Huforthopädie (nach Jochen Biernat) ist die Lehre der Wechselwirkungen zwischen dem Bewegungsapparat (Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen und Gelenke) der Zehen von Equiden und ihren Hufen. Unpysiologische Hufformen, zum Beispiel Zwanghuf oder Bockhuf sind immer Symptom und Ursache zugleich. Huforthopädische Behandlung ist eine Methode, die zum Ziel hat, nicht den Huf in eine optisch ideale Form zu schneiden, sondern ihn durch kleine Impulse dazu zu bringen, dass er sich unter Ausnutzung von den großen Kräften, die auf die Hornkapsel wirken, von selbst in seine, für diesen Huf optimale Form zurück entwickelt, und dabei auch den Bewegungsapparat physiologisch optimiert. Huforthopädische Behandlung ist im Wesentlichen angewandte Physik.
Entwicklung
Vor etwa 30 Jahren hat Jochen Biernat, der Begründer dieser Lehre durch Beobachtung, Röntgenuntersuchungen, Präparieren, Erkenntnisse gesammelt, wie sich Anomalien und Erkrankungen des Bewegungsapparates auf die Form und Stellung der Hufe auswirkt, und die dadurch veränderte Hufform den krankhaften Veränderungen des Bewegungsapparates Vorschub leistet und ihn begünstigt. In zahllosen Langzeitbeobachtungen hat er eine Behandlungsmethode entwickelt, die es in vielen Fällen ermöglicht, die sich mit zunehmendem Alter der Equiden verstärkenden Veränderungen aufzuhalten und im günstigen Fall wieder umzukehren. Er fing an diese Methode zu lehren und zu verbreiten. Es hat sich ein Forschungskreis gebildet, dessen Mitglieder, die Huforthopäden nach Biernat, Pferde nach diesen neuartigen Gesichtspunkten mit immer größerem Erfolg behandeln.
Huforthopädie ist eine empirisch exakte Wissenschaft
Die wissenschaftliche Arbeitsweise hat durch die Beteiligung von Akademikern an diesem Forschungskreis Einzug gehalten. Huforthopäden kommen aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen. Meist haben sie durch die Erfahrungen mit dem eigenen Pferd ihr Interesse an dieser Methode entdeckt. So sorgen unter anderem auch universitär ausgebildete Mathematiker, Gesellschafts- und Naturwissenschaftler für eine kritische empirische Objektivität indem sie ihre Erfahrungen unterschiedlicher wissenschaftlicher Methoden bei der Überprüfung neuer Erkenntnisse einbringen. Vorwiegend induktiv werden anhand der Beobachtung von Einzelfällen Theorien und Techniken entwickelt, die dann in mehrjährigen Langzeituntersuchungen und sorgfältigen Dokumentationen ähnlich gelagerter Fälle verifiziert oder falsifiziert werden. So verfügt diese Forschungsgruppe über Bilddokumentationen mehrerer Tausend Fälle, die es erlauben die Behandlungstechniken immer weiter zu optimieren und zu verfeinern. Gerade weil mehrere Gnadenbrothöfe durch Huforthopäden in enger Zusammenarbeit mit den Stallbetreibern betreut werden, ist es möglich Langzeitdokumentationen unter quasi klinischen Bedingungen durchzuführen, was eine Verfälschung der Ergebnisse durch nicht immer ganz konsequente Pferdebesitzer weitgehend ausschließt. Mit Verfälschung ist hier gemeint, dass die Bedingungen des Pferdes nicht kontrollierbar oder nachvollziehbar sind. Beispielsweise bedeutet ein Pferd nicht viel bewegt zu haben für einen Freizeitpferd im Offenstall eine andere Anzahl von Stunden und eine andere Intensität der Bewegung als für einen ambitionierten Dressur- oder Distanzreiter.
Abgrenzung zur traditionellen Hufbearbeitung
Die Huforthopädie spricht sich nicht grundsätzlich gegen einen Hufbeschlag aus, hält aber die Nachteile eines dauerhaft aufgebrachten Beschlages für so groß, dass sie empfiehlt, wenn immer möglich darauf zu verzichten.
Die Huforthopädie kürzt in der Regel den Huf nicht, falls doch, dann niemals einseitig, sondern immer gleichmäßig. Wenn ein Huf gekürzt wird, dann wird immer der gesamte Tragrand um die gleiche Höhe gekürzt. Traditionelle Hufbearbeiter nehmen Korrekturen an der Stellung des Hufes durch Kürzung des Tragrandes an den entsprechenden Bereichen, entweder nur Trachten oder nur Zehe oder auch nur eine Seitenwand vor, was aber immer mit einer schlagartigen Veränderung der Belastungssituation verbunden ist, wodurch Sehnen, Bänder und Gelenke stark beansprucht werden. Schon durch gleichmäßiges Kürzen, was die Stellung des Hufes nicht verändert, ist das Auf- und Abfußverhalten für das Pferd neu und gewöhnungsbedürftig. Ein weiterer Wechsel der Belastung wird dem Pferd erspart.
