Niederdeutsche Sprache
Die niederdeutschen Sprachen (Eigenbezeichung: Nederdüütsch, Plattdüütsch, Nedersässisch) gehören zum Dialektkontinuum der kontinentalen westgermanischen Sprachen, zusammen mit den hochdeutschen Sprachen (südlich der Benrather bzw. Uerdinger Linie), die von der hochdeutschen Lautverschiebung beeinflusst sind. Darüber hinaus weisen die niederdeutschen Sprachen Ähnlichkeiten mit dem anglo-friesischen Zweig der westgermanischen Sprachen auf. Die niederdeutsche Sprache wurde in der Frühzeit der Germanistik in drei Gruppen aufgeteilt: in niederfränkische Sprache, die niedersächsische Sprache und die ostniederdeutsche Sprache.
Status
Der Status des Niederdeutschen galt in der Sprachwissenschaft des 20. Jahrhunderts als umstritten; für eine Kategorisierung als "Dialekt" sprach die funktionale Beschränktheit, während das formale Inventar wie auch die Selbsteinschätzung der Mehrheit der Sprecher als Argumente für eine Kategorisierung als eigenständige Sprache dienten.
Das Niederdeutsche ist im Rahmen der Sprachencharta des Europarats in Deutschland und in den Niederlanden offiziell anerkannte und geschützte Regionalsprache. Die diesbezüglichen Regelungen sind 1999 in Kraft getreten. In einigen deutschen Ländern gibt es Regelungen gegen die Diskriminierung des Niederdeutschen. So sind in Schleswig-Holstein die Behörden verpflichtet, Anfragen und Anträge auf „Plattdeutsch” nicht nur zu bearbeiten, sondern auch auf „Plattdeutsch” zu beantworten. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass auch Patentanträge beim Bundespatentamt in München auf Plattdeutsch gestellt werden können. In den Niederlanden ist das Niedersächsische (Saksisch oder Nedersaksisch) als weitere Amtssprache offiziell anerkannt. Das Niederdeutsche wird in Deutschland als einzige Regionalsprache geführt.
Die Sprache Niederdeutsch tritt in einer Vielzahl regionaler Varietäten auf. Es gibt also zahlreiche Mundarten des Niederdeutschen.
Die letzte umfassende Erhebung zum Sprachstand des Niederdeutschen wies 1984 für die damalige Bundesrepublik rund 8 Millionen Sprecher der Regionalsprache aus. Für 2006 ist von 5 bis 8 Millionen Sprechern auszugehen.
Name
Aus der altniederdeutschen Zeit ist kein einheimischer Name für die altniederdeutsche Sprache belegt. In lateinischen Texten findet man den Ausdruck lingua Saxonica (in etwa "sächsische Sprache"). [1]
In der mittelniederdeutschen Zeit wurde das Niederdeutsche von seinen Sprechern oft düdesch oder to düde genannt, besonders als Abgrenzung gegenüber fremden Sprachen und gegenüber dem Lateinischen. So gab es in manchen norddeutschen Städten im 15. Jahrhundert die düdeschen schrifscholen im Gegensatz zu den gelehrten Lateinschulen. [1]
Wenn man die eigene Sprache gegenüber dem Hochdeutschen oder dem Niederländischen abgrenzen wollte, konnte man Begriffe wie unse düdesch, sassesch düdesch oder moderlike sprake verwenden. Im 15. und 16. Jahrhundert waren Begriffe mit sassesch am gebräuchlichsten: sassesch oder sassesche sprake, später auch mit Vorsilbe: nedder-sassesch. Seit dem 16. Jahrhundert findet man auch die Begriffe nedderdüdesch und nedderlendesch. [1]
Im 17. Jahrhundert kommt der Begriff Plattdeutsch auf, der sassesch usw. verdrängt und zum allgemeinen Namen für das Niederdeutsche wird. Dieser neue Name für das Niederdeutsche kommt aus dem Niederländischen. Der früheste Beleg befindet sich in einem Neuen Testament, das 1524 in Delft gedruckt wurde. In Titel und Vorwort heißt es, das Buch sei in goede platten duytsche verfasst, also in guter klarer Volkssprache (im Gegensatz zur weniger gut verständichen Gelehrtensprache). Das niederländische Adjektiv plat bedeutet nicht "unberührt von der hochdeutschen Lautverschiebung" oder "vom flachen Lande", sondern "klar, deutlich, jedermann verständlich". [1]
Siehe auch Plattdeutsch und Niederländisch (Name).
