Oberhessen (Provinz Hessen-Darmstadt)

Provinz des Großherzogtums Hessen und Volksstaats Hessen
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Die Provinz Oberhessen (zunächst: Fürstentum Oberhessen ) war eine von vier[Anm. 1] Provinzen der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und eine von dreien ihrer Nachfolger, des Großherzogtums Hessen und des Volksstaates Hessen und obere Ebene der Verwaltung in diesen Staaten. Sie bestand von 1803 bis 1937.

Hessen, 1900. Gelb: Oberhessen
Die Provinz Oberhessen innerhalb des Volksstaats Hessen, 1930
Amtsschild der Provinz Oberhessen im Volksstaat Hessen, Schloss Hohhaus

Geographische Lage

Die Provinz Oberhessen war vom größeren Teil des Großherzogtums Hessen durch die Region um Frankfurt am Main getrennt. Im Norden und Osten grenzte die Provinz an Kurhessen, im Süden bis 1866 an die Freie Stadt Frankfurt, im Südwesten an die Landgrafschaft Hessen-Homburg, im Westen bis 1866 an das Herzogtum Nassau und an den zur preußischen Rheinprovinz gehörenden Kreis Wetzlar. Nach der preußischen Annexion der Anrainerstaaten 1866 war Oberhessen ganz von preußischem Territorium umgeben, das ab 1868 überwiegend zur preußischen Provinz Hessen-Nassau zusammengefasst war.[Anm. 2]

Geschichte

Konsolidierung 1803–1823

Reichsdeputationshauptschluss 1803

Im Fürstentum Oberhessen fasste die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt nach den Gebietsgewinnen durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 die alten und neuen Gebiete, die nördlich des Mains lagen, zusammen. Die Gebietsgewinne waren hier zunächst einmal bescheiden und umfassten[1]:

alles aus Kurmainzer Besitz und

Namensgebend für diese neue Verwaltungseinheit war die historische Bezeichnung „Oberhessen“, die sowohl eine Region als auch historische, politische Teileinheiten der Landgrafschaft Hessen bezeichnete.

Rheinbundakte 1806

1806 erzwang Napoleon bei Androhung einer Invasion den Austritt der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt (und 15 anderer Staaten) aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, die Gründung des Rheinbundes durch diese Staaten und die Stellung hoher Militärkontingente an Frankreich. Neben der Rangerhöhung der Landgrafschaft zum Großherzogtum wurde das mit Gebietsgewinnen „versüßt“. Dabei ist aber zu beachten, dass alle durch die Rheinbundakte gewonnenen Gebiete zwar der staatlichen Hoheit des Großherzogtums unterlagen, aber die Souveränitätsrechte der bisherigen Landesherren, die größeren nun Standesherren, zu einem erheblichen Teil weiter erhalten wurden. Der Gebietszuwachs für das Fürstentum Oberhessen durch die Rheinbundakte[2] bestand aus den nun zu Standesherrschaften gewordenen Gebieten:

und den nachfolgend aufgelisteten ehemals reichsritterschaftlichen Gebieten:

Nach den Gebietsgewinnen von 1806 hatte die Provinz 233.000 Einwohner, von denen allerdings 84.000 in den Souveränitätslanden lebten, und so nur eingeschränkt der staatlichen Hoheit unterstanden.[12]

Weitere Gebietsgewinne

Weitere Gebietsgewinne kamen in den folgenden Jahren hinzu. Am 11. Mai 1810 schlossen das Großherzogtum und das Kaiserreich Frankreich einen Staatsvertrag[13] mit dem Frankreich Gebiete, die es 1806 Kurhessen abgenommen hatte, an das Großherzogtum weiter gab. Der im Mai geschlossene Vertrag wurde von Napoléon aber erst am 17. Oktober 1810 unterschrieben.[14] Das hessische Besitzergreifungspatent datiert vom 10. November 1810.[15] Das Großherzogtum erwarb auf diesem Weg für die Provinz Oberhessen

Auch der Abschluss des Wiener Kongresses brachte 1816 noch einmal Gebietsgewinne. Im gleichen Jahr wurde das Fürstentum im Zuge einer Verwaltungsreform in „Provinz“ umbenannt.[17]

Ämter

Bis zu den Verwaltungsreformen von 1820 bis 1823 war die Provinz in Ämter eingeteilt. Ämter waren seit dem Mittelalter eine Ebene zwischen den Gemeinden und der Landesherrschaft. Die Funktionen von Verwaltung und Rechtsprechung waren hier nicht getrennt. Dem Amt stand ein Amtmann vor, der von der Landesherrschaft eingesetzt wurde.

Die Amtseinteilung wurde von den Vorgängerstaaten weitgehend unverändert übernommen. Das hatte zur Folge, dass die Ämter von ihrem Umfang her völlig unterschiedlich waren. Die Spanne reichte von nur einer Gemeinde (Stadt Friedberg, zugleich auch „Amt Friedberg“[18]) bis zu 45 Gemeinden (Amt Blankenstein). Zudem bestanden in diesen Jahren neben staatlichen auch noch standesherrliche Hoheitsrechte. So gab es „Domaniallande“, in denen der Staat die volle Souveränität besaß, daneben aber auch noch „Souveränitätslande“, in denen Standesherren in unterschiedlichem Umfang in den Bereichen Verwaltung und Rechtsprechung Hoheitsrechte ausübten.[19]

Dem Staat war daran gelegen, dies zu vereinheitlichen und ein staatliches Gewaltmonopol durchzusetzen. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege bis 1821 wurden deswegen zunächst einzelne Ämter zusammengelegt.

Reform von 1821

In einer groß angelegten Gebietsreform wurden 1821 die Ämter in der Provinzen Oberhessen und Starkenburg weitgehend aufgelöst[Anm. 4] und zugleich auch auf dieser Ebene Verwaltung und Rechtsprechung getrennt. Für die bisher in den Ämtern wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben wurden Landratsbezirke geschaffen, für die erstinstanzliche Rechtsprechung Landgerichte.[20] Die Landratsbezirke waren:

Experimente 1823–1852

Auch vor 1832 kam es in einzelnen Fällen zu Zusammenlegungen von Landratsbezirken, 1832 dann zu einer neuen Gebietsreform: Die Einheiten wurden vergrößert, indem Kreise geschaffen und darin Landratsbezirke zusammengefasst wurden. Dies waren die Landkreise:

Provinzen, Kreise und Landratsbezirke des Großherzogtums wurden im Zuge der Märzrevolution am 31. Juli 1848 abgeschafft und durch Regierungsbezirke ersetzt. Auf dem Gebiet Oberhessens waren dies der

In der anschließenden Reaktionszeit wurde das am 12. Mai 1852 wieder rückgängig gemacht und prinzipiell die Kreiseinteilung aus der Zeit vor der Revolution wiederhergestellt. Die standesherrlichen Hoheitsrechte, die in der Revolution beseitigt worden waren, aber wurden nicht wiederhergestellt. Aus diesen Gebieten wurden drei weitere, neue Landkreise gebildet, zudem einer um Vilbel:

Bestand 1852–1937

Im Deutschen Krieg 1866 stand das Großherzogtum auf der Seite der Verlierer gegen Preußen. Im Gegensatz zu den Nachbarn, die vollständig von Preußen annektiert wurden, musste Hessen nur Gebiete abtreten. Hinsichtlich der Provinz Oberhessen betraf dies das Hessische Hinterland mit den Kreisen Biedenkopf und Vöhl sowie den nordwestlichen Teil des Kreises Gießen.[Anm. 5] Andererseits erhielt die Provinz durch den Friedensvertrag vom 3. September 1866 auch Gebietsgewinne, hauptsächlich Exklaven der durch Preußen annektierten Anrainerstaaten, nämlich

