Wuestenstrom

evangelikale Organisation
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Die christliche Organisation Wüstenstrom bietet Seminare, Einzeltherapien und Selbsthilfegruppen an für Menschen, die sich sich mit ihrer Identität als Frau und Mann schwer tun, oder Menschen, die ihre Sexualität problematisch erleben. Besonders bekannt ist sie geworden durch ihre kontroverse Arbeit mit Homosexuellen, die mit ihrer sexuellen Ausrichtung Probleme haben und dadurch, dass sie sich für das "Recht auf Veränderung" der homosexuellen Ausrichtung einsetzt. Aufgrund dieser Kontroversen wird Wüstenstrom insbesondere von Homosexuellen-Gruppen der Ex-Gay-Bewegung zugeordnet.

Geschichte [1]

Wüstenstrom begann einerseits mit Günter Baum einem heutigen Ex-Ex-Gay gegründet, der 1990 in Deutschland mit Andy Comiskey zusammengetroffen war. Baum hatte für den christlichen diakonischen Verein Elops in den USA von Comiskey das Living Waters Seelsorgekonzept und dessen seelsorgerliche Arbeit im Aids-Bereich kennengelernt und sollte als Angestellter von Elops die Living Waters Seelsorgeinitiative "Wüstenstrom" (genannt nach Comiskeys Desert Stream Ministries) als Arbeitszweig von ELops aufbauen, wofür er auch von Comiskey offiziell eingesetzt wurde. In den nächsten Jahren entstanden in Deutschland durch Baums Arbeit einige Living Waters Gruppen.

Unabhängig davon arbeitete Markus Hoffmann nach einem vorläufigen Selbsthilfekonzept mit einer Gruppe von homosexuellen Männern an einer Veränderung ihrer sexuellen Orientierung.

1994 trafen Baum und Hoffmann auf einem internationalen Symposium zusammen und daraus entwickelten sich Pläne für eine gemeinsame Arbeit. Baum, als Pflegepädagoge, lag besonders die Betreuung von aidskranken Homosexuellen am Herzen, Hoffmann, mit sozialwissenschaftlichem und therapeutischem Hintergrund, die Entwicklung eines Beratungsansatzes für Menschen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen.

Nach einem homosexuellen "Rückfall" konnte Baum die Arbeit nicht weiterführen, da Desert Stream Ministries von einem nationalen Leiter jahrelange homosexuelle Abstinenz verlangt. In Absprache entschieden sich Elops, Baum und Hoffmann, die Arbeit an Hoffmann zu übergeben.

Baum machte in Berlin eine Therapie um seinen weiteren Lebensweg zu klären und entschied sich in der Folge, seine Homosexualität als Christ zu leben. Er gründete den Verein Zwischenraum, der homosexuellen Christen Unterstützung bei der Selbstannahme gibt.. Dem Living Waters Konzept steht er heute sehr kritisch gegenüber.

Hoffmann widmet sich seit 1997 vollzeit der Arbeit mit Wüstenstrom.

Seit 2000 ist Wüstenstrom ein eingetragener Verein.

2004 wurde Wüstenstrom Schweiz gegründet, geleitet von Rolf und Ria Rietmann.

Gemäss einer gemeinsamen Erklärung sind Baum und Hoffmann heute an einem kritischen Dialog miteinander interessiert und verwahren sich beide gegen eine Instrumentalisierung durch effektheischerische Medien.

Im Verlauf der letzten Jahre kam, wie auch bei Desert Stream in den USA, neben der Arbeit mit Homosexuellen auch die Arbeit mit Leuten dazu, die sexuellen oder geistlichen Missbrauch erlebt haben, mit heterosexuellen Pornographie- und Sexsüchtigen und mit Leuten, die allgemein Probleme mit Selbstwert haben.

Arbeitsbereiche

Die Arbeit von Wüstenstrom gliedert sich in drei Bereiche.

Selbsthilfe Aufbruch Leben

Aufbruch Leben ist ein Selbsthilfe-Seelsorgeprogramm das von unterschiedlichen evangelikalen Gemeinden getragen wird, das Nachfolgeprogramm von Living Waters.

