Portfoliotheorie

Teilgebiet der Kapitalmarkt-Theorie
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Die Portfoliotheorie ist ein Teilgebiet der Finanzierung und untersucht das Investitionsverhalten an Kapitalmärkten (z. B. Aktienmarkt). Die Portfoliotheorie geht auf Markowitz (Portfolio Selection) zurück und unterstellt gewisse Annahmen an das Verhalten von Investoren und erzielt so gewisse Aussagen über das Investitionsverhalten. Sowohl die Annahmen als auch die Aussagen werden von der ökonomischen Wissenschaft durchaus kritisch bewertet, dennoch gilt die Portfoliotheorie als gesichert.

Zielsetzung

Ziel der Portfoliotheorie ist es, Handlungsanweisungen zu geben. Diese sollen dazu dienen mit der bestmöglichen Kombination von Anlagealternativen ein optimales Portfolio zu bilden. In diesem optimalen Portfolio werden die Präferenzen des Anlegers bezüglich des Risikos und des Ertrags sowie die Liquidität berücksichtigt. Die Portfoliotheorie ist das theoretische Grundgerüst der in der Praxis des Portfoliomanagements verwandten Verfahren.

Annahmen

Die Portfoliotheorie unterstellt einen Investor, der sich in seinem Verhalten ausschließlich an Zahlungsgrößen (Cash flows) orientiert und sein Vermögen mehren will. Er handelt rational und nutzenmaximierend: Das bedeutet, er informiert sich über die Gegebenheiten des Kapitalmarktes und entscheidet sich, indem er Chancen und Risiken gegeneinander abwägt. Dabei scheut er das Risiko (man spricht auch von Risikoaversion). Risikoaverses Verhalten bedeutet, dass ein höheres Risiko nur dann in Kauf genommen wird, wenn der erwartete Ertrag überproportional steigt. Über die Frage, welche Information aus den beobachtbaren Daten des Marktes gewonnen werden kann, hat es in der Finanzierung eine intensive Debatte gegeben (zurückgehend auf die bahnbrechenden Arbeiten von Eugene Fama zu Informationseffizienz).

Um die Analyse zu vereinfachen, nimmt man weiter an, dass der Kapitalmarkt vollkommen ist, d. h. unter anderem, dass Wertpapiere ohne Transaktionskosten erworben werden können und dass keine Steuern existieren.

Kern der Portfoliotheorie ist die Unterscheidung in systematisches und unsystematisches Risiko.

Systematisches Risiko vs. Unsystematisches Risiko
inhärentes Risiko einer Anlage aktienspezifisches Risiko
betrifft alle Wertpapiere am Markt gleich kann durch Diversifikation verringert werden
Vergütung durch Risikoprämie keine Vergütung durch Risikoprämie
Beta-Faktor

Kernidee

Die Kernidee der Portfoliotheorie ist es, dass es möglich ist, das Risiko des Wertpapierportfolios ohne Verringerung der erwarteten Rendite zu minimieren. Die einzige Voraussetzung ist, dass die Wertpapiere nicht vollständig korelliert sind.

Effiziente Portfolios

Ein Portfolio dominiert ein anderes Portfolio, wenn die erwartete Rendite größer oder gleich dem anderen Portfolio ist und die Varianz kleiner oder gleich dem anderen Portfolio ist. Dabei ist ausgeschlossen, dass es sich um dasselbe Portfolio handelt.

Ein Portfolio heißt effizient, wenn es von keinem anderen Portfolio dominiert wird, d.h. wenn kein anderes Portfolio existiert, welches bei gleicher Renditeerwartung ein geringeres Risiko bzw. bei vergleichbaren Risiko eine höhere Rendite hat.

Die Effizienzlinie ist der geometrische Ort aller optimalen Ertrags-Risiko-Kombinationen.

Effiziente Portfolios aus risikolosem und riskanten Wertpapier

Anhand von zwei Wertpapieren lässt sich ein optimaler Risiko-Rendite-Zusammenhang bestimmen. Das heißt, dass versucht wird in verschiedenen Fällen abhängig von der Risikopräferenz des Anlegers die optimale Strategie zu ermitteln.

Wir betrachten ein risikoloses (Rendite:  ) und ein riskantes Wertpapier (Rendite  ). Zusätzlich wollen wir die Möglichkeit von Leerverkäufen (LV) annehmen. In den behandelten Fällen wird ein riskantes Wertpapier, das mit Kurs- und Ausfallrisiko (auch: Währungsrisiko) behaftet ist betrachtet. Die risikolose Anlage kann durch ein staatliches Wertpapier simuliert werden. Die Laufzeit muss dabei mit der Planungsperiode übereinstimmen. Auf diese Weise lassen sich für das risikolose Instrument Zinsänderungs- und Ausfallrisiken ausschließen.

Es lassen sich vier Fälle unterscheiden:

1. Fall:   ohne Leerverkauf

Die Rendite des riskanten Wertpapiers ist größer als der risikolose Zins. Es gibt keine Leerverkäufe.

Die Effizienzlinie ist eine Gerade aus Ertrags-Risiko-Kombinationen.   wobei   mit x aus [0,1]

  • Der Rendite-Risiko-Zusammenhang ist linear.
  • Der Vorfaktor des Portfoliorisikos entspricht einer normierten Risikoprämie. Dies ist die Überrendite des riskanten Wertpapiers dividiert durch dessen Risiko.

In diesem Fall 1 mit   ohne Leerverkauf sind alle Portfolios auf der Gerade, d.h. alle möglichen   -Kombinationen, effizient.

Herleitung

Gesucht ist   in Abhängigkeit vom Mischungsverhältnis   mit   und  .

 *  
 * aus   folgt dann    und

 *  

2. Fall:   mit Leerverkäufen

Die Rendite des riskanten Wertpapiers ist größer als der risikolose Zins. Leerverkäufe sind zulässig: Bei der Zulässigkeit von Leerverkäufen lassen sich zwei Fälle unterscheiden.

Entweder das risikolose Wertpapier oder das riskante Wertpapier wird verkauft.

Leerverkauf der risikolosen Anlage

Der Leverage-Effekt besteht darin, dass bei Leerverkauf des risikolosen Instruments der Erwartungswert des Portfolios steigt, aber auch das Risiko in Form größerer Streuung steigt. Durch Anpassungen an der Leverage Formel  

Leerverkauf der riskanten Anlage

 , wobei   ist ist kleiner als die geforderte Mindestrendite.

Der formale Ablauf besteht im Ausleihen einer Aktie. Dies bedeutet, dass der Partei dann alle aus dem Besitz der Aktie resultierenden Zahlungen erstattet werden. Die Zahlungsreihe hat dann gewissermaßen ein negatives Vorzeichen.

Die Rendite, die aus diesem Leerverkauf resultiert ist  , wobei das identische Risiko vorliegt, wie wenn man im Besitz der Aktie ist. Deshalb sind durch Leerverkauf der riskanten Anlage erzeugte Portfolios nicht effizient.

3. Fall   ohne Leerverkauf

Die Rendite des riskanten Wertpapiers ist kleiner als der risikolose Zins. Es gibt keine Leeverkäufe

In diesem Fall ist ein Portfolio, das nur in das risikolose Instrument investiert effizient.


4. Fall   mit Leerverkäufen

Leeverkäufe sind zulässig: Durch den Leerverkauf des riskanten Instruments lässt sich die Portfoliorendite unendlich steigern.


Effiziente Portfolios aus zwei riskanten Wertpapieren

Es lassen sich folgende Fälle unterscheiden:

  • Die Rendite des zweiten Wertpapiers ist größer als die des ersten und die Varianz des zweiten Wertpapiers ist größer als die des ersten.

Die Aufhebung der Leerverkaufsbeschränkung führt nicht zu Änderungen im Minimum-Varianz-Portfolio wenn die Korrelation   bestimmte Werte annimmt, die sich aus dem Verhältnis der Standardabweichungen beider Totel ergibt. Dies bedeutet dass beide Wertpapiere im Ausgangsportfolio mit positiven Anteilen vertreten sind.

Iso-Ertragslinien

Ein optimales Portfolio nach diesem Kriterium liegt bei  

Budgetgerade

Iso-Ertragslinie  

Iso-Ertragslinie  

Iso-Risikolinien

Ein optimales Portfolio nach diesem Kriterium liegt nicht an den Extrempunkten.


Budgetgerade ohne Leerverkaufsmöglichkeit

Iso-Ertragslinie  

Iso-Ertragslinie  


  • Die Rendite des zweiten Wertpapiers ist größer als die des ersten und die Varianz des zweiten Wertpapiers ist kleiner oder gleich der ersten.

Analytische Bestimmung des global varianzminimalen Portfolios

unkorrelierte Wertpapiere

Bei unkorrelierten Wertpapieren tritt immer ein Diversifikationseffekt auf.

 


 

korrelierte Wertpapiere

Risikodiversifikation in Abhängigkeit des Korellationskoeffizienten  :

Form eines Hyperbelastes

Die Wahl des Portfolios ergibt das Minimum-Varianz-Portfolio:

 

 

Ist die Kovarianz bekannt so sieht die Formel im ersten Fall wie folgt aus:  

Zu beachten
  • Wenn zwei Wertpapiere zur Auswahl stehen, heißt das nicht, dass eins von beiden effizient sein muss. Gegenbeispiel:   für 2 Wertpapiere mit   und   gilt  . MVP bezeichnet das Minimum-Varianz-Portfolio.

Effiziente Portfolios aus drei riskanten Wertpapieren

2 Fälle

  • Global varianzminimales Portfolio mit negativen Anteilen:

Dies lässt sich in einem  - -Diagramm, welches die Aufteilung auf Wertpapier 1 und 2 (und damit implizit auf Wertpapier 3) sowie in einem  - -Diagramm, welches die Effizienzlinie zeigt darstellen.

    •  - -Diagramm: x_3 ergibt sich aus dem Rest zwischen x1 und x3. Die Ordinate ist dann der Ort aller Mischungen aus Wertpapier 1 und 3 und die Abzisse die Mischung aus den Wertpapieren 2 und 3.
  • Global varianzminimales Portfolio mit positiven Anteilen:

Dies lässt sich in einem  - -Diagramm, welches die Aufteilung auf Wertpapier 1 und 2 (und damit implizit auf Wertpapier 3) sowie in einem  - -Diagramm, welches die Effizienzlinie zeigt darstellen

Herleitung

Aus x_1+x_2+x_3=1 ergeben sich zwei abhängige Variable.

  
  =    
        

Effiziente Portfolios für n Wertpapiere

Dies lässt sich nur noch rechnerisch bestimmen mit  

Es müssen dabei die Restriktionen:

  • Mindestrendite
  • Budgetbedingung
  • eventuell auch Leerverkaufsbeschränkung berücksichtigt werden.

Mischung effizienter Portfolios

Bei Dachfonds stellt sich bspw. die Frage ob eine Mischung von effizienten Portfolios wieder ein effizientes Portfolio ergibt. Dies muss nicht zutreffen, da

  • im Falle, dass Leerverkäufe nicht zulässig sind, die Effizienzlinie geknickt ist. Bildet man nun ein Portfolio aus zwei Wertpapieren auf einem unterschiedlichen Teil der Linie, liegt dieses Portfolio nicht mehr auf der Effizienzlinie.
  • im Fall, dass Leerverkäufe zulässig sind, ein Leerverkauf eines effizienten Portfolios ineffiziente Portfolios erzeugen kann.

Optimales Portfolio

Man versucht ein optimales Portfolio zu finden. Dies ist abhängig von der Risikopräferenz des Investors. Bei optimalen Portfolios gilt, dass die Steigung der Indifferenzkurve des Investors gleich der Steigung der Effizienzlinie ist.

Die komparative Statik ergibt, dass der Anteil des riskanten Wertpapiers:

  • stets größer Null ist
  • wächst mit der Überschussrendite
  • fällt mit steigendem Risiko des riskanten Wertpapiers
  • fällt mit steigender Risikoaversion des Investors

Die Investoren, die sich an der erwarteten Rendite und un dem erwartetem Risiko orientieren, halten nie ein vollständig risikoloses Portfolio. Dies liegt daran, dass die Investoren im  - -Diagramm eine waagerechte Tangente der Indifferenzkuve im Punkt   besitzen.

Ergebnisse

Das wichtigste Ergebnis der Portfoliotheorie ist die Risikodiversifikation: es existiert für jeden Investor ein so genanntes optimales Portfolio aus allen Anlagemöglichkeiten, das dessen Risiko-Chancen-Profil bestmöglich abbildet. Dieses optimale Portfolio hängt dabei weder von dem ursprünglichen Vermögen des Investors noch seiner unmittelbaren Risikoeinstellung ab. Vielmehr spielen nur die Risiko-Rendite-Kombinationen der gehandelten Titel eine Rolle. Der Beweis der Aussage geht auf James Tobin zurück, nach ihm wird dieses Theorem auch Tobin-Separation genannt.

Kritik

  • Prognosen sind ungenau, da sie sich nur auf historische Daten beziehen.
  • Die Anlegerpräferenzen sind nicht eindeutig operationalisierbar.
  • In der Realität sind Renditen nicht normalverteilt.
  • Es besteht ein enormen Aufwand der Datenerhebung. Bei 100 Wertpapieren sind mehr als 5000 Werte zu erheben und 100 Gleichungen zu lösen.
  • Realistischere, dynamische Modelle sind nicht überschaubar.
  • Es besteht in der Regel kein vollkommener Kapitalmarkt.
  • Auswirkungen die eine Investition auf den Kurs haben könnