Als Satzglieder (auch Satzkonstituenten) bezeichnet man in der germanistischen Tradition der Grammatik die Bestandteile, in die der Satz „unmittelbar“ (auf oberster Ebene) zerlegt werden kann. Üblicherweise unterscheidet man die vier Typen von Satzgliedern Subjekt, Objekt, Adverbial und Prädikativum. Das Prädikat eines Satzes wird in der Regel nicht als Satzglied gewertet, sondern als etwas, wovon (andere) Satzglieder abhängen (dies wird jedoch unterschiedlich eingeordnet).[1] Der Begriff Satzglied steht im Gegensatz zum Attribut, welches kein Bestandteil der Haupt-Zerlegung eines Satzes ist, sondern tiefer eingebettet und somit als Teil eines Satzgliedes vorkommt.
Der Satzgliedstatus von Wörtern und Wortfolgen wird auch an die Stellung im Satz geknüpft: Als Satzglieder gelten nur solche, die ins Vorfeld des Satzes gestellt werden können, d. h. im Aussagesatz an die Position direkt vor der finiten Verbform.[2] Als Test auf den Satzgliedstatus dient daher die Umstell- oder Verschiebeprobe. Keine Satzglieder sind gemäß diesem Test die meisten Partikeln, sowie Wörter, die nicht allein ohne Ergänzungen auftreten können (z. B. normalerweise Präpositionen); diese können nur zusammen mit ihren Ergänzungen im Vorfeld erscheinen, also nur mit diesen insgesamt ein Satzglied bilden.
Die Satzgliedanalyse, die die Zusammengehörigkeiten von Wörtern im Satz ermittelt, ist auch eine Voraussetzung für das inhaltliche Verständnis des Satzes. Sätze können mehrdeutig sein, wenn dieselbe sichtbare Wortfolge mehrere verschiedene Einteilungen in Satzglieder zulässt.
Die Umstell- bzw. Verschiebeprobe
Probe zur Ermittlung der Satzglieder
Wenn ein deutscher Satz so umgebildet werden kann, dass eine Wortfolge an den Anfang eines Aussagesatzes verschoben werden kann, ohne dass sein Sinn sich (wesentlich) ändert, dann sind die fraglichen Wortfolgen Satzglieder. Was sich bei der Umstellung allenfalls ändern darf, sind verschiedene Grade der Hervorhebung. Man nennt so eine Umstellung auch Topikalisierung.
In den folgenden Beispielen zeigt sich ein Satzglied also an der möglichen Stellung vor der blau markierten Position des Prädikats: Die Wortgruppen, die als Ganze dorthin verschoben werden können, sind Satzglieder; die Satzglied-Teile (Attribute) sind die Wörter, die bei der Verschiebung mitgenommen werden müssen, damit der Satz grammatisch akzeptabel bleibt bzw. der Sinn erhalten bleibt. (Mehr dazu siehe unten im Abschnitt Attribut/Satzglied-Unterscheidung).
- Hans baut im Wald mit seinem Freund eine riesige Baumhütte.
- Im Wald baut Hans mit seinem Freund eine riesige Baumhütte.
- Mit seinem Freund baut Hans im Wald eine riesige Baumhütte.
- Eine riesige Baumhütte baut Hans im Wald mit seinem Freund.
Satzgliedtypen
Nach grammatischer Funktion
Die Satzglieder können nach ihrer Funktion folgendermaßen eingeteilt werden:[3]
- Subjekt (Satzgegenstand),
- Objekt (Satzergänzung, Akkusativ-, Genitiv-, Dativ- und Präpositionalobjekt),
- Adverbialbestimmung (Präpositionalgruppen; adverbialer Akkusativ, Genitiv; Adverbialsätze etc.),
- (im Beispiel nicht vertreten) Prädikative Glieder, v. a. im Satz separat vorkommende Adjektive, die sich auf Subjekt oder Objekt beziehen.
- Prädikat (Satzaussage, verbale Glieder), gilt jedoch oft nicht als Satzglied im engeren Sinn.
Ein Satz kann nur ein Subjekt enthalten, aber es kann jeweils mehrere Satzglieder der Typen Objekt, Adverbial oder Prädikativum geben.
Nach Wortarten
In anderer Hinsicht kann eine Einteilung getroffen werden, die damit zusammenhängt, welche Wortarten bei der Bildung eines Satzglieds beteiligt sind. Satzglieder können einzelne Wörter sein (z. B. das Substantiv Hans im obigen Beispiel), oder ganze Wortgruppen, z. B. eine riesige Baumhütte. Wichtig ist auch die Möglichkeit, dass ein Satzglied durch einen Nebensatz ausgedrückt werden kann; man nennt einen solchen Nebensatz dann einen Gliedsatz. (Siehe hierzu insbesondere unter Objekt (Grammatik)#Nachweis von Objekt-Sätzen).
Bei Wortgruppen gibt es in der Regel einen „Kern“ oder „Kopf“, der durch seine Wortart die Art der ganzen Gruppe festlegt, z. B. kann die Wortgruppe der Junge von Nebenan gleichwertig mit dem Namen Hans verwendet werden, man nennt sie daher eine Substantivgruppe, mit dem Substantiv Junge als ihrem Kopf. Im Gegensatz dazu sind die Satzglieder im Wald und mit seinem Freund Präpositionalgruppen, da die Präposition ihre Eigenschaften bestimmt: Diese Wortgruppen können z. B. als Adverbial auftreten aber nicht als Subjekt. Analog dazu können manche Einleitungselemente von Gliedsätzen, v. a. Konjunktionen, deren Satzgliedtyp festlegen (z. B. als Adverbialsatz). Insgesamt gesehen können jedoch Objekten, Adverbialen und Prädikativa verschiedene Wortarten zugrundeliegen; für eine Aufstellung der möglichen Varianten siehe die Einzelartikel zu Subjekt, Objekt, Adverbial und Prädikativ, die in der Aufstellung nach Funktionen oben verlinkt sind. Für die verschiedenen Möglichkeiten, wie sich die Einleitungselemente von Gliedsätzen zu ihren Satzgliedtypen verhalten können, siehe die Artikel Adverbialsatz und Inhaltssatz.
