Die Pflegeversicherung (PV) ist eine Einrichtung des deutschen Sozialversicherungssystems. In anderen Staaten ist sie nicht vorhanden oder anderen Institutionen zugeordnet. In Österreich bietet das Bundespflegegeldgesetz BPGG eine vergleichbare Absicherung im Pflegefall, die Schweiz hat kein solches System.
Die Pflegeversicherung wurde in Deutschland ab 1. Januar 1995 mit dem Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) als "fünfte Säule"[1] der Sozialversicherung eingeführt ("Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit, Pflegeversicherungsgesetz – PflegeVG"). Die Träger der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen, deren Aufgaben von den Krankenkassen wahrgenommen werden. Alle gesetzlich krankenversicherten Personen wurden mit Inkrafttreten des SGB XI in die soziale Pflegeversicherung aufgenommen. Dort nicht Versicherte können auch in die Pflegeversicherung aufgenommen werden (geregelt im nachträglich eingefügten § 26a SGB XI). Alle Vollversicherten einer privaten Krankenversicherung wurden Mitglieder der privaten Pflegeversicherung (PPV). Damit wurde erstmals ein Versicherungsschutz für praktisch die gesamte Bevölkerung eingeführt.
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- ↑ nach Krankenversicherung, Berufsunfallversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung
Entstehen der Pflegeversicherung
Die Pflegeversicherung wurde eingeführt, weil durch die Erosion traditioneller, familienorientierter Lebensformen (und der damit wegfallenden Bereitschaft oder Fähigkeit, Familienangehörige innerhalb der Familie zu versorgen) immer mehr Menschen im Alter im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit auf Hilfe von außen angewiesen waren, die sie aus eigenen Mitteln nicht finanzieren konnten.
Vor Einführung der Pflegeversicherung mussten Pflegekosten zunächst durch Eigenmittel (Renten- oder Pensionseinnahmen sowie eigene Rücklagen) gedeckt werden. Wenn diese Mittel nicht ausreichte, wurden Sozialhilfe-Leistungen (also Steuermittel) in Anspruch genommen.
Die daraus resultierenden Sozialhilfe-Ausgaben drohten zu einer immer größeren Belastung der Haushalte der Kommunen zu werden. Die Pflegeversicherung entlastete damit die kommunalen Haushalte. Mit der Einführung der Pflegeversicherung sollten alte Menschen aber auch davor bewahrt werden, im Alter von der Sozialhilfe abhängig zu werden und sich als völlig mittellos wahrzunehmen.
Um der Pflegeversicherung ausreichende Geldmittel zu verschaffen, begann die Beitragspflicht am 1. Januar 1995, während die ersten Leistungen erst ab 1. April 1995 beansprucht werden konnten. Seitdem gewährte die Pflegeversicherung Leistungen für die häusliche Pflege , ab 1. Juli 1996 auch Leistungen für die stationäre Pflege. Die Beiträge stiegen dann auf 1,7% des Bruttoeinkommens (je zur Hälfte vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu tragen). Zur Finanzierung der Arbeitgeberbeiträge wurde jedoch der Buß- und Bettag als Feiertag abgeschafft (Ausnahme: Sachsen – dort zahlen die Arbeitnehmer allerdings auch 1,35 % statt 0,85 % Eigenanteil). Einzelheiten zu den Beiträgen s. u. im Abschnitt "Beiträge".
Pflegestufen
Um Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können, stellt die pflegebedürftige Person einen Antrag bei ihrer Krankenkasse oder bei der ihrer Krankenkasse angeschlossenen Pflegekasse; das gilt auch bei einer angestrebten Einstufung in eine andere Pflegestufe. Die Kasse lässt daraufhin vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein Gutachten anfertigen, um die Pflegebedürftigkeit und den Pflegeaufwand dafür im Einzelnen festzustellen. Das geschieht bei einem - zuvor angemeldeten - Hausbesuch eines Gutachters. Vorteilhaft ist es, zuvor eine Zeit lang ein Pflegetagebuch zu führen; Vordrucke dafür gibt es bei der Krankenkasse.
Der Gutachter stellt - ggf. anhand des Pflegetagebuches - den Zeitbedarf für die persönliche Pflege (Grundpflege: Körperpflege, Ernährung und Mobilität) und für die hauswirtschaftliche Versorgung in einem Pflegegutachten fest.
