Die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung war während und nach der Revolution von 1848/49 die größte deutsche Arbeiterorganisation. Sie gilt als eine der Ursprünge sowohl der politischen und wie auch der gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung.
Vorgeschichte
Wenn von Arbeitern während der Revolution von 1848/49 die Rede ist, sind damit nur in relativ geringem Umfang Fabrikarbeiter gemeint, die Masse der Arbeiter war in dieser Zeit noch Teil der kleingewerblich-handwerklichen Lebenswelt. Beteiligt an den Organisationsversuchen waren daher vor allem die in ihrer Existenz gefährdeten Handwerksmeister und die Handwerksgesellen.
Die Allgemeine Arbeiterverbrüderung hatte daher Wurzeln sowohl in der Handwerker- wie auch in der Arbeiterbewegung im engeren Sinn.
Dies zeigen auch die ersten Aktivitäten während der Revolution. Die Handwerker-Arbeiter trafen sich am 15. Juli 1848 in Frankfurt zum Allgemeinen Handwerker- und Gewerbekongress um ihre Interessen am Sitz der Nationalversammlung zu artikulieren. Meister und Gesellen formulierten dort ihren Protest gegen den Siegeszug des Kapitalismus, der Industrialisierung, die freie (marktwirtschaftliche) Konkurrenz und die Gewerbefreiheit. Dieser Kongreß gilt als ein Sammlungsversuch sozialkonservativer Kräfte. Der Wortführer Karl Georg Winkelblech strebte die Wiedereinführung der Zünfte und eine staatliche kontrollierte Wirtschaft an.
Es zeigte sich aber bald, dass die Interessen von Meister und Gesellen zu unterschiedlich waren. Da die Meister allein beraten wollten, organisierten die Gesellen einen Gegenkongress (20. Juli bis 20. September 1848). Für diesen spielten nicht die alten Gegensätze Meister-Geselle die zentrale gesellschaftliche Rolle sondern bereits im sozialistischen Sinn der Gegensatz zwischen Kapitalisten und Arbeitern. Die Gesellen schlossen sich schließlich der Allgemeinen Arbeiterverbrüderung an.
Organisation
Diese war hervorgegangen aus einem Allgemeinen Arbeiterkongress der vom 23. August bis 3. September 1848 in Berlin tagte. Dort vertreten waren Arbeiterkomitees aus Hamburg, Berlin, Leipzig und Chemnitz. Hinzu kamen 31 Delegierte mit Schwerpunkten in Sachsen, den altpreußischen Provinzen und Norddeutschland. Die Versammlung beschloss unter anderem die Gründung der Allgemeinen Arbeiterverbrüderung. Neben allgemeinen Arbeitervereinen schloss sich auch der während der Revolution entstandene gewerkschaftsähnliche Verband der Zigarrenarbeiter der Organisation an. Diese wurde zur größten Vereinigung von Arbeitervereinen während und nach der Revolution. Mehr als 170 Vereine mit zusammen 15.000 Mitgliedern gehörten der Arbeiterverbrüderung an. In Preußen gab es 64 Vereine. Der Schwerpunkt lag mit 37 Vereinen und 58% dabei eindeutig in der Rheinprovinz. Es folgten die Provinzen Brandenburg mit 7 und Westfalen mit 6 Vereinen. Gegliedert war die Organisation in Lokal- und Bezirkskomitees. An der Spitze stand ein Zentralkomitee zunächst in Berlin und später in Leipzig. Außerdem gab die Organisation die Zeitschrift Die Verbrüderung heraus, die vor allem in Berlin viel gelesen wurde. Der Erfolg der Organisation geht dabei nicht zuletzt auf das Wirken von Stephan Born zurück.
Ziele
Ein Grund für die Entstehung des Verbandes war die Feststellung, dass die Forderungen der Arbeiter in der Nationalversammlung nur auf geringe Resonanz stießen. Der Gründungskongress stellte daher programmatisch fest: „Wir Arbeiter müssen uns selbst helfen.“ Gleichwohl verfolgte die Organisation keinen antiparlamentarischen Kurs sondern stellte sich ausdrücklich auf den Boden des bürgerlich-demokratischen Verfassungsprozesses. Daneben spielte die Selbsthilfe als Ergänzung der Politik der Nationalversammlungen in sozialpolitischen Fragen eine wichtige Rolle. Dazu gehörten Konsum- und Produktionsgenossenschaften, Unterstützungs- und Krankenkassen, sowie die Förderung der Arbeiterbildung. Das Ziel war die Integration der Arbeiter in die politische Demokratie. Dennoch gab es durchaus auch enge Beziehungen zu dem Bund der Kommunisten um Karl Marx. So gab es etwa eine Reihe von Doppelmitgliedschaften, in der Arbeiterverbrüderung wurde das kommunistische Manifest rezipiert und Stephan Born schlug sogar eine Art Arbeitsteilung vor. Danach sollte sich der Kommunistenbund vor allem um die Programmatik kümmern, während die Arbeiterverbrüderung für die praktische Organisation zuständig sein sollte. Später wandte sich Born und mit ihm die Arbeiterverbrüderung von der Linie des Bundes der Kommunisten ab und vertrat eher sozialreformerische Positionen. Wohl nicht zufällig wurde in den Veröffentlichungen des Verbandes nun häufig der Begriff Social-Demokrat verwendet. „Übrigens aber, und unsere Brüder, die Arbeiter, mögen es wohl wissen, wir verwerfen den Aufruhr und protestieren gegen jede Unordnung. Wir verschwören uns nicht gegen die bestehende Regierung, wir wollen nur, dass man uns einen Platz einräumte in dem gemeinsamen Vaterlande.“ [1]
Dennoch war die Arbeiterverbrüderung auch an der Reichsverfassungskampagne stark beteiligt, ging es doch um die Verteidigung der im März 1848 erreichten Errungenschaften. Ihr Anführer Born war auch aktiv am Dresdener Maiaufstand beteiligt. Anders als viele andere Organisationen konnte sich die Arbeiterverbrüderung bis zum allgemeinen Verbot der Arbeitervereine 1854 halten. In Hinblick auf die sich in den 1860er Jahren neu konstituierende Arbeiterbewegung hat insbesondere Toni Offermann eine beachtliche Kontinuität zwischen Orten feststellen können, in denen 1848-1854 die Arbeiterverbrüderung und in denen später der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein oder der Vereinstag Deutscher Arbeitervereine aktiv waren. [2]
Quellen
Literatur
- Wolfram Siemann: Die deutsche Revolution von 1848/49. Frankfurt, 1985. ISBN 3-518-11266-X S.94-97.
- Klaus Tenfelde: Die Entstehung der deutschen Gewerkschaftsbewegung: Vom Vormärz bis zum Ende des Sozialistengesetzes. In: Ulrich Borsdorf (Hrsg.): Geschichte der Deutschen Gewerkschaften. Von den Anfängen bis 1945. Bonn, 1987. S.54f.
- Toni Offermann: Die regionale Ausbreitung der frühen deutschen Arbeiterbewegung 1848/49-1860/64. In: Geschichte und Gesellschaft 4/1987. S.419-447.
- Helga Grebing: Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung. München, 1966. S.43-45.