Lüge
Eine Lüge ist eine Aussage, von der der Sprecher (der Lügner) weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist und die mit der Absicht geäußert wird, dass der oder die Hörer sie trotzdem glauben. Dies geschieht, um einen Vorteil zu erlangen, oder um einen Fehler oder eine verbotene Handlung zu verdecken und so Kritik oder Strafe zu entgehen. Gelogen wird auch aus Höflichkeit, aus Scham, aus Angst oder zum Schutz anderer Personen.
Wird eine Lüge aus der Sicht des Lügners durch eine Notsituation gerechtfertigt, so spricht man auch von einer Notlüge.
Die Lüge unterscheidet sich von der Täuschung - eine Täuschung kommt ohne Falschaussage aus. Zum Beispiel täuscht man, wenn man vorgibt zu schlafen, um andere zu belauschen. Wenn man dann gefragt wird und sagt, man habe geschlafen, ist das eine Lüge.
Die Lüge ist auf Sprache angewiesen: Lügen können in jeder Form geäußert werden, in der mit Sprache kommuniziert werden kann, zum Beispiel als Text in einer Zeitung oder in Gebärdensprache.
Strafrechtlich relevant werden kann eine Lüge als Verleumdung oder als Aussagedelikt, wie zum Beispiel Falschaussage oder Meineid. Als Spezialfall der Täuschung kann eine Lüge auch ein Betrugsdelikt darstellen. Grundsätzlich ist Lügen jedoch nicht strafbar; das gilt auch für schriftliche Lügen.
In der Werbung und in der Propaganda wird gelegentlich mit Lügen und Täuschungen gearbeitet.
Psychologie
Verhalten während des Lügens
Es gibt äußerlich sichtbare Anzeichen dafür, dass jemand lügt. Sie ähneln aber den unbewussten Verhaltensänderungen, die durch Stress hervorgerufen werden, und unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Deshalb ist es selbst für Lügendetektoren und geübte Personen sehr schwer herauszufinden, ob jemand lügt.
Folgende Handlungen und Merkmale können, wenn auch keinesfalls eindeutige, Anzeichen einer Lüge sein:
- Meidung von Augenkontakt zum Gesprächspartner
- Arme verschränken
- Arme und Beine werden weniger bewegt
- kratzen im Gesicht, oft an der Nase
- rotes Gesicht
- Lippen lecken
- Längeres Überlegen nach Nachfragen
- übertriebene Ausdrücke (meist im Gesicht)
- weniger häufige Augenbewegungen
- häufiges Augenblinzeln/Augen beim Blinzeln länger geschlossen
- größere Pupillen
- Handflächen nach außen drehen
- Sprachveränderungen
- Hohe Tonlage der Stimme
- Inhalt des Textes und Mimik sind nicht passend
- Augen bewegen sich nach rechts unten (bei Rechtshändern - beachte Unterschied zu linkshändigen Personen)
Strategie der Lüge
Die wirklich wichtigen Lügen werden in der Regel gut vorbereitet. Hierfür wird als notwendig erachtet, sich strategisch über einen längeren Zeitraum durch Wahrhaftigkeit das Vertrauen des Gesprächspartners zu erschleichen und so eine Reputation besonderer Loyalität und Glaubwürdigkeit herzustellen, um dann für den entscheidenden Augenblick, wenn es um den großen Vorteil für das eigene Fortkommen geht, die Lüge zu setzen. Es kommt darauf an, in dieser entscheidenden Lüge, sich selbst treu zu bleiben. Deswegen heißt es sprichwörtlich: Nur wer mit gutem Gewissen lügt, lügt gut.
