Der Kosovo-Krieg war eine militärische Auseinandersetzung zwischen der UÇK ("Befreiungs-Armee des Kosovo"), einigen NATO-Staaten (Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Dänemark, Norwegen, Italien, Niederlande, Belgien, Kanada, Portugal, und Spanien) einerseits und der Bundesrepublik Jugoslawien andererseits. Sie fand in der Zeit vom 24. März 1999 bis zum 10. Juni 1999 fast ausschließlich im Gebiet der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien, einschließlich der Provinz Kosovo, Montenegro) statt. Es wurde jedoch auch (durch einen Irrläufer) ein Wohnviertel auf dem Hoheitsgebiet Bulgariens durch die Bundeswehr bombardiert, was Anlass für heftige Kritik war.
Chronologie und Gründe für den Krieg
- 1878 Serbien und Montenegro erhalten auf dem Berliner Kongress die Unabhängigkeit; der Kosovo dagegen verbleibt im Osmanischen Reich.
- 1912/13 In der Folge der beiden Balkankriege gewinnt Serbien den Kosovo, Albanien wird unabhängig.
- 1945 In der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (bzw. ab 1963 Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien) wird Kosovo-Metohija (ab 1970 Kosovo) autonome Region innerhalb der Republik Serbien. Durch die Übertragung mehr oder weniger weitreichender Autonomierechte an einige Volksgruppen bzw. Regionen gelingt es Josip Tito in der Folgezeit, die ethnischen Konflikte in Jugoslawien zu beruhigen.
- 1974 Der Kosovo erhält weitreichende Autonomierechte und weitgehende Selbstverwaltung, was die Spannungen zwischen der kosovo-albanischen Bevölkerungsmehrheit und der serbischen Minderheit wieder verschärft.
- 1981 Die Kosovoalbaner fordern für den Kosovo den Status einer Republik innerhalb Jugoslawiens; daraufhin kommt es zu schweren Unruhen zwischen Kosovoalbanern und Serben, in deren Folge die jugoslawische Regierung den Ausnahmezustand über den Kosovo verhängt.
- 28.3.1989 Aufhebung der Autonomie der Provinz Kosovo durch das serbische Parlament. Bruch der jugoslawischen Bundesverfassung von 1974.
- 1989/90 Als Parlament und Regierung des Kosovo die Unabhängigkeit ausrufen, lässt Milosević beide auflösen.
- September 1991 Während des Zerfalls von Jugoslawien wird nach einem geheimen Referendum die „Republik Kosova” proklamiert, anerkannt nur von Albanien. Eine quasistaatliche Schattenstruktur etabliert sich. Seither versuchen die Kosovo-Albaner durch passiven Widerstand die Weltöffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen.
- 1992 Die Kosovoalbaner wählen den Schriftsteller Ibrahim Rugova zum Präsidenten der „Republik Kosova”. Auch ein Parlament wird gewählt, das jedoch nicht zusammentritt. Die von Rugova ernannte Regierung nimmt ihre Amtsgeschäfte aus dem Exil wahr.
- Während des bosnischen Bürgerkrieges wendet die Nato 1995 erstmals starke Luftangriffe (Operation Deliberate Force) an, um die Respektierung der UN-Schutzzonen durch die bosnisch-serbische Armee zu erzwingen. In der Folge kommt es zum Friedensvertrag von Dayton und zur Stationierung von Nato-Truppen in Bosnien. Der friedliche Widerstand im Kosovo erscheint dagegen als erfolglos und die UCK tritt 1996 in Erscheinung,um zum bewaffneten Kampf überzugehen.
- September/Oktober 1997 Die Kosovoalbaner boykottieren die Wahlen zum serbischen Parlament; es kommt zu schweren Zusammenstößen mit der serbischen Polizei im Kosovo. Bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen der „Republik Kosova” wird Rugova als Präsident bestätigt.
- Operationen der UÇK im Kosovo, gegen staatliche Einrichtungen und die Zivilbevölkerung (Die UÇK wurde noch im deutschen Verfassungsschutzbericht 1998 als "terroristische Vereinigung" eingestuft).
