Ein Softwarepatent ist ein Patent auf eine Methode zur Programmierung eines digitalen Rechensystems (eines Computers). Eine allgemein akzeptierte genaue Definition des Begriffs hat sich bisher noch nicht etabliert.
Einführung
Traditionelle Patente beziehen sich auf technische Erfindungen, das heißt auf Problemlösungen, deren Gültigkeit in Experimenten mit Naturkräften überprüft werden muss. Softwarepatente hingegen beziehen sich auf Ideen, deren Wirksamkeit allein durch logische Schlussfolgerungen bewiesen werden kann. Grenzfälle sind Prozesse, bei denen die traditionelle Steuerung unter Verwendung von Mechanik, Hydraulik, Pneumatik oder Elektronik durch eine Steuerung mit einem Computerprogramm ersetzt wird.
Es gibt keine juristische Definition des Begriffs Softwarepatent. Softwarepatente werden in keinem Land offiziell als solche klassifiziert, was das Erstellen von Statistiken über ihre Verbreitung erschwert.
Rechtliche Situation
Software ist weltweit durch das Urheberrecht geschützt. Das Urheberrecht schützt eine konkrete Implementierung, nicht aber das Verfahren an sich, das einem Programm zugrunde liegt. Es ist also möglich, dieselbe Idee in einem anderen Programm umzusetzen, ohne gegen das Urheberrecht zu verstoßen.
Die Möglichkeiten zur Patentierung von Software sind hingegen international sehr unterschiedlich geregelt.
USA
Seit einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 1980 ist in den USA eine Patentierung von Software weitgehend möglich, auch wenn sie keinerlei Bezug zur Technik hat. 1999 hat das Bundesberufungsgericht die Patentierbarkeit auf Geschäftsideen ausgeweitet.
Europäische Union
Seit dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) von 1973, das nach und nach in nationales Recht der EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt wurde, ist das Patentrecht innerhalb der EU einheitlich geregelt. Artikel 52 des EPÜ [1] enthält eine Aufzählung von nicht patentfähigen Erfindungen, darunter auch "Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten" sowie "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" als solche. Eine angemeldete Erfindung darf also ein Computerprogramm enthalten, aber die Ansprüche dürfen sich nicht auf das Programm beschränken. Neuheit und erfinderische Tätigkeit müssen außerhalb des Programms liegen.
Bis Mitte der achziger Jahre legte das Europäische Patentamt (EPA) die Richtlinie restriktiv aus und erteilte keine Patente auf reine Softwareerfindungen. 1985 überarbeitete das EPA seine Prüfungsrichtlinien und erklärte, dass nur "nichttechnische" Neuerungen von einer Patentierung ausgeschlossen seien. Die Definition dieses Technizitätskriteriums ist bis heute umstritten. In der Folge wurde die Patentierung von Software stark ausgeweitet. Gegner dieser Entwicklung beziffern die Zahl der seither vom EPA erteilten Softwarepatente auf über 30.000 [2].
Anfang 2002 schlug die Europäische Kommission eine neue Richtlinie für "computerimplementierte Erfindungen" vor mit dem Ziel einer Harmonisierung der Patenterteilungspraxis in den Mitgliedsländern. Der Vorschlag richtete sich an der umstrittenen Erteilungspraxis des EPA aus. Von Februar bis September 2003 beschäftigten sich die Abgeordneten und Ausschüsse des Europäischen Parlaments mit dem Vorschlag der Kommission. Nach mehrfacher Verschiebung aufgrund zahlreicher Proteste wurde die Vorlage am 23. September 2003 debattierte. Am Tag darauf legte das Parlament seinen Standpunkt in erster Lesung fest, in dem es unter anderem die Technizität einer Erfindung, der deutschen Rechtspraxis folgend, über ihre Wirkung auf die Naturkräfte definierte und die Grenzen der Patentierbarkeit damit wesentlich enger zog als die Kommission. Dieser Einspruch des Parlaments wurde im Mai 2004 vom EU-Ministerrat weitgehend verworfen. Im Herbst 2004 wird die Richtlinie nun wieder dem Parlament zur zweiten Lesung vorgelegt.