Religion und Ethik
Ethisch wird das Lügen im allgemeinen gesellschaftlich als unmoralisch verworfen. Viele Religionen lehnen das Lügen ab, so steht z. B. in den Zehn Geboten: „Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ (Ex 20,16 und Dtn 5,17). Damit sind jedoch nicht die kleinen Lügen des Alltages gemeint, sondern viel mehr Lügen über andere Personen. Man soll nach diesem Gebot also keine falschen Gerüchte über jemand anderes verbreiten. In der Bibel wird der Teufel als "Vater der Lüge" (Joh. 8,44) bezeichnet, weil er Eva gegenüber im Garten Eden die erste Lüge der Menschheitsgeschichte geäußert haben soll, die dann zum Sündenfall führte. Auch im Islam wird das Lügen, so wie ein Ausspruch Mohammeds berichtet, abgelehnt: „Die Wahrhaftigkeit ist euch zur Pflicht gemacht, denn die Wahrheit führt zur Rechtschaffenheit, und...das Lügen zur Schändlichkeit...“ (Hadith aus Muslim)
Philosophie
Nietzsche
Die besondere Position Nietzsches: "Wer nicht lügen kann, weiß nicht, was Wahrheit ist" (Nietzsche in Also sprach Zarathustra). In seiner Schrift "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne" von 1873 bezieht er die relativistische Position, dass der Wahrheit gegenüber der Lüge kein besonderer Wert zukomme, da der "Wahrhaftigkeit" nur eine moralische "Verpflichtung, nach einer festen Konvention zu lügen" inne wohne, also die scheinbare Wahrheitsliebe gewissermaßen eine schlechte, geradezu unbewusste Gewohnheit darstelle, sich selbst zu täuschen. Denn nach Nietzsche sind "Wahrheiten" kraftlos gewordene Metaphern und "Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind" (Nietzsche in "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne", Sämtliche Werke, Band 71, Unzeitgemäße Betrachtungen, Stuttgart, 1976, Seite 611 ISBN 3-520-07106-1)
Kantsche Philosophie
Nach Kant ist Wahrhaftigkeit eine Rechtspflicht, die ihrem Wesen nach keine Ausnahme verträgt. „Alle rechtlich-praktischen Grundsätze müssen strenge Wahrheit enthalten.“ „Die Lüge ist der eigentliche Fleck in der menschlichen Natur.“ „...(Die Lüge) schadet der Menschheit überhaupt, indem sie die Rechtsquelle unbrauchbar macht.“ (Kant in "Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen") Siehe auch: Die Metaphysik der Sitten
Psychologie/Soziologie
Der österreichische Psychologe und Soziologe Peter Stiegnitz propagiert für die Erforschung des Lügenverhaltens eine neue Disziplin, die er Mentiologie nennt.
Zwanghaftes Lügen wird in der Psychiatrie gelegentlich als Pseudologie bezeichnet. Heutzutage sieht man darin jedoch kein eigenständiges Krankheitsbild mehr, sondern ein mögliches Symptom der narzisstischen Persönlichkeitsstörung.
Sprichwörter
- „Lügen haben kurze Beine“
- „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Und wenn er auch die Wahrheit spricht.“
- „Lügner und Betrüger werden nie klüger!“
- „Wer immer die reine Wahrheit sagt, der wird von sieben Dörfern vertrieben.“ (türkisches Sprichwort)
- „Lügen machen lange Nasen!“
- „Gelogen ist nur, wenn’s der andere glaubt.“
- „Eine Liebe oder eine Freundschaft, die von der Lüge lebt, stirbt an der ersten Wahrheit!“
Gehirnstruktur pathologischer Lügner
Nach einer Studie der Universität von Südkalifornien haben pathologische Lügner eine veränderte Hirnstruktur. Sie haben einen größeren Anteil von der für Informationsübermittlung zuständigen weißen Substanz im präfrontalen Cortex als gesunde Vergleichspersonen und einen geringeren Anteil von grauer Substanz, die für Informationsverarbeitung zuständig ist. [1]
Siehe auch
Literatur
- Maria Bettetini : Eine kleine Geschichte der Lüge. Berlin 2003.
- Immanuel Kant: Werke in 6 Bänden, Bd. 4, Schriften zur Ethik u. Religionsphilosophie, Darmstadt, 1956 (ISBN 3-534-13918-6)
- Hannah Arendt: Wahrheit und Lüge in der Politik. München 1972
- Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrecht und Gesellschaftspolitik. Jg. 43. Heft 3. Wiesbaden 2004.
- Bernheim, Roger: Vom Lügen der Mächtigen. In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 164. 16./17. Juli 2005
- Dietz, S.: Die Kunst des Lügens. Eine sprachliche Fähigkeit und ihr moralischer Wert,Hamburg 2003.
- Alexandre Kojève, Réflexions sur le mensonge, Paris 1998
- Friedrich Nietzsche, : Über Wahrheit und Lüge. Insel-Bücherei Nr. 1207. Frankfurt 2000.
- Rosumek, Lars, Du sollst nicht lügen - Grenzbereiche des Impression-Management von Personen und Organisationen. In: Bentele G./ Piwinger M./Schönborn,G. (Hrsg.): Kommunikationsmanagement (Losebl. 2001ff.). Beitrag 5.19, München 2005.
Weblinks
Quellen
- ↑ ?:Notorische Lügner haben eine andere Hirnstruktur, in: 3sat, nano 30.09. 2005 [19.02. 2006]