Der darin vom Gutachter festgestellte Pflegeaufwand ist nicht der reale Zeitbedarf im konkreten Fall, sondern ist zusammengesetzt aus vom Gesetzgeber vorgegebenen Minutenwerten für die als notwendig erachteten Hilfen. Einige wichtige Faktoren werden bei der Ermittlung dieses Zeitbedarfs für die Pflege nicht berücksichtigt:
- Betreuung von Menschen, die an Demenz (Altersverwirrtheit) leiden und auf ständige Anwesenheit einer zur Hilfe bereiten Person angewiesen sind
- Unterstützung in sozialen Bereichen des Lebens
- Hilfe zur Bewältigung von Krisen und bei Vereinsamung
- Umgang mit Sterben und Tod.
Der Gutachter empfiehlt der Kasse je nach festgestellten Pflegeaufwand eine der Pflegestufen und ob häusliche Pflege durch ehrenamtliche Pflegepersonen, durch einen ambulantem Pflegedienst oder stationäre Pflege in Betracht kommt. Bei ehrenamtlicher häuslicher Pflege beurteilt und berichtet er der Pflegekasse auch, ob und durch welche Pflegeperson(en) diese gesichert erscheint.
Die Entscheidung zur Pflegeeinstufung trifft die Pflegekasse unter maßgeblicher Berücksichtigung des Pflegegutachtens. Je nach Pflegestufe bestehen für Pflegebedürftige unterschiedliche Leistungsansprüche.
Die Pflegestufen sind:
- I - erhebliche Pflegebedürftigkeit, d.h. Hilfebedarf mindestens 90 Minuten pro Tag. Auf die Grundpflege müssen dabei mehr als 45 Minuten täglich entfallen.
- II - schwere Pflegebedürftigkeit, d.h. Hilfebedarf mindestens 180 Minuten pro Tag mit einem Grundpflegebedarf von mindestens 120 Minuten täglich.
- III - schwerste Pflegebedürftigkeit, d.h. Hilfebedarf mindestens 300 Minuten pro Tag. Der Anteil an der Grundpflege muss dabei mindestens 240 Minuten täglich betragen.
- Härtefall - schwerste Pflegebedürftigkeit wie Stufe III, Hilfebedarf jedoch mindestens 420 Minuten pro Tag rund um die Uhr, auch regelmäßig nachts; nachts mindestens 120 Minuten; Grundpflege mindestens 360 Minuten pro Tag, nur von einer Pflegefachkraft auszuführen.
Die Bezeichnung "Pflegestufe 0" existiert von ihrer Wirkung her de facto, sie wird im Gesetz allerdings nur negativ geregelt. "Darunter (90 Minuten etc.) gibt es keine Leistung." Umgangssprachlich wird der Ausdruck allerdings oft sachlich richtig verwendet (gesprochen: Pflegestufe Null), um auszudrücken, dass der Betreuungsbedarf einer Person zwar besteht, aber unterhalb der Zeitaufwandsschwelle liegt, die von der Pflegeversicherung als Voraussetzung für Leistungen der Pflegestufe I mindestens verlangt wird. Das heißt nicht, dass keine Pflege oder hauswirtschaftliche Unterstützung nötig wäre. Der Begriff hat nichts mit dem objektiven Pflegebedarf zu tun, sondern nur mit den gesetzlichen Zeitgrenzwerten.
Es kann vorkommen, dass der MDK-Gutachter den Pflegeaufwand niedriger einschätzt als die betroffenen Angehörigen. Sei es, um überhaupt Leistungen der Pflegeversicherung erhalten zu können oder eine höhere Pflegestufe. Zunächst ist es möglich, innerhalb einer Frist von 4 Wochen gegen den Bescheid der Pflegekasse Widerspruch einzulegen. Dieser sollte möglichst auch begründet sein. Hilfreich ist in jedem Falle hierzu die Anforderung des Gutachtens, das der Gutachter des MDKs nach seinem Besuch erstellt hat. Sollte dem Widerspruch nicht abgeholfen werden können, besteht aber weiterhin die Überzeugung, die Einstufung (oder Ablehnung) sei nicht dem Bedarf entsprechend, kann Klage beim Sozialgericht erhoben werden. Sollte sich die Pflegebedürftigkeit weiterhin verändern (im Sinne von erhöhen), kann jederzeit erneut ein Antrag gestellt werden.