- März 1998 Die serbische Sonderpolizei und Einheiten der jugoslawischen Armee unternehmen eine Großoffensive gegen die UÇK; dabei kommt es auch zu Übergriffen auf die kosovo-albanische Bevölkerung. Unterdessen beschließen die Vereinten Nationen und die Europäische Union Embargos gegen Jugoslawien, um die jugoslawische Staatsführung zum Einlenken oder zumindest zu Gesprächen zu zwingen.
- Juli 1998 Serbische Einheiten unternehmen erneut eine Großoffensive im Kosovo, die auf beiden Seiten zahlreiche Opfer fordert. Innerhalb des Kosovo befinden sich rund 230 000 Menschen – nahezu ausschließlich Kosovoalbaner – auf der Flucht. Die UÇK ruft zum allgemeinen Kampf gegen die "serbische Herrschaft" auf.
- Oktober 1998 Nach einem Ultimatum der NATO erklärt sich Präsident Milosević bereit, der UN-Resolution Folge zu leisten, den größten Teil der serbisch-jugoslawischen Truppen und der Sonderpolizei aus dem Kosovo abzuziehen, die Flüchtlinge heimkehren zu lassen und den Prozess von einer 2 000 Mann starken internationalen Beobachterkommission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) überwachen zu lassen.
- Januar 1999, Die Kämpfe im Kosovo flammen erneut auf. Die NATO erneuert ihre Androhung eines Luftangriffs und ermächtigt ihren Generalsekretär Javier Solana zu Militäraktionen gegen Jugoslawien; zugleich fordert die Balkan-Kontaktgruppe (USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien) ultimativ direkte Verhandlungen zwischen der serbischen Staatsführung und den Kosovo-Albanern.
- Die seit 6. Februar 1999 in Rambouillet unter NATO-Vermittlung laufenden Friedensgespräche zwischen der jugoslawischen Führung und den Führern der Kosovo-Albaner werden am 19. März 1999 unterbrochen. Während die Delegation der Kosovo-Albaner das ihr vorgelegte Papier – wonach der Kosovo innerhalb von Serbien eine umfassende Autonomie erhält, aber unter serbischer Hoheit bleiben soll, die UÇK entwaffnet wird und Nato-Truppen im Kosovo stationiert werden sollen – unterzeichnet, wird dies von der jugoslawischen Delegation verweigert, weil sie eine Stationierung ausländischer Truppen sowohl im Kosovo als auch insbesondere in Serbien selbst ablehnt.
- „Tendenzen zu ethnischen Säuberungen sind weiterhin nicht zu erkennen.“ stand am 22. März 1999 in der Tagesmeldung des Amtes für Nachrichtenwesen der Bundeswehr. Diese speisten sich zu der Zeit aus bis zu 2.000 Einzelmeldungen aus diplomatischen, militärischen, journalistischen, persönlichen, OSZE-Quellen, Satellitenfotos usw. Näheres ist nachzulesen bei General a.D. Dr. Heinz Loquai. Dr. Loquai war damals von der Bundeswehr zur OSZE abgeordnet (siehe Lit.: Loquai 2000).
- Laut OSZE-Beobachtern gab es im März 1999, vor den NATO-Angriffen, im gesamten Kosovo 39 Todesopfer auf beiden Seiten.
- Am 22. März 1999 werden die OSZE-Beobachter wegen erwarteter NATO-Angriffe aus dem Kosovo abgezogen.
- Am 23. März wird von jugoslawischer Seite ein Teil des Rambouillet-Papiers akzeptiert, der Anhang B wird weiterhin abgelehnt. Dieser sieht die Stationierung einer Nato-Friedenstruppe im Kosovo vor, ferner die Versorgung dieser Truppe über jugoslawisches Hoheitsgebiet, dies unkontrolliert und ohne Mitwirkungsrecht der jugoslawischen Regierung, inklusive Nachschublieferungen auf jugoslawischem Staatsgebiet ( oft als "Manöver" mißverstanden).
