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Julius von Payer

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Julius von Payer, * 2. September 1841 Schönau bei Teplitz (Teplice, Tschechische Republik), † 29. August 1915 in Veldes (Bled, Slowenien), war österreichisch-ungarischer Polar- und Alpenforscher, Kartograf und Professor der Militärakademie.

Payers Ausbildung erfolgte am Kadetteninstitut Lobzowa bei Krakau und 1857 an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. In das Jahr 1859 fällt Payers erster nachweisbarer Aufenthalt in Frankfurt am Main, da sein Regiment in dieser Stadt und in Mainz stationiert war. Am 24. Juni 1859 erlebte er die österreichische Niederlage bei Solferino und wurde wegen seines Einsatzes dekoriert. Sein Rang war der eines Unterleutnants 2. Klasse im 36. Infanterieregiment. Die Monatsgage des Unterleutnants Payer betrug zu dieser Zeit 36 Gulden. Von 1860 bis 1868 war Payer an verschiedenen Orten in Oberitalien stationiert. Dies nutze er dazu, verschiedene Alpengipfel zu erkunden und auch schriftlich darüber zu berichten. Dreißig Erstbesteigungen in der Ortler- und Glocknergruppe werden ihm zugeschrieben. 1860 bis 1862 war er bei der Truppe in Verona. 1863 unternahm er eine Besteigung des Großglockners. 1864 wurde er Kommandant des Lagunenforts Lombardo bei Chioggia. 1865-1868 unternahm er die bergsteigerische Erschließung der Ortlergruppe. 1866 wurde Payer bei Custozza dekoriert und zum Oberleutnant befördert. 1868 berief ihn der Kriegsminister persönlich als Generalstabsoffizier zum militärgeographischen Institut nach Wien. Dort war er Lehrer für Geschichte an der Militärakademie. 1868 ernannte ihn die Universität Halle aufgrund seiner bergsteigerischen Forschungen und Publikationen zum Dr. phil. ehrenhalber. Schon im Alter von 27 Jahren galt Julius Payer als versierter Erforscher des Hochgebirges, der sowohl wissenschaftliche Beobachtungen in der Natur als auch topographische Zusammenhänge sicher beherrschte ebenso in der Lage war, seine Erkenntnisse schriftlich niederzulegen.

Payer leitet 1872-1874 die große österreichisch-ungarische Polarexpedition. Sie führte zur Entdeckung des Franz-Josephs-Landes.

1876 weilte Julius von Payer zur Erholung in Franzensbad. Dort machte er die Bekanntschaft der reichen Frankfurter Bankiersgattin Fanny Kann, geb. Gumpertz (* 19. Juli 1845). Ihr Vater Leopold Gumpertz hatte ein Wechselgeschäft auf der Zeil 61 (Adressbuch 1872). Gumpertz hatte 1839 den israelitischen Bürgereid in Frankfurt abgelegt. Fanny Kann war verheiratet mit dem Frankfurter Bankier (Geschäft: Bleichstr. 6) Beer Moses Kann, eines Neffen von Louis Rothschild. Fanny Kann war offenbar sehr angetan von dem berühmten Bergsteiger und Polarforscher. Sie ließ sich noch im gleichen Jahr scheiden und heiratete Julius von Payer. Am 15. November 1877 meldete Payer sich in Frankfurt wohnhaft. 1877 bis 1879 lebte das Paar in Frankfurt in der Hanauer Landstr. 15 im Ostend. Ihm werden zwei Kinder geboren, zuerst am 6. Mai 1877 in Bayonne die Tochter Oliva Julia Fanny und am 15. Mai 1881 in Frankfurt der Sohn Julius. Payer studierte Malerei am Städel-Institut unter den Professoren Hasselhorst, Lutze und Sommer. Weiterhin beschäftigte er sich in Frankfurt mit Anatomie an Leichen und der zeichnerischen Perspektive. Auf Anregung von Ferdinand Wagner griff er erstmals zum breiten Pinsel und malte Ölbilder. Persönlich war er gänzlich in die Liebe zu seiner mondänen Frau gefangen. So schrieb Payer 1878 aus Frankfurt an seinen Freund, den bekannten Afrikareisenden Gerhard Rohlfs (1831-1896), dass, wenn er nicht so glücklich verheiratet wäre, er mit ihm die geplante Expedition in die „Länder zu den schwarzen Kerlen“ gerne mitgemacht hätte. Payer setzte seine Ausbildung 1880-1882 an der Münchener Akademie unter Alexander Wagner, dessen Komposition und Maltechnik ihn inspirierte, fort. In München schuf Payer einen größeren Zyklus von Bildern über die Franklin-Polarexpedition, für die er die große Medaille der Münchener Akademie erhielt. Am 31. Dezember 1882 meldeten sich die Payers behördlich von Frankfurt nach Paris ab.

In Paris hatte Payer sein Atelier in der Rue de Martin, wo er Einflüsse von Constant, Bonnat, Cabanel, Gallait und Tattegrain aufnahm. Im Atelier von Munkacsy erlernte er den wirkungsvollen Kontrast von leuchtendem Weiß und samtenen Schwarzbraun. Hier ereilte ihn 1884 der Verlust eines Auges durch Infektion. Die Schuld daran gab er zeit seines Lebens seiner Frau Fanny, die ihm nach der Operation eine Blutspur mit Wattebäuschchen unsachgemäß abgetupft habe. Obendrein war er schon von Jugend auf kurzsichtig. Für seine Gemälde erhielt er in Paris 1887 und 1889, in München 1885, in Berlin 1888 und in Chicago 1894 jeweils goldene Medaillen. 1890 trennte sich Julius von Payer von Frau und Kindern, die in Paris wohnen blieben. Angeblich hatte Fanny von Payer einen ausgeprägten Hang zum gesellschaftlichen Leben. Ihr soll sehr daran gelegen gewesen sein, den berühmten Nordpolarforscher überall herumzuzeigen, was offenbar Payer zunehmend missfiel. Nach der Trennung kehrte Payer nach Wien zurück.

In Wien bezog Payer wieder seine alte Wohnung in der Bechardgasse 14. Dort, im einstigen Atelier von Hans Makart, eröffnete er eine Malschule für junge Damen. Unter seinen Schülerinnen befand sich auch Helene Lillmann aus Frankfurt. Seit 1892 fühlte er sich krank und an nervöser Erschöpfung (Neurasthenie) leidend. 1892 entstand aber auch sein berühmtestes Bild „Nie zurück“. Seit 1895 zeigte er Interesse an den Planungen zu einer deutschen Südpolexpedition. 1898 besuchte ihn Fridtjof Nansen in Wien. Einen Teil seines Auskommens verdienste er durch Vorträge, so hielt er deren 1228 in 18 Jahren. Für Tirol war Payer Mitarbeiter des Baedeker. In den 1890er Jahren nahm er seine Tochter Adele, die einem früheren Verhältnis entstammte, zu sich. Um 1903 geriet er weithin in Vergessenheit. Freilich erhielt er in diesem Jahr ein Gnadengehalt von 6000 Kronen jährlich bis zum Lebensende. Seine Sommerurlaube verbrachte er regelmäßig in Bad Veldes am Veldeser See zwischen Julischen Alpen und Karawanken. Er war Anhänger der Kurmethoden der Rucklischen Anstalt mit ausgedehnten Sommerbädern. Am 26. Mai 1912 traf ihn, der bis dahin von eiserner Gesundheit war, ein Schlaganfall, der ihn der Sprache beraubte. Ihm war nur noch schriftliche Verständigung möglich. Seine Einsamkeit vergrößerte sich nach der Heirat der Tochter Adele mit dem Oberleutnant v. Manker-Lerchenstein. Daher lebte er in den letzten Jahren mit einer Wienerin in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen. Payer starb am 29. August 1915 im slowenischen Veldes an einem Herzanfall. Er wurde am 4. September 1915 in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

1921 lebten in Paris in der Rue de Pergolèse 44 sein Sohn Jules de Payer und dessen Frau Alice. Diese war eine mäßig erfolgreiche Romanschriftstellerin. Ein reicher Inder hatte sein Begehr auf Alice de Payer geworfen und sie ihrem Mann abspenstig gemacht. Als Entschädigung bot der Inder Jules de Payer an, ihn mit den Finanzmitteln einer Himalayaexpedition auszustatten. Die Antwort Jules de Payers auf dieses Angebot ist nicht erhalten.


Biographische Quelle:

Payer, Julius, Die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition in den Jahren 1872-1874, nebst einer Skizze der zweiten deutschen Nordpol-Expedition 1869-1870 und der Polar-Expedition von 1871. Mit 146 Illustrationen (Holzstichen) und 3 (gefalteten) Karten. Wien: Hölder 1876. CIV, 696 S.

Martin Müller, Julius von Payer, Stuttgart 1956

Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Österreich und die Arktis, Ausstellungskatalog des Heeresgeschichtlichen Museums Wien, 1996.

Literatur: Christoph Ransmayr "Die Schrecken des Eises und der Finsternis" ISBN 3596254191