Deutschland
Die im EPÜ genannten Ausschlüsse von der Patentierbarkeit, insbesondere für Computerprogamme, finden sich in § 1 des deutschen Patentgesetzes (PatG) wieder. Die Technizität einer Erfindung, die Vorraussetzung für eine Patentierung ist, ist nach deutscher Rechtsprechung dadurch gekennzeichnet, dass sich die Erfindung zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges des Einsatzes von Naturkräften bedient. Nach nunmehr wohl als ständig zu bezeichnender Rechtsprechung des Bundespatentgerichtes und des Bundesgerichtshofes ist die lediglich bestimmungsgemäße Benutzung eines Computers kein Einsatz von Elektrizität als Naturkraft. In Grenzfällen, wie bei Methoden zur Druckwegoptimierung oder zur Speicherverwaltung, kam es dennoch zu umstrittenen Interpretationen, nach denen beispielsweise eine Reduzierung des Speicherverbrauches bereits Technizität herstellt.
Stand der Debatte
Software-Patente sind sehr umstritten.
Bei aller Notwendigkeit des Verständnisses der Gesetze und der gerichtlichen Entscheidungen darf dabei nicht aus den Augen verloren werden, dass die Rechtsprechung nicht Selbstzweck ist, sondern einer positiven Entwicklung des Staates zu dienen hat. Es ist aber wichtig, die gesetzgeberischen Hintergründe zu kennen.
Andererseits dienen Patente allgemein dazu, die Rechte der Forschenden für eine gewisse Zeit zu sichern. Damit haben Software-Patente durchaus einen wirtschaftlichen Nutzen, da sie dem "Erfinder" ein Monopol auf Zeit für die Verwertung und Umsetzung seiner "Idee" geben. Kritisiert wird, dass Softwarepatente eine zu lange Laufzeit haben, insbesondere in der schnellebigen IT- Branche.
Vereinzelt gibt es bei Gegnern von Software-Patenten wiederum die Bestrebung, das Wort "Software-Patent" durch "Software-Ideen-Patent" zu ersetzen, um klar zu machen, dass nicht enge Ansprüche auf einzelne Werke samt aller individuellen Merkmale gemeint sind. Dies führt jedoch wiederum zu anderen Missverständnissen, beispielsweise sinnlosen Unterscheidungen zwischen "Ideen-Patent", "Nutzungs-Patent", "Umsetzungs-Patent" und so weiter.
Von Befürwortern der Software-Patente wird argumentiert, auch Erfindungen im Software-Bereich würden Forschung und Investitionen erfordern. Diese sollen geschützt werden, was im industriellen Bereich durch Patente geschehe. Als Beispiel wird die Firma Xerox angeführt, die nicht viel von der Idee der grafischen Oberfläche gehabt haben soll, da diese Idee sofort von anderen Herstellern (beispielsweise Apple) aufgegriffen wurde und diese damit Geld verdienten. Laut den Befürwortern hätte jedermann, der eine grafische Benutzeroberfläche benutzt oder Programme dafür veröffentlicht, 20 Jahre lang Lizenzkosten an Xerox zahlen müssen. Dabei hätte allein Xerox die Regeln bestimmt und Xerox hätte auch beliebig entscheiden können Verbote auszusprechen.
In Europa wird weiter argumentiert, dass europäische Firmen gegenüber japanischen oder US-Firmen Wettbewerbsnachteile hätten, da letztere Lizenzgebühren für ihre Erfindungen nehmen können, erstere jedoch nicht. Das entbehrt allerdings jeglicher Grundlage, da seit jeher auch europäische Firmen problemlos in den USA und Japan Patente anmelden und durchsetzen können.
