Geschichte des Geigenbaus in Klingenthal

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Klingenthal 1726

Chronik des Geigenbaus in Klingenthal

Am 1. Februar 1602 findet man die erste Erwähnung des Namens "Höllhammer" im Kirchenbuch der Stadt Schöneck. Es lebten dort Hammerschmiede, Bergleute und Köhler. Damals gehörte Quittenbach nicht zu Klingenthal und ist als Lehen in Voigtsberg eingetragen. Im Jahre 1629 hatte Georg Christoph Boxberger von Hellhammer zu Errichtung eines Hammerwerks nachgesucht. Eine Besichtigung fand am 10. Juli 1626 statt und am 2. Oktober 1626 wurde die Belehnung Boxbergs vorgenommen. Seit dem ist Quittenbach Klingenthal einverleibt.

Besiedlung Klingenthals durch böhmische Exulanten und Gründung der ersten Innung

 
Erste Erwähnung Klingenthals im Kirchenbuch Schöneck

Im Laufe der Jahre zieht der Schlachtmeister Hope (=Hopf) aus Grasliz nach Quittenbach. Sein Sohn (Caspar Hopff) siedelt ebenfalls in Quittenbach als Geigenbauer an. Dies scheint der Beginn des Geigenbaus in Klingenthal zu sein. Später folgen Dörffel, Melchior Lorentz, Hans Georg Ludwig, Christoph Adam Richter und die Söhne Caspar Hopffs. Daraus resultierte eine gute Entwicklung der Geigenbauerinnung. Vor deren Genehmigung starben Caspar Hopf (1650-1711) und Sohn Johann Michael (1680-1712). Johann Michels Witwe führte die Werkstatt weiter, sie durfte einen Gesellen fördern. Weiterhin waren noch Georg Caspar Hopf (1675-1754), Georg Friedrich Hopf (1687-1734) und Hans Georg Ludwig (vermutl. 1660-1718) als Geigenbauer tätig.

Bereits 1780 beschwerten sich die Meister, daß Lauten und Gamben außer Gebrauch gekommen seien. Der Bau dieser war für den Erwerb des Meisterbriefes vonnöten. Die Klingenthaler Geigenmacher waren bestrebt ihre Instrumente an Markneukirchner Händler zu liefern. Daraus resultierte ein 150 Jahre anhaltender Geigenkrieg zwischen den beiden Ortschaften. 1695 datiert der erste Result, dass kein Geigenmacher eines Ortes im anderen seine Geigen verkaufen dürfte. Am 4. Juli 1780 ließ sich Johann Carl Pfretzschner aus Markneukirchen in Klingenthal zum Meister küren.

Klingenthals zweiter Organist war David Christian Havemann. Er war Geigenbauer und Acciseinnehmer. Havemann bekleidete dieses Amt von etwa 1740 bis 1788. Es folgte sein Sohn Friedrich Wilhelm als Organist bis 1774, auch er war Geigenmacher. Ihm folgte Johann Georg Ströz, Musikinstrumentenhändler (starb im Mai 1804). Danach wurden Organisten aus anderen Berufen eingesetzt. Auf ihre Geigenzettel schrieben die Erwähnten gern ihren Beruf (Organist und musikalischer Instrumentenmacher).

Den Klingenthalern machte die Patrimonialgesetzgebung zu schaffen. 1770 erfolgte deren Abschaffung. Die Innungsmeister führten langatmige Streitereinen um Befreiung ihrer Söhne von landwirtschaftlichen Fronen und vom Militärdienst. Diesem Anliegen wurde entsprochen. Von 1789 bis 1809 dauerte die Auseinandersetzung wegen der Freistellung vom Wehrdienst.

Das 100-jährigen Jubiläum der Erbauung der Kirche "Zum Friedefürsten" (1837) und der Feier der 300-jährigen Einführung der Reformation (1839) sah die Geigenmacher-Innung präsent. Als König Friedrich August II. Klingenthal am 5. August 1846 besuchte, war eine Reihe Musikinstrumente ausgestellt. Am 23. Juli 1860 weilte König Johann in Klingenthal. Er ließ sich die Situation der Werkstätten ausführlich schildern. Dazu hatte die Geigenmacherinnung eine Ausstellung mit eingerichtet. Der Absatz von Instrumenten verlief in diesen Jahren auf und ab. Vor allem der amerikanische Bürgerkrieg machte den Handwerkern zu schaffen. Die Einweihung der Musikschule fand am 1. November 1843 statt und 60 junge Leute meldete sich.

