Langeweile

Gefühl des Mangels an Interessantem
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Langeweile ist ein Gefühl der Lustlosigkeit, des mangelnden Elans oder des Desinteresses. Es ist im Allgemeinen das Gegenteil von Spaß, Freude und Kurzweil. Langeweile entsteht oft durch sich wiederholende Ereignisse, aus denen man nichts Interessantes oder Aufmunterndes mehr gewinnen kann oder will.

Langeweile kann Gähnen auslösen.

In der neueren Philosophiegeschichte wird das Gefühl der Langeweile zum Thema, ebenso wie Empfindungen des Ekels, der Angst und der Verzweiflung.

So wurde die Langeweile unter anderen von Martin Heidegger analysiert und in verschiedene Phasen aufgeteilt. In seinem Buch Ein Meister aus Deutschland erklärt Rüdiger Safranski die drei Stadien der Langeweile nach Heidegger:

Er [Heidegger] beginnt beim Gelangweiltwerden von Etwas. Da haben wir noch einen identifizierbaren Gegenstand [...] dem wir die Langeweile zuschreiben können. Sie dringt gewissermaßen von außen in uns ein, sie hat eine äußere Ursache. Wenn dieser Gegenstand aber nicht mehr so eindeutig zu ermitteln ist, wenn die Langeweile ebenso von außen eindringt und zugleich von innen emporsteigt, dann handelt es sich um ein Sichlangweilen bei etwas. [...] Man langweilt sich bei oder anläßlich eines bestimmten Ereignisses. [...] Man weiß nichts mit sich anzufangen, und die Folge ist, daß es das Nichts ist, das nun etwas mit einem anfängt.
Die tiefste Langeweile ist die gänzlich anonyme. Es gibt nichts Bestimmtes, das sie hervorruft. Es langweilt einen, sagen wir. Heidegger unterzieht diesen Ausdruck einer subtilen Analyse. Es gibt hier eine doppelte Unbestimmtheit: Es - das ist alles und nichts, auf jeden Fall nichts Bestimmtes. Und einen - das ist man selbst, aber als ein Wesen unbestimmter Personalität. [...] Ein leeres Etwas steht einem leeren Ganzen gegenüber und ist in dieser Bezugslosigkeit aufeinander bezogen. Eine dreifache Negativität: ein Nicht-Selbst, ein nichtiges Ganzes und die Bezugslosigkeit als negativer Bezug.

Die tiefe Langeweile, demnach, rückt alles in eine merkwürdige Gleichgültigkeit zusammen und offenbart dadurch das Seiende im Ganzen.

Blaise Pascal schrieb zur Langeweile:

Nichts ist so unerträglich für den Menschen, als sich in einer vollkommenen Ruhe zu befinden, ohne Leidenschaft, ohne Geschäfte, ohne Zerstreuung, ohne Beschäftigung. Er wird dann sein Nichts fühlen, seine Preisgegebenheit, seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere. Unaufhörlich wird aus dem Grund seiner Seele der Ennui aufsteigen, die Schwärze, die Traurigkeit, der Kummer, der Verzicht, die Verzweiflung.

Émile Michel Cioran äußerte sich in einem in der Weihnachtsausgabe 1994 der 'Frankfurter Rundschau' abgedruckten Interview folgendermaßen zum Thema:

Die Erfahrung der Langeweile, nicht die vulgäre aus Mangel an Gesellschaft, sondern die absolute, war für mich persönlich wichtig. Wenn jemand sich von seinen Freunden verlassen fühlt, so ist das nichts. Die Langeweile an und für sich geschieht grundlos ohne äußere Einwirkungen. Damit verbindet sich das Gefühl leerer Zeit, so etwas wie Leerheit, die ich immer gekannt habe. Ich kann mich gut an das erste Mal mit fünf Jahren erinnern. Ich war damals nicht in Hermannstadt, sondern in Altrumänien mit meiner ganzen Familie. Da wurde mir auf einmal bewußt, was Langeweile ist. Es war gegen drei Uhr nachmittags, als mich so ein Gefühl des Nichts, der Substanzlosigkeit beschlich. Es was, als wenn alles plötzlich irgendwie verschwunden sei, das Vorbild von all diesen Anfällen der Langeweile, der Einstieg in die Nichtigkeit und der Anfang meiner philosophischen Reflexion. Dieser intensive Zustand des Alleinseins machte mich so betroffen, daß ich mich frage, was er zu bedeuten habe. Sich nicht dagegen wehren und sich nicht davon durch Reflexion befreien zu können, und die Ahnung, daß es wiederkehrt, wenn man es einmal erlebt hat, das verunsicherte mich so sehr, daß ich es als Orientierungspunkt akzeptierte. Auf dem Gipfel der Langeweile erfährt man den Sinn des Nichts, insofern ist dies auch kein deprimierender Zustand, da es für einen Nicht-Gläubigen die Möglichkeit darstellt, das Absolute zu erfahren, so etwa wie den letzten Augenblick.

Andere meinen, Inmitten der totalen Spaßgesellschaft entpuppt sich die Langeweile manchmal als die intelligente Antwort auf ein überbordendes Angebot aus Dekadenz und Völlerei.

Weitere Denker, die sich mit der Langeweile auseinandergesetzt haben, sind Arthur Schopenhauer, Hans Blumenberg und der italienische Dichter Giacomo Leopardi.

siehe auch: Zeitvertreib

Schriften

  • Bellebaum, Alfred: Langeweile, Überdruß und Lebenssinn. Eine geistesgeschichtliche und kultursoziologische Untersuchung, 1990, 247 S., kart., ISBN 3-531-12206-1, KNO-NR: 4 03 46 82, Westdeutscher Verlag
  • Scherer, Georg: Grundphänomene menschlichen Daseins im Spiegel der Philosophie, 122 S., 24 Mark, Düsseldorf: Parerga, ISBN 3-930450-00-3
  • Svedsen, Lars Fr.H.: Kleine Philosophie der Langeweile, aus dem Norwegischen von Lothar Schneider, Frankfurt: Insel-Verlag 2002, 189 S., geb., ISBN 3-458-17109-6, 16,90 Euro