Begriff „Niederdeutsch“
Der Begriff „Niederdeutsch“ wird heutzutage recht unterschiedlich verwendet und kann in der zeitgenössischen Literatur verschiedenen Konzepten entsprechen. Der belgische Sprachwissenschaftler Goossens zählt bis zu zehn verschiedene Bedeutungen.
Die Unterschiede beziehen sich hauptsächlich auf die räumliche Verbreitung, vor allem die Ost-West-Ausdehnung: So beziehen einige Wissenschaftler den Begriff „Niederdeutsch“ nur auf die Varietäten Norddeutschlands, andere beziehen ihn auf Norddeutschland und den Nordosten der Niederlande (Niederdeutsch gleichbedeutend mit Niedersächsisch), noch andere auf Norddeutschland und den gesamten niederländischen Sprachraum (Niederdeutsch im weiteren bzw. historischen Sinne). Auch hinsichtlich der Südgrenze zeigen sich unterschiedliche Definitionsansätze: So ist dies bei den unterschiedlichen Forschern die Uerdinger Linie, die Benrather Linie, die Eifellinie und eine noch weiter südlich verlaufende Linie (Hunsrück-Linie oder Speyerer Linie).
Für das Altsächsische besteht diese Unklarheit nicht. [2]
Geschichte
Durch die Völkerwanderung breitete sich der Sachsenstamm - und damit auch seine Sprache - nach Süden, Südwesten und nach England aus. Die auf dem Kontinent verbliebenen Sachsen wurden von Beda Venerabilis als „Altsachsen“ bezeichnet - daher der Name Altsächsisch für die älteste Stufe der niederdeutschen Sprache. Die altsächsische Sprache breitete sich über ein Gebiet aus, das die heutigen Regionen Holstein (ohne Ostholstein), Stormarn, Niedersachsen, Westfalen und die östlichen Niederlande umfasste. Im Wendland (Wenden wurden die Slawen von den Sachsen genannt) gab es noch jahrhundertelang ein slawisch-sächsisches Mischgebiet.
Die angelsächsischen Dialekte und das Altenglische weisen starke Übereinstimmungen mit dem Niederdeutschen (Altsächsischen) auf, da die germanische Bevölkerung Großbritanniens ursprünglich im heutigen Norddeutschland beheimatet war. Aufgrund der französischen (normannischen) Sprachüberlagerung und der Erosion der englischen Grammatik während des Mittelalters haben sich diese Gemeinsamkeiten stark verringert, auch wenn die ursprüngliche Verwandtschaft noch deutlich sichtbar ist. So hat das Englische seinen westgermanischen Grundcharakter nie verloren.
Mit Beginn der Ostsiedlungen (Ostkolonisation) breitete sich die altsächsische bzw. altniederdeutsche, dann seit etwa 1225 mittelniederdeutsche Sprache, weiter nach Osten aus. Neue große Sprachlandschaften entstanden: Mecklenburgisch, Pommersch, Südmärkisch (Brandenburgisch), Niederpreußisch (nicht zu verwechseln mit der baltischen altpreußischen Sprache) und das Niederdeutsche in den Städten und auf den Gutshöfen im Baltikum und in Skandinavien. Außerdem verzeichnete das Mittelniederdeutsche Gebietsgewinne in Schleswig und in Ostfriesland. All diese neuen Sprachgebiete des Niederdeutschen sind sogenannte Kolonisationsschreibsprachen oder Kolonisationsmundarten, die einige Besonderheiten in der Grammatik und im Wortschatz aufwiesen. So lautet der Einheitskasus der Verben noch heute in den Dialekten des Altlandes (bereits in altsächsischer Zeit niederdeutsches Sprachgebiet) lautgesetzmäßig -(e)t, also anstelle des hochdeutschen wir mach-en, ihr mach-t, sie mach-en im Westniederdeutschen: wi maak-t, ji maak-t, se maak-t. Im Ostniederdeutschen, im Schleswiger Platt und im ostfriesischen Platt lautet er hingegen -en, also wi mak-en, ji mak-en, se mak-en.
Während das Niederfränkische in den Niederlanden und Belgien – bedingt durch die Eigenstaatlichkeit nach dem Westfälischen Frieden – deutsche Schrift- und Kultursprache wurde bzw. blieb, sind die niederdeutschen Mundarten (in Deutschland und in den Niederlanden) gegenüber der hochdeutschen Sprachform bzw. der so genannten hochniederländischen Sprachform auf dem Rückzug. Allein in ländlichen Gegenden werden auch heute noch im täglichen Umgang der Menschen die niederdeutschen Dialekte gesprochen.