Leistungen
Es gibt folgende unten genauer beschriebene Leistungen:
- Bei häuslicher Pflege:
- - monatliche Geldleistungen für private und privat organisierte häusliche Pflege z. B. durch Angehörige
- (gleichzeitig auch: Soziale Absicherung der Pflegeperson; Qualitätssicherungsbesuche)
- - Sachleistungen durch die Pflegekasse (ambulante Versorgung)
- (ein vom Pflegebedürftigen ausgesuchter zugelassener ambulanter Pflegedienst kommt zur Pflege ins Haus)
- - Kombinationsleistungen aus den beiden vorgenannten Möglichkeiten
- bei den drei vorgenannten Arten häuslicher Pflege kann es zusätzliche Leistungen geben
- - Kurzzeitpflege (durch ambulante Pflegedienste oder stationär)
- - Verhinderungspflege
- - Pflegehilfsmittel und Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung
- Bei Unterbringung in einem Heim:
- - Leistungen für die Dauerpflege (ständige stationäre Versorgung)
Anmerkung: Die Leistungen der von den Krankenkassen finanzierten so genannten Behandlungspflege gibt es weiterhin; sie betrifft jedoch nur Fälle, die weniger als ein halbes Jahr Hilfe erfordern.
Leistungen bei häuslicher Pflege
Gegenwärtig entscheiden sich etwa zwei Drittel der mehr als zwei Millionen Pflegebedürftigen für die häusliche Pflege. In der häuslichen Umgebung ist der Pflegebedürftige vor allem erheblich geringeren psychischen Belastungen ausgesetzt als bei einem Heimaufenthalt.
Monatliche Geldleistungen für private häusliche Pflege
Politisch ist diese Unterstützung ein Ausdruck der Anerkennung privater Hilfe, die als "ehrenamtliche" Tätigkeit gilt. Pflegepersonen stehen also nicht in einem Arbeitsverhältnis. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Familienangehörige oder Familienfremde handelt und ob diese für die persönliche Grundpflege oder die hauswirtschaftliche Versorgung tätig sind. Sie bedürfen also keiner Anmeldung z.B. als Minijob und keiner Arbeitserlaubnis oder irgendwelcher sonstiger für Arbeitsverhältnisse nötigen Genehmigungen oder Anmeldungen.
Für diese häusliche Pflege werden dem Pflegebedürftigen Geldleistungen gewährt. Diese auch Pflegegeld genannte Versicherungsleistung beträgt in Pflegestufe
- I 205 €,
- II 410 €,
- III 665 €.
Eine Härtefallregelung gibt es bei der Geldleistung nicht. Die Pflege und das Pflegegeld kann der Pflegebedürftige auch auf mehr als eine Person aufteilen (z. B. persönliche Pflege durch den Ehepartner und die zur Pflege gehörige hauswirtschaftliche Versorgung durch eine familienfremde Person). Der Pflegebedürftige muss die Verwendung der Gelder nicht im Einzelnen nachweisen. Unterstützend kommen folgende Maßnahmen hinzu:
- Soziale Absicherung der Pflegeperson
Über das Pflegegeld hinaus zahlt die Pflegekasse für ehrenamtlichen Pflegepersonen - soweit sie keine Altersrente oder Pension beziehen - Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur gesetzlichen Unfallversicherung. Das gilt aber nur für Pflegepersonen, die neben der Pflege nicht mehr als 30 Wochenstunden versicherungspflichtig erwerbstätig sind. Damit erhalten sowohl pflegende Angehörige als auch familienfremde Pflegepersonen während der Pflegezeit einen gewissen Versicherungsschutz. Die Beitragshöhe richtet sich nach der wöchentlichen Stundenzahl (mindestens 14 Std.) sowie nach der Pflegestufe und wird jährlich neu festgelegt. Für 2006 gelten folgende Beiträge:
Pflegestufe wöchentlich € mtl. € mtl. mind. Std. West Ost I 14 127,40 107,38 II 14 169,87 143,17 II 21 254,80 214,76 III 14 191,10 161,07 III 21 286,85 241,61 III 28 382,20 322,14
Bei der Rentenberechnung werden die dem Rentenversicherungsträger gemeldeten Pflegezeiten wie Zeiten einer versicherten Beschäftigung auf die Rente angerechnet und wirken sich somit wesentlich günstiger aus als eine Berechnung auf Basis des tatsächlich erhaltenen Pflegegeldes.
