Solare Wasserstoffwirtschaft
Eine Wasserstoffwirtschaft ist eine Energiewirtschaft, in der auf allen Ebenen mit Wasserstoff gehandelt und gewirtschaftet wird. Es existieren verschiedene Technologien zur Herstellung und Speicherung von Wasserstoff. Die Vorteile der Wasserstoffwirtschaft kommen dann voll zum Tragen, wenn eine nachhaltige Verwendung erneuerbarer Energien bzw. anderer umweltschonend erzeugter Energieformen vorliegt. Im Falle der Stromgewinnung durch Sonnenenergie spricht man von einer solaren Wasserstoffwirtschaft.
Technologie und Infrastruktur
In einer echten solaren Wasserstoffwirtschaft werden alle solaren Primärenergien in Wasserstoff umgewandelt und in dieser Form an den Endverbraucher geliefert. Die Umwandlung elektrischer Energie in Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse. Kohlenstoffhaltige Energieträger wie fossile Energieträger oder Biomasse werden durch direkte chemische Umwandlung bei hohen Temperaturen (Wasserdampfreformierung bzw. Steam-Reforming) in Wasserstoff umgewandelt. Dieser wird sodann durch neue (wasserstoffgeeignete) Gasverteiler-Netze dem Endverbraucher zugeleitet. Hier wird der Wasserstoff (beim Endverbraucher!) zunächst einer Brennstoffzelle zugeführt, die aus der chemisch gebundenen Energie des Wasserstoffs Strom und Wärme erzeugt. Die Hälfte der umgewandelten Energie ist Wärme. Wärmeverluste treten bei der Umwandlung der Primärenergie in Wasserstoff, der eventuellen Verflüssigung (20%) und der nicht genutzten Abwärme der Brennstoffzelle (ca. 40%) auf. Die derzeit praktizierte Energiewirtschaft hat Energieverluste von über 60%. Zur Verteilung des Wasserstoffs kann das vorhandene Erdgasnetz mit seinen Speichern im Untergrund nicht benutzt werden, da Wasserstoff aufgrund seiner im Vergleich zu Erdgas (Methan) geringen Molekülgröße extrem diffusionsfreudig ist. Auf ein Stromnetz ganz zu verzichten wäre weniger wirtschaftlich, da elektrische Energie mit relativ geringen Verlusten über weite Strecken transportiert werden kann. Diese betragen etwa 5% je 1.000 km in 800 kV Hochspannungsleitungen.
Brennstoffzellen können sich auf Laständerungen sehr schnell einstellen, was sie für den Einsatz in Fahrzeugen geeignet macht. Wasserstoff wird in Hochdruckbehältern bis 700 bar gelagert. Brennstoffzellenfahrzeuge befinden sich weltweit in der Erprobung. Sie sind noch nicht serienreif.
Es wird davon ausgegangen, dass die Umrüstung bzw. Neuaufstellung allein der in Deutschland auf fossilen Brennstoffen beruhenden Infrastruktur (PKW, LKW, Motorräder, Baumaschinen, Züge, Flugzeuge, landwirtschaftliches Gerät, Tankstellen, Anlagen zur Wasserstofferzeugung, etc.) auf eine Brennstoffzellentechnologie ein bis zwei Jahrzehnte beanspruchen wird. Die volkswirtschaftlichen Kosten werden mit einer Größenordnung im Billionen €-Bereich angesetzt. Es wird angenommen, dass für einen sanften, geordneten und koordinierten Übergang in die Nach-Erdölzeit die Umstellungsmaßnahmen schon vor mindestens 20 Jahren auf breiter Front begonnen hätten müssen, sowohl für eine Wasserstoffwirtschaft als auch andere Petroleum-Ersatzstoffe (Robert L. Hirsch[1])
Im Zusammenhang mit der Diskussion über das sich abzeichnende Ende des Erdölzeitalters (Peak-Oil) rückt die Frage nach der rechtzeitigen und quantitativ ausreichenden Verfügbarkeit von Brennstoff- bzw. Mobilitätsalternativen immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses.
