Ligatur (Typografie)

Buchstabenverbund, Verschmelzung zweier oder mehrerer Buchstaben zu einer Glyphe
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. August 2004 um 13:16 Uhr durch Baba66 (Diskussion | Beiträge) (Ligaturen im Computersatz: Typo: TeX. Posting in einer TeX-Gruppe: «Ich shreibe meine Diplomarbeit in LATEX!» Antwort: «Wow! Gibts davon Fotos?»). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Eine Ligatur ist eine Buchstabenverbindung. Sie hat sich historisch entweder durch schnelle Schreibweise häufig genutzter Zeichen gebildet oder wurde zur optischen Korrektur anders als die Einzelzeichen geschrieben.

Ein bekanntes Beispiel für eine Ligatur ist das &-Zeichen. Ursprünglich wurde es als Einzelbuchstaben et geschrieben.

In der Schreibschrift hat es sich zunächst in
eine Darstellung entwickelt, in der der Bogen vom
kleinen e in den Stamm des kleinen t übergeht.

Wenn das E groß geschrieben wird, ergibt sich
die Darstellung in vielen kursiven Schriften:

Zeichen Et
Zeichen Et
Daraus hat sich durch weitere Vereinfachung
das heute bekannte Kaufmanns-Und gebildet:
Kaufmanns-Und
Kaufmanns-Und

Eine andere Art von Ligaturen ist beim ß oder bei den Buchstabenkombinaten ff und fl zu beachten.

Hier einmal ohne Ligaturen Datei:Keine ligaturen.png
und mit Ligaturen Datei:Ligaturen.png

Die Anzahl der Ligaturen ist bei verschiedenen Schriftarten unterschiedlich. Die Ligaturen werden üblicherweise typografisch gestaltet und bilden nicht nur eine einfache Zusammenrückung der Zeichen, wie man auch beim genauen Betrachten der angegebenen Beispiele sehen kann.

Ein Grund für die Zusammenführung der Zeichen ist die Vermeidung von optischen Lücken, die beim schnellen und angenehmen Lesen stören würden.

Das ß


Antiqua-ſs vs. Textura- und Fraktur-ſz

Die im Deutschen am häufigsten verwendete Ligatur ist das so genannte Eszett oder scharfe s, manchmal auch spitzes s oder Dreier-S genannt. Obwohl das ß historisch eine Ligatur ist, wird es heute als Buchstabe betrachtet und behandelt. Das deutsche ß hat sich als Ligatur aus langem ſ' und z entwickelt.

Ursprünglich wurde diese Ligatur nur in der Frakturschrift verwendet. Als es im Lauf des 19. Jahrhunderts immer üblicher wurde, deutsche Texte auch in Antiqua zu setzen, schuf man auch für die Antiqua ein ß nach dem Vorbild der Fraktur-Rechtschreibung.

modernes ß
modernes ß

Völlig unabhängig von der ſz-Ligatur in der deutschen Fraktur gibt es eine Ligatur aus langem ſ und rundem s, die bisweilen in alten französischen oder englischen Texten anzutreffen ist. Als das lange ſ im Lauf des 18. Jahrhunderts außer Gebrauch geriet, wurde diese Ligatur nicht mehr verwendet. Als jedoch später in den deutschen Antiqua-Schriften das ß neu eingeführt wurde, lehnte man es in der Form z.T. an jene alte ſs-Ligatur an.

Der Typograph Jan Tschichold versuchte herzuleiten, dass auch das deutsche ß aus den Frakturschriften auf eine Ligatur aus einem langen ſ und einem kurzen s zurück gehe. Diese Ansicht hat sich weit verbreitet, obwohl sie von keinem einzigen stichhaltigen Argument gestützt wird. Tschichold beschränkt sich nämlich auf eine selbstgezeichnete Grafik, anhand derer er die angebliche, aber unbewiesene Verschmelzung von ſ und s in der Fraktur darstellt, und auf einen zwar richtigen, aber gegenstandslosen Hinweis auf die ſs-Ligatur in französischen Antiqua-Schriften des 18. Jahrhunderts.

Weitere Ligaturen

Ähnlich wie das ß und das &-Zeichen entstand auch das % aus einer Ligatur der Buchstaben cto für cento (ital. hundert).

Ligaturen im Schriftsatz

Im Fraktursatz und auch beim Satz von Antiquaschriften werden mehrere Ligaturen verwendet. Dies ist der Fall, wenn zwei "längliche" Buchstaben (f, i, l, ſ, t) aufeinandertreffen. Folgende Verbindungen sind möglich:

f+f, f+i, f+l, f+t
ſ+i, ſ+ſ, ſ+t; ſ+c+h
l+l, t+t

In skandinavischen Texten findet man außerdem die im Deutschen unbekannten Verbindungen ſ+k und ſ+l.