- Qualitätssicherungsbesuch
Eine zur Geldleistung zugehörige Dienstleistung der Pflegeversicherung sind regelmäßige Qualitätssicherungsbesuche daheim. Sie dienen zur Beratung und Sicherstellung einer ausreichenden pflegerischen Versorgung durch die Angehörigen (Laienpflege). Die pflegenden Angehörigen melden sich zur Terminvereinbarung bei einem ambulanten Dienst (freie Wahl) an. Die Häufigkeit der Beratung (es sollte wirklich nicht als Kontrolle verstanden werden) richtet sich nach der Pflegestufe. Bei Pflegestufe I und II findet alle 6 Monate, bei Pflegestufe III alle 3 Monate ein Pflichtbesuch statt. Fragen, die gestellt werden bzw. werden können: "Wie mache ich dies oder das leichter? Woher bekomme ich Hilfsmittel? Tipps, z. B. für die Verabreichung von Getränken. Kosten, wenn Teile der Pflege von Profis übernommen werden? Wie oft sollte die Person anders gelagert werden? ....."
Sachleistungen durch die PV
Der Begriff "Sachleistungen" ist möglicherweise missverständlich, denn von der PV wird dabei ein ambulant tätiger Pflegedienst bezahlt, der die Pflege zu Hause durchführt. Der Pflegedienst wird von der zu pflegenden Person ausgesucht. Die Pflegedienste rechnen direkt mit der Pflegekasse ab, eine Auszahlung an die gepflegte Person oder deren Angehörige erfolgt nicht.
Pflegebedürftige können solche Sachleistungen der Pflegekasse von ambulanten Pflegediensten in Anspruch nehmen bis zu einem monatlichen Maximalbetrag, in Pflegestufe
- I 384 €,
- II 921 €,
- III 1432 €,
in anerkannten Härtefällen 1.918 €. Ein Härtefall im Sinne des PVG liegt bei einem zeitlich oder kostenmäßig außergewöhnlich hohen und vom MDK überprüften Pflegeaufwand vor, z. B. im Endstadium einer Krebserkrankung oder im Wachkoma.
Kombinationsleistungen
Bei der Kombinationsleistung können sowohl Leistungen der Pflegedienste als "Sachkosten" abgerechnet als auch der dabei nicht verbrauchte Anteil an der Höchstleistung als Geldleistung in Anspruch genommen werden. Wird z.B. 80 % des Höchstbetrages der Sachleistung verbraucht, stehen daneben noch 20 % des Höchstbetrages der Geldleistung zur Verfügung. So kann z. B. die persönliche Pflege durch einen Pflegedienst erfolgen und die hauswirtschaftliche Versorgung durch einen Familienangehörigen.
Sonstige Leistungen bei häuslicher Pflege
Neben den vorgenannten Leistungen können bei häuslicher Pflege folgende weitere Leistungen der Pflegeversicherung zur Anwendung kommen:
- Kurzzeitpflege
Bei der „Kurzzeitpflege“ werden im Bedarfsfall auch die Kosten für eine professionelle Ersatzpflegekraft (durch eine Vertragspflegeeinrichtung) bzw. stationär in einem Pflegeheim bis zu 4 Wochen jährlich bis zu einem Betrag von 1.432 € übernommen. Leistungsgründe können z.B. Urlaub der Pflegeperson oder eine kurzfristige Verschlechterung der Pflegebedürftigkeit sein.
- Verhinderungspflege
Bei einer häuslichen Pflege, die bereits länger als 12 Monate andauert, ist die Inanspruchnahme einer „Verhinderungspflege“ (bei Verhinderung der Pflegeperson infolge Krankheit oder Urlaub; auch Ersatzpflege genannt) durch eine nichtprofessionelle Ersatzkraft möglich. Das wird ebenso bis zu insgesamt 4 Wochen jährlich bis zu einem Betrag von 1.432 € übernommen, wenn die Ersatzkraft nicht mit der zu pflegenden Person verwandt ist. Besteht der Anspruch auf Verhinderungspflege noch nicht, kann alternativ Kurzzeitpflege in Anspruch genommen werden.
- Pflegehilfsmittel und Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung
Für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel werden bis 31,- € monatlich übernommen. Technische Hilfsmittel können leihweise zur Verfügung gestellt oder von der Krankenkasse zu 100% erstattet werden. Für die Verbesserung des Wohnumfeldes (z. B. Hebegeräte, Einbau eines behindertengerechten Bades, Treppenlift) können von der Pflegeversicherung Kosten bis zur Obergrenze von 2.557 € je Maßnahme durch den MDK bewilligt werden. Der Pflegebedürftige hat einen Eigenanteil von 10% der Kosten der Umbaumaßnahme zu leisten. Der Eigenanteil darf dabei aber 50% seiner monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt nicht übersteigen. Verfügt er über keine eigenen Einkünfte, entfällt der Eigenanteil. Die Einnahmen anderer im Haushalt lebender Personen (z.B. Ehegatte) bleiben grundsätzlich unberücksichtigt.
