Die Christengemeinschaft ist eine christliche Religionsgemeinschaft, in der zum Verständnis der biblischen Botschaft auch die Anthroposophie zu Hilfe genommen wird. Sie versteht sich nicht als Bekenntnis-, sondern als Kultusgemeinschaft.
Synonyme und andere Sprachen
Abkürzung ist CG, die englische Bezeichnung The Christian Community, die französische La Communauté des chrétiens.
Verbreitung
Die Christengemeinschaft ist in 32 Ländern vertreten und hat weltweit etwa 35 000 Mitglieder. In Deutschland gibt es etwa 140 Gemeinden, in der Schweiz 12, in Österreich 6.
Es existieren heute Gemeinden in allen fünf Erdteilen. In Deutschland hatte die Christengemeinschaft im Jahr 2002 ca. 10 000 Mitglieder sowie 50 000 Freunde [1]. Nach anderer Quelle sind es 20 000 Mitglieder [2].
Seit 1933 besteht in Stuttgart ein Priesterseminar, seit 2001 eines in Hamburg, seit 2003 auch in Chicago.
Lehre
Die CG beruft sich auf Christus als den Schöpfer der Welt, der als Jesus von Nazareth Mensch wurde. In ihm finden Gläubige Lebenskraft und Fortbestehen. Die Priester der Christengemeinschaft sind an keine Lehre gebunden, sie haben Lehrfreiheit. Einzige Ausnahme ist das Lehren gegen den gegebenen Kultus.
Die Christengemeinschaft ist die einzige religiöse Gemeinschaft, die anthroposophisches Gedankengut in ihre Auseinandersetzung mit den religiösen Fragen miteinbezieht. Sie macht bei dieser Einbeziehung aber auch vor keinem anderen Denken Halt. So wird auch buddhistisches, hinduistisches, esoterisch islamisches, neugnostisches und theosophisches Gedankengut bewegt und gepflegt.
Das Glaubensbekenntnis wurde ebenso wie die liturgischen Texte durch den modernen Eingeweihten Rudolf Steiner vermittelt, beides gilt als unveränderbar.
Das Glaubensbekenntnis der Christengemeinschaft
- "Ein allmächtiges geistig-physisches Gotteswesen ist der Daseinsgrund der Himmel und der Erde, das väterlich seinen Geschöpfen vorangeht.
- Christus, durch den die Menschen die Wiederbelebung des ersterbenden Erdendaseins erlangen, ist zu diesem Gotteswesen wie der in Ewigkeit geborene Sohn.
- In Jesus trat der Christus als Mensch in die Erdenwelt.
- Jesu Geburt auf Erden ist eine Wirkung des Heiligen Geistes, der, um die Sündenkrankheit an dem Leiblichen der Menschheit geistig zu heilen, den Sohn der Maria zur Hülle des Christus bereitete.
- Der Christus Jesus hat unter Pontius Pilatus den Kreuzestod erlitten und ist in das Grab der Erde versenkt worden.
- Im Tode wurde er der Beistand der verstorbenen Seelen, die ihr göttliches Sein verloren hatten;
- dann überwand er den Tod nach dreien Tagen.
- Er ist seit dieser Zeit der Herr der Himmelskräfte auf Erden und lebt als der Vollführer der väterlichen Taten des Weltengrundes.
- Er wird einst sich vereinen zum Weltenfortgang mit denen, die Er durch ihr Verhalten dem Tode der Materie entreißen kann.
- Durch ihn kann der heilende Geist wirken.
- Gemeinschaften, deren Glieder den Christus in sich fühlen, dürfen sich vereinigt fühlen in einer Kirche, der alle angehören, die die heilbringende Macht des Christus empfinden;
- sie dürfen hoffen auf die Überwindung der Sündenkrankheit, auf das Fortbestehen des Menschenwesens und auf ein Erhalten ihres für die Ewigkeit bestimmten Lebens. -
- Ja, so ist es."
Unterschiede zur traditionellen christlichen Lehre
Christus wird als der Sohnesgott -- in der Dreifaltigkeit: Vater, Sohn, Heiliger Geist -- bezeichnet. Dieser hat sich für drei Jahre in dem jüdischen Eingeweihten Jesus inkarniert und hat in ihm den irdischen Tod erlebt. Sein Tod am Kreuz bewirkte, dass der verschüttete göttliche Geistfunke im Menschen wieder lebendig wurde. Christus wurde zum Ich der neu werdenden Erde, deren Aura sich veränderte und die dadurch auch einen Weg der Vergeistigung betrat. Die Wiederkunft Christi geschieht stufenweise, als ätherischer, astraler und kosmischer Christus.