Wirtschaftlichkeit und Potenziale
Technologien zur Installation einer echten Wasserstoffwirtschaft sind bereits verfügbar, weshalb erste Schätzungen über die Kosten und Erträge angestellt werden.
- Biomasse Produktivität[2]
| Masse [Gramm/m² und Jahr] | Ort | Heizwert [kWh/m²und Jahr] |
|---|---|---|
| 2.200 | Tieflandregenwald | 9,9 |
| 1.200 | Laubwald gemäßigter Zonen | 5,4 |
| 900 | Savannen | 4,1 |
| 650 | Anbaugebiet, Kulturland | 2,9 |
| 3 | Wüsten | 0,0 |
Deutschland hat eine Fläche von 357.050 km². Davon werden 48% landwirtschaftlich genutzt. Würde die gesamte Fläche für den Anbau von Biomasse zur Energieversorgung genutzt, so stünden 171.384 km² Biomasseproduktionsfläche zur Verfügung. Je Quadratkilometer können jährlich 2,9 GWh Energie produziert werden. Dies entspricht deutschlandweit einer Gesamtmenge von 1.035.445 GWh/Jahr[3]. Der Primärenergieverbrauch Deutschlands beläuft sich auf 4.070.500 GWh/Jahr. Eine Energievollversorgung mittels Biomasse wäre so gerechnet selbst bei Einstellung der Nahrungsmittelproduktion nicht möglich. Zudem kann wegen Umwandlungsverlusten nicht die gesamte in der Biotrockenmasse enthaltene Energie genutzt werden. Allerdings gehen fast alle Szenarien der Bundesregierung von einem mit der Zeit abnehmenden Primärenergieverbrauch aus.
Zusätzlich werden in der Forschung und Pflanzenzüchtung noch sehr viel Ertragsspielräume gesehen. In obiger Betrachtung wurde noch von einem Ertrag von 6,5 Tonnen pro Hektar ausgegangen. Inzwischen sind Erträge von 8-14 t/ha für C3-Getreide (Weizen etc.), 15-20 t/ha für Rüben, im Mittel 20 t/ha Silomais, unter Folie sogar bis zu 38t/ha, möglich[4]. Ebenso könnte eine Zweikulturnutzung von z.B. Weizen im Winter/Frühjahr und Mais im Sommer/Herbst deutliche Ertragssteigerungen bringen, da beide Pflanzen zur energetischen Nutzung nicht ausreifen müssen und nach abgeschlossenem Biomassezuwachs geerntet werden können. Ernterträge liegen hier zwischen 15 und 28 t/ha [5]. Bei einem Mittelwert von 20 t/ha würde sich der Ertrag, also das Biomassepotential im Vergleich zu obiger Betrachtung verdreifachen. Zusätzlich verdoppelten sich die Getreideerträge zwischen 1966 und 1993 in der Europäischen Union. Das heisst, die Erträge nehmen durch Intensivierung der Landwirtschaft und Züchtung weiterhin zu.
Eine Alternative ist die Fotovoltaik. Um den Primärenergiebedarf Deutschlands zu decken, würde dort bei einem Wirkungsgrad von 16 % eine Aufstellfläche von 213 km x 213 km benötigt. Dies entspricht 12,7 % der Landesfläche oder 26 % der Agrarflächen. Der Strombedarf Deutschlands könnte mit einer Kollektorfläche von 76 km x 76 km für Solarzellen gedeckt werden. Dies entspricht 1,6 % der Landesfläche bzw. weniger als alle verfügbaren Gebäudedachflächen.
Für die Wasserstoffherstellung kann die Biomasse feucht sein, da der Prozess Wasser benötigt. Mit grüner Biomasse, auch in Form von lagerfähiger Silage, wird ein neues Potenzial erschlossen. Das Energie-Äquivalentpreis von Biomasse und Rohöl entspricht ca. 350 kg Trockenmasse zu einem Barrel Rohöl.
Um das Henne-und-Ei-Problem zwischen der Verfügbarkeit preisgünstiger seriengefertigter Brennstoffzellen und der Verfügbarkeit von Wasserstoff zu lösen, wäre der sofortige Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft auch ohne Brennstoffzellen und ohne kostenträchtige Umstellungen möglich. Bei den Heizanlagen (Wärme-Erzeugern) wären nur die Brennerdüsen auszuwechseln. Dies wurde bereits bei der Umstellung von Stadtgas auf Erdgas praktiziert.
Ökologie
Bei der Nutzung des Wasserstoffs mit Brennstoffzellen entstehen nur Strom, Wärme und Wasser. Bei einer solaren Wasserstoffwirtschaft mit Biomasse wird außerdem CO2 frei. Biomasse ist gespeicherte Sonnenenergie. Ihre Nutzung bedeutet die Freisetzung dieser Energie, wobei prinzipiell ein Teil davon unmittelbar die Entropie in der Biosphäre steigert.
Das Konzept ist nicht klimaneutral. Zwar wurde freigesetztes CO2 zuvor von der Pflanze der Atmosphäre entzogen. Das nun wieder freigesetzte CO2 wirkt in der Biosphäre jedoch anders, als wenn sein Kohlenstoffanteil in Biomassen gebunden bliebe. Da das CO2 in konzentrierter Form anfällt, ließe es sich jedoch mittels der CO2-Sequestrierung im Untergrund speichern, womit allerdings eine weitere Wirkungsgradminderung der Systems verbunden wäre. Mit der Speicherung könnte der globalen Erwärmung entgegengewirkt werden.
Babylonische Sprachverwirrung


In der Öffentlichkeit wird häufig von einer solaren Wasserstoffwirtschaft berichtet, die in Wirklichkeit eine Stromwirtschaft mit einem zusätzlichen Speicherelement ist. Neben Pumpspeicher- und Druckluftkraftwerken soll überschüssiger Solarstrom in Form von Wasserstoff gespeichert und bei Bedarf in Brennstoffzellenkraftwerken rückverstromt werden. Der Strom wird dann über das nationale Stromnetz an den Verbraucher geliefert. Die zweimalige Umwandlung in zentralen Anlagen führt zu Energieverlusten von 60% bis 80%. Der rückgespeiste Strom ist dann ungefähr 4-mal teurer als der teure Solarstrom. Die Bezeichnung „Wasserstoffwirtschaft“ ist hier genau so fehl am Platze wie die Bezeichnung „Wasserwirtschaft“ für unsere Stromwirtschaft mit Pumpspeicherkraftwerken. Dennoch verwenden fast alle Fach- und Medienberichte diese unechte Form einer Wasserstoffwirtschaft. Die Weblinks und Literaturangaben beschreiben denn auch alle, bis auf „Bio-Wasserstoff“, diese unechte solare Wasserstoffwirtschaft oder setzen sie stillschweigend voraus, wie hier heise.de/newsticker - Umweltbundesamt nennt es Utopie
Fragen
- Wie kommt der erste Wasserstoff zu den Tankstellen?
- Wenn noch kein Wasserstoffnetz existiert: mit Tankwagen, die flüssigen Wasserstoff (-253 °C) transportieren. Damit können dann auch Drucktanks befüllt werden. Die dafür notwendigen technischen Vorrichtungen sind sämtlich schon heute verfügbar. Für die Verflüssigung des Wasserstoff wird 1/3 des Energieinhalts aufgebraucht.
- Ist die Verdichtung des Wasserstoffs auf 700 bar nicht eine riesige Energieverschwendung?
- Zur Verdichtung muss ca. 10 % der getankten Energie für die Kompressoren aufgewendet werden. Diese Energie wird als Wärme frei. Allerdings sind die Kosten für Herstellung und Mitführen ausreichend sicherer Tanks in Fahrzeugen bei diesen Kostenabschätzungen nicht mitberücksichtigt worden.
- Sind die Leckverluste in einem Wasserstoffnetz nicht riesig?
