verantwortung Deutschlands für das damalige Vorgehen der deutschen Truppen. Hierauf gegründete Entschädigungszahlungen schloss sie jedoch aus; allerdings wolle die Bundesregierung die Entwicklungshilfe für Namibia in Höhe von jährlich 11,5 Millionen Euro fortsetzen.
Literatur
Fachliteratur
- Maximilian Bayer: Der Krieg in Südwestafrika. Vortrag, gehalten in 35 deutschen Städten, Verlag von Friedrich Engelmann, Leipzig 1906.
- Maximilian Bayer: Mit dem Hauptquartier in Südwestafrika. Verlag Wilhelm Weicher, Berlin 1909.
- Maximilian Bayer: Im Kampfe gegen die Hereros: Bilder aus dem Feldzug in Südwest. Verlag Schaffstein, Köln 1911.
- Alexander Lion: Tropenhygienische Ratschläge. von Dr. A. Lion, Oberstabssarzt, früher in der Kaiserlichen Schutztruppe für Südwestafrika, 2. Auflage, Verlag der Aerztlichen Rundschau, München 1914.
- Walter Nuhn: Sturm über Südwest. Der Hereroaufstand von 1904. Bernhard & Graefe-Verlag, Koblenz 1989. ISBN 3-76375-852-6.
- Horst Drechsler: Südwestafrika unter deutscher Kolonialherrschaft. 1996, ISBN 3-515-06689-6
- Gesine Krüger: Kriegsbewältigung und Geschichtsbewußtsein: Realität, Deutung und Verarbeitung des deutschen Kolonialkriegs in Namibia 1904 bis 1907. Göttingen 1999, ISBN 3-525-35796-6.
- Walter Nuhn: Feind überall: Guerillakrieg in Südwest. Der große Nama-Aufstand 1904-1908 Bernhard & Graefe-Verlag, Bonn 2000. ISBN 3-7637-6207-8.
- Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904–1908) in Namibia und seine Folgen. Links Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-86153-303-0 .
- Toubab Pippa: Die Bosheit im Herzen der Menschen – Hendrik Witbooi und die schwarz-weiße Geschichte Namibias. Grüne Kraft Verlag, Löhrbach 2003, ISBN 3-922708-31-5.
- Christof Hamann (Hrsg.): Afrika – Kultur und Gewalt. Hintergründe und Aktualität des Kolonialkriegs in Deutsch-Südwestafrika. Seine Rezeption in Literatur, Wissenschaft und Populärkultur (1904 – 2004). Iserlohn: Institut für Kirche und Gesellschaft 2005. ISBN 3-931845-87-7.
- Jan Bart Gewald: Herero Heroes. A Socio-Political History of the Herero of Namibia 1890-1923. Ohio University Press, Athens 1999.
- Helmut Bley: Kolonialherrschaft und Sozialstruktur in Deutsch-Südwestafrika 1894-1914. Leibniz-Verlag, Hamburg 1968.
- Jörn Axel Kämmerer/Jörg Föh: Das Völkerrecht als Instrument der Wiedergutmachung? – Eine kritische Betrachtung am Beispiel des Herero-Aufstandes, in: Archiv des Völkerrechts 42 (2004) S. 294-328.
Belletristik
- Maximilian Bayer (Pseudonym „Jonk Steffen"): Okowi – ein Hererospion? Eine Geschichte aus dem südwestafrikanischen Kriege. Verlag von Otto Spamer, Berlin 1910
- Maximilian Bayer (Pseudonym „Jonk Steffen"): Im Orlog: südwestafrikanischer Roman. Verlag kolonialpolitischer Zeitschriften, Berlin 1910
- Maximilian Bayer (Pseudonym „Jonk Steffen"): Die Helden der Naukluft. Verlag von Otto Spamer, Leipzig 1912; Nachdruck durch Peters Antiques, Swakopmund 1998 ISBN 99916-741-5-2
- Uwe Timm: Morenga. Kiepenheuer & Witsch, 1983
- Timm lässt in dieser ersten Novellisierung des Namaaufstandes allerlei stilisierte Anekdoten und phantastische Elemente einfließen und idealisiert seine Protagonisten, was zu einer Darstellung im Sinne der Romantik führt. Dabei charakterisiert er die Pioniere der Kolonisation des südlichen Afrika als die Glücksritter, die sie waren.
- Gerhard Seyfried: Herero. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2003. ISBN 3-8218-0873-X
- (Roman) Im Gegensatz zu Timm schreibt Seyfried dieses Prequel, das zeitlich vor Morenga liegt, im Stil des Naturalismus, in dem seine Protagonisten in den Strudel der Ereignisse geraten und überleben müssen.
Siehe auch
Weblinks
- Spuren der Hölle – Zeichen der Hoffnung Ein Gespräch zur Ausstellung in Köln und Berlin
- The Herero – A former colonized nation sues (englisch)
- The tribe Germany wants to forget (englisch)
- "... deutsches Blut zu rächen" Artikel von Volker Ullrich in Die Zeit vom 14.01.1994 Nr. 03
- Ungewisse Gewissheiten, Windhoek 1989, Aufsatz von Brigitte Lau, der ehemaligen Leiterin des Nationalarchives von Windhuk, über den Hererokrieg; Aufsatz aus dem Onlineangebot des "Traditionsverbands ehem. Schutz- und Überseetruppen"