Die Nationalratswahl am 1. Oktober 2006 ist die XXIII. in der Geschichte Österreichs. Österreich wählt verfassungsgemäß alle vier Jahre Abgeordnete zum Nationalrat, dem gesetzgebenden Organ der Republik. Für den 1. Oktober als Termin war ein vorzeitiger Auflösungsbeschluss des Nationalrats nötig, den die vier Parlamentsparteien einstimmig am 14. Juli 2006 fassten. Ohne frühzeitige Auflösung hätte die Wahl regulär knapp zwei Monate später, am 26. November 2006, stattgefunden.

Hintergrund
Seit der Nationalratswahl im Jahr 1999 sind einerseits nur noch vier Parteien im österreichischen Nationalrat vertreten, andererseits gab es erstmals in der Geschichte der 2. Republik eine Koalitionsregierung zwischen FPÖ und ÖVP. Nach internen Streitigkeiten in der FPÖ (der sog. Knittelfelder Putsch) wurden im Jahr 2002 vorgezogene Wahlen abgehalten, die der ÖVP mit 42% der Stimmen die relative Mehrheit und eine Fortsetzung der Koalition mit der auf 10% zurückgefallenen FPÖ sicherten. Seit der Spaltung der FPÖ im Frühjahr 2005 sind fünf Parteien (die FPÖ allerdings ohne Klub) mit Abgeordneten im Parlament vertreten (siehe dazu weiter unten). Der Wahltermin im Herbst 2006 ist ein 'regulärer' Wahltermin (obwohl um etwa 7 Wochen vor dem verfassungsmäßig letztmöglichen Wahltermin), da Österreich verfassungsgemäß alle vier Jahre Repräsentanten zum Nationalrat wählt.
Erstmals in der Geschichte Österreichs haben nach diversen Umfragen sieben Parteien Chancen auf den Einzug in den Nationalrat. Von diesen Parteien sind nur die Kommunistische Partei Österreichs und die Liste Hans-Peter Martin zur Zeit nicht im Parlament vertreten; das (als Parteiabspaltung) derzeit im Parlament vertretene Bündnis Zukunft Österreich stellt sich erstmals einer Nationalratswahl.
Zur Wahl stehende Parteien
Österreichische Volkspartei
Die Österreichische Volkspartei tritt mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Spitzenkandidat an. Er wird von einem Personenkomitee bestehend aus Böhler-Uddeholm-Generaldirektor Claus Raidl, der Vorarlberger Speditions-Unternehmerin Heidegunde Senger-Weiss und Tiergarten-Direktor Helmut Pechlaner unterstützt. Das Personenkomitee leitet Christian Gehrer, Sohn der Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. [1]
Im Vorwahlkampf wird von der ÖVP die BAWAG-Affäre aufgegriffen. Derzeit ist die Partei mit einer Plakatkampagne gegen die aus ihrer Sicht mangelnde Wirtschaftskompetenz der SPÖ präsent. Ein ÖVP-Plakat trägt den Text "Gusenbauer-SPÖ kann nicht wirtschaften!" Das Layout des Plakats erinnert stark an Plakate der Sozialdemokraten, vermutlich um gezielt die Anhängerinnen und Anhänger der SPÖ auf die vermeintlichen Nachteile ihrer Partei aufmerksam zu machen.
In Umfragen liegt die ÖVP seit Monaten unter dem Ergebnis der letzten Nationalratswahl. Zuletzt konnte sie aber die SPÖ als Prognosen-Spitzenreiter überholen.
Sozialdemokratische Partei Österreichs
Die Sozialdemokratische Partei Österreichs wird mit Alfred Gusenbauer als Spitzenkandidat in die Wahl gehen.
Im Vorwahlkampf wird von Seiten der SPÖ der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit und die Pensionsreform der Regierung Schüssel thematisiert. Auf einem SPÖ-Plakat ist die Aussage "Schüssels traurige Bilanz: Pensionen immer weniger wert!" zu finden. Das Plakat ist (wie jenes der ÖVP-Kampagne) in der Farbe der Regierungs-Parteien (orange Schrift auf schwarzem Untergrund) gehalten um gezielt potenzielle Wählerinnen und Wähler der ÖVP anzusprechen.