Der fortschreitende Niedergang des Niederdeutschen vollzog sich in zwei Phasen. Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert musste das Niederdeutsche zunächst den Schriftsprachenstatus an das Hochdeutsche abtreten. Nach den Kanzleien der Fürsten und Städte ging auch das gebildete Bürgertum im schriftlichen Sprachgebrauch zum Hochdeutschen über. Zwar bediente sich der größte Teil der norddeutschen Bevölkerung im mündlichen Umgang weiterhin des Niederdeutschen, doch sein Funktions- und Prestigeverlust wirkte sich so nachhaltig aus, dass im Laufe der Zeit eine gesellschaftliche Schicht nach der anderen das Hochdeutsche annahm. Schließlich war die alte Sprache der Region im wesentlichen nur mehr in der Form der Alltagsmundart „kleiner Leute“, und hier insbesondere der Landbevölkerung, lebendig.
Im Zuge der Entwicklung zur modernen Gesellschaft wurden dann die Entfaltungs- und Überlebenschancen des Niederdeutschen immer stärker beschnitten. Die sozialen Prozesse des 19. und 20. Jahrhunderts bedrohten seine Existenz selbst als randständige Volkssprache. Industrialisierung und Urbanisierung schränkten die Möglichkeit zum Gebrauch des nunmehr mundartlichen Niederdeutschen nicht nur immer weiter ein, sondern führten letzten Endes häufig auch zur Auszehrung und Auflösung der örtlichen Sprachgemeinschaft, in der die regionale Volkssprache ihren eigentlichen Lebensraum besaß. Die Bürokratisierung des gesellschaftlichen Lebens sowie die Demokratisierung der Bildung durch das allgemeine Schul- und Bildungswesen förderten und festigten endgültig den Übergang der Bevölkerungsmehrheit zum Hochdeutschen als Gemeinschaftssprache..
In einem langen Prozess wurde das Niederdeutsche aus Kirche, Schule, Politik, Literatur und Wissenschaft, ab dem 20. Jahrhundert auch aus den meisten Familien, verdrängt. Aber auch massive Zuwanderungen von Menschen aus anderen Dialekträumen nach dem II. Weltkrieg haben zur Erosion der Sprache in den vergangenen 50 Jahren beigetragen. Regionale Wiederbelebungsversuche können diesen von den Massenmedien zusätzlich beschleunigten Vorgang nicht aufhalten.
Das Niederdeutsche war einst eine bedeutende Schriftsprache. Es war die Verkehrssprache der Hanse und lange Zeit die lingua franca des Nord- und Ostseeraumes. Unter Sprachforschern bezeichnet man diese sprachgeschichtliche Entwicklungsperiode als Mittelniederdeutsch (ungefähr 1200–1600). Unter »Mittelniederdeutsch« versteht man also nicht nur die Schriftsprache, sondern auch die vielfältigen Dialekte der damaligen Zeit (die sich heute jedoch nur schwer rekonstruieren lassen). In der mittelniederdeutschen Schriftsprache hingegen liegen zahllose, bis in die Neuzeit hinein verfasste schriftliche Dokumente, Bücher und Urkunden vor. Sprachzentrum der damaligen Zeit war die Hansemetropole Lübeck; nach dem Zusammenbruch des Städtebundes wurde das Niederdeutsche auf regionaler Ebene lange weiterverwendet.
In Norddeutschland wurde das Niederdeutsche als Schriftsprache immer mehr vom Hochdeutschen verdrängt und sank auf Dialektniveau herab. In Hamburg und Bremen gab es bis in die letzten Jahrzehnte eine »vornehme« plattdeutsche Umgangssprache, die sich von den ländlichen Mundarten deutlich abhob. Sie ist das letzte Relikt der gehobenen Schriftsprache früherer Zeiten.
Die meisten Dialekte des Niederländischen (Holländisch, Brabantisch, Flämisch, Gelderländisch, Limburgisch bzw. Maasländisch) zählen zum Niederfränkischen und verliehen dem Niederländischen seine unverwechselbare Aussprache. Das heutige Niederländische wurde noch zu Beginn des 20. Jhrhd. als Niederdeutsche Sprache („Nederduitsche Taal”) bezeichnet, die niederländische reformierte Kirche hieß bis Mitte des 20. Jhrhd. noch offiziell 'Niederdeutsche reformierte Kirche' („Nederduitsch Hervormde/Gereformeerde Kerk”). Eine bedeutende Strömung der protestantischen Kirche in Südafrika heißt bis auf den heutigen Tag offiziell „Nederduitsch Hervormde Kerk“.