Für die Provinz Oberhessen trat das Großherzogtum Hessen 1867 dem Norddeutschen Bund bei, während der gesamte Staat dann 1871 dem neu gebildeten Deutschen Kaiserreich beitrat. 1874 reformierte das Großherzogtum Hessen nach preußischem Vorbild seine Kreisverfassung und löste zum 1. Juli 1874 die Kreise Grünberg, Nidda und Vilbel auf, deren Gemeinden benachbarten Kreisen zugeordnet wurden. Die damals geschaffene Gliederung der Provinz Oberhessen bestand bis zu ihrer Auflösung. Als Vertretungskörperschaft auf Provinzebene wurde 1874 ein Provinzialtag für die Provinz Oberhessen eingerichtet.[21]

In Folge der Novemberrevolution 1918 entstand der Volksstaat Hessen, was aber für die Provinz Oberhessen innerhalb des Staatsverbandes keine Änderung der Funktion brachte. Am 1. April 1937 wurden die hessischen Provinzen abgeschafft.

Nachspiel

1945 wurde das Gebiet der ehemaligen Provinz Oberhessen Teil des neuen Landes Groß-Hessen und bildete darin gemeinsam mit der bisherigen Provinz Starkenburg den neuen Regierungsbezirk Darmstadt.

Provinzialdirektoren

Literatur

nach Autoren / Herausgebern alphabetisch geordnet

Anmerkungen

  1. Die anderen Provinzen Hessens waren Starkenburg (Hauptstadt: Darmstadt), Rheinhessen (Hauptstadt: Mainz) und die vierte Provinz das Herzogtum Westfalen (Hauptstadt: Arnsberg), letzteres aber nur von 1803 bis 1816, um anschließend an Preußen zu fallen.
  2. 1932 wurde der Kreis Wetzlar der Provinz Hessen-Nassau zugeschlagen. Seitdem war die hessische Provinz Oberhessen komplett von der preußischen der Provinz Hessen-Nassau umschlossen.
  3. Der Rest von Heuchelheim gehörte zu Stolberg-Gedern und befand sich damit bereits seit 1806 im Besitz des Großherzogtums.
  4. Ausgenommen waren davon zunächst noch einige rein standesherrliche Ämter. Der Abbau der standesherrlichen Hoheitsrechte zog sich bis 1848 hin.
  5. Es handelte sich um die Gemeinden Bieber, Fellingshausen, Frankenbach, Hermannstein, Königsberg, Krumbach, Naunheim, Rodheim an der Bieber und Waldgirmes.

Einzelnachweise

  1. Schmidt, S. 17.
  2. Art. 21, 24 Rheinbundakte.
  3. Ewald, S. 56.
  4. Schmidt, S. 24.
  5. Schmidt, S. 24.
  6. Ewald, S. 56.
  7. Ewald, S. 56.
  8. Ewald, S. 56.
  9. Ewald, S. 56.
  10. Ewald, S. 56.
  11. Ewald, S. 56.
  12. Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 693.
  13. Text (in französischer Sprache) in: Schmidt, S. 30ff, Anm. 100.
  14. Schmidt, S. 30.
  15. Schmidt, S. 33.
  16. Heuchelheim, Wetteraukreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  17. Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums Hessen, Bände 1–5. Band 3, S. 32 (Digitale Ansicht).
  18. Verordnung Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landratsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Hessisches Regierungsblatt vom 20. Juli 1821, S. 409.
  19. Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums Hessen, Bände 1–5. Band 3, S. 33 (Digitale Ansicht).
  20. Verordnung Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Hessisches Regierungsblatt, S. 403ff.
  21. Gesetz, betreffend die innere Verwaltung und die Vertretung der Kreise und der Provinzen vom 12. Juni 1874 (Regierungsblatt 1874, Seite 251)