Menschenbild:
Der Mensch ist im Kern ein geistiges, also göttliches Wesen; erst der ihm erteilte Schöpferfunke, das "Ich", macht ihn zum Menschen. Da der Mensch in den Entwicklungsprozess des Kosmos und in ein ersterbendes Erdendasein eingebettet ist, musste er den Sündenfall erleben, der als ein tatsächliches Fallen, nämlich als ein Herabsinken in Stoffes-Finsternis verstanden wird. Die Christengemeinschaft vertritt eine Reinkarnationslehre westlicher Prägung, bei der der menschliche Geist sich in fortgesetzten Reinkarnationen immer höher entwickelt.
Schöpfungslehre und Eschatologie
Anstelle der Schöpfung einer „fertigen“ Welt setzt die Christengemeinschaft (wie die Anthroposophie) einen evolutionären Weltprozess. In einem früheren Weltenzustand waren Geist und Physis noch nicht getrennt (und die Physis weniger „materiell“ als heute). Der Kosmos macht eine stufenweise geistige Höherentwicklung durch, hin zu einer Welt des Geistes. Ziel der kosmischen Entwicklung ist die Einswerdung mit Gott. Eine Auferstehung des Fleisches wird bejaht, jedoch nicht als plötzliches Ereignis gesehen.
Gottesdienst und Praxis
Der Kultus wird in der jeweiligen Landessprache vollzogen.
Sakramente
Die Christengemeinschaft sieht sich als Kultusgemeinschaft. Ihre zentrale Feier ist die "Menschenweihehandlung", die rein formal gesehen in ihrer Liturgie mit den Hauptteilen "Evangeliumlesung - Opferung - Wandlung - Kommunion" Ähnlichkeiten zur katholischen Eucharistie aufweist. Allerdings sind äußere Raumgestaltung, Wortlaut und Stimmung vollkommen anders geprägt; es gibt keinerlei Dogmen, die Stellung des Gemeindegliedes ist durchaus eine freie, die auch kritische Auseinandersetzung mit dem kultischen Geschehen und damit bewusstseinsmäßige Vertiefung einschließt. An der Menschenweihehandlung (mit der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi und der Kommunion) kann jeder Erwachsene teilnehmen, dem ein religiöses Leben Bedürfnis ist.
In den Sakramenten werden den Gläubigen die verwandelnden Christus-Kräfte verliehen. Die Übung im Gemeindeleben miteinander erstreckt sich unter anderem darauf, dies auch bewusst nachzuvollziehen. Es werden prinzipiell keine Erkenntnis- und Erfahrungsgrenzen vorausgesetzt.
Man spricht in der Christengemeinschaft vom "Kreis der Sakramente": Um das Zentralsakrament, die "Menschenweihehandlung" mit/ohne Predigt, die vom Erwachsenen sonntäglich, aber auch bis zu täglich besucht werden kann, scharen sich die sechs anderen Sakramente, die bis auf eines, die "Beichte" oder "Schicksalsberatung", von der Idee her nur einmalig in der Biographie vollzogen werden.
Die Taufe der Christengemeinschaft mit den Substanzen Wasser, Salz und Asche ist ein Sakrament, das auf die Trinität (Dreifaltigkeit) Bezug nimmt und in ihrem Namen vollzogen wird. Im Unterschied zur traditionellen christlichen Auffassung hat sie nichts mit Sündenvergebung zu tun, da man die Auseinandersetzung mit Sünde und Erlösung dem Leben der Erwachsenen zuordnet. Sie orientiert den Menschen auf die Beziehung zur "Gemeinde des Christus Jesus", die überkonfessionell verstanden wird.
Weitere Sakramente der Christengemeinschaft sind
Darüber hinaus gibt es an kultischen Handlungen
- Die Sonntagshandlung für die Kinder
- Die kultische Feier am Ende eines Tages (zum Beispiel auf Tagungen)
- Die große Form der Predigt
- Die Kinderbestattung
- Die Bestattung: 1.Aussegnung 2. Bestattung (Erd- oder Feuersbestattung)
Die Sakramente werden von dem Priester jeweils in festgeschriebener Weise und in liturgischen Gewändern mit jahreszeitlich zum Teil unterschiedlichen Wortlauten und Farben durchgeführt. Frauen können ebenso wie Männer Priester sein.
Organisation
Rechtliche und wirtschaftliche Organisation
In Deutschland sind die Gemeinden regional zu Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammengeschlossen. Die Christengemeinschaft hat damit die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften. Auf das Recht der Einziehung von Kirchensteuern durch den Staat verzichtet die Christengemeinschaft jedoch ausdrücklich. Sie wird finanziell durch freiwillige Beiträge und Spenden ihrer Mitglieder und Freunde getragen. Das Gehalt der Priester richtet sich nach der wirtschaftlichen Situation der Gemeinde und erfolgt auf einer sozial geprägten Grundlage.
