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Qingdao

Nachdem das deutsche Kanonenboot Iltis am 23. Juli 1896 bei Rongcheng während eines Taifuns gestrandet war und dabei 71 Seeleute ums Leben kamen, herrschte in der Kaiserlichen Marine die Ansicht, dass einer der Gründe für das Unglück der Mangel an genauen Wettervorhersagen war. Nach dem Juye-Vorfall, bei dem in der Nacht vom 1. auf den 2. November 1897 zwei deutsche Missionare ermordet wurden, wurde Qingdao am 14. November 1897 von deutschen Truppen unter dem Kommando von Konteradmiral Otto von Diederichs besetzt. Am 6. März 1898 wurde mit der chinesischen Regierung ein Vertrag über die Pacht der Jiaozhou-Bucht über 99 Jahre abgeschlossen. Das „Deutsche Pachtgebiet Kiautschou“ war nicht der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, sondern dem Reichsmarineamt unterstellt.[1][2] Nach mehrmonatigen Planungsarbeiten wurde am 14. Juni 1898 die Meteorologisch-Astronomische Station (气象天文测量所) eröffnet, die zusammen mit dem Hafenamt vom Adjutanten des Gouverneurs (damals Kapitän zur See Carl Rosendahl) geleitet wurde.[3][4][5] 1905 wurde das ursprünglich in der Guantao-Straße (馆陶路) im Stadtbezirk Shibei beheimatete Observatorium an seinen heutigen Standort auf dem 79 m hohen Observatoriumsberg (观象山, ursprünglich „Wasserberg“ bzw. 水道山 genannt) im Norden des Stadtbezirks Shinan verlegt.[6]

Kaiserliches Observatorium

In Bruno Meyermann hatte die Einrichtung ab 1909 einen promovierten Astronomen als Direktor. Neben astronomischen und geophysikalischen Beobachtungen, seismographischen Messungen und Messungen des Erdmagnetfelds war die Hauptaufgabe der Station aber weiterhin die Erstellung von Wettervorhersagen für die Schiffahrt. Auch die Berichte über erdmagnetische Störungen dienten der Navigation in der Schifffahrt.[7][8] Die Grundsteinlegung für das Hauptgebäude fand am 11. Juni 1910 statt. Am 9. Januar 1912 war der von der Firma Paul Friedrich Richter nach einem Entwurf von Johann Heinrich Friedrich Schubart (1878–1955) ausgeführte Bau vollendet.[9][10][11] Bereits am 1. Januar 1911 war die Einrichtung offiziell in „Kaiserliches Observatorium in Tsingtau“ (皇家青岛观象台) umbenannt worden.

Jiang Bingran

Vier Tage nach dem Eintritt Japans in den Ersten Weltkrieg am 23. August 1914 begannen japanische und britische Kriegsschiffe am 27. August 1914 eine Seeblockade Qingdaos. Am 7. November 1914 kapitulierten die deutschen Truppen und das Pachtgebiet wurde von Japan besetzt. Die „Abteilung für wichtige Häfen“ (要港部) der Kaiserlich Japanischen Marine übernahm das deutsche Observatorium und benannte es in „Klimamessstation“ (测候所) um. Bruno Meyermann wurde gefangengenommen, in diversen Lagern in Japan interniert und erst im Dezember 1919 wieder entlassen. Qingdao blieb nach Kriegsende weiterhin von Japan besetzt und wurde erst 1922 auf Druck der USA an China zurückgegeben. Laut einem Zusatzprotokoll zu dem am 1. Dezember 1922 unterzeichneten Rückgabevertrag blieb die Klimamessstation jedoch zunächst in der Zuständigkeit des Zentralen Meteorologischen Observatoriums Japans. Erst nach komplizierten Verhandlungen wurde die Station am 27. Februar 1924 endgültig an China zurückgegeben. Die Einrichtung wurde in „Observatorium des Vertragshafens Jiaozhou“ (胶澳商埠观象台) umbenannt, erster chinesischer Direktor wurde der Meteorologe Jiang Bingran (蒋丙然, 1883–1966).[12]

Jiang Bingran war zwar Meteorologe und gründete am 10. Oktober 1924 zusammen mit Gao Lu die Chinesische Meteorologische Gesellschaft (中国气象学会) mit Sitz im Observatorium Jiaozhou,[13] gleichzeitig setzte er sich aber auch für die Astronomie ein. 1925 ließ er auf der Westseite des Geländes ein eingeschoßiges, mit einer Stahlkuppel von 4 m Durchmesser versehenes Gebäude errichten, in dem ein vom Kaiserlichen Observatorium übernommener 16-cm-Refraktor mit azimutaler Montierung aufgebaut wurde. Mit diesem Fernrohr wurden Sonnenflecken-Beobachtungen durchgeführt.[14]

Einzelnachweise

  1. Stephanie Jozwiak: Die Entstehung der Musterkolonie Kiautschou. In: bundesarchiv.de. Abgerufen am 15. November 2020.
  2. Kiautschou. In: deutsche-schutzgebiete.de. Abgerufen am 15. November 2020.
  3. Stephanie Jozwiak und Lioba Scheermann: Gouvernement des Schutzgebietes Kiautschou. In: bundesarchiv.de. Abgerufen am 15. November 2020.
  4. Adress-Buch des Deutschen Kiautschou-Gebiets. (PDF; 10,7 MB) In: tsingtau.org. 18. September 1902, S. 15, abgerufen am 15. November 2020.
  5. Bernd Martin: „Gouvernment Jiaozhou“ – Forschungsstand und Archivbestände zum deutschen Pachtgebiet Qingdao (Tsingtau) 1897 - 1914. In: freidok.uni-freiburg.de. Abgerufen am 15. November 2020.
  6. Guanxiang Hill Park. In: qdsq.qingdao.gov.cn. 17. Dezember 2010, abgerufen am 15. November 2020 (englisch).
  7. Klaus Mühlhahn: Qingdao (Tsingtau) – Ein Zentrum deutscher Kultur in China? In: dhm.de. Abgerufen am 15. November 2020.
  8. Lars Fischer: Störung von unten. In: spektrum.de. 9. Oktober 2013, abgerufen am 15. November 2020.
  9. 民国山东青岛观象山巅观象台. In: mbook.kongfz.com. Abgerufen am 15. November 2020 (chinesisch).
  10. Helga Landau: Schubart, J. Heinrich F. (1878-1955) – Dr.-Ing., Architekt und Ministerialdirigent. In: tsingtau.org. 1. Mai 2017, abgerufen am 15. November 2020.
  11. Christoph Lind: Heimatliches Idyll und kolonialer Herrschaftsanspruch: Architektur in Tsingtau. In: dhm.de. Abgerufen am 15. November 2020.
  12. 张艳: 青岛观象台——“穹台窥象”. In: qdgxt.kepu.net.cn. 8. Mai 2013, abgerufen am 15. November 2020 (chinesisch).
  13. 学会简介. In: cms1924.org. Abgerufen am 17. November 2020 (chinesisch). Seit 1949 befindet sich der Sitz des Vereins in Peking.
  14. 沈冰冰 et al.: 青岛观象台的历史沿革与贡献研究 (1898—1949年). (PDF; 1,6 MB) In: cmalibrary.cn. 21. März 2016, abgerufen am 17. November 2020 (chinesisch).