Das Programm richtet sich laut Wüstenstrom an Menschen, die Probleme mit Sexualität oder Frau-/Mann-Sein haben, die sexuelle Traumata verarbeiten müssen, oder die ihre Beziehungen klären und ihre Beziehungsfähigkeit verbessern wollen.

Living Waters folgte einem Konzept von Andrew Comiskey aus Los Angeles und bestand aus Abenden mit Gebet, einem Vortragsteil und Gruppenarbeit. Ursprünglich war Living Waters für Homosexuelle konzipiert, die mit ihrer sexuellen Ausrichtung im Konflikt stehen. Das Programm wurde überarbeitet und richtet sich heute auch an Menschen mit Identitäts- und Selbstwertproblemen, Menschen in abhängigen Beziehungen und Menschen mit Sexsucht.

Das Living Waters Konzept wurde von Markus Hoffman umgearbeitet und zu Aufbruch Leben weiterentwickelt. Aufbruch Leben besteht aus drei Kursmodulen von je etwa zehn Wochen. In den drei Kursmodulen geht es um

  • Gottesbeziehung und persönliche Reife
  • Lebenskonflikte und Vergebung
  • Beziehungsfähigkeit

Die Aufbruch-Leben Kurse werden von ehrenamtlichen Mitarbeitern geleitet, die Wüstenstrom ausgebildet hat. Laut Wüstenstrom gibt es heute über 400 ehrenamtliche Mitarbeiter mit dieser Ausbildung.

Wüstenstrom Schweiz bietet ein spezielles zwanzigwöchiges Programm für Sexsüchtige im Rahmen einer geschlossenen Kleingruppe an.

Arbeitsbereich "Therapeutische Beratung"

Therapeutische Beratung [2]

Die therapeutische Beratung von Wüstenstrom richtet sich an Menschen, die ihre Sexualität als konflikthaft empfinden oder die in ihrer Identität verunsichert sind. Angeboten werden

  • Einzelberatung
  • Gruppenarbeit
  • Intensivseminare für spezifische Probleme

Wüstenstrom hat heute nach eigenen Angaben ein Kernteam von 15 Menschen, die professionelle Arbeit leisten.

Die Beratung richtet sicht gemäss Wüstenstrom an Leute mit unterschiedlichen Problemlagen, beispielsweise

  • Fragen des Frau- bzw. Mannseins, Fragen der sexuellen Orientierung
  • Identitätskrisen, Entwicklung der Persönlichkeit, arbeiten an der Reifung der Persönlichkeit
  • Aufbau von Zärtlichkeitskommunikation und Sexualität bei Ehepaaren
  • missbrauchte Menschen, Trauma-Arbeit
  • Konflikte im Bereich von Sucht, insbesondere sexueller Sucht.

Wüstenstrom erklärt auf ihrer Website, dass sie sich gemäss heutigen sexualwissenschaftlichen Erkenntnissen auf einen plastischen Sexualbegriff verpflichten, der darauf basiert, dass sexuelle Orientierung ein komplexes und nicht zuletzt kulturell bedingtes Phänomen ist.Langzeituntersuchungen hätten immer wieder beschrieben, dass Menschen aufgrund unterschiedlicher nichtsexueller Motive ihre sexuelle Orientierung unbewusst oder bewusst verändern und im Lauf des Lebens neu formulieren. Sie bestätigen, dass es unterschiedliche sexuelle Orientierungen gibt, dass beim Ausleben dieser Orientierungen aber das kulturellen Umfeld, ethische Entscheidungen des Menschen und bewusste und unbewusste Motiven eine Rolle spielen.

In einer ausführlichen Selbstverpflichtung auf ihrer Website, in der sie auf ihre eigenen negativen Erfahrungen in Kirche und Gesellschaft Bezug nehmen, erklären sie, dass die Bibel und das reformatorische Bekenntnis für sie oberstes Leitkriterium seien und daraus folgend eine Ethik, die Familie und sexuelle Gemeinschaft von Mann und Frau als Lebensentwurf unterstützt und fördert, dass sie sich aber verpflichten, Menschen, die eine andere Form der sexuellen Orientierung leben nicht zu diskriminieren, die Entscheidung eines Menschen für einen bestimmten Lebensentwurf zu respektieren und in der Öffentlichkeit für ein Recht auf Veränderung einzutreten.

