Der Schleier von Manoppello, auch als Volto Santo von Manoppello bekannt, ist eine Tuchreliquie in dem kleinen italienischen Städtchen Manoppello in den Abruzzen, die in den letzten Jahren aufgrund der Rätselhaftigkeit seines Materials und des sich darauf befindlichen Gesichtes bekannt wurde.

Beschreibung des Tuches
Das Volto Santo (ital. „Heiliges Antlitz“) ist ein 17,5 cm breiter und 24 cm hoher Schleier, der in Manoppello seit 1638 in der dortigen Kapuzinerkirche Santuario del Volto Santo in einer doppelseitig verglasten Monstranz aufbewahrt und ausgestellt wird. Bei dem Trägermaterial handelt es sich dem Augenschein nach um ein hauchzartes Tuch aus Byssus, auch Muschelseide genannt, ein Stoff, der aus den Ankerfäden der im Mittelmeer lebenden edlen Steckmuschel gewonnen wird. Der Stoff war in der Antike und im Mittelalter einer der kostbarsten überhaupt. Muschelseide kann angeblich nicht bemalt und nur leicht gefärbt werden. Das Handwerk der Byssusherstellung ist heute allerdings fast ausgestorben, weshalb es schwer ist, die Möglichkeiten seiner Verarbeitung zu beurteilen.
Der Schleier trägt das Antlitz eines Mannes mit Bart, geöffneten Augen und leicht geöffnetem Mund. Seine Zähne sind erkennbar. Auf dem Antlitz sind Flecken erkennbar, die von einigen als Wunden durch Folterungen, s. a. Geißelung interpretiert werden. Erstaunlich ist, daß die Proportionen des Gesichtes und die Lage der Wunden mit denen des Antlitzes auf dem Turiner Grabtuch übereinstimmen. Alle bisher möglichen Messungen lassen auf die Abbildung ein und der selben Person schließen, wobei bemerkenswert ist, daß sowohl das Material der Tücher als auch die Art der Bildnisse völlig gegensätzlich sind. Das Gesicht auf dem Schleier lässt ikonographisch eine gewisse Nähe zur toskanischen Vor- und Frührenaissance erkennen, ist jedoch derart untypisch, dass eine eindeutige Zuordnung zu einer kunstgeschichtlichen Epoche nicht möglich ist. Die künstlerische Qualität der Darstellung erscheint mäßig. Das Gesicht wirkt auf Reproduktionen flach, Mund und Augen wirken gezeichnet und Nase und Mund befinden sich nicht in einer Linie. Von einigen Theologen und Forschern wird dennoch vermutet, dass es sich um das Antlitz Jesu Christi handele und spekuliert, dass es zusammen mit dem Turiner Grabtuch und zwei weiteren Tüchern aus dem Grab Jesu in Jerusalem stamme.
Das Antlitz ist von beiden Seiten des Tuches, das so fein ist, dass man eine Zeitung dahinter lesen kann, gleichermaßen, wenn auch spiegelverkehrt, zu erkennen. Im Gegenlicht hingegen wird das Tuch so transparent wie klares Glas.
Bemerkenswert ist, daß der Schleier von Manoppello wie das Grabtuch von Turin einzigartig zu sein scheint; d. h. die Kunstgeschichte kennt kein gleichartiges Bildnis. Die Farben changieren zwischen verschiedenen Gold-, Bronze-, Braun- und Rottönen ähnlich wie die Farben auf einem Schmetterlingsflügel. Der unter Glas gerahmte Schleier wurde seit Jahrhunderten nicht mehr aus dem Rahmen genommen und konnte bislang nur dem Augenschein nach untersucht werden (Mikroskop, Wood-Licht), wobei keine Farbreste entdeckt werden konnten. Hinsichtlich des angeblich nicht bemalbaren Materials ist die Feinheit der Linien bis jetzt unerklärlich. Lässt sich das Bildnis auf dem Turiner Grabtuch als fotografisches Negativ eigentlich erst richtig erkennen, entzieht sich der Schleier der fotografischen Reproduktion: Das je nach Bewegung und Blickwinkel sich ständig wandelnde Bildnis auf dem Schleier lässt sich nur in der unmittelbaren Anschauung erfahren, insbesondere bei den zwei mal jährlich stattfindenden Prozessionen durch den Ort.
Hypothesen zur Herkunft des Tuches
Deutung als "Schweißtuch der Veronika"
Der römische Kunsthistoriker Prof. Dr. Heinrich Pfeiffer S.J. ist nach zwanzigjähriger Forschung zum Schleier von Manoppello überzeugt, dass es sich bei dem Tuch um das eigentliche Sudarium bzw. das Schweißtuch der Veronika (von lat./griech.: vera eicon = wahres Bild) handelt, der einst wichtigsten und meistverehrten Reliquie der Christenheit. Offiziell befindet sich das Tuch in der, als mächtigen Tresor angelegten, Kapelle innerhalb des Veronikapfeilers im Petersdom in Rom, der über dem Grundstein der Kirche errichtet wurde. Auf diesem fast schwarz gewordenen Tuch ist allerdings nichts mehr zu erkennen. Pfeiffer kommt aufgrund ikonographischer Untersuchungen zu dem Schluss, dass das Schweißtuch der Veronika seit dem Abriss der alten Petersbasilka 1608 verschwunden und durch ein anderes Tuch ersetzt worden sei. Vom Vatikan wurde diese bereits früher laut gewordene Vermutung allerdings nie bestätigt.
Nach der örtlichen Überlieferung wurde das Volto Santo bereits 1506 von einem Unbekannten nach Manoppello gebracht, wirklich bezeugt ist es dort jedoch erst seit dem Jahr 1638, als es den Kapuzinern übergeben wurde. Papst Benedikt XVI. pilgerte als erster Papst am 1. September 2006 nach Manoppello. Bislang wurde das Tüchlein von Rom kaum beachtet und auch er wurde erst 2004 durch einen Zeitungsbericht darauf aufmerksam.
Deutung als Gemälde Albrecht Dürers
Giorgio Vasari berichtet in seinen Schriften, dass Albrecht Dürer, der das Grabtuch von Turin aus eigener Anschauung kannte, ein auf Byssos gemaltes Selbstbildnis an Raffael geschickt habe, welches ähnliche Qualitäten aufgewiesen haben soll, wie sie beim Volto Santo zu beobachten sind. Dieses Selbstbildnis Dürers ist seit Jahrhunderten verschollen und der italienische Kunsthistoriker Roberto Falcinelli meint, es in dem Schleier von Manoppello wiedergefunden zu haben. Jedoch ist offensichtlich, daß der Abgebildete keine Ähnlichkeit mit dem Gesicht Albrecht Dürers aufweist, weshalb Falcinelli annimmt, dass es sich bei dem Abgebildeten um Raffael handele. Anzumerken ist jedoch, dass der Begriff Byssos nicht nur für die seltene Muschelseide, sondern generell für sehr zarte, seidige Stoffe verwendet wurde.
Siehe auch
- Grabtuch von Turin
- Schweißtuch der Veronika
- Abgar-Bild
- Acheiropoieton - Bilder, die nicht von Menschen geschaffen wurden?
Weblinks
Literatur
- Werner Bulst/Heinrich Pfeiffer: Das Turiner Grabtuch und das Christusbild, Band II: Das echte Christusbild, Das Grabtuch, der Schleier von Manoppello und ihre Wirkungsgeschichte in der Kunst; Frankfurt/M., Verlag Josef Knecht, 1991 ISBN 3-7820-0633-X
- Blandina Paschalis Schlömer: Der Schleier von Manoppello und das Grabtuch von Turin, Innsbruck, Resch-Verlag, 1999, ISBN 3-85382-068-9
- Heinrich Pfeiffer: Il Volto Santo di Manoppello, Pescara 2000
- Paul Badde: Das Muschelseidentuch. Auf der Suche nach dem wahren Antlitz Jesu. Berlin: Ullstein, 2005. ISBN 3-55007853-6 (Neuauflage unter dem Titel: Das göttliche Gesicht, München, Pattloch Verlag 2006, ISBN 3-629-02149-2 )
- Andreas Resch: Das Antlitz Christi, Grabtuch - Veronika, Innsbruck, Resch-Verlag, 2005. ISBN 3-85382-077-8