Wahlkampfthemen der SPÖ sind unter anderem:
- Die Eurofighter, die im Falle einer Regierungsbeteiligung storniert werden sollen (die Mitte 2007 von EADS voraussichtlich gelieferte erste Tranche ist derzeit in Fertigstellung - das zweite Flugzeug wurde Ende Juli fertiggestellt [2]).
- Die derzeitige Frauenpolitik der Regierung, insbesondere die Abschaffung des Frauenministeriums im Jahr 2000.
- Im Bereich Bildung setzt sich die SPÖ für weitgreifende Reformen und Budgeterweiterungen ein [3]. Gusenbauer hat bei einer Regierungsbeteiligung die Abschaffung der Studiengebühren versprochen.
Nachdem sie lange den ersten Platz inne hatte, verlor die SPÖ in den zuletzt veröffentlichten Meinungsumfragen zugunsten der ÖVP. Der Grund dafür dürfte die Affäre um die Gewerkschaftsbank Bawag sein, die den von der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter dominierten Österreichischen Gewerkschaftsbund in Turbulenzen stürzte und zu innerparteilichen Streitigkeiten führte.
Freiheitliche Partei Österreichs
Die Freiheitliche Partei Österreichs wird mit Heinz-Christian Strache zur Wahl antreten.
In den Medien wurde die Periode des Vorwahlkampfes bereits zu Beginn des Jahres 2006 eingeläutet, insbesondere das von der FPÖ initiierte Volksbegehren "Österreich bleib frei" wird als erste markante PR-Aktion im Vorwahlkampf gesehen [4]. Die FPÖ plakatiert Anfang August ein "Duell um Österreich" zwischen Wolfgang Schüssel und Alfred Gusenbauer auf der einen Seite und Heinz-Christian Strache auf der anderen Seite.
Auf der Homepage der Freiheitlichen werden vor allem die folgenden 5 Punkte des Programms der Partei hervorgehoben:
- Kein Beitritt der Türkei zur EU und keine Annahme der EU-Verfassung
- Keine Erhöhung des EU-Beitrages Österreichs
- Verschärfung des Staatsbürgerschaftsrechts
- Asylmissbrauch wirksam bekämpfen [5]
Damit fokussiert das Programm auf altbekannten Themen, insbesondere der EU und dem Ausländerthema, das schon bei der Wahl in Wien 2005 erfolgreich propagiert wurde.
Die Grünen
Die Grünen werden mit Spitzenkandidat und Parteichef Alexander van der Bellen in die Wahlen gehen.
Den Vorwahlkampf eröffneten die Grünen im Mai 2006 mit der Präsentation zweier Schwarzbücher. Das "Schwarzbuch Schwarz" beschäftigte sich kritisch mit der Regierungspolitik der ÖVP. Wenige Tage später wurde das "Schwarzbuch Rot" veröffentlicht, das sich der Oppositions-Arbeit der SPÖ widmete. Die Grünen lasten SPÖ und ÖVP "grobe Verstöße" in Menschenrechtsfragen an. Kritisiert wird insbesonders die Zustimmung der SPÖ zur Asyl- und Fremdenrechtsnovelle 2005, die viele Verschärfungen mit sich brachte.
Zentrale Themen sind
- die so genannte „Energiewende“, d. h. ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern
- Vorrang für Frauen auf dem Arbeitsmarkt
- die bedarfsorientierte Grundsicherung, die als Armutsbekämpfungsinstrument dienen soll.
Anfang August machten die Grünen damit aufmerksam, dass sie nach dem Modell von Staaten wie Portugal die lebenslange Haft generell durch eine Obergrenze von 20 Jahren Haft austauschen wollen. Weiterhin soll die in Österreich bereits bestehende Praxis der Haftentlassung nach 2/3 der Strafe gesetzlich verankert werden. [6] Ziel ist es, die teure Haft (100 EUR pro Tag pro Gefangenen) durch billigere Varianten des Strafvollzugs zu ersetzen.
