Ein Puppenherd ist eine verkleinerte Nachbildung eines Herdes, der Kindern als Spielzeug dient. Solche Herde kamen Mitte des 19. Jahrhunderts auf und stehen bis heute in vielen Kinderzimmern. Waren bis in die 1960er Jahre noch funktionsfähige Herde, auf denen tatsächlich gekocht werden konnte üblich, so spielen heutige Kinder meist mit Nachbildungen aus Holz oder Kunststoff, auf denen nur „im Spiel“ etwas zubereitet werden kann.

Puppenherde als Erziehungsmittel im 19. Jahrhundert
„Kinder lieben winzige Dinge, besonders wenn sie den Objekten im Haushalt der Eltern gleichen. Kinder mögen bewegliche Sachen, wie Schubladen, die man auf- und zuschieben, Türen, die man öffnen und schließen kann, und sie spielen gern mit Geräten, die funktionieren. Kinder lieben Feuer und Wasser, und sie panschen und manschen und – essen gern.“[1]
Alle diese Vorlieben von Kindern erfüllt ein Puppenherd. Miniaturherde als genaue Nachbildungen großer Feuerherde kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Für wohlhabendere Schichten, in denen die Kinder nicht ohnehin von klein auf an der Hausarbeit beteiligt waren, boten die Puppenherde ein ideales Spielzeug und Erziehungsmittel. Zuvor hatte es Puppenküchen in den Puppenhäusern des 17. und 18. Jahrhunderts gegeben, die jedoch meist mehr für Erwachsene gedachte Schmuckobjekte als Kinderspielzeuge waren. Im 19. Jahrhundert wurden dann separate Puppenküchen für Kinder entwickelt, wobei es sich jedoch bei Herden und anderen Geräten noch um aufgemalte oder hölzerne Attrappen handelte.
Ab circa 1850 waren dann auch große Puppenküchen mit einer Breite von bis zu 120 cm erhältlich, die mit Spiritusherd und anderen, teilweise funktionstüchtigen, Küchengeräten, wie Eismaschine, Eisschrank, Rührgerät, Brotschneider etc. ausgestattet waren. Neben den Puppenküchen, die mit drei Holzwänden einen eigenen Raum suggerierten, sich jedoch aufgrund der räumlichen Beschränkung nicht zum „echten“ Kochen eigneten, wurden etwa gleichzeitig größere Kochherde, Geschirre und Gerätschaften entwickelt. Diese Herde aus Metall wurden mit Spiritus befeuert und waren je nach Größe mit mehreren Kochstellen, Backrohr und Wasserschiffchen für warmes Wasser ausgestattet. Das Puppenkochbuch von Henriette Davidis unterscheidet ausdrücklich zwischen „Speisen, welche auf dem Puppenherd gemacht werden“ sowie „Speisen ohne Heerd zu bereiten“, also kalten Gerichten, und einer weiteren Abteilung, die sich der „Blumenküche oder Speisen für die Puppen“ widmet. Obwohl also für die Puppen auch die „Blumenküche“ ausreicht, werden echte Speisen auf einem Puppenherd zubereitet − und vermutlich von den Kindern selbst verzehrt.
Die spielerische Nachahmung der Tätigkeiten der Mutter oder der Köchin sollte die Erziehung kleiner Mädchen zur Hausfrau fördern. Puppenkochbücher, wie Puppenköchin Anna von Henriette Davidis, erschienen 1855, priesen die Kochkunst als wichtigste Frauenkunst, die es spielend zu erlernen galt. Spielerisch sollten Mädchen auf ihren späteren häuslichen Wirkungskreis vorbereitet werden. Die Tätigkeit im Haus wurde im Laufe des 19. Jahrhundert zunehmend als Beruf verstanden, der einer Ausbildung oder besonderen Erziehung bedurfte. Puppenkochbücher kamen etwa gleichzeitig mit den Puppenherden erstmals auf den Markt und bildeten zusammen mit den verbreiteten Frauenratgeber- und Haushaltungsbüchern dieser Zeit die Basis für ein häusliches Mädchenbildungsprogramm.