Stammbaum
Niederdeutsch, Nederdüütsch, Nederdytsch, Nederduytsch, Nederduitsch, Nederduits, „Dietsch“
- Niederfränkisch, besser bekannt als Standardniederländisch (Niederlande, Belgien und Frankreich - in der äußersten Nordostecke bei Dünkirchen, also im historischen Flandern; Deutschland - die niederfränkischen Dialekte am Niederrhein)
- Plattdeutsch (Plattdüütsch)
- Niedersächsisch, auch Westnedersäksisch oder Westnedersässisch (Norddeutschland, Niederlande)
- Ostniederdeutsch (Deutschland, z.B. Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg und aussterbend in den ehemaligen deutschen Ostgebieten Pommern, Ostpreußen, Westpreußen, Memelland - im heutigen Polen, Litauen sowie Russland.
- Plautdietsch oder auch niederpreußische Sprache (entstanden an der Weichselmündung bei Danzig, durch mennonitische Auswanderer weit verbreitet, so heute insbesondere in Nordamerika)
In Deutschland wird der Begriff Niederdeutsch häufig als Synonym für die Niedersächsische Sprache („die sächsische Sprache des niederen Landes“) benutzt. Die Niederdeutsche Sprache, im Sinne des sprachwissenschaftlichen Terminus Niedersächsische Sprache, ist seit 1998 als Regionalsprache anerkannt und durch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen geschützt. In der Wissenschaft hat sich eine Niederdeutsche Philologie bereits in den Anfängen von der übrigen Deutschen Philologie verselbständigt. Die Mehrzahl der Sprecher des Niederdeutschen waren immer von der Eigensprachlichkeit des Niederdeutschen überzeugt. Das Niederdeutsche (Niedersächsische) teilt noch heute beinahe den gesamten Wortschatz mit dem modernen Niederländischen (mit Ausnahme weniger Entlehnungen und Weiterbildungen). Auch die Formenlehre/ Grammatik stimmt in beiden Varianten überein. Elementare Unterschiede bestehen in der Aussprache (das gilt nicht für das Niederfränkische am deutschen Niederrhein, das oft dem Niederländischen zugerechnet wird).
Merkmale
Lautstand
Die niederdeutschen Sprachen haben - wie auch die weiteren westgermanischen Sprachen: das Niederländische, das Friesische und das Englische - die zweite germanische oder hochdeutsche Lautverschiebung nicht oder nur zu einem sehr geringen Teil mitgemacht. Daher sind viele Worte der niederdeutschen Sprachen ähnlich den entsprechenden englischen, dänischen, schwedischen, norwegischen und isländischen Worten, z.B.
- nd. Water; engl. water; dän. vand (Wasser)
- nd. Vader, Vadder; engl. Father; dän. far (Vater)
- nd. Pann, Panne ; engl. pan (Pfanne)
- nd. Salt; engl. salt; dän. salt (Salz)
- nd. Melk; engl. milk; dän. mælk (Milch)
- nd. Köppen; engl. cup (Tasse)
In der niederländischen Sprache, sowie in einigen westniedersächsischen Dialekten wird das g als hartes ch gesprochen (für das weiche ch wird ǧ geschrieben), im Westfälischen als weiches ch. Ausführliche Informationen zum Lautstand des Niederdeutschen finden Sie hier.
Grammatik
- Artikel haben (anders als im Hochdeutschen) nur zwei Geschlechter: geschlechtlich und sächlich
- de Mann / de Man (der Mann)
- de Fru / de vrouw (die Frau)
- dat Kind / het Kind (das Kind)
- Die Personalpronomina sind einander ähnlich, insbesondere hat die dritte Person Singular eine andere Wurzel als im Hochdeutschen (he statt er)
- Singular: Ik, du/je, he/hij, se/ze, dat/et,het (ich, du, er, sie, es)
- Plural: Wi/wij, ji/jullie, se/ze (wir, ihr, sie)
- Possesivpronomina
- Singular: mien/mijn, dien/dijn, sien, hör/ehr/har (mein, dein, sein, ihr)
- Plural: uns/onz, jo, hör
- Demonstrativpronomina haben (anders als im Deutschen) nur zwei Genera: geschlechtlich und sächlich
- Singular: disse, dit(dieser/diese, dieses, jener/jene, jenes)
- Plural: disse/düsse/dese/deze, de/die (diese, jene)
Das Präfix ge- für die Charakterisierung des Partizips Perfekt und davon abgeleiteter Substantive ist - ähnlich, wie in der hochdeutschen Sprachentwicklung - zunächst in die Schriftsprache (mittelniederdeutsch und mittelniederländisch) integriert worden, im nordniedersächsischen und ostniederdeutschen Raum (Nordniedersächsisch und Mecklenburgisch) jedoch nicht vollständig. Dort ist dieses Sprachmerkmal, vermutlich auch unter Einfluss der schwedischen und dänischen Regentschaft in Teilen Norddeutschlands sowie der Beziehungen zu Skandinavien in der gesprochenen, später auch der geschriebenen Sprache nicht mehr aufzufinden. Dementsprechend findet man dieses Präfix im Niederländischen, Westfälischen und Ostfälischen, aber nicht im Ostfriesischen, Nordniedersächsischen und Mecklenburgischen. Im Weserplatt findet sich das Präfix abgeschwächt wieder, obwohl es dem Nordniedersächsischen zugerechnet wird.