Der Gebrauch der oben genannten Ligaturen unterliegt allein dem ästhetischen Gefühl des Schreibers. Im Gegensatz dazu gibt es im deutschen Text drei so genannte Zwangsligaturen beim Fraktursatz, wobei diese Verbindungen einen phonologischen Hintergrund haben:

c+h, c+k, t+z

Das ch bezeichnet im deutschen zwei eigene Laute (den ich- und den ach-Laut), während ck und tz anstelle von kk und zz geschrieben werden. ch und ck finden sich ebenfalls im deutschen Antiqua-Satz bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Ligaturen werden nicht über eine Silbengrenze hinweg gebunden, vergleiche Kauf-leute und Kau-fläche, letzteres mit Ligatur, aber das fällt nur sehr sorgfältigen Lesern auf.

Ligaturen im Computersatz

Der Computersatz erlaubt eine fast beliebige Positionierung der Buchstaben. Deshalb ist es möglich, den Abstand zwischen zwei Zeichen einzustellen und in vielen Fällen auf Ligaturen zu verzichten. Die ß-Ligatur wird standardmäßig verwendet und als ein Buchstabe behandelt. Die anderen Ligaturen werden durch entsprechende Positionierung der typografischen Zeichen emuliert. Neue Satzprogramme wie Adobe InDesign 2.0 setzen, soweit im Schriftsatz vorhanden, automatisch Ligaturen. Diese Ligaturen werden nicht als ein Sonderzeichen sondern weiterhin als getrennte Buchstaben behandelt, so dass Rechtschreibprüfung etc. problemlos möglich sind. Bei Microsoft Word hingegen müssen Ligaturen als Sonderzeichen eingefügt werden und verwirren die Rechtschreibprüfung. Das gelingt dann gut, wenn das Schriftdesign des Fonts darauf bereits angepasst ist. In OpenType sind Ligaturen vorgesehen und können problemlos eingesetzt werden, wenn das Satz- oder Schreibprogramm OpenType unterstützt (bisher tut das nur InDesign). Gute Zeichensätze enthalten spezielle Ligaturen. Leider sind viele Programme nicht auf die Verwendung von Ligaturen angepasst. Schwierigkeiten können sich zum Beispiel bei der Rechtschreibprüfung ergeben. Selbst einige Satzprogramme unterstützen die Verwendung von Ligaturen nur in recht aufwendiger Weise. Einige Satzprogramme (zum Beispiel TEX) verlagern die Verwendung von Ligaturen in den Ausgabeprozess. Das kann das Problem nur teilweise lösen, da es kontextabhängig ist, ob ein Zeichen als Ligatur gesetzt werden muss oder nicht. Der Setzer muss explizit angeben können, ob eine Ligatur gesetzt werden soll oder nicht (bei TEX z.B. "Kauf\/leute" zur Unterbindung der automatischen Ligatur). Wenn beim Buchsatz Wert auf gutes Aussehen gelegt wird, ist die Verwendung von Ligaturen entweder als spezielle Typen oder zumindest emuliert durch Unterschneiden zwingend notwendig.

Ungewollte Ligaturen können entstehen, wenn ein Text zu eng zusammengerückt wird, um ihn noch auf eine Zeile oder eine Seite zu bekommen, oder wenn ein Drucker oder Bildschirm eine für einen Ausdruck zu geringe Auflösung besitzt. Um das weitgehend zu vermeiden, enthalten gute Fonts entsprechende Informationen zur Optimierung der Darstellung im Druckraster, wie zum Beispiel Hints.

Ligaturen in anderen Schriften

Nicht nur in der lateinischen Schrift gibt es Ligaturen, auch in vielen anderen sind sie vorhanden. Zum Teil müssen sie obligatorisch verwendet werden und sind bedeutungsunterscheidend.

In der arabischen Schrift ist die Form des Zeichens vom Kontext abhängig. Die Zeichen werden aber nicht nur in der Form verändert, sondern auch verbunden, so dass Ligaturen entstehen.

Bei Devanagari wird Vokallosigkeit des Konsonanten in Konsonantengruppen durch Ligatur, am Wortende durch Virama bezeichnet.

Literatur

  • Jan Tschichold: Meisterbuch der Schrift, Ravensburg, 1952, 2. Aufl. 1965
  • Albert Kapr: Schriftkunst, Dresden, 1971, 1996
  • Georg Kandler: Erinnerungen an den Bleisatz, Band 1 (1995) und Band 2 (2001), Minner Verlag, Kornwestheim
  • Carl Faulmann: Das Buch der Schrift, Wien 1880 (Nachdrucke sind erhältlich)