Der entsprechende Amex B spricht folgerichtig von „manövrieren“ (to maneuver). (Ein Blick auf die Karte zeigt, dass das Kosovo scheinbar weit einfacher über Mazedonien oder Albanien erreichbar gewesen wäre, aber aufgrund der damals sehr schlechten Straßenverhältnisse und der unruhigen Situation in Albanien (u.a. wegen der Ermordung eines Oppositionspolitikers ausgebrochene Unruhen) dieses Land als sicheres Aufmarschgebiet abgeschrieben werden musste.) Sowohl die Nato als auch die albanische Delegation bestehen auf einer Präsenz von Nato-Truppen im Kosovo, da sie den Zusicherungen der serbischen Regierung nicht vertrauen. - Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein warf am 3.Mai den USA vor, sie hätten in Rambouillet militärische Bedingungen gestellt, die "kein Serbe mit Schulbildung" hätte unterschreiben können. Auch ein nicht genannter Vertreter des US-Außenministeriums wurde mit den Worten zitiert: "Wir hängen die Latte bei den Verhandlungen bewusst so hoch, dass die Serben sie nicht überspringen können."
- Joschka Fischer und Rudolf Scharping begründeten Deutschlands Teilnahme am Kriegseinsatz im April mit der Existenz eines, menschenrechtsverletzenden serbischen Hufeisenplanes. Von Kritikern des NATO-Einsatzes wird dessen Authentizität häufig bestritten, bzw. es wird die Auffassung vertreten, dass der Hufeisenplan eine auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen beruhende Rekonstruktion und Interpraetation serb. Aktivitäten durch einen osteuropäischen Geheimdienst gewesen sei.
Kriegsverlauf
Am 24. März 1999 geben der NATO-Generalsekretär Javier Solana und der NATO-Oberbefehlshaber und US-General Wesley Clark Angriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien bekannt. Die NATO-Luftstreitkräfte beginnen ab ca. 20.00 Uhr mit Angriffen auf Jugoslawien. Die erste Angriffswelle richtet sich gegen Ziele der serbischen Luftverteidigung in Belgrad, Priština, Novi Sad und Podgorica. An diesem Angriff sind Marschflugkörper, abgefeuert von U-Booten in der Adria, sowie B-52-Bomber und Kampfflugzeuge beteiligt. Russland kritisiert am 24. März 1999 die NATO-Luftangriffe scharf und droht bei einer Eskalation des Konfliktes mit militärischen Gegenmaßnahmen . Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan erklärt am 24. März, dass der Weltsicherheitsrat "die erste Verantwortung" für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit habe. "Dies ist ausdrücklich anerkannt im Nordatlantischen Vertrag (NATO-Vertrag)". Ohne die NATO-Luftangriffe auf Ziele im Kosovo und im übrigen Jugoslawien zu kritisieren, äußert Annan sein "tiefes Bedauern", dass trotz aller Bemühungen die jugoslawische Regierung auf der Ablehnung einer politischen Lösung bestanden habe. "Es ist in der Tat tragisch, dass die Diplomatie versagt hat. Aber es gibt Zeiten, in denen die Anwendung von Gewalt für die Bemühungen um den Frieden legitim sein könnte."
Während des Krieges werden von der NATO mindestens 35.000 Geschosse (etwa zehn Tonnen) mit abgereichertem Uran verschossen. Die Opferzahlen auf serbischer Seite liegen laut Human Rights Watch (HRW) und der NATO bei 500 Zivilisten und 5.000 serbischen Soldaten. Die serbische Regierung nennt Zahlen von 5.000 Zivilisten und 500 Soldaten. Die Bombardierung mehrerer Chemieanlagen führt zu einer teilweise starken Schädigung der Umwelt. Große Mengen von giftigen Chemikalien verschmutzen Flüsse und das Erdreich. Am 31. März geraten im Grenzgebiet zwischen dem Kosovo und Mazedonien drei US-Soldaten in die Gewalt der jugoslawischen Armee. Sie werden wenige Tage später wieder freigelassen. Am 7. April schließt Jugoslawien seine Grenzen zu Albanien und Mazedonien und treibt die soeben vertriebenen Kosovaren zurück ins Landesinnere. Die ersten Kosovo-Vertriebenen treffen in Deutschland ein. Am 8. Mai wird die chinesische Botschaft in Belgrad von vier GPS-gesteuerten Bomben getroffen. Dabei sterben vier Menschen, etwa 20 werden verletzt. Es kommt zu diplomatischen Verwicklungen zwischen den USA und China. Am 27. März wird über Belgrad ein Tarnkappenbomber vom Typ F-117 "Night-Hawk" abgeschossen, der Pilot kann jedoch von Spezialeinheiten der US Air Force gerettet werden. Das Wrack des abgestürzten Flugzeuges steht heute im Flugmuseum der Stadt Belgrad. Am 9. Juni einigen sich die NATO und Jugoslawien bei Militärverhandlungen in Kumanovo. Am 10. Juni ziehen sich die serbischen Truppen aus dem Kosovo zurück. Die NATO beendet daraufhin das Bombardement. Ein großer Teil der serbischen Bevölkerung verlässt das Kosovo aus Angst vor Racheakten der Albaner.