Wüstenstrom lehnt es ab, mit Leuten zu arbeiten, die auf äusseren Druck hin eine Veränderung anstreben. Ebenso lehnen sie manipulative Umpolung strikt ab und werten sie als schädlich und gefährlich. Menschen sollen sich nur dann für eine Veränderung entscheiden, wenn sie das wirklich wollen.

Sie sehen eine Arbeit an einer Veränderung von sexueller Orientierung nur dann als sinnvoll an, wenn ein Mensch seine Sexualität auf problematische Weise benutzt um dadurch z.B. Selbstwertgefühl zu gewinnen oder Probleme zu bewältigen.

Ebenso verpflichten sie sich, offen auch über Nichtveränderung zu reden und in ihren Darstellungen möglichst alle in der Wissenschaft geäusserten Meinungen darzustellen.

Arbeitsbereich "Politisches Handeln"

Wüstenstrom will dafür eintreten, "dass es in Deutschland ein Recht auf Veränderung der sexuellen Orientierung geben muss," dass Kinder ohne Kontakt zu offen lebenden Homosexuellen aufwachsen sollen und "dass jeder Mensch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat." Letzteres Ziel ist spätestens mit dem gesetzlichen Verbot von Vergewaltigungen in der Ehe erreicht worden, auch wenn Wüstenstrom kein Augenmerk auf diesem Bereich geworfen hat.

Kritik

Wüstenstrom ist stark umstritten, da die von Wüstenstrom vertretenen Grundansichten zur Homosexualität[3] im Widerspruch zu den heute in Psychiatrie und Psychologie etablierten Auffassungen stehen.[4] [5] In Maßnahmen, mit denen Homosexuelle zu Heterosexuellen gemacht werden sollen, also auch die von Wüstenstrom angebotenen Maßnahmen, warnen die weltweit führenden psychiatrischen und psychologischen Organisationen vor einer möglicherweise schädigenden Wirkung für die Klienten

Auf der Grundlage evangelikal-christlicher Werte vertritt der Verein die Auffassung, dass homosexuelles Verhalten gott-unerwünscht sei – eine Auffassung, die von anderen Weltanschauungen wie beispielsweise dem säkulären Humanismus stark kritisiert wird.

Die Argumente der Kritiker finden eine besondere Unterstützung dadurch, dass der Gründer von Wüstenstrom Deutschland (1994), Günter Baum, inzwischen selbst homosexuell lebt und dies entgegen seinen ursprünglichen Absichten inzwischen auch offen anspricht. So erklärte er der Basler Zeitung im Jahr 2000: „Je länger je mehr wurde mir bewusst, dass ich vor der Wahl stand: Entweder ich bin fromm, 'asexuell' und psychoneurotisch oder ich lebe als Christ mein Schwulsein und bin psychisch gesund.“ Er kritisiert, dass die meisten Ex-Gays nicht akzeptieren, dass es „Kernhomosexuelle“ gibt, bezweifelt aber auch nicht, dass es Homosexuelle gibt die ihr sexuelles Verhalten dauerhaft ändern können[6].

Siehe auch

Quellen

  1. Gemeinsame Erklärung von Günter Baum und Markus Hoffmann
  2. Wüstenstrom: Selbstverpflichtung und Grundlagen der Arbeit
  3. wuestenstrom.de: Aktuelle Themen - Homosexualität - Grundansichten von Wüstenstrom zur Homosexualität
  4. Religious Tolerance: Reparative Therapy, Statements by Professional Associations and their Leaders (englisch)
  5. Answers to Your Questions About Sexual Orientation and Homosexuality (englisch)
  6. Welt am Sonntag: Till-R. Stoldt: Ich war stockschwul, S. 2, 30. November 2003