Attribut/Satzglied-Unterscheidung
Eine Antwort auf die Frage, welche Wörter zu einem Satzglied zusammengehören, lässt sich nicht immer eindeutig aus der Wortfolge ablesen. Je nach Gruppierung der Wörter können unterschiedliche Einteilungen entstehen, dies ergibt dann auch verschiedene Satzbedeutungen. Im folgenden Beispiel zeigt die Umstellprobe, dass „der Mann im Mond“ ein zusammenhängendes Satzglied sein könnte, oder dass „im Mond“ und „der Mann“ je ein eigenes Satzglied sein könnten. Entsprechend ergeben sich Bedeutungsunterschiede:
- Beispiel
„Nachts schläft der Mann im Mond.“
• Zwei Satzglieder + Prädikat:
- „Nachts schläft [der Mann im Mond].“
- „[Der Mann im Mond] schläft nachts.“
• Drei Satzglieder + Prädikat:
- „Nachts schläft [der Mann] [im Mond].“
- „[Der Mann] schläft nachts [im Mond].“
- „[Im Mond] schläft [der Mann] nachts.“
Da der Begriff Satzglied ein Spezialfall des Begriffs „Konstituente“ ist (s. u.), fallen diese Satzgliedtests in den allgemeinen Bereich der Konstituententests.
Vergleich mit Begriffen aus der modernen Linguistik
Der übliche linguistische Begriff für „Satzteile“, der Begriff der Konstituente, ist wesentlich allgemeiner, da er jede Art von Einheit bezeichnet, die sich bezüglich irgendeiner syntaktischen Regel einheitlich verhält; Konstituenten sind daher z. B. auch alle Teile, in die Satzglieder sich ihrerseits noch zerlegen. Der Begriff Phrase bezeichnet Konstituenten, die abgeschlossen und nicht mehr erweiterbar sind. Alle Satzglieder sind Phrasen in diesem Sinne, aber die Umkehrung gilt nicht, da auch vollständige Phrasen im Inneren von Satzgliedern vorkommen können.
Verbindungen aus einem Verb im Infinitiv und seinen Objekten, die ebenfalls im Rahmen der Verschiebeprobe geschlossen ins Vorfeld gestellt werden können, werden traditionell nicht unter die Satzglieder gerechnet, in der Linguistik allerdings als Phrasen identifiziert. Näheres siehe unter dem Stichwort Verbalphrase#Nachweis infiniter Verbalphrasen.
Sprachvergleichende Gesichtspunkte
Die freie Besetzung des Vorfelds, auf der die Verschiebeprobe beruht (die Verbzweitstellung im Aussagesatz), ist eine Eigenschaft, die sehr wenige andere Sprachen in der gleichen Weise wie das Deutsche haben. Die Definition des Satzgliedes ist somit speziell darauf zugeschnitten, welche Einheiten die Grammatik des Deutschen hierfür ausweist. Zwar sind Begriffe wie „Subjekt“, „Adverbial“ etc. recht allgemein anwendbar, aber bei feineren Punkten wie z. B. der Unterscheidung zwischen Adverbien und Partikeln, die sich aus dem Vorfeldtest ergibt (nur erstere sind Satzglieder), entstehen Einteilungen, die spezifisch für das Deutsche sind.
Ein Beispiel, worin sich bereits Deutsch und Englisch unterscheiden, ist das Preposition Stranding des Englischen: Das Englische erlaubt eine Verschiebung (Topikalisierung), die die Ergänzung einer Präposition allein an den Satzanfang stellt, während die Präposition am Satzende verbleibt. Im Deutschen hingegen ist eine solche Verschiebung nicht möglich und diese Einheit daher kein eigenständiges Satzglied:
- That one house on the hill Bill is living in.
- auf Deutsch: „In dem Haus auf dem Hügel lebt Bill.“
- und nicht: *„Dem Haus auf dem Hügel lebt Bill in.“
Literatur
- Gallmann, Peter & Horst Sitta: Satzglieder in der wissenschaftlichen Diskussion und in Resultatsgrammatiken. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 20-2, 1992, S. 137–181.
- Ines Balcik, Klaus Röhe, Verena Wróbel: PONS Die große Grammatik Deutsch. PONS, Stuttgart 2009, ISBN 3-1256-1561-5, S. 403 f.
- Ulrich Engel: Regeln zur Satzgliedfolge. Zur Stellung der Elemente im einfachen Verbalsatz. In Hugo Moser, Hans Eggers, Johannes Erben, Hans Neumann, Hugo Steger (Hrsg.): Sprache der Gegenwart. Schriften des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, Bd. XIX, S. 17–75
- Roland Schäfer: Einführung in die grammatische Beschreibung des Deutschen. Language Science Press, Berlin 2015 (= Textbooks in Language Sciences). ISBN 978-3-944675-53-4 Online frei zugänglich
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Karin Pittner & Judith Berman: Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch. 4. Auflage. Narr, Tübingen 2010, S. 39 f.
- ↑ Duden – Die Grammatik. 8. Auflage. 2009, S. 771 ff. (Abschnitte 1175–1178).
- ↑ Für die verschiedenen Arten der Einteilung siehe auch „Satzglied“ bei Canoonet.