Heinrich Grüber

deutscher evangelischer Theologe, Gegner des Nazi-Regimes, MdV und Friedensaktivist (1891–1975)
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Heinrich Grüber (* 24. Juni 1891 in Stolberg (Rheinland); † 29. November 1975 in Berlin) war ein evangelischer Theologe und Gegner des Nazi-Regimes.

Werdegang

Heinrich Karl Ernst Grüber wurde als ältester Sohn eines Hauptlehrers, der als Junge von einem französischen General erzogen wurde, in Stolberg im Rheinland geboren. Heinrich Grübers Vater legte daher großen Wert darauf, dass sein Sohn mit der französischen Sprache und Kultur konfrontiert wurde. Sein Vater erlitt im Alter von 37 Jahren einen schweren Unfall und wurde pensioniert, woraufhin Geldsorgen die Familie Grüber stark belasteten. In seiner Schulzeit erhielt Heinrich Grüber einen Preis des preußischen Kultusministeriums für seine schulischen Leistungen. Er war der einzige evangelische Schüler seiner Klasse. Nach dem Abitur in Eschweiler trat er das Studium der Philosophie, Geschichte und Theologie in Bonn, Berlin und Utrecht an. Seine Mutter war eine gebürtige Holländerin aus Gulpen, daher war ihm das holländische Volkstum bekannt. 1914 legte er sein erstes theologisches Examen am Berliner Domkandidatenstift ab. Sein Dienst als Pfarramtsvertreter in einer Gemeinde bei Wuppertal, in der Sozialarbeit in Stolberg und ein Stipendat in Utrecht verzögerte seine Einberufung als Soldat im Ersten Weltkrieg, er diente vom Januar 1915 bis zum Frühjahr 1918 als Feldatillerist. In Bonn absolvierte er dann einen Lehrgang zum Militärpfarrer. Er arbeitete viel im sozialen Bereich, unter anderem seit 1926 als Leiter in einem Heim für schwach bagabte und psychopatischer Kinder und Jugendlicher.

Er war Mitglied des Nationalen Clubs, einer konservativen Gruppierung, die auch zum Stahlhelm Kontakte hatte. Nach der Machtübernahme der Nazis war Grüber sogar als Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium im Gespräch, doch bereits Mitte 1933 wandte sich Grüber gegen die Nazis. Er wurde Mitglied des Pfarrernotbundes, schloss sich der Bekennenden Kirche an und wurde 1934 Vertrauensmann des Kreisbruderrates der Bekennenden Kirche für die Diözese Berlin-Land I. Eine enge Freundschaft verband ihn seit dieser Zeit mit Martin Niemöller. Von 1934 bis 1940 war Grüber Pfarrer in Kaulsdorf. 1937 wurde Grüber erstmals von der Gestapo verhaftet.

Heinrich Grüber richtete 1938 das Büro Pfarrer Grüber als Hilfsstelle für evangelische Christen ein, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verfolgt wurden. Grüber organisierte die Emigration von 1700 bis 2000 Juden und konvertierten Juden. Nach zeitweiliger Duldung unter strenger Beobachtung durch die Gestapo wurde das Büro im Dezember 1940 geschlossen, nachdem sich Grüber für Juden eingesetzt hatte, die im Rahmen der sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion ins französische Lager Gurs verschleppt worden waren und ihnen nachgereist war. Die Mitarbeiter Grübers wurden verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und größtenteils dort umgebracht.

Haft

Auf Befehl Heydrichs wurde Grüber am 19. Dezember 1940 verhaftet und im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Von 1941 bis 1943 war er Häftling im KZ Dachau. Er war Blockältester und dolmetschte für holändische und flämische Gefangene. Bei einer Razzia wurde Grüber durch zwei Wärter so lange geschlagen, bis er alle Zähne verloren hatte. In Dachau erlitt Grüber mehrere Herzinfarkte und wurde am 23. Juni 1943 freigelassen, nachdem sich sein Schwager E.H. Vits, ein Industrieller, für ihn eingesetzt hatte. Grüber übernahm unter strengen Auflagen wieder seine Pfarrstelle in Kaulsdorf.

Nachkriegszeit

Nach der Befreiung Berlins nahm Grüber Kontakt zum sowjetischen Stadtkommandanten Bersarin auf und wurde zeitweilig Kaulsdorfer Bürgermeister. 1945 wurde Grüber Probst an St. Nikolai und St.Marien in Berlin Mitte. Er wurde stellvertretender Leiter des Beirats für Kirchenfragen beim Berliner Magistrat. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der CDU. 1948 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität. Er gründete die Gesellschaft für ehemalige Opfer rassischer Verfolgung. Von 1949 bis 1958 war er als Generalbevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Regierung der DDR tätig. Nach einer sehr politischen Predigt 1953 und nach dem Tod des Leiters der DDR-CDU Otto Nuschke 1957 kam Grüber wiederum ins Visier der Machthaber. Nach dem Mauerbau 1961 wurde Grüber nach West-Berlin abgeschoben. Dort setzte er sich weiter für die christlich-jüdische Verständigung ein. Er predigte gegen den Rüstungswettlauf und den Kalten Krieg samt seiner atomaren Bedrohung. Grüber war Gründungs- und Kuratoriumsmitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin e.V. Beim Eichmann-Prozess 1961 war er der einzige Nicht-Jude, der als Zeuge gegen den Angeklagten aussagte. 1965 wurde ihm die Carl-von-Ossietzky-Medaille verliehen. 1966 wurde er zum Ehrenpräsidenten der deutsch-israelischen Gesellschaft ernannt. 1968 veröffentlichte er seine Memoiren „Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten“. Am 8. Mai 1970 erhielt Grüber zum 25. Jahrestag der deutschen Kapitulation die Ehrenbürgerwürde von Berlin. Er starb 1975 in Berlin an Herzversagen und wurde in einem Ehrengrab auf dem Evangelischen Friedhof der Domkirchengemeinde in der Müllerstraße in Berlin beerdigt.

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