Um die Stellung des Hufes zu verändern sorgt die Huforthopädie durch das Setzen von Impulsen dafür, dass sich diese Bereiche schneller Ablaufen und damit die Änderung der Hufstellung langsam und allmählich vor sich geht, um die empfindlichen Sehnen und die Hufrolle zu schonen.
Die Entdeckungen, Verdienste und Leistungen, die die Huforthopädie hervorgebracht hat und hervorbringt und optimiert und verfeinert sind die Techniken, die den Huforthopäden befähigen einen Huf dazu zu veranlassen, sich zum besseren zu verändern. Diese Techniken können die Hufwand partiell steiler oder flacher werden lassen und Spannungen aus der Hornkapsel beseitigen. Somit ist die Huforthopädie nicht nur in der Lage einseitig verformte Hufe wieder in ihre Symmetrie zurück zu führen, untergeschobene Trachten aufzurichten, Hornspalten zu Stoppen, Flexion oder Hyperextension der Zehe zu korrigieren sondern auch degenerative Prozesse wie Schale, Spat und Arthrose weitgehend aufzuhalten. Langfristig können sogar durch Folgen der Knochenbiomorphose verformte Knochen in Grenzen wieder tendenziell begradigt werden.
Möglichkeiten und Grenzen der Huforthopädie
Nicht vergessen werden darf, dass die Huforthopädie eine Methode ist, nicht mehr und nicht weniger. Sie ist weder die einzig richtige, noch die allein seelig machende noch die beste, am wenigsten kann sie Wunder vollbringen. Huforthopädie ein alternativer Heilberuf. Gut ist ein Vergleich mit anderen alternativen Heilmethoden, etwa der Homöopathie. Einige Krankheiten lassen sich auf homöopathischem Wege sehr gut behandeln, andere weniger. Was aber beiden Methoden gemeinsam ist, ist dass sie Zeit und Geduld erfordern. Wer sein Pferd als stets einsatzbereites, allzeit verfügbares Sportgerät betrachtet, ist mit der Huforthopädie schlecht beraten. Ebenso wie einem starken Infekt oder einer starken Störung (Hypertonie,Diabetes...) die Schulmedizin mit starken, symptomregulierenden Medikamenten zuleibe rückt, so kann ein guter Hufbeschlagschmied oftmals die Einsatzbereitschaft eines Pferdes sofort durch einen gut ausgeführten Beschlag meist wieder herstellen. Jedoch werden in beiden Fällen die Nebenwirkungen und Spätfolgen billigend in Kauf genommen. Bei Erkrankungen setzt die Homöopathie minimale Impulse, die dem Körper eine Richtung zeigen und ihm helfen sich selbst zu heilen. Ebenso beseitigt die Huforthopädie keine Fehlstellungen durch grob vorgenommene Korrekturen, die Sehnen und Gelenke als Nebenwirkung belasten, sondern setzt lediglich durch kleine „homöopathische“ Schnitte Impulse, sie gibt dem Huf eine Richtung vor, in die er sich entwickeln soll und wird, um so eine Fehlstellung oder unphysiologische Verformung langsam zurück zu führen in die für den jeweiligen Huf optimale, individuelle, physiologische Form.
Ausbildung zum Huforthopäden
Zulassungsvoraussetzungen gibt es keine. Jedoch sind Menschen mit einem Vorwissen im medizinischen Bereich im Vorteil. Neben Anatomie, Physiologie und Pathologie des Bewegungsapparates insbesondere der Gliedmaßen wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Röntgendiagnostik und die sehr komplexe Mechanik der Hornkapsel gelegt. Schon allein diese annähernd durchschaut zu haben hilft Ursache-Wirkungszusammenhänge zu verstehen. Beispielsweise dass untergeschobene Trachten immer mit Spannungen auf der Zehe einher gehen, die sich nach einiger Zeit in Zusammenhangstrennungen der Hornröhrchen zeigen, oder auch dass die crena marginis solearis (eine medio-dorsale Einziehung des Hufbeins) zwar unterschiedliche Ursachen haben kann, aber immer eine unabdingbare Folge von mehrjährigem Eisenbeschlag mit zwei Aufzügen ist. Der Schulische Teil der Ausbildung gliedert sich in 272 Stunden, die an 17 Wochenenden über den Zeitraum von 2 Jahren stattfinden. Von den 38 Tagen sind etwa 15 Tage Praktische Ausbildung am Pferd unter Aufsicht und Anleitung, die restlichen Tage sind theoretischer Unterricht, an denen, ähnlich der universitären Ausbildung nur die Inhalte vorgestellt werden, erarbeitet und gelernt werden sie von dem Auszubildenden dann in Eigenarbeit. Es gibt nach einem Jahr eine theoretische und praktische Zwischenprüfung, nach deren Bestehen der Auszubildende verpflichtet ist, drei Pferde selbstständig und eigenverantwortlich huforthopädisch zu betreuen, im Bedarfsfalle kann er mit seinem Ausbilder Rücksprache nehmen, die Dokumentation der Entwicklung der Hufe über den Zeitraum eines halben Jahres ist zwingende Voraussetzung für die Abschlussprüfung.