Deutscher Beitrag am NATO-Einsatz
Für die Bundeswehr war es der erste Kampfeinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die deutsche Luftwaffe beteiligte sich mit Jagdbombern vom Typ Tornado von den italienischen Luftwaffenstützpunkten Piacenza und Aviano. Es wurden Aufklärungs- und SEAD-Einsätze geflogen. Unter anderem kamen über 200 Raketen des Typs AGM-88 HARM zum Einsatz, die gegen feindliche Radarstellungen Verwendung fanden. Die Deutsche Luftwaffe hatte dabei keine eigenen Verluste zu verzeichnen. Allerdings gingen einige zu Aufklärungszwecken eingesetzte Drohnen des Typs CL 289 verloren, wobei überwiegend feindlicher Beschuss durch Flak angenommen wird. In der Adria wurde die Fregatte "Rheinland-Pfalz" stationiert. Später wurde diese durch den Zerstörer Lütjens abgelöst. Siehe auch Nachfolgeeinsatz KFOR.
Opferzahlen
Sowohl zu den Opfern auf albanischer als auch auf serbischer Seite gibt es bis heute nur unterschiedliche und widersprüchliche Angaben:
Opfer im Kosovo
- Der spanische Gerichtsmediziner Perez Pujol (ICTY-Gerichtsmediziner im Kosovo) schätzt, dass die Zahl der getöteten Kosovo-Albaner etwa 2.500 Personen beträgt.
- Das internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag spricht von einer Zahl von bis zu 10.000 Todesopfern auf beiden Seiten.
Opfer in Serbien
- Die NATO und das ICTY beziffern die Opferzahlen auf rund 5.000 serbische Soldaten.
- Die serbische Regierung gibt die gleiche Zahl für die Todesopfer unter ihrer Zivilbevölkerung an.
- Die Hilfsorganisation Human Rights Watch schätzte in einem Bericht vom 7. Februar 2000, dass während des Krieges rund 500 Zivilpersonen bei 90 Zwischenfällen getötet wurden.
Vermisste
Sieben Jahre nach dem Kriegsende im Kosovo gelten 1.500 Personen als vermisst (Stand Juni 2006).
Rechtliche Beurteilung des Krieges
Nach den Regelungen der Charta der Vereinten Nationen ist ausschließlich der Sicherheitsrat befugt, militärische Zwangsmaßnahmen gegen einen Staat zu verhängen. Allerdings lag für den NATO-Einsatz kein Beschluss der Vereinten Nationen vor, da Russland und die Volksrepublik China einer militärischen Intervention nicht zustimmten. Viele Völkerrechtler sind der Ansicht, dass die NATO dem in Artikel 2 Abs. 4 der UN-Charta formulierten Gewaltverbot zuwidergehandelt habe und der Angriffskrieg gegen Jugoslawien völkerrechtswidrig erfolgt sei. (Simma S. 22, Cassese S. 23-24, Hilpold S. 437-442, Joyner S. 597)
Für die Bundesrepublik Deutschland wird von manchen ein Verstoß gegen den 2+4 Vertrag gesehen. So lautet der Vertragstext:
Nach der Verfassung des vereinten Deutschland sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.