Sind gleichzeitig verschiedene Um- bzw. Einbauten nötig (z.B. Türverbreiterungen und Rollstuhlrampe und Treppenlift), so gelten diese einheitlich als eine Umbaumaßnahme. Ein erneuter Zuschuss für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes ist nur möglich, wenn eine zwischenzeitlich eingetretene Veränderung der Pflegesituation diese erforderlich macht. Alternativ zu nötigen Umbaumaßnahmen kann auch ein Umzug in eine den Anforderungen des Pflegebedürftigen entsprechende Wohnung bezuschusst werden. Sofern auch hier weitere Aufwendungen zur Wohnumfeldverbesserung nötig sind, können diese ebenfalls bezuschusst werden. Insgesamt darf aber auch in dieser Kombination der Höchstzuschuss von 2557 € nicht überschritten werden.
- Pflegekurse für Angehörige und andere ehrenamtliche Pflegepersonen
- Zusätzlich Betreuungsleistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf (also z. B. bei an Demenz erkrankten Versicherten ab Pflegestufe I; zusätzliche Förderung bis maximal 460 € pro Kalenderjahr; siehe: Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz). Die Abrechnung mit der Pflegekasse erfolgt im Rahmen der Kostenerstattung bei Sachleistungen (siehe oben). Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Leistungen ist ein gesonderter Antrag und die Beurteilung durch den Medizinischen Dienst. Zusätzliche Betreuungsleistungen können sein:
- Tagespflege
- Nachtpflege
- Kurzzeitpflege (s.o.)
- besondere Betreuungsangebote, z. B. von Pflegediensten oder speziellen Betreuungsgruppen
Leistungen bei stationärer Pflege
Bei Unterbringung in einem Pflegeheim (oder in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe) zahlt die Pflegekasse eine Pauschale an das Heim; bei Pflegestufe
- I 1023 €,
- II 1279 €,
- III 1432 €;
in Härtefällen bis zu 1688 €. Diese Beträge sind nur für den Pflegeaufwand und die soziale Betreuung im Heim bestimmt. Die betreute Person muss also die darüber hinaus anfallenden Kosten für Unterbringung und Verpflegung (siehe Pflegesatz) selbst bezahlen. Außerdem darf der von der Pflegekasse zu übernehmende Betrag 75% des tatsächlichen Heimentgeltes (bestehend aus Pflegesatz, Unterkunfts- und Verpflegungskosten sowie den gesondert berechenbaren Investitionskosten) nicht übersteigen.
Falls das Einkommen (auch von evtl. unterhaltspflichtigen Personen) dafür nicht ausreicht, kann und sollte dafür „Sozialhilfe“ bei der zuständigen Gemeinde oder dem Landkreis beantragt werden (Es gibt dabei relativ geringe Schonbeträge, die nicht angetastet werden müssen - und trotzdem kann Sozialhilfe in Anspruch genommen werden. Das gilt unter Umständen auch für das von einer Familie bisher gemeinsam genutzte Wohneigentum.).
Statistik
Anzahl der der dafür tätigen Pflegepersonen, Pflegedienste, Pflegeheime und professionellen Pflegekräfte (2003)
Kritische Anmerkungen zu den Leistungen
Mit Einführung der Pflegeversicherung hat das Pflegefallrisiko Anerkennung als ein allgemeines Lebensrisiko gefunden. Allerdings handelt es sich dabei um ein Budgetierungssystem und nicht um ein Bedarfsdeckungssystem. Budgetierungssystem bedeutet, dass es je nach Pflegestufe einen festen Betrag gibt, der als Unterstützung von der Versicherung bezahlt wird, unabhängig davon, wie hoch die Preise für solche Dienstleistungen, z. B. durch Inflation, im Lauf der Jahre ansteigen sollten.
Sozialhilfe in Form von „Hilfe zur Pflege“ wird deshalb auch künftig, und zwar mit steigender Tendenz notwendig werden.
Unter „Pflegestufen“ (s.o.) sind bereits einige Fälle aufgeführt, die gar nicht berücksichtigt werden. Auch Pflegefälle von kürzerer Dauer als einem halben Jahr bewirken keine Leistungen aus der Pflegeversicherung (z.B. eine 4-monatige Pflegebedürftigkeit nach schwerem Unfall).
