Das RAF-Phantom

Verschwörungstheorie
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Das RAF-Phantom ist ein 1992 im Droemer Knaur-Verlag erschienenes Sachbuch der Journalisten Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker. Es gilt wegen seiner Thesen zur sogenannten dritten Generation der Roten Armee Fraktion als äußerst umstritten. Nach der zentralen Aussage des Buchs wurden die der RAF zugeschriebenen Terroranschläge der 1980er Jahre nicht von der RAF, sondern vielmehr von Geheimdiensten begangen. Kritiker des Buchs bewerten dies als haltlose Verschwörungstheorie.

Hintergrund

Die Autoren wurden von ihren journalistischen Recherchen im Mordfall Alfred Herrhausen (1989) zu dem Buch angeregt. Der damalige Kronzeuge der Bundesanwaltschaft, Siegfried Nonne, hatte in einem von den Autoren erstellten Beitrag des WDR-Magazins Monitor 1992 sein gesamtes Geständnis widerrufen, in dem er zuvor mehrere mutmaßliche RAF-Mitglieder schwer belastet hatte. Bei ihren weiteren Recherchen, bei denen die Autoren umfangreiches Material an Zeugenaussagen und offiziellen Ermittlungen sammelten, stießen sie ihrer Meinung nach auf starke Unstimmigkeiten in den offiziellen Untersuchungsergebnissen. Dies führte zu weiteren Recherchen über frühere Morde der RAF, bei denen die drei Journalisten ähnliche Unstimmigkeiten wie im Fall Herrhausen zu erkennen glaubten. Weil sie offenbar Zugang zu geheimen Behördenunterlagen gehabt hatten, wurden sie in der Folge das Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und Hausdurchsuchungen. Das Buch erschien 1997 in einer überarbeiteten zweiten Auflage.

Die Autoren führen unter anderem an, dass es für ihre These ein historisches Beispiel gebe. Sie nennen dafür die als Strategie der Spannung bekannt gewordenen Vorgänge in Italien. Dort wurden eine Anzahl terroristischer Anschläge der 1970er und 1980er Jahre, die ursprünglich den Roten Brigaden angelastet worden waren, ab 1986 erneut untersucht. Dabei kam heraus, dass die eigentlichen Täter mit der Geheimdienstorganisation Gladio kooperierende Rechtsextremisten waren.

Inhalt

Die Thesen der Autoren lassen sich auf wenige Grundaussagen zusammenfassen:

  • Es wurden kaum Mitglieder der sogenannten dritten Generation der RAF lebend gefasst oder verurteilt. Mehrere mutmaßliche Mitglieder kamen bei Feuergefechten mit der Polizei ums Leben, meist bei dem Versuch ihrer Verhaftung. Konkrete Tatvorwürfe gegen lebend gefasste Verdächtige erwiesen sich später als nicht haltbar und wurden fallengelassen. Dies steht laut den Autoren in starkem Gegensatz zu den vorigen Generationen der RAF, deren Mitglieder jeweils zum größten Teil verhaftet und nach aufwändigen Verfahren zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden.
  • Da keine Mitglieder für die Morde verurteilt wurden, seien die einzigen Beweise für die tatsächliche Täterschaft der dritten Generation die Bekennerschreiben. Laut den Analysen der Autoren weisen diese Schreiben keine Merkmale auf, die sie als authentisch identifizieren. Vielmehr weisen angeblich mehrere Indizien in den Schreiben auf Fälschungen hin.
  • Die offiziellen Ermittlungen in den entsprechenden Mordfällen seien von so vielen Fehlern, schlampigem Vorgehen und Vertuschungen geprägt, dass dies auf zielgerichtete Manipulationen schließen lasse.
  • Die Attentate der dritten Generation hätten darüber hinaus eine sehr hohe Präzision und aufwändige Planung erfordert, die die damaligen Möglichkeiten der RAF überstiegen habe.
  • Aus den vorgenannten Gründen sei es unwahrscheinlich, dass die RAF die ihr zugeschriebenen Morde tatsächlich begangen habe. Vielmehr deuteten laut den Autoren zahlreiche Hinweise auf Geheimdienste als eigentliche Täter.

Kritik

Das Buch wird nicht nur wegen der weithin als höchst unglaubhaft wahrgenommenen These, sondern auch wegen des eher meinungslastigen, teilweise polemischen Schreibstils kritisiert. Nur wenige Kritiker haben sich detailliert auf inhaltlicher Ebene mit dem Buch auseinandergesetzt, etwa der taz-Redakteur Gerd Rosenkranz, der eine ganze Reihe von Detailfehlern monierte - von denen er allerdings nur zwei belegte - und ein äußerst negatives Gesamturteil abgab[1]. Die meisten Kritiker bemängeln, dass viele vermeintliche Tatsachen verdreht und einseitig präsentiert würden, damit sie zur These der Verfasser passen.

Nachspiel

Zumindest die Kritik der Autoren an der von den Behörden vertretenen Version zum Herrhausen-Mord wurde in Teilen bestätigt, als diese Ende der 1990er nach und nach zusammenbrach. Mittlerweile sind die ursprünglich Beschuldigten durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Generalbundesanwalts von der Verantwortung für die Tat und vom Vorwurf der RAF-Mitgliedschaft entlastet (siehe Darstellung im Artikel Alfred Herrhausen). Als starker Rückschlag für die These der Autoren gilt der 2001 durch DNA-Analyse erbrachte Indizienbeweis, dass der RAF-Terrorist Wolfgang Grams an der Ermordung von Detlev Karsten Rohwedder beteiligt war.

Literatur

  • Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber, Ekkehard Sieker: Das RAF-Phantom. Wozu Politik und Wirtschaft Terroristen brauchen. Droemer Knaur, München, 2. Auflage, Februar 1997, ISBN 3-426-80010-1

Film

Auf der Grundlage des Buchs entstand im Jahr 2000 der preisgekrönte Fernsehfilm Das Phantom.

Referenzen

  1. Gerd Rosenkranz: Im Nebel der "Dritten RAF-Generation". taz - die tageszeitung, 23. Januar 1993