- Gasförmiger Wasserstoff (H2) hat eine sehr geringe Molekülgröße, da das Wasserstoffatom (H) an erster Stelle des Periodensystems steht und nur aus einem Proton und einem Elektron besteht. Bedingt durch die geringe Molekülgröße diffundiert Wasserstoff sehr stark durch andere Materialien.
Bei Flüssigwasserstofftanks hat man pro Tag zwischen 1 bis 2% Abblassverluste.
Sind die Wasserdampfemissionen einer Wasserstoffwirtschaft eine Gefahr für das Klima?
- Nein. In einer Wasserstoffwirtschaft wird weniger Wasserdampf emittiert als heute. Das liegt auch daran, dass die Wasserdampfemissionen unserer Kraftwerke wegfallen, die mehr Wasserdampf in die Atmosphäre abgeben, als der Wasserverbrauch von Haushalten und Industrie zusammen. Darüber hinaus wird Wasserstoff überwiegend in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen genutzt, bei denen der Wasserdampf kondensiert.
- Sind zur Installation einer Wasserstoffwirtschaft nicht riesige Investitionen erforderlich?
- Die Kosten für einen kompletten Austausch aller uns bekannter Infrastruktur (PKW, LKW, Motorräder, Baumaschinen, Züge, Flugzeuge, landwirtschaftliches Gerät, Tankstellen, Anlagen zur Wasserstofferzeugung, etc.) kämen einer kompletten Zerstörung dieser und anschließender Neuanschaffung gleich. Diese wären kurzfristig von keiner Volkswirtschaft ohne extreme Verwerfungen verkraftbar. Um dies zu vermeiden muss die Umstellung langsam erfolgen indem Güter die am Ende ihres Lebenszyklus stehen durch neue ersetzt werden.
Quellen
- ↑ Robert L. Hirsch ("Science Applications International Corporation" - SAIC) im Auftrag des US-Energieministeriums ergeben hat: "Peaking of world oil production: impacts, mitigation, & risk management"
- ↑ unbekannte Quelle
- ↑ Rechnungsweise unklar
- ↑ Agrarportal Mecklenburg-Vorpommern
- ↑ K.Scheffer, Institut für Nutzplanzenzüchtung der Universität Kassel/Witzenhausen
Literatur
- Alf-Sibrand Rühle, Sven Geitmann: Wasserstoff & Wirtschaft – Investiere in eine saubere Zukunft. Hydrogeit Verlag, Kremmen, März 2005, ISBN 3937863028
- Jeremy Rifkin: DIE H2-REVOLUTION - Mit neuer Energie für eine gerechte Weltwirtschaft. campus Verlag, 2002, ISBN 3-593-37097-2
- Karl-Heinz Tetzlaff: Bio-Wasserstoff - Eine Strategie zur Befreiung aus der selbstverschuldeten Abhängigkeit vom Öl. BoD Verlag, 2005, ISBN 3-8334-2616-0
Siehe auch
Weblinks
- www.wasserstoff-wirtschaft.com - Wasserstoff-Wirtschaft
- www.h2am.de - Wasserstoff & Wirtschaft, Informationen von Dr. A.-S. Rühle
- www.bio-wasserstoff.de - Solare Wasserstoffwirtschaft mit Biomasse
- www.h2stations.org - Worldwide Hydrogen Refuelling Stations
- www.hydrogen.org - HyWeb – das Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Informations-System im Internet
- Wasserstoff - Testfeld Island
- Duncan Graham-Rowe: Wasserstoff aus Biomasse, in: Technology Review, 22. Mai 2006. Beschreibung einer neuen Technologie zur Herstellung von Wasserstodff aus Biomasse.
zur unechten solaren Wasserstoffwirtschaft
- www.energie-fakten.de - Wie sind die Aussichten einer solaren Wasserstoffwirtschaft? (PDF, 46 kB)
- www.wbgu.de Potenziale der Wasserstoffwirtschaft
- www.dwv-info.de Europäische Technologieplattform Wasserstoff und Brennstoffzellen (HFP), pdf-Datei 285 kB