Pro
Der EVP-Abgeordnete Joachim Wuermeling verwies auf den Fall Eolas vs. Microsoft als Beispiel eines durch Software-Patenten erfolgreichen Mittelständlers.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) weist in einem Interview darauf hin, dass viele Befürchtungen kleiner und mittelständischer Softwareunternehmer unberechtigt seien, denn Ehrlichkeit schütze vor Patentverletzungen:
- Grundsätzlich gilt mal: Wenn er [der Programmierer] nicht abschreibt, ist die Gefahr sehr gering, dass er fremde Rechte verletzt. Um sicherzugehen, gibts die übrigens kostenlose Möglichkeit, in den Datenbanken des Patentamts nach dem Stand der Technik zu recherchieren. (Brigitte Zypries bei heise.de am 28.05.2004)
Kritiker argumentieren allerdings, solche Äusserungen zeugten von mangelnder Sachkenntnis der Ministerin.
Contra
Ein häufig zitiertes Beispiel zum Erklären der Unsinnigkeit von Software-Patenten lautet, dass man im übertragenen Sinne nicht mehr "eine bestimmte Mausefalle", sondern jedes "Mittel zum Fangen von Nagetieren" patentieren würde. Anders ausgedrückt: Hätte der Komponist Joseph Haydn ein Patent auf eine Symphonie dadurch gekennzeichnet, dass Klang erzeugt wird, hätte dies nicht nur Mozart in Schwierigkeiten gebracht.
Studien ist es bisher nicht gelungen, eine Notwendigkeit oder eine positive Wirkung auf die Volkswirtschaft nachzuweisen. Empirische Untersuchungen sind auf einen gegenteiligen Effekt gestoßen, sogar ein negativer Verlauf in der US-Wirtschaft konnte in zeitlichem Zusammenhang mit der Einführung von Software-Patenten gefunden werden.
Freiberufliche Entwickler ohne die Mittel für jahrelange Patentprozesse dürften Wettbewerbsnachteile erfahren, das wird auch von kleinen und mittleren Unternehmern so gesehen. So genannte Open Source Software erfährt einen Wettbewerbsnachteil, weil die frühzeitige Veröffentlichung sie als Stand der Technik von der Patentierung ausschließt und die Anwender so in der Regel den Patentansprüchen dritter ohne eigene Tauschware in Form von Patenten gegenüberstehen. Patente stehen auch im Widerspruch zum Prinzip von freier Software.
Die Kritiker der Software-Patente führen an, dass besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) ohne starken finanziellen Hintergrund sowie selbständige Programmierer die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung extrem eingeschränkt werden.
Patentrecherchen sind sehr aufwändig und teuer. Trotzdem, selbst nach einem aufwändigen, lange dauernden und ungewissen Lizenzierungsprozess gibt es keine Garantie, nicht gegen ein Patent zu verstoßen. Die Kosten eines Patentprozesses liegen zum Beispiel in den USA bei einer bis fünf Millionen Dollar. Liegt der Streitwert darunter, ist es in jedem Fall besser, sich außergerichtlich zu einigen. Dabei haben Patentinhaber einen extremen Vorteil, da Patente Exklusionsrechte (siehe: Geistiges Eigentum) sind und daher kleinere Firmen, die weniger Zugang zum Patentsystem haben, stark benachteiligt sind. Durch diese Verbotsrechte können Beschuldigte, die es sich nicht leisten können vor Gericht zu gehen, vom Patentinhaber zu allem gezwungen werden, da ein eventueller Schuldspruch in einem Gerichtsverfahren wirtschaftlich nicht zu überleben ist.
Viele Stimmen befürchten ebenfalls langfristig eine Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten der freien Software. Wettbewerbsverzerrungen sind gerade etwas, was die EU verhindern will.