Bündnis Zukunft Österreich
Das Bündnis Zukunft Österreich wird mit dem ehemaligen FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler als Spitzenkandidat zur Nationalratswahl antreten. Westenthaler wurde am 23. Juni 2006 bei einem außerordentlichen Parteitag des BZÖ außerdem zum Nachfolger von Jörg Haider als Parteichef gewählt. Die offizielle Listenbezeichnung soll "Die Freiheitlichen - Liste Westenthaler - BZÖ" lauten, ein Vorhaben, gegen das die FPÖ klagen will. In Kärnten soll die Liste "Die Freiheitlichen - Liste Haider - BZÖ" heißen.
In einem ersten Entwurf für ein Wahlprogramm, den das BZÖ unter dem Titel 10 Punkte gegen einen Linksruck in Österreich präsentiert, weisen viele Forderungen darauf hin, dass sich die Positionen des BZÖ sehr stark mit denen der "alten" FPÖ überschneiden:
- Die Senkung der Ausländerzahlen um 30%
- Die Begrenzung des Ausländeranteils in Schulen
- Schärfere Gesetze gegen "Triebtäter"
- Der EU-Beitritt der Türkei wird kategorisch abgelehnt.[7]
Westenthaler stellt für den Fall einer Regierungsbeteiligung den Anspruch auf die Leitung des Innenministeriums durch ein Mitglied des BZÖ, wogegen sich der einzig mögliche Koalitionspartner ÖVP schon in den vergangenen zwei Legislaturperioden gesträubt hat.
Es ist derzeit unsicher, ob das BZÖ die Vier-Prozent-Hürde überspringen kann. Falls das BZÖ jedoch in seiner Hochburg Kärnten ein Grundmandat in einem Regionalwahlkreis erreicht, ist auch mit weniger Wählerstimmen ein Einzug ins Parlament möglich, jedoch nicht mit Klubstärke.
Kommunistische Partei Österreichs
Die KPÖ tritt mit Mirko Messner als Spitzenkandidat an. Die Kommunisten sind zusammen mit der ÖVP und der SPÖ die einzige österreichische Partei, die an allen Nationalratswahlen der zweiten Republik teilgenommen hat, seit den 50er Jahren ist sie allerdings nicht mehr im Parlament vertreten. Im Wahlkampf setzt die KPÖ zum Teil auf den steirischen Politiker und Landtagsabgeordneten Ernest Kaltenegger, der bei der Gemeinderatswahl in Graz mit 20% der Stimmen eines der besten Ergebnisse in der Geschichte der KPÖ erzielt hat. Nach Umfragen in Juni 2006 [8] hält Kaltenegger die höchsten Sympathiewerte aller Politiker in der Steiermark. Er könnte für die KPÖ das Grundmandat im Gemeindewahlkreis Graz und womöglich im Landeswahlkreis Steiermark erringen.
Im Wahlkampfprogramm hat die KPÖ bisher auf bekannte Modelle, wie eine Reichensteuer und höhere Mindestpensionen und Mindestlöhne gesetzt.
MATIN - Liste Dr. Martin - für Demokratie, Kontrolle, Gerechtigkeit
Ende Juli 2006 hat der EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin die Kandidatur einer von ihm geführten Partei bei den Wahlen bekannt gegeben. Unterstützt wird Martin bei der Wahl von der Kronenzeitung, in der er regelmäßig Gastkommentare veröffentlicht. In der auflagenstarken Sonntagsausgabe der Kronenzeitung durfte Martin am 30. Juli 2006 in einem ganzseitigen Artikel zur Unterstützung seiner Liste aufrufen. [9]
Martins Wahlkampf fällt besonders dahingehend auf, dass seine Kritik an etablierten Parteien im Vordergrund steht und ein gezieltes Werben um Protestwähler als Wahlziel zum Ausdruck gebracht wird. Zu einem möglichen Verbleib im EU-Parlament nach der Nationalratswahl nahm Martin wie folgt Stellung: Wenn 96,1 Prozent der Österreicher sagen, wir sind eh zufrieden mit den herkömmlichen Parteien, dann werde ich mich weiter auf Brüssel konzentrieren [10].