Das Neue Hufbeschlaggesetz
Im April 2006 ist das neue Gesetz über die Reform Hufbeschlagrechtlicher Regelungen in Kraft getreten und hat für große Verwirrung gesorgt. In diesem Gesetz soll u.A. die Ausbildung für Hufbeschlagschmiede neu geregelt werden. Uneinigkeit besteht darüber, ob oder in wie weit private Ausbildungsinstitute in Zukunft weiterhin Nachwuchs in den verschiedenen alternativen Hufbehandlungs- oder Bearbeitungsmethoden ausbilden dürfen. Es sind bereits Verfassungsbeschwerden und –Klagen in Vorbereitung, da berechtigte Zweifel an der Verfassungskonformität dieses Gesetzes bestehen. Ferner sind einige Teile des Gesetzestextes inkonsistent oder bedürfen einer Interpretation. Wie es umgesetzt wird, lässt sich erst sagen, wenn erste Grundsatzurteile gefällt worden sind, und Verordnungen und Ausführungsbestimmungen die Anwendung dieses Gesetzes genauer definieren. Stein des Anstoßes in diesem Gesetz ist die Definition des Hufbeschlages, der in Zukunft ausschließlich den staatlich anerkannten Hufbeschlagschmieden vorbehalten sein soll, in den Begriffsbestimmungen: Hufbeschlag ist demnach die Gesamtheit aller Verrichtungen am Huf, die dem Schutz, der Korrektur, der Gesunderhaltung und der Behandlung dienen. Gemäß dieser Definition betreiben Huforthopäden keinen Hufbeschlag. Sie bringen keinen dauerhaften oder temporären Schutz an, wie Hufeisen, Kunststoffbeschläge, Klebebeschläge, nicht einmal Kunsthorn oder flüssiger Huffestiger findet Verwendung. Dass ein Huforthopäde keinerlei Korrekturen, erst recht keine Stellungskorrekturen vornimmt, wurde schon erwähnt. Ferner gibt es keinen gesunden Huf, den es zu erhalten gilt. Bei genauerer Betrachtung finden sich immer Wachstumsanomalien oder Anzeichen für Spannungen, die der Huf mittels huforthopädischer Unterstützung beseitigen kann. Sollte ein Huf in einem seltenen Fall wirklich ein optimales Erscheinungsbild zeigen, wird der Huforthopäde nicht tätig. Und die Behandlung von Huferkrankungen bleibt den Tierärzten überlassen, bzw. wird in Absprache mit ihnen in Zusammenarbeit mit dem Pferdebesitzer durchgeführt. Natürlich leistet ein Huforthopäde im Falle eines Notfalls gern kompetente erste Hilfe am Pferd.
Vergleich der Ausbildung mit anderen Berufsgruppen
Ein Veterinär, der sich nicht fortgebildet oder spezialisiert hat, hört Röntgendiagnostik in einer Vorlesung mit 2 Semesterwochenstunden, das sind dann 20-24 Stunden, in denen aber nicht nur die Diagnostik des Bewegungsapparates, sondern auch die aller organischen Symptome abgehandelt werden. Die Ausbildung der Hufbeschlagschmiede ist gänzlich anders organisiert: Diese machen (gem. neuem Hufbeschlaggesetz) ein 18monatiges Praktikum bei einem staatlich anerkannten Schmied, dessen Qualität allein in der Hand des Schmiedes liegt. Es wird an keiner Stelle gefragt, kontrolliert, dokumentiert oder nachvollzogen, was der Praktikant tatsächlich gemacht hat, oder welche Tätigkeiten er selbstständig ausgeführt hat, ob er etwa unter Anleitung Eisen abgenommen hat, ob er Hufe für den Beschlag zugerichtet hat, er an Beratungsgesprächen mit den Kunden teilgenommen hat oder nur Handlanger war. All das liegt in der Hand des Schmiedes. Eigenverantwortliche Bearbeitung der Hufe ist mehr die Ausnahme, denn die Regel. Nach der Teilname dieses Praktikums macht er einen 4monatigen Lehrgang an einer zugelassenen Lehrschmiede, und legt eine Prüfung ab. 4 Monate enthalten 88 Arbeitstage, an denen neben der Barhufbearbeitung sehr große Teile allein auf die Metallverarbeitung verwendet werden. Nach alter Ausbildungsverordnung mussten die zukünftigen Schmiede eine Ausbildung in einem Metallberuf vorweisen und damit Grundlagen mitbringen, nach jetzigem Gesetz nicht mehr. Ein sehr großer Teil der 4monatigen Ausbildung entfällt allein auf die handwerkliche Ausbildung in der Schmiedekunst, Schweißtechniken, Kaltverformung von Stahl und die Anbringung bzw. Nagelung an den Pferdehuf, die einiges Geschick erfordert.
Siehe auch
Weblinks
- DHG - Deutsche Huforthopädische Gesellschaft e.V.
- DIfHO - Deutsches Institut für Huforthopädie
- Huforthopädie-NRW - Huforthopädie-NRW