Wirtschaftsaufschwung in Klingenthal

1829 kam es in Klingenthal zum großen Umschwung. Die Holzkammfertigung und Mundharmonikaindustrie fanden (u.a. durch Johann Wilhelm Rudolph Glier) Eingang in Klingenthal. 1852 folgte dann der Akkordeonbau. Dadurch fanden große Teile der Bevölkerung Arbeit bei sofortiger Bezahlung. Auch Geigenbauer wandten sich der neuen Beschäftigung zu, denn das Arbeitsfeld erforderte wenig Geschicklichkeit und es entfiel die Gesellenwanderzeit. Vorher musste ein Geigenmacher Fördergeld zahlen und konnte bei nötiger Gewandtheit in ein paar Jahren damit rechnen, als angesehener Geigenmacher zu gelten. Er musste Werkzeug und Werkstatteinrichtung stellen, Klangholz kaufen, Steuern zahlen und für Absatz seiner Produkte sorgen. Hier vergingen Jahre, ehe man als Geigenbauer richtig verdiente. Nach 30 Jahren war die Blütezeit der Holzkammfertigung vorbei. Die Arbeiter wechselten in die Harmonikafabriken über. 1862 besaß der Geigenbau 166 Einzelwerkstätten.

Auflösung der ersten und spätere Gründung der zweiten und letzten Innung

1887 löste sich die Geigenmacher-Innung auf. 1868 gründete Julius Berthold seine Firma zur Herstellung von Maschinen für den Musikinstrumentenbau. Zur mechanischen Herstellung von Böden und Decken erfand der Klingenthaler Ingenieur William Thau 1904 eine Kopierfräsmaschine. 1888 begann die Orchestrion-Herstellung. 1895 verkündet die Handels- und Gewerbekammer Plauen, bei der Firma F.O. Glaß seien die ersten Streichkonzert-Orchestrions entwickelt worden. Am 28. November 1913 erfolgte die Gründung der "Musikinstrumentenbauer-Innung Brunndöbra und Umg.". Dies bedeutet ein Aufflammen der alten Geigenmachertradition. Zu dieser Zeit waren 55 Geigen-, Violoncello- und Kontrabassmacher Mitglieder der Innung. 1933 waren es noch 45 Meister und 6 Gesellen (23 Geigenmacher waren 54 bis 80 Jahre alt). 1934 wurde Otto Goram als Obermeister eingesetzt. Im Jahre 1945 übernahm Max Richard Herold als Obermeister die Leitung. Mit seinem Tod erlosch am 9. April 1975 die Innung.

Statistik der Geigenbauer zwischen 1728 und 1896

 

(1871 war im Klingenthaler Amtsbezirk über 1/3 sämtlicher Arbeitskräfte in der inzwischen vorherrschenden Harmonikaindustrie beschäftigt)

zu fertigende Instrumente zum Erwerb des Meisterbriefes

Als Meisterstück wurde folgendes von der Innung verlangt:

Stammbäume

Dörffel

               Johann Gottfried Dörffel
                     1731-1800
                        |
           _____________|__________________
           |            |                 |
Johann Gottfried  Carl Friedrich  Christian Friedrich
     1765-1844     1767-1830          1775-1847
                                          |
                           _______________|_____
                           |                   |
                   Christian Friedrich  Carl Friedrich
                        1800-1867          1803-1857

Egerland=Egerländer

                       Georg
                      Wachtmann
                         |
               __________|_____
               |              |
        Georg Friedrich   Johann Christoph
         1709-1772            1718-1801
               |
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|                   |                           |
Christan Friedrich  Johann Christian  Christoph Carl
1733 - ?               1746-1820      1752-vor 18714
                                                |
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|                         |                         |
Friedrich August     Carl August           Carl Friedrich
vor 1784- vor 1845    1784-1842               1787-1861
                                                    |
                                            Carl Wilhelm
                                              1819-1855

Liste von Geigenbauern aus Klingenthal im Vogtland

(die Liste ist nicht komplett und kann noch ergänzt werden)

Literatur