Ferner fassen Pflegende die Erstattungsbeträge für die einzelnen Leistungspakete als vorgegebene Zeitwerte für jede einzelne Hilfe auf. Der Gesetzgeber hat das so nicht vorgesehen, sondern betrachtet die Erstattungsbeträge als einen Durchschnittswert, der mal unter- aber auch nach den individuellen Gegebenheiten überschritten werden muss. Der Zeitdruck für professionelle Pflegekräfte in schwierigen Pflegesituationen geht auch zu Lasten der gepflegten Personen. Die Pflegeversicherung wollte und will nicht alle entstehenden Kosten sondern nur einen festgelegten Anteil daran tragen. Durch die Inflation sinkt der Anteil im Laufe der Jahre immer etwas weiter ab. Die pflegebedürftigen Personen müssen privat für weitere (auch für erforderliche) Dienste zuzahlen (siehe hierzu die statistischen Angaben in "Pflegesatz" aus dem Jahre 2001).
Beiträge
Gesetzlich Versicherte
Für die gesetzlich Versicherten beträgt der Beitragssatz derzeit (2006) 1,7 Prozent vom Bruttobetrag des Arbeitsentgelts oder der Rente - jedoch nur bis zum Höchstbetrag für die Krankenversicherung, derzeit 3.562,50 € - (siehe Sozialgesetzbuch XI § 55). Familienangehörige sind beitragsfrei mitversichert, wenn ein Anspruch auf Familienversicherung besteht.
Mit der Einführung der Pflegeversicherung wurde erstmals das Prinzip der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherungen nicht mehr angewendet: in allen Bundesländern außer Sachsen gibt es zwar eine nominelle Halbteilung der Beitragszahlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern; durch die gleichzeitige Streichung des gesetzlichen Feiertags "Buß- und Bettag" wurde aber bewirkt, dass die Arbeitgeber durch die Arbeitnehmer mit dem Wert der Produktion dieses Tages finanziell entlastet werden; die Pflegeversicherung wird faktisch also fast ausschließlich arbeitnehmerseitig finanziert. In Sachsen ist der Feiertag erhalten geblieben, dafür werden die Pflegeversicherungsbeiträge aber von den Arbeitnehmern mit 1,35% und den Arbeitgebern mit 0,35% getragen. Die gesetzliche Pflegeversicherung unterscheidet sich von den anderen Zweigen der Sozialversicherung also im Wesentlichen dadurch, dass es sich um eine fast einseitig arbeitnehmerfinanzierte Pflichtversicherung handelt, während die Kranken-, die Renten- und die Arbeitslosenversicherung paritätisch finanziert werden. Der Abschied von der paritätischen Finanzierung bei der Einführung der Pflegeversicherung wird im Allgemeinen von Sozialversicherungsexperten als Wendepunkt angesehen, der den Abschied von der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Lebensrisiken der Arbeitnehmer markiert.
Von Rentnerinnen und Rentnern ist seit dem 01.04.2004 der Beitrag zur Pflegeversicherung allein zu tragen. Davor gab es für diese Gruppe einen 50%igen Beitragszuschuss vom Träger der Rentenversicherung.
Personengruppe | Beitragssatz 2006 | |
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Versicherte | Arbeitgeber/Träger | |
Arbeitnehmer u.ä. im Freistaat Sachsen | 1.35 % | 0.35 % |
Arbeitnehmer u.ä. (restliches Bundesgebiet) | 0.85 % | 0.85 % |
Familienversicherte | 0.00 % | 0.00 % |
Rentner | 1.70 % | 0.00 % |
Freiwillig Versicherte (z.B. Selbständig Tätige u.a.) | 1.70 % | 0.00 % |
Studenten bei Nebenverdienst, wenn der Krankenkassenbeitrag dafür 47,53 € mtl. überschreitet (sonst: siehe Anmerkung unten) | 1.70 % | 0.00 % |
Seit dem 1. Januar 2005: Zusatzbeitrag für kinderlose Jahrgänge ab Vollendung des 23. Lebensjahres, aber nicht vor dem 1. Januar 1940 Geborene. | 0.25 % | 0.00 % |
Anmerkung für Studenten: Bis zum Alter von 25 Jahren sind Studenten bei den Eltern mitversicherbar (ggf. zuzüglich einer Dienstzeit bei der Bundeswehr); danach gilt ein eigener Beitrag von 7,92 € bzw. 9,09 € für Kinderlose.