- ndl. gekocht, westf. gekoopt, weserpl. 'ekofft, nnds. kööpt, dän. købt (gekauft)
- ndl. geslapen, nnds. slapen, weserpl. 'eslapen, engl. slept (geschlafen)
Das Perfekt und Plusquamperfekt wird - ähnlich wie im Deutschen - mit dem Hilfsverb hebben gebildet.
Das Futur wird zum Teil - anders als im Deutschen und ähnlich wie im Englischen mit dem Hilfsverb sölen/schölen/zullen (verwandt, aber nicht bedeutungsidentisch mit dem Deutschen sollen gebildet
- Ik schall na School gahn kann sowohl Ich werde zur Schule gehen als auch Ich soll zur Schule gehen bedeuten. Tatsächlich bevorzugt das Niederdeutsche aber - wie auch das gesprochene Hochdeutsche, reines Präsens zur Bezeichnung des Futurs ("Ik gah mörgen na School to.")
Zum Teil wird das Futur wie im Hochdeutschen mit dem Verb waarn (=werden-) gebildet: Ick waar moorgn to School gaahn (Ich werde morgen zur Schule gehen).Beide Möglichkeiten sind gleichwertig verwendbar.
Das Kasussystem ist - parallel zum Englischen und den skandinavischen Sprachen - auf drei Fälle vereinfacht, Akkusativ und Dativ sind zum Objektiv vereinigt:
- Ik kiek den Mann an (Ich sehe den Mann an, Akkusativ)
- Ik geev den Mann Geld (Ich gebe dem Mann Geld, Dativ)
Diese Entwicklung setzte zunächst im Norden des niederdeutschen Sprachgebiets ein, setzte sich dann aber nach Süden (Niederländisch, Westfälisch) weiter durch. Im Ostfriesischen sind bei den Substantiven auch Subjektfall und Objektfall zusammengefallen.
Die Satzstellung ist im Plattdeutschen wesentlich flexibler als im Hochdeutschen. Zum Beispiel sind Sätze wie: Ick mach dat nich und gaahn rut bi Regn (hochdt. wörtlich: Ich mag es nicht und gehen hinaus bei Regen) normal. Dieser Gebrauch des Infinitivs ist ein weiterer Unterschied zum Hochdeutschen. Alternativ könnte man allerdings auch Ick mach dat nich, bi Regn rut tou gaahn sagen.
Mentalität
Plattdeutsch ist von der Ausdrucksweise her eine wesentlich „lockerere“ Sprache als Hochdeutsch, blumiger im alltäglichen Ausdruck.
Beispiele:
- He kick aals een Buddel Wuss (hochdt.: Er guckt wie eine Flasche Wurst als Beschreibung für einen komischen Gesichtsausdruck)
- He quäält sick als een Kükn in de Dranktünn (hochdt.: Er quält sich wie ein Küken in der Sahnetonne, wenn jemand sich „abrackert“)
Zudem wird wesentlich häufiger als im Hochdeutschen im alltäglichen Umgang miteinander geflucht und geschimpft - ohne, dass man es böse meint oder sich jemand beleidigt fühlt („oller küerkloss”).
Siehe auch
Weblinks
Quellen
- ↑ a b c d Willy Sanders, Sachsensprache, Hansesprache, Plattdeutsch - Sprachgeschichtliche Grundzüge des Niederdeutschen, Göttingen 1982, ISBN 3-525-01213-6; Seiten 24-27
- ↑ Jan Goossens, Niederdeutsche Sprache - Versuch einer Definition; in: Niederdeutsch - Sprache und Literatur, hrsg. von Jan Goossens, Band 1 - Sprache, Neumünster 1973, S. 9-27