Weitere Parteien
Fünf Parteien haben eine ausreichende Zahl an Unterstützungserklärungen gesammelt, um in regionalen Wahlkreisen kandidieren zu können:
- das Bündnis Neutrales Freies Österreich (NFÖ) [11] (Kärnten, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien)
- die Sozialistische Linkspartei (SLP) mit Sonja Grusch [12] (Wien)
- die Initiativ€2000 mit ihrem Gründer Michael Sommer [13] (Burgenland)
- die Liste "SAU - SICHER ABSOLUT UNABHÄNGIG - Franz Radinger" (Villach/Kärnten)
- die Liste Stark (Kärnten)
Folgende weitere Parteien, die ebenfalls begonnen hatten Unterstützungserklärungen zu sammeln, haben nicht genügend Unterschriften erhalten um ein Antreten bei der Wahl zu ermöglichen:
- die Piraten Partei Österreichs (PPÖ) [14]
- die Bürgerliste Österreichs - Wir Österreicher mit Jowi Trenner und Christine Witty[15]
- die Österreichische Glückspartei (ÖGP) [16]
- der Puch-Klub ÖHA mit Josef T. Zauner [17]
- die Violette Partei Österreichs (VPÖ) mit Peter Reisenbichler [18]
- die Soziale Heimat Partei Österreichs mit Heinz Klötzer [19]
- die Österreichische Bürger- und Wirtschaftspartei (ÖBW) mit Adam Galirow[20]
- „Die Violetten“ mit dem Ehepaar Kurt und Brigitte Schrammel [21]
- die Alpine Pogo Partei Österreichs [22]
Folgende Parteien, die bei der letzten Nationalratswahl kandidierten, werden dieses mal nicht antreten:
- die Christliche Wählergemeinschaft (CWG)
- die Demokraten
- das Liberale Forum (LiF); LiF-Bundessprecher Zach hat am 25. Juli 2006 bekannt gegeben, nicht kandidieren zu wollen
Antreten zur Wahl
Jede Partei kann sich mit Hilfe von Unterschriften dreier Parlamentarier zur Wahl stellen. Sofern eine derartige Unterstützung durch Abgeordnete zum Nationalrat nicht erfolgt, muss die betreffende Partei, sofern sie sich in ganz Österreich zur Wahl stellen will und sie nicht die Unterstützung dreier Parlamentariere erhält, die in der Nationalratswahlordnung unter § 42 Abs 2 geforderten 2600 Unterstützungsunterschriften bekommen. Diese 2600 Unterschriften stellen sich je nach Bundesland aus 100 (Vorarlberg, Burgenland) bis 500 (Wien, Niederösterreich) Unterschriften zusammen, die bis zum 37. Tag (25.August) vor dem 1. Oktober vorliegen müssen. Parteien können auch lediglich in einem oder mehreren Bundesländeren antreten, sofern sie nur in diesen die geforderten Unterschriften erlangen.
Die ÖVP, SPÖ, das BZÖ und die Grünen wählten den Weg über Unterschriften dreier Parlamentarier. Die FPÖ, KPÖ sowie Liste Dr.Martin erreicht dies erfolgreich über die 2600 Unterschriften.
Umfragen
Quelle | Datum | ÖVP | SPÖ | FPÖ | Grüne | BZÖ | MATIN |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Kurier Integral | 3. September 2006 | 37% | 35% | 8% | 11% | 4% | 5% |
ÖSTERREICH-Gallup | 31.August 2006 | 37% | 35% | 7% | 11% | 4% | 4% |
NEWS-Market | 30. August 2006 | 39% | 35% | 7% | 11% | 3% | 4% |
Profil-OGM | 26. August 2006 | 39% | 35% | 7% | 11% | 3% | 4% |
NEWS-Market | 23. August 2006 | 38% | 36% | 7% | 10% | 4% | 4% |
NEWS-Market | 16. August 2006 | 40% | 34% | 7% | 11% | 3% | 4% |
Fessel | 15. August 2006 | 39% | 36% | 6-7% | 11-12% | 3-4% | 3-4% |
IMAS | 7. August 2006 | 36-38% | 32-34% | 5-6% | 12-13% | 3-4% | 5-6% |
NEWS-Market | 2. August 2006 | 39% | 35% | 6% | 11% | 3% | 5% |
Kurier-Integral | 16. Juli 2006 | 39% | 35% | 8% | 12% | 4% | - |
Profil-OGM | 15. Juli 2006 | 40% | 36% | 8% | 12% | 3% | - |
Market | 12. Juli 2006 | 41% | 36% | 5% | 11% | 3% | 3% |
Market | 30. Juni 2006 | 41% | 37% | 6% | 11% | 4% | - |
IMAS | 24. Juni 2006 | 38% | 37% | 6% | 12% | 5% | - |
Market | 22. Juni 2006 | 41% | 37% | 7% | 10% | 4% | - |
NEWS-Gallup | 21. Juni 2006 | 39% | 36% | 7% | 11% | 2% | 5% |
NEWS-Gallup | 14. Juni 2006 | 39% | 35% | 6% | 12% | 3% | 5% |
NEWS-Gallup | 23. Mai 2006 | 37% | 35% | 7% | 12% | 3% | 6% |
Profil-OGM | 21. Mai 2006 | 39% | 37% | 9% | 11% | 3% | - |
IMAS | 16. Mai 2006 | 39% | 36% | 5% | 14% | 4% | - |
NEWS-Gallup | 3. Mai 2006 | 40% | 38% | 8% | 12% | 2% | - |
NEWS-Gallup | April 2006 | 40% | 39% | 9% | 10% | 2% | - |
NEWS-Gallup | April 2006 | 38% | 36% | 7% | 11% | 2% | 6% |
NEWS-Gallup | 29. März 2006 | 38% | 35% | 7% | 10% | 2% | 7% |
Umfragen im Februar und März 2006 zeigten noch ein einheitliches Bild bei der Verteilung der Wählerstimmen, mit der SPÖ bei 40-42%, der ÖVP bei 37-38%, die Grünen bei 10-11%, die FPÖ bei 7-8% und das BZÖ bei 2-3%.
Nach der BAWAG-Affäre im März 2006 veröffentlichte Umfragen ergaben, dass die ÖVP erstmals seit einiger Zeit wieder gleichauf mit der SPÖ lag bzw. die Führung bereits übernommen hatte.
Von Juni bis Juli lag die ÖVP bei 39-42%, die SPÖ bei 32-36%, die Grünen bei 10-14%, die FPÖ bei 5-9% und das BZÖ bei 2-5%.
Der Stand der etablierten Großparteien ist derzeit unklar, weil die Umfragewerte einerseits ein Kopf-an-Kopf Rennen ansagen (der Vorsprung der ÖVP ist von 6-8% auf 2-4% geschrumpft, woraus sich Chancen für die SPÖ ergeben), andererseits ergeben sich Vorteile für die ÖVP.
Wichtige im Wahlkampf behandelte Themen
Erbschaftssteuer
Ein beim Verfassungsgerichtshof anhängiges Verfahren beschäftigt sich mit der Ungleichbehandlung von Erben eines Grundstücks für das das Einheitswertverfahren gilt (das zu wesentlich geringerer Erbschaftssteuern führt), wogegen für andere Wertgegenstände der Verkehrswert als Bemessungsgrundlage herangezogen wird. Eine Entscheidung wird bereits im Herbst erwartet. Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat in diesem Zusammenhang für die Abschaffung der Erbschaftssteuer plädiert, da die Einnahmen von 140 Millionen EUR jährlich seiner Ansicht nach den Aufwand der Einhebung nicht lohnen [23] und wird dabei von Teilen der ÖVP unterstützt. Die BZÖ hat sich ebenso für die vollständige Abschaffung ausgesprochen. Grüne, SPÖ und FPÖ kritisieren dagegen, dass eine vollständige Abschaffung nicht nur dem Mittelstand helfen würde, sondern im besonderen Ausmass Steuern von reichen Grossgrundbesitzern gespart würden. Diese drei Parteien sprechen sich daher für eine Reform der Steuer dahingehend aus hohe Freibeträge einzuführen, Erben von Grundstücken im Wert über 500,000 EUR (FPÖ) bzw. 350,000 EUR (Grüne) mit dem vollem Verkehrswert der geerbten Liegenschaften zu besteuern. [24]
Im Vergleich zu anderen mitteleuropäischen Staaten ist das Erbschaftssteueraufkommen in Österreich besonders niedrig. So nahm Deutschland ca. 4.3 Mrd EUR in 2005 über die Erbschafts- und Schenkungssteuer ein, was 0.7% des Steueraufkommens entspricht. Mit 140 Millionen EUR und unter 0.2% des Steueraufkommens wird in Österreich fast 4x weniger pro Kopf eingenommen als in Deutschland. Diese Diskrepanz ist überwiegend auf das verwässerte Einheitswertverfahren bei Grundstücken sowie besonders günstige steuerliche Konditionen für Privatstiftungen zurückzuführen.
Reform des Justizvollzugs
Anfang August veröffentlichen die Salzburger Nachrichten Teile aus dem Justizprogramm der Grünen, unter anderem die Forderung nach Abschaffung der lebenslangen Haft sowie nach gesetzlich verankerter Freilassung von Gefangenen nach 2/3 der verbüßten Freiheitsstrafe und den Ersatz durch eine Haft-Obergrenze von 20 Jahren. . [25] Beide Forderungen sind bereits in der Praxis der Fall, so werden zu lebenslanger Haft Verurteilte im Durchschnitt nach 21 Jahren Haft entlassen, wogegen bei anderen Haftstrafen der Großteil vorzeitig nach 2/3 einer Haftstrafe auf Bewährung entlassen wird. Grund für die Forderung ist die teure Haft, so kostet ein Gefangener dem Staat pro Tag etwa 100 EUR, wogegen die Bewährungshilfe nur auf etwa 10 EUR pro Tag kommt. Die Anzahl der zu lebenslänglicher Haft in Österreich verurteilter und einsitzender Menschen liegt lediglich bei 155. [26]
Alle anderen im Nationalrat vertretenen Parteien haben sich gegen den Vorschlag der Grünen ausgesprochen. Peter Westenthaler (BZÖ) schloss in diesem Zusammenhang eine weitere Zusammenarbeit in jeglicher Form mit den Grünen in Folge aus, da sich diese für eine Regierungsbeteiligung disqualifiziert hätten. [27] Die FPÖ forderte als Reaktion auf den Vorschlag der Grünen, dass lebenslängliche Haft auch wirklich lebenslänglich sein sollte, daher keine vorzeitige Haftentlassung möglich sein sollte.
„Pflegenotstand“
Bis zu 40.000 Menschen, vorwiegend aus den neuen EU-Ländern, pflegen alte und kranke Menschen in Österreich. Da es sich dabei aber um illegale Beschäftigung handelt, schlägt Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) vor, die Verdienstgrenze für Schlüsselarbeitskräfte zu senken, um diese Arbeitsverhältnisse zu legalisieren. Ablehnung kommt dafür vom Koalitionspartner BZÖ („Lohndumping“), der den Pflegeberuf lieber als Lehrberuf etablieren möchte.
Der grüne Bundessprecher Alexander van der Bellen meinte, eine umfassende Neuregelung sei nötig. Jedenfalls sehe man, was passieren würde, wenn die BZÖ-Wünsche nach Abschiebung von 300.000 Ausländern verwirklicht würden. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bezeichnete im Ö1-Radio (8. 8. 2006) die Diskussion als „überzogen“, die Regierung habe viel getan, um Verbesserungen im Pflegebereich herbeizuführen.
Ins Schussfeld geriet Schüssel, als Mitte August bekannt wurde, dass seine Schwiegermutter ebenfalls über einen Verein einen Pfleger um nur 50,- € pro Tag rund um die Uhr betreut wurde. Seine Pressesprecherin beteuerte nur, dass es sich um ehrenamtliche Pfleger handeln soll und der Bundeskanzler in diese Angelegenheit nicht involviert sei. Er selbst gab kein Statement dazu ab.