Anmerkung für Beihilfeberechtigte (z. B. Beamte): Es gelten die halben Beitragssätze und die halben Leistungssätze.
Zusatzbeitrag für Kinderlose
Die Pflegeversicherung verteilt massiv von Kinderhabenden zu Kinderlosen um. Denn die Systematik der Pflegeversicherung führt dazu, dass die Gruppe der heutigen Kinder in der Zukunft nicht nur für die Pflege der Gruppe ihrer eigenen Eltern, sondern zusätzlich auch für die immer größer werdende Gruppe der Kinderlosen aufkommen muss. Eltern ziehen zwar die nächste Generation an Pflegeversicherungszahlern auf, erhalten aber bei Alterspflegebedürftigkeit nur die gleichen Pflegeleistungen wie die ehemals Kinderlosen, obwohl die Pflegeversicherung auf künftige Beitragszahler, also Kinder angewiesen ist.
Zur Entlastung von Eltern bei der Einzahlung in die Pflegeversicherung zur Honorierung ihrer mit der Erziehung der Kinder übernommenen gesellschaftlichen Verantwortung wurde ein Kinderlosigkeitsmalus eingeführt, der allerdings aus Sicht von Familienverbänden völlig unzureichend ist.
Danach müssen kinderlose Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung seit 1. Januar 2005 einen um 0,25 % höheren Beitragssatz zahlen als bisher, wenn sie über 23 Jahre alt, aber nicht vor dem 1. Januar 1940 geboren sind. Damit zahlen sie statt der bisherigen 0,85 % künftig einen Beitrag in Höhe von 1,1 % ihres Bruttoeinkommens. Der Arbeitgeberanteil in Höhe von 0,85 % bleibt unverändert.
Pflegeversicherte, die Kinder erziehen oder erzogen haben, sind von der Zahlung des Zusatzbeitrags befreit, wenn sie dem Arbeitgeber einen Nachweis über die Elterneigenschaft vorlegen. Bezieher von Sozialleistungen (z.B. Arbeitslose, Rentner) müssen den Elternstatus dem zuständigen Sozialleistungsträger gegenüber belegen.
Kritische Anmerkungen zu den Beiträgen
Eine relative Entlastung der Familien, wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt, wurde durch die Einführung des Zusatzbeitrags nur mittelbar, nämlich durch die Mehrbelastung Kinderloser erreicht. Zudem sind auch nachweislich (z.B. erfolglose künstliche Befruchtung) ungewollt Kinderlose betroffen; eine gesellschaftliche Diskussion der ungewollten Kinderlosigkeit als Behinderung, die vom Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes in Artikel 3 Absatz 3 erfasst würde, hat bisher nicht stattgefunden.
Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, den Beitragssatz bis 2015 stabil zu halten. Wegen der demografischen Veränderungen einerseits und der vor allem durch die Massenarbeitslosigkeit bedingten Einnahmeausfälle andererseits erscheint aber schon die Finanzierung der jetzigen Leistungen langfristig nicht gesichert. 2003 trat ein Defizit von rund 700 Millionen Euro auf, so dass die anfänglichen Rücklagen bis spätestens 2006/2007 aufgezehrt sein werden. Falls sich die Pflege hin zu mehr professioneller Pflege im ambulanten Bereich und zu mehr stationärer Pflege entwickelt, sind weitere finanzielle Mittel erforderlich, ebenso für die absehbar notwendige Ausweitung der Leistungen (z. B. für Demenzkranke). Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass die Leistungen der Pflegeversicherung seit deren Einführung noch nicht dynamisiert wurden.
Private Pflegezusatzversicherung
Von vielen Krankenkassen und Vesicherungsgesellschaften werden für gesetzlich Pflegeversicherte private Pflegezusatzversicherungen angeboten, die das Risiko von privaten Zuzahlungen abfangen oder abmildern sollen.
Privat Versicherte
Für die Mitglieder der privaten Pflegepflichtversicherung gelten altersabhängige Beiträge. Die Beitragsregelungen für Familienangehörige, für privat krankenversicherte Rentner, für Selbständige, etc. sind komplex (siehe Weblinks). Die privaten Pflegeversicherungen arbeiten auf der Basis des Anwartschaftsdeckungsverfahrens, d.h. es müssen Altersrückstellungen gebildet werden. Die Leistungen sind denen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig. An die Stelle der Sachleistungen tritt jedoch die Kostenerstattung.