Demgegenüber sehen Befürworter der Luftoperationen der NATO den Tatbestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges nicht erfüllt und gehen ferner davon aus, dass auch der 2+4 Vertrag nicht verletzt wurde, u.a auch deswegen weil bereits vor Beginn der Angriffe von einem "friedlichen Zusammenleben der Völker" im Kosovo die Rede nicht sein konnte. Die NATO-Aktion sei sowohl völkerrechtlich als auch verfassungsrechtlich zulässig. Das ergebe sich aus einem notstandsähnlichen Recht zur humanitären Intervention, das es gestatte, zur Abwendung einer humanitären Katastrophe nach Ausschöpfung aller anderen Mittel militärische Gewalt anzuwenden. Dieses Nothilferecht steht damit im direkten Gegensatz zur Ausschließlichkeit der Entscheidungen des Sicherheitsrats über Krieg und Frieden - seine Herleitung ist ungeklärt, wobei allerdings teilweise auf Ableitungen aus dem humanitären Kriegsvölkerrecht der Genfer Konventionen und der allg. gesteigerten Bedeutung der Menschenrechte im Völkergewohnheitsrecht seit 1945 verwiesen wurde. Der militärische Einsatz der NATO fände zur Schaffung des Friedens und zur Abwendung einer humanitären Katastrophe statt und sei notwendig, weil der Weltsicherheitsrat nicht wirksam handeln könne oder wolle. Dagegen sind viele Völkerrechtler der Meinung, dass der unscharfe Begriff einer „humanitären Katastrophe“ das Gewaltverbot der UN-Charta nicht außer Kraft setzen könne (Hilpold S. 448-454, Simma S. 5). Nachdem alle politischen Bemühungen für eine Friedensregelung zwischen den Konfliktparteien erfolglos geblieben waren, beruhte die fakt. Entscheidung zum Krieg auf dem Beschluss des NATO-Rats vom 8. Oktober 1998 über begrenzte und in Phasen durchzuführende Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im Kosovo. Der deutsche Bundestag hat der Beteiligung von Streitkräften der Bundeswehr am 16. Oktober 1998 zugestimmt. Der damals amtierende Justizminister als das fachlich zuständige Kabinettsmitglied, Prof. Dr. Schmidt-Jortzig, beteiligte sich nicht an der Abstimmung. Er hatte seinen Protest gegen die seiner Auffassung nach völkerrechtswidrige Kabinettsvorlage zu den Kabinettsakten gegeben.
Am 29. April 1999 reichte die Bundesrepublik Jugoslawien beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Klage gegen zehn NATO-Mitgliedstaaten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, die Niederlande, Portugal, Spanien und die USA) ein. Nicht beklagt wurden Dänemark, Griechenland, Island, Luxemburg, Norwegen, Polen, Tschechien, Türkei und Ungarn. Die Anklagepunkte der zehn Einzelverfahren beziehen sich in erster Linie auf Verstöße gegen völkerrechtliche Grundsätze wie das Gewaltverbot, Völkermord, das Interventionsverbot sowie die Missachtung des Souveränitätsprinzips. Das Verfahren wurde ohne Entscheidung in der Sache wegen Nichtzuständigkeit des Gerichtes eingestellt, da Jugoslawien während des Krieges kein Mitglied der UN war.
Trotz zahlreicher beim Generalbundesanwalt eingereichter Klagen wegen Verstoß gegen den § 80 StGB (Vorbereitung eines Angriffskrieges) wurden keine Ermittlungen aufgenommen. Allerdings wurde beim Einreichen der Klagen übersehen, dass § 80 StGB sich von Art.26 des Grundgesetzes herleitet, der ausdrücklich nur "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören" unter Strafe zu stellen anordnet. Angesichts der bereits vorhandenen Störung des friedlichen Zusammenlebens im Kosovo und des friedenserzwingenden Motivs im Selbstverständnis der Bundesregierung für ihr Handeln fehlt deswegen eine Absicht im Sinne des Art.26 I GG und § 80 StGB läuft ins Leere.