Hiervon formal nicht betroffen ist der Schutz von Software nach dem Urhebergesetz. Real bedeutet jedoch eine Ausweitung der Patentierbarkeit im Bereich von Software eine Einschränkung des Urheberschutzes:
- Ohne Software-Patente hat ein Urheber Rechtssicherheit darüber, dass er mit seiner selbst geschriebenen Software machen kann, was er will, also veröffentlichen, lizenzieren, etcetera.
- Mit Software-Patenten fehlt dem Urheber Rechtssicherheit. Da Software in der Regel komplex ist und (wie ein Buch aus vielen Sätzen) aus vielen Teil-Algorithmen besteht, ist die Wahrscheinlichkeit schon bei kleinen Software-Projekten sehr groß, dass diese ein Patent verletzen. Es gibt bei Software (anders als bei Büchern) keine automatisierte Möglichkeit, zu überprüfen, ob alle enthaltenen Algorithmen (ob alle enthaltenen Sätze) in einer Liste von patentierten Algorithmen (patentierten Sätzen) enthalten ist. So ist es nicht einmal machbar, Software an bestehenden Patenten vorbeizuentwickeln, selbst wenn eine Software unter Umgehung dieser Patente geschrieben werden könnte.
Somit wird mit Software-Patenten praktisch der gesamte Urheberrechtsschutz, den Software genießt, unbrauchbar gemacht, selbst wenn er noch formal existiert.
In Wien und München gab es im September 2003 aus diesem Anlass Demonstrationen vor dem österreichischen und dem europäischen Patentamt: Etwa 300 und etwa 500 Menschen protestierten gegen Software-Patente.
Beispiele für Software-Patente
- Ein Fortschrittsbalken, der den Fortschritt eines Prozesses anzeigt -- zum Beispiel beim Starten eines Computers oder beim Schreiben auf einen Datenträger --, war etwa acht Jahre lang patentiert, bis IBM das Patent 2003 auslaufen ließ [3].
- Beim Musikkompressionsformat MP3 hat man auf Erkenntnisse der Gehörpsychologie zurückgegriffen: Man verzichtet bewusst auf einen Teil der Informationen, den man ohnehin nicht hören kann, um besser komprimieren zu können. Die Idee, diese bereits vorhandenen Erkenntnisse auf diese Weise zu nutzen, ist patentiert [4].
- GIF-Grafiken verwenden den patentierten Kompressionsalgorithmus Lempel-Ziv-Welch (LZW, [5]), um die Datenmengen zu verkleinern. Das letzte nationale LZW-Patent der Firma Unisys ist am 7. Juli 2004 in Kanada ausgelaufen.
- Der elektronische Einkaufswagen, mit dessen Hilfe bei vielen Onlinehändlern Bestellungen zusammengestellt werden, ist eine patentierte Geschäftsmethode der Firma SUN [6].
- Der Onlinehändler Amazon.com hält ein Patent auf "One-click-shopping", eine Methode um Bestellungen mit nur einem Mausklick in Auftrag zu geben [7].
- Jegliche Methode zur Versendung von Geschenken an Dritte über einen Webshop ist durch die Firma Amazon.com patentiert [8]. Gegen dieses Patent haben die Gesellschaft für Informatik (GI), der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) und der Blumenversender Fleurop im Jahr 2004 Einspruch eingelegt.
Weblinks
Softwarepatente in Europa:
- Artikel 52 des europäischen Patentübereinkommens von 1973.
- Die EU-Kommission zu Softwarepatenten.
- Standpunkt des EU-Parlaments, festgelegt in erster Lesung am 24. September 2003.
- Richtlinienvorschlag gemäß dem Beschluss des EU-Ministerrates vom 24. Mai 2004.
- Informationssammlung des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), des größten Repräsentanten von Softwarepatentgegnern in Europa.
Siehe auch: Immaterielle Monopolrechte, Urheberrecht, Copyright, Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur, Trivialpatent , FFII