Wahlbehörde und Reihung der Parteien am Wahlzettel
Nach der Nationalratswahlordnung (NRWO) bestimmt die Bundeswahlbehörde wie die Reihung der Parteien auf dem Stimmzettel vorgenommen wird. Die Landeswahlbehörden haben deren Entscheidung zu folgen. Die Bundeswahlbehörde setzt sich, unter dem Vorsitz des Innenminister, aus neun von den im Nationalrat vertretenen Parteien entsandten Mitgliedern (4 ÖVP: Michael Fischer, Reinhold Lopatka, Elmar Pichl, Werner Zögernitz, 3 SPÖ: Doris Bures, Hannes Bauer und Albrecht Konecny, 1 BZÖ: Günter Barnet, 1 Die Grünen: Michaela Sburny) und zwei Richtern (Wolfgang Pöschl, Raimund Strieder) zusammen [28].
Im Vorfeld der Nationalratswahl kam es in diesem Bereich zu Kontroversen zwischen FPÖ und BZÖ. Beide Parteien beanspruchten sowohl den Sitz in der Bundeswahlbehörde, der jener Partei zusteht, die als drittstärkste aus der letzten Nationalratswahl hervorgegangen ist, und den dritten Listenplatz auf den Wahlzetteln für sich.
Per Ministerratsbeschluss entschied die ÖVP-BZÖ-Koalitionsregierung am 21. August 2006 einstimmig, dass der Platz in der Bundeswahlbehörde dem BZÖ zusteht, was mit der „Kontinuität der Identität“ begründet wurde, da 16 der 18 vormaligen FPÖ-Mandatare (und alle ihrer Regierungsmitglieder) zu der neuen Partei übergetreten seien. FPÖ-Parteiobmann Strache kündigte an, diese Entscheidung vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten[29].
Zur Reihung der wahlwerbenden Parteien legt § 49 NRWO legt fest:
- (3) [Auf dem Wahlzettel] hat sich die Reihenfolge der Parteien, die im zuletzt gewählten Nationalrat vertreten waren, nach der Zahl der Mandate, die die Parteien bei der letzten Nationalratswahl im ganzen Bundesgebiet erreicht haben, zu richten.
- (5) Den unterscheidenden Parteibezeichnungen sind die Worte „Liste 1, 2, 3 usw.“ in fortlaufender Numerierung voranzusetzen. Beteiligt sich eine im zuletzt gewählten Nationalrat vertretene Partei nicht an der Wahlwerbung, so hat in der Veröffentlichung nur die ihr nach Abs. 3 zukommende Listennummer und daneben das Wort „leer“ aufzuscheinen.
Die Reihung der nicht im Nationalrat vertretenen zur Wahl stehenden Parteien richtet sich nach dem Datum der Einbringung des Wahlvorschlags der jeweiligen Partei.
Sowohl FPÖ wie auch BZÖ forderten für sich den dritten Listenplatz. Von Seiten der FPÖ wird argumentiert, dass sie − wie es die Nationalratswahlordnung verlangt − bereits zur letzten Nationalratswahl angetreten war. Das BZÖ wurde erst später, als Abspaltung der FPÖ gegründet, hat also beim letzten Wahlgang gar kein Mandat erreicht, da es noch nicht existierte. Demgegenüber argumentieren Vetrtreter des BZÖ, wie auch in der Diskussion um den Sitz in der Bundeswahlbehörde, dass die zuletzt für die FPÖ in den Nationalrat eingezogenen Mandatare inzwischen größtenteils dem BZÖ angehören.
Am 30. August entschied die Bundeswahlbehörde mit 9:2 Stimmen, dass der dritte Listenplatz an die FPÖ geht. Das BZÖ wird somit nach den schon bei der letzten Nationalratswahl angetretenen Parteien ÖVP, SPÖ, FPÖ und Die Grünen frühestens an fünfter Stelle auf dem Wahlzettel aufscheinen. Nach Medienberichten sollen die drei Vertreter des SPÖ, die vier Vertreter der ÖVP und die beiden der Bundeswahlbehörde angehörenden Richter für diese Lösung gestimmt haben. Dagegen stimmte der Vertreter des BZÖ und die Vertreterin von Die Grünen, die, sich auf Absatz § 49 Absatz 5 berufend, dafür eintraten den Listenplatz leer zu lassen [30]. Ebenfalls entschieden wurde, dass das BZÖ mit dem Namenszusatz „Die Freiheitlichen“ auf dem Wahlzettel aufscheinen darf.