Pflegeversicherung und Einkommensteuer
Für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen
- die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen oder
- im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person erbracht werden,
für Personen,
- bei denen ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht oder
- die Leistungen der Pflegeversicherung beziehen,
ermäßigt sich die Einkommensteuer auf Antrag um 20 vom Hundert, höchstens aber um 1.200 Euro im Jahr.
Aber: Leistungen der Pflegeversicherung sind hierbei anzurechnen, mit der Folge, dass nur diejenigen Aufwendungen zu einer Steuerermäßigung führen, die nicht durch die Verwendung der Leistungen der Pflegeversicherung finanziert werden können.
- Anmerkung: Für Pflegebedürftige kommen zumeist steuerliche Freibeträge für Behinderte oder Schwerbehinderte in Betracht, die unabhängig von Leistungen der Pflegeversicherung gewährt werden. Anträge auf eine entsprechende Einstufung sind beim zuständigen Versorgungsamt zu stellen.
Gesetzliche Regelung im SGB XI
Das Sozialgesetzbuch_XI (auch abgekürzt gesprochen SGB 11) ist in zwölf Kapitel gegliedert und diese teilweise noch in Abschnitte und Titel.
Die vorgenannten Regelungen sind in den folgenden Kapiteln enthalten:
- Zweites Kapitel (§§ 14 bis 19): Leistungsberechtigter Personenkreis
- Drittes Kapitel (§§ 20 bis 27): Versicherungspflichtiger Personenkreis
- Viertes Kapitel (§§ 28 bis 45 c): Leistungen der Pflegeversicherung
- Erster Abschnitt (§ 28): Übersicht über die Leistungen
- Dritter Abschnitt (§§ 36 bis 43 a: Leistungen
- (§§ 36 bis 40): Leistungen bei häuslicher Pflege
- (§§ 41 bis 42): Teilstationäre Pflege und Kurzzeitpflege
- (§ 43): Vollstationäre Pflege
- (§ 43 a): Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen
- (§ 43 b): Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege
- Vierter Abschnitt (§§ 44 bis 45): Leistungen für Pflegepersonen
- Fünfter Abschnitt (§§ 45 a bis 45 c): Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreungsbedarf
- Sechstes Kapitel (§§ 54 bis 68): Finanzierung
- Siebtes Kapitel (§§ 69 bis 84): Beziehungen der Pflegekassen zu den Leistungsträgern
- Achtes Kapitel (§§ 82 bis 92 a): Pflegevergütung
- Zweiter Abschnitt (§§ 84 bis 88): Vergütung der stationären Pflegeleistungen
- Dritter Abschnitt (§§ 89 bis 90): Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen
- Zehntes Kapitel (§§ 110 bis 111): Private Pflegeversicherung
- Elftes Kapitel (§§ 112 bis 120): Qualitätssicherung, Sonstige Regelungen zum Schutz der Pflegebedürftigen
nicht aufgeführt:
- Erstes Kapitel (bis § 13)
- Neuntes Kapitel (§§ 93 bis 109): Datenschutz und Statistik
- Zwölftes Kapitel (§§ 121 bis 122): Bußgeldvorschrift
- Verweis zur Rechtslage bei der Privaten Pflegeversicherung: siehe unter Sozialversicherung (Deutschland)
Siehe auch
- Häusliche Krankenpflege der Krankenkasse (umgangssprachlich oft auch Behandlungspflege genannt)
- Hilfsmittelverzeichnis der GKV zu Pflegehilfsmitteln.
- Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz
- Hilfe zur Pflege in der Sozialhilfe (Deutschland)
- Karl Jung, "Vater der Pflegeversicherung"
Literatur
- Thomas Klie: Pflegeversicherung. Vincentz, Hannover. 2005. 7. Auflage. ISBN 387870125X . 812 Seiten.
- Jutta König: 100 Fehler bei der MDK-Prüfung und was Sie dagegen tun können. Schlütersche VB. 2005. ISBN 389993427X : 88 Seiten.
Weblinks
- Karlheinz Bayer: Pflegeversicherung: Rezepte zur Genesung. Erfahrungen zehn Jahre nach dem Start.
- Pflegeversicherungsgesetz in der PFLEGEWIKI
- Pflegebedürftigkeitsrichtlinien
- Pflegetagebuch als Exceltabelle zur Vorbereitung des Besuches des MDK mit Erklärungen zu den Richtlinien auf Neuro24