Diskussion um den Krieg in Deutschland
Zu Beginn der Bombardierung Jugoslawiens am 24. März 1999 war der Widerstand gegen diesen Krieg und gegen die Beteiligung der Bundeswehr marginal. Viele Kriegsgegner, die insbesondere eine Teilnahme deutscher Soldaten an einem von ihnen so bezeichneten Angriffskrieg verhindert sehen wollten, sahen sich durch die politischen Bekundungen, in Jugoslawien müsse ein Völkermord mit dem allerletzten Mittel verhindert werden, in ihrer pazifistischen und moralischen Begründungen gegen jede Art von Krieg tief getroffen. Medienberichte und Aussagen von Politikern wie Bundesverteidungsminister Rudolf Scharping und dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten Joschka Fischer, die die Handlungsweise der serbischen Truppen als Teil eines Völkermordes bezeichneten, waren vor allem im öffentliche Bewusstsein präsent. Gleichwohl gab es von wenigen deutliche Proteste gegen die - von ihnen so bezeichnete - Instrumentalisierung deutscher Geschichte - gemeint war vermutlich Auschwitz - für einen Krieg unter deutscher Beteiligung. Es wurde an den letzten Krieg Deutschlands und die alte, aus dem Ersten Weltkrieg stammende Parole Serbien muß sterbien erinnert und gefordert, dass vor diesem Hintergrund die Bundesrepublik sich aus dem kriegerischen Konflikt herauszuhalten habe.
Zu den prominentesten deutschen Politikern, die gegen die Bombardierung Jugoslawiens opponierten, zählten der damalige SPD-Politiker Oskar Lafontaine, die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sowie der ehemalige OSZE-Vizepräsident und Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer (CDU), der von einem "ordinären Angriffskrieg" sprach und der damaligen Bundesregierung, insbesondere Außenminister Joschka Fischer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping, "Manipulationen" vorwarf. Auch Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt gehörte zu den Kriegsgegnern. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler zog 2004 Parallelen zum Irak-Krieg: "Sowohl die Intervention der USA im Irak als auch die Bombardierung Jugoslawiens und seiner Hauptstadt Belgrad durch die Nato geschah ohne Mandat der Vereinten Nationen. Dies ist von der deutschen Völkerrechtslehre zutreffend und mit Nachdruck als völkerrechtswidrig bewertet worden". Im Irak-Krieg sei die Weltöffentlichkeit mit der Unwahrheit bedient worden, eine vergleichbare Überprüfung der Aussagen deutscher Amtsträger während des Bundeswehreinsatzes gegen Jugoslawien habe es im Bundestag bis heute nicht gegeben.
Im Gegensatz dazu vertraten und vertreten Befürworter die Auffassung, dass gerade die deutsche Geschichte zum Handeln verpflichtet habe , zumal die Vermutung eines Völkermordes angesichts der bosnischen Vorgeschichte mit ihren sog. ethnische Säuberungen und Massakern wie Srebrenica nicht von der Hand zu weisen gewesen wäre und im Vorfeld der Intervention bereits Tendenzen für eine ähnliche Entwicklung im Kosovo evident gewesen seien. Darin liege keine Instrumentalisierung der Geschichte, sondern ein Lernen aus ihr. Eine Position, die aussage, aufgrund der deutschen Verantwortung für Völkermorde unter Hitler dürfe man in Zukunft an der Verhinderung weiterer massiver Menschenrechtsverletzungen nicht teilnehmen, sei zumindest fragwürdig. Einfache Antworten seien hier nicht möglich.
Teilweise wird auch von Seiten der Gegner der Nato-Intervention zugegeben, dass die moralische Argumentation der Nato nicht gänzlich haltlos gewesen ist. So reiste der entschiedene Kriegsgegner Gregor Gysi auf dem Höhepunkt des Konfliktes zu Gesprächen mit Milosevic nach Serbien und bekannte wenig später, - ohne von seiner Kritik abzurücken - von ihm über die Vertreibungen und ihr Ausmaß getäuscht worden zu sein.
Ob der Präzedenzfall eines Bruches der UN-Charta gerechtfertigt war, bleibt offen und wird je nach Standpunkt unterschiedlich beantwortet.
In den Medien wurde der Kosovo-Krieg auch nach Ende der Kampfhandlungen kontrovers diskutiert, mit dem vermutlichen Höhepunkt des Streits um den ARD-Bericht Es begann mit einer Lüge, dessen Recherchemethoden insbesondere vom Magazin Spiegel und der FAZ massiv als grob verfälschend kritisiert wurden.(s.FAZ, 1.3.2001)
Kritik am Kosovo-Krieg
- Die Begründung, mit den NATO-Luftschlägen eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern zu wollen (Gerhard Schröder, 24. März 1999), habe auf Lügen beruht.
- Die NATO führte Krieg ohne UN-Mandat.
- Die NATO-Bomber töteten im Kosovo mit ihren Cluster- und Splitterbomben auch viele Zivilisten, bombardierten versehentlich Flüchtlingstrecks (Kollateralschäden) und setzten auch umstrittene Uranmunition ein.
- Laut der Tageszeitung Die Welt leisteten die Albaner "die erfolgreichste Propaganda des Krieges".
- Laut der parlamentarischen Versammlung der Nato - ein von der Allianz unabhängiges Gremium, das als Bindeglied zwischen dem Bündnis und den nationalen Parlamenten fungiert - habe die UÇK mit Provokationen auf eine Eskalation der Lage im Kosovo hingearbeitet und einen akuten Handlungsbedarf der Nato inszeniert.
Literatur
- Jens Reuter, Konrad Clewing: Der Kosovo-Konflikt. Klagenfurt 2000 ISBN 3851-2932-90
- Gisela Edelbauer: Rechtsgrundlagen der humanitären Intervention unter besonderer Berücksichtigung des Kosovo-Konflikts, Diss. an der Uni der Bundeswehr, Neubiberg 2005.[1]
- Jürgen Elsässer: Kriegslügen. Vom Kosovokonflikt zum Milosevic-Prozess, ISBN 3897068842
- Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Dietrich, Glöde (Hrsg.): FFM-Heft 7: Kosovo. Der Krieg gegen die Flüchtlinge, ISBN 3-922611-79-6
- Larry Minear, Ted van Baarda, Marc Sommers: NATO and Humanitarian Action in the Kosovo Crisis. Providence: Brown University, 2000.
- Malte Olschewski: Der Krieg um den Kosovo. Serbiens neue Schlacht am Amselfeld. Nidda-Verlag 1999. ISBN: 3-9806814-1-6
- Frank Schirrmacher (Hrsg) :Der westliche Kreuzzug, 41 Positionen zum Kosovo-Krieg., Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1999.
- Cathrin Schütz: Die NATO-Intervention in Jugoslawien. Hintergründe, Nebenwirkungen und Folgen. WILHELM BRAUMÜLLER Universitäts- und Verlagsbuchhandlung 2003. ISBN: 3-7003-1440-X.
- Wolf Wetzel: Krieg ist Frieden. Über Bagdad, Srebrenica, Genua, Kabul nach ... ISBN 3-89771-419-1, darin: Die Militarisierung der Erinnerung - die deutsche Geschichte als Kriegs(an-)drohung
- Loquai, Heinz: Der Kosovo-Konflikt, Wege in einen vermeidbaren Krieg. Die Zeit von Ende November 1997 bis März 1999. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2000. ISBN 3789066818
- Daniel H. Joyner: The Kosovo Intervention: Legal Analysis and a More Persuasive Paradigm. In: European Journal of International Law. 13. Jahrgang, Nr. 2, 2002, S. 597–619 (ejil.org [PDF]).
- Peter Hilpold: Humanitarian Intervention: Is There a Need for a Legal Reappraisal? In: European Journal of International Law. 12. Jahrgang, Nr. 3, 2001, S. 437–467 (ejil.org [PDF]).
- Bruno Simma: NATO, the UN and the Use of Force: Legal Aspects. In: European Journal of International Law. 10. Jahrgang, Nr. 1, 1999, S. 1–22 (ejil.org [PDF]).
- Antonio Cassese: Ex iniuria ius oritur: Are We Moving towards International Legitimation of Forcible Humanitarian Countermeasures in the World Community? In: European Journal of International Law. 10. Jahrgang, Nr. 1, 1999, S. 23–30 (ejil.org [PDF]).
Weblinks
- Text des Rambouillet-Abkommens vom 23. Februar 1999 (engl.)
- Es begann mit einer Lüge. Bericht des Journalisten Jo Angerer über den Kosovo-Krieg
- Chronologischer Leitfaden zum Kosovo-Konflikt
- Fotodokumentation über zivile Opfer des NATO-Krieges gegen Jugoslawien (engl.)
- Wolfgang Näser: Aussagen und Fakten zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien
- AG Friedensforschung an der Uni Kassel: Beiträge zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien
- The Law Professors' Network: Völkerrechtliche Betrachtungen des Kosovo-Krieges (engl.)
- Studie der Heinrich-Böll-Stiftung über die Rezeption des Kriegs in Deutschland