Umstritten ist nach der Entscheidung zur Reihung am Wahlzettel erneut, auf welcher rechtlichen Basis die Zuerkennung des Sitzes in der Bundeswahlbehörde für das BZÖ steht.
Mögliche Koalitionen
Die derzeitige Bundesregierung - eine Koalition zwischen ÖVP und BZÖ - benötigt, um in dieser Form weiter bestehen zu können, wesentlich mehr Stimmen, als derzeit in Umfragen erzielt werden. Insbesondere ist fraglich, ob das BZÖ die Vier-Prozent-Hürde zum Einzug ins Parlament überhaupt wird überwinden können.
Die SPÖ hat mehrfach ausgeschlossen, eine Koalition mit dem BZÖ oder der FPÖ einzugehen. Ein möglicher Koalitionspartner für die SPÖ wären die Grünen, eine Rot-Grüne-Koalition würde sich nach derzeitigen Umfragen knapp bzw. knapp nicht, da die SPÖ in den letzten Umfragen ihren Rückstand aufholte, ausgehen.Würden MATIN und das Bündnis Zukunft Österreich den Einzug in den Nationalrat knapp verfehlen, ginge sich eine Rot-Grüne Koalition. Über eine Ampelkoalition wie zum Beispiel zwischen SPÖ, Grüne und der MATIN-Liste Dr. Martin wird spekuliert. Eine Koalition aus ÖVP und den Grünen ist eine weitere Variante. Schon nach der letzten Wahl gab es Gespräche über eine mögliche Schwarz-Grüne Koalition. Von beiden Parteien wird diese Variante nicht ausgeschlossen.
Eine Große Koalition (ÖVP-SPÖ bzw SPÖ-ÖVP) wäre in jedem Fall möglich, mit großer Wahrscheinlichkeit hätte eine solche Koalition auch eine Verfassungsmehrheit.
Nach der Bekanntgabe der Kandidatur von Hans-Peter Martin, könnten im Falle eines Sechsparteienparlaments auch andere Koalitionen zwischen einer der Großparteien und mehreren Kleinparteien geschlossen werden.
Quellen
- ↑ http://www.tirol.com/politik/innsbruck/41892/index.do
- ↑ http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2006-07/artikel-6758450.asp
- ↑ http://derstandard.at/?url=/?id=2530304
- ↑ http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=p&ressort=i&id=545182 Artikel in der Presse
- ↑ http://www.fpoe.at/index.php?id=7308
- ↑ http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/174845/index.do
- ↑ http://www.bzoe.at/_sideboxes_top/files/10_punkte.pdf
- ↑ http://derstandard.at/?url=/?id=2529614
- ↑ http://www.krone.at/index.php?http://wcm.krone.at/krone/S32/object_id__50275/hxcms/
- ↑ http://derstandard.at/?url=/?id=2535356
- ↑ http://www.nfoe.at/
- ↑ http://www.slp.at/
- ↑ http://www.initiative2000.at/
- ↑ http://ppoe.or.at/
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- ↑ http://www.glueckspartei.at/
- ↑ http://derstandard.at/?id=2544160&_index=2
- ↑ http://derstandard.at/?id=2544160&_index=3
- ↑ http://derstandard.at/?id=2544160&_index=4
- ↑ http://derstandard.at/?id=2544160&_index=7
- ↑ http://derstandard.at/?id=2544160&_index=10
- ↑ http://derstandard.at/?id=2544160&_index=12
- ↑ http://www.tirol.com/politik/national/42776/index.do
- ↑ http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=p&ressort=i&id=576910
- ↑ http://www.salzburg.com/sn/archiv_artikel.php?xm=2241894&res=0
- ↑ http://derstandard.at/?url=/?id=2537918
- ↑ http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/175123/index.do
- ↑ Bundesministerium für Inneres: Zusammensetzung der Bundeswahlbehörde
- ↑ Der Standard: Experte kritisiert BZÖ-Sitz in oberster Bundeswahlbehörde, 22. August 2006
- ↑ Der Standard: FPÖ bekommt dritten Platz am Stimmzettel, 30. August 2006