In Österreich ist die Christengemeinschaft eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft.
In der Schweiz ist sie als Verein organisiert.
Alle rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen werden von verantwortlichen Gemeindemitgliedern und Priestern gemeinsam behandelt. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Gemeinden und Regionen wird von sog. Koordinatoren betreut. Der Kultus ist in die besondere Verantwortung der Priester gegeben.
Geistliche Organisation
Die Christengemeinschaft ist in ihrer Priesterschaft hierarchisch aufgebaut. Die Hierarchie betrifft allerdings nicht die Lehre und Seelsorge, sondern ist eine priesterinterne Ordnung, welche die Entsendung der Priester und die ordnungsgemäße Ausübung des Kultus zur Aufgabe hat. Die einzelnen Gemeinden werden in verschiedenen Regionen zusammengefasst, denen jeweils ein "Lenker" zugeordnet ist. An ihrer Spitze steht der Erzoberlenker. Beraten wird dieser von der Priestersynode und dem "Siebenerkreis", dem außer ihm vier Lenker und zwei Oberlenker angehören. Die Frauenordination ist in der Christengemeinschaft seit ihrer Begründung erlaubt und allgemein üblich.
Erzoberlenker
- 1922-1938: Friedrich Rittelmeyer
- 1938-1959: Emil Bock
- 1959-1986: Rudolf Frieling
- 1986-2005: Taco Bay
- seit 2005: Vicke von Behr-Negendanck
Gemeindemitgliedschaft
Mitglied in der Christengemeinschaft wird man nicht durch Geburt, Taufe oder Konfirmation, sondern durch eigenen Entschluss als Erwachsener. Die Aufnahme erfolgt durch das Gespräch mit einem Priester der örtlichen Gemeinde. Es wird seitens der Christengemeinschaft nahegelegt, jedoch nicht zwingend vorausgesetzt, die Mitgliedschaft in anderen Kirchen aufzugeben.
Geschichte
Die Stiftung des Kultus geschah mit entscheidender Hilfe Rudolf Steiners, (siehe auch: Anthroposophie). Die Christengemeinschaft wurde 1922 in Dornach von einem Kreis von 45 zumeist sehr jungen Theologen um die evangelischen Pastoren Friedrich Rittelmeyer (1872-1938) und Emil Bock (1895-1959) gegründet. 1941 wurde sie in Deutschland unter Hitler verboten, 1945 wieder gegründet.
Ökumene
Die Christengemeinschaft ist nicht Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen, da ihre Lehre nicht mit der verfassungsmäßigen Basis des ÖRK übereinstimmt.
Die Taufe der Christengemeinschaft wird, ebenso wie ihre anderen Sakramente, von den Mitgliedern des Ökumenischen Rates der Kirchen und der katholischen Kirche nicht anerkannt. Die Christengemeinschaft erkennt die Taufen der genannten Kirchen an. "Die Christengemeinschaft versteht sich als Teil der einen Kirche Jesu Christi und erkennt in diesem Sinn die Evangelische Kirche an. Sie bejaht die Basisformel des Ökumenischen Rates der Kirchen."Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen., Stuttgart 1993, 267 u.a.
Siehe auch
Literatur
- Hans-Werner Schroeder: Die Christengemeinschaft - Entstehung, Entwicklung, Zielsetzung. 2. Auflage 2001, ISBN 3-87838-649-4
- Hans-Werner Schroeder: Dreieinigkeit und Dreifaltigkeit - Vom Geheimnis der Trinität. 1986, ISBN 3-87838-492-0
- Rudolf Frieling: Vom Wesen des Christentums 1979, ISBN 3-87838-260-X
- Evangelischer Oberkirchenrat Stuttgart (Hrsg.): Zur Frage der Christlichkeit der Christengemeinschaft - Beiträge zur Diskussion. 2004, ISBN 3-935129-14-9
Weblinks
- Die Christengemeinschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Andreas Fincke: Die Christengemeinschaft - Zaghafte Mission, EZW Materialdienst 10/03
- www.religio.de: Die Christengemeinschaft
- Thomas Körbel: Theologische Anmerkungen zur Anthroposophie
- Audio-Beiträge des Deutschlandfunks: [3]
- Wolfgang Behnk, Christengemeinschaft, in: Historisches Lexikon Bayerns
Linkkatalog zum Thema Christengemeinschaft bei curlie.org (ehemals DMOZ)