Entführung von Natascha Kampusch

Entführungsfall in Österreich von 1998 bis 2006
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Natascha Kampusch (*1988 in Wien) ist eine Österreicherin, die im Alter von 10 Jahren entführt und mehr als acht Jahre lang (1998 bis 2006) in Strasshof, Niederösterreich, gefangen gehalten wurde.

Die österreichische Innenministerin Liese Prokop bezeichnete den Fall als das "hässlichste Verbrechen" in der Geschichte des Landes.


Entführung

Am Morgen des 2. März 1998 verließ die damals zehnjährige Natascha Kampusch kurz nach 7 Uhr die elterliche Wohnung in Wien-Donaustadt, um zur Schule zu gehen, kam dort aber nie an. Da ein Streit mit ihrer Mutter vorausgegangen war, nahm man an, dass sie als Trotzreaktion auf den Streit von zu Hause weggelaufen sei. Hinweise von Anwohnern deuteten aber auf einen Entführungsfall hin. Als Kampusch einen weißen Kleintransporter,der am Straßenrand hielt, passierte, soll laut Zeugenaussagen eine Seitentür geöffnet und das Mädchen von zwei Männern in den Innenraum gezerrt worden sein.

Der beauftragte Berufsdetektiv Walter Pöchhacker recherchierte Spuren, die unter anderem ins Milieu der Pädophilenszene führten. Die Polizei kontrollierte mehr als 1.000 Besitzer weißer Kleinbusse [1], darunter auch Wolfgang Priklopil, den tatsächlichen Entführer Nataschas, als Besitzer eines weißen Kleinbusses. Den Ermittlern gegenüber gab dieser an, das Fahrzeug für Bauarbeiten zu benötigen. Nachdem die Polizei bei der Untersuchung im Innenraum des Transporters Bauschutt gefunden hatte und die damalige Unbescholtenheit Priklopils in Betracht zog, wurde er nicht für verdächtig erachtet [2].

Trotz aufwändiger Recherchen – verdächtige Personen aus dem Umfeld des Mädchens wurden einem Lügendetektortest unterzogen – konnte der Fall jahrelang nicht aufgeklärt werden. Laut Leitung der Sonderkommission des Entführungsfalls kann auch die Möglichkeit eines zweiten Täters nach wie vor nicht ausgeschlossen werden. [3]

Leben in Gefangenschaft

Natascha Kampusch war 3096 Tage lang im niederösterreichischen Strasshof festgehalten worden [4]. Laut Aussage des Leiters des österreichischen Bundeskriminalamts wurde Kampusch in einer winzigen, 4 m x 3 m x 2 m großen Montagegrube in der Garage eines Einfamilienhauses versteckt. Der Raum war mit einer schalldichten Tresortür verschlossen und mit Bad und Toilette ausgestattet.[4]

Kampusch gab an, die ersten Jahre nach der Entführung sei sie dort permanent verblieben, später habe sie das Versteck für gelegentliche Einkäufe und Spaziergänge im Beisein ihres Entführers verlassen dürfen. Sie durfte dabei keinen Kontakt zu anderen Personen herstellen.

In den ersten Jahren musste Kampusch ihren Entführer Wolfgang Priklopil als „Gebieter“ bezeichnen.[5]

Kampusch erhielt zensiertes Zeitungsmaterial, durfte Bücher lesen, Radio hören oder Videos anschauen. Auch gab sie an, dass der Entführer ihr häufig Unterricht in Lesen und Schreiben gab.

Psychologen und Polizisten, die mit ihr sprachen, stellten in Anbetracht der langjährigen Isolation eine hohe Intelligenz und Artikulation fest. Sie war über das Tagesgeschehen in der Welt gut informiert.

Selbstbefreiung

Natascha Kampusch konnte laut eigenen Angaben infolge einer Unaufmerksamkeit Priklopils zu Mittag des Mittwoch, 23. August 2006, aus dessen Haus flüchten und rettete sich in den unmittelbaren Nachbarsgarten, wo Anwohner das panische Mädchen entdeckten und sofort die Polizei verständigten. Kampusch klärte ihre Identität, die später mit dem Fund ihres Reisepasses im Haus des mutmaßlichen Entführers und Identifizierung durch die Eltern anhand einer Narbe bestätigt wurde. Die genetische Überprüfung bestätigte die Identität.

Wolfgang Priklopil hatte die Flucht Kampuschs laut Polizeiangaben rasch bemerkt und begab sich auf die Suche nach dem Mädchen. Dabei raste er mit seinem Pkw durch die Siedlung Strasshof und fiel sogleich einer Streife der Wiener Polizei auf, die längst die gesamte Hauptstadt zum Fahndungsgebiet erklärt hatte. Priklopil konnte zunächst entkommen, sein Fahrzeug fand man wenig später im Parkhaus des Wiener Donauzentrums, das sogleich von der Polizei umstellt wurde. Er verständigte einen Bekannten und bat diesen, ihn abzuholen, da er auf der Flucht sei. Priklopil gab gegenüber dem Bekannten an, er sei bei einer Kontrolle alkoholisiert am Steuer erwischt worden und benötige Hilfe. Dieser Bekannte eilte laut Polizeiangaben zu Hilfe und soll dem vermeintlichen Verkehrssünder die erneute Flucht ermöglicht haben. Kurz vor 21 Uhr des gleichen Tages warf sich Wolfgang Priklopil in der Wiener Leopoldstadt im Bereich des Nordbahnhofs zwischen den Stationen Wien Nord und Wien Traisengasse vor einen Richtung Gänserndorf fahrenden Zug der Wiener S-Bahn und starb.[6]

Folgen der Entführung

Laut Angaben der Polizei wird Natascha Kampusch, wie auch ihre Eltern, psychologisch betreut. Sie wurde als sehr blass beschrieben und zeigt den Angaben nach Symptome des sogenannten Stockholm-Syndroms [4], nach Ansicht des Leiters der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, Rudolf Egg, kann jedoch nur mit Einschränkungen vom Stockholm-Syndrom gesprochen werden [7].

Jedoch hat sie in der ersten Vernehmung ihren Peiniger nur „Verbrecher“ genannt [8]. Die vernehmende Polizeiinspektorin berichtete in der Zeitung "B.Z.": "Natascha hat die ganze Zeit stark gezittert. Ich gab ihr meine Jacke. Sie nahm meine Hand, ließ sie den ganzen Nachmittag nicht los. Sie war so froh, dass alles vorbei war und dass sie mit jemandem sprechen konnte."[8]

Quellen

  1. Der Spiegel: Vermisstes Mädchen taucht nach acht Jahren wieder auf, 23. August 2006
  2. Der Standard: Es ist Natascha Kampusch, 24. August 2006
  3. Der Spiegel: Polizei geht Hinweis auf Komplizen nach, 25. August 2006
  4. a b c Der Spiegel: 3096 Tage hinter einer schalldichten Tresortür, 24. August 2006
  5. Austria Presse Agentur (APA): Natascha mittels Narbe und Pass identifiziert
  6. wien.ORF.at: Großfahndung nach mutmaßlichem Entführer, 23. August 2006
  7. Die Zuneigung des Opfers zum Täter FAZ 25. August 2006
  8. a b Der Spiegel: Lebendig begraben in Nachbars Haus, 24. August 2006