Die Puppenherde der ersten Generation sind inzwischen gesuchte und geschätzte Sammlerobjekte, die, oftmals liebevoll restauriert, zu hohen Preisen als Antiquitäten gehandelt werden.
Technische Weiterentwicklung im 20. Jahrhundert
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elektrischer Puppenherd, BRD um 1960
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elektrischer Puppenherd „Brutzel“, DDR um 1960
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elektrischer Puppenherd, DDR um 1960
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Elektrischer Puppenherd mit Ceranfeld, um 1990
Küchengeräte für Kinder spiegelten jeweils auch die technische Entwicklung der „erwachsenen“ Küchen wider. Nach Einführung des Weckapparates um 1900 wurden so beispielsweise auch kleine Wecktöpfe und Weckgläser für Kinder produziert. Insgesamt dürfte die Ausstattung der Kinderküchen etwas konservativer gewesen sein, gerade auch, weil die in der Anschaffung teuren Puppenherde meist von mehreren Generationen von Kindern benutzt wurden.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg elektrische Herde in vielen Haushalten die Feuerherde ablösten, kamen auch elektrische Puppenherde auf den Markt. Wie ihre Vorgänger eigneten sie sich zum Kochen und Backen mit echten Lebensmitteln in passenden Miniaturtöpfen, -pfannen und -backformen. Es existieren Modelle mit zwei oder vier Kochplatten, mit oder ohne Backofen, zumeist aus emailliertem oder lackiertem Metall, mit eisernen Kochplatten.
Um 1990 kamen auch Puppenherde mit Cerankochfeld in den Handel.
Heutige Puppenherde aus Holz und Kunststoff
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts kamen diese funktionstüchtigen Puppenherde jedoch aus der Mode. Vermutlich hatten die Eltern zunehmend Bedenken, ihre Kinder selbstständig mit heißen Herdplatten und Lebensmitteln hantieren zu lassen. Veränderte Lebens- und damit auch Kochgewohnheiten der Eltern dürften ebenfalls eine Rolle gespielt haben, dass das „echte“ Kochen für Kinder heute eher eine Ausnahme darstellt. Spielzeuge, die keine Beaufsichtigung durch die Eltern benötigen, sind heute die Regel. Die ursprüngliche Idee, Kinder mit Puppenherden frühzeitig an Haushaltsarbeit heranzuführen und auf eine spätere Lebensrolle vorzubereiten ist heute überholt.
Heute sind Spielzeugherde aus Holz oder Kunststoff mit angedeuteten Herdplatten, Backofenklappe und Drehknöpfen verbreitet. Auf diesen Herden lässt sich nur „im Spiel“ kochen. Sie sind vollkommen ungefährlich, entbehren jedoch auch des Reizes, ein „echtes“ Essen kochen zu können. Die technische Küchenentwicklung der letzten Jahre hat kaum Einzug in die Kinderzimmer gehalten. Moderne Puppenherde sind Nachbildungen von Herden mit eisernen Herdplatten, wie sie nur noch in wenigen Haushalten tatsächlich anzutreffen sind. Puppenherde z.B. mit nachgebildetem Cerankochfeld oder Induktionsherdplatten sind nicht erhältlich. Damit verdeutlichen diese Spielzeugherde schon in ihrer äußeren Anmutung, dass sie keine „Ausbildungsgeräte“ für das wirkliche Leben sein sollen. Während elektrische Puppenherde Jungen und Mädchen gleichermaßen begeistern und faszinieren, gelten die modernen Holz- oder Kunststoffherde als Spielzeug für Mädchen und sind in Kinderzimmern von Jungen nur selten anzutreffen.
Quellen
- ↑ Eva Stille: Puppenküchen. In: Framke: Der Beruf der Jungfrau, S. 43.
Literatur
- Gisela Framke und Gisela Marenk (Hg.): Beruf der Jungfrau. Henriette Davidis und Bürgerliches Frauenverständnis im 19. Jahrhundert. Oberhausen: Graphium Press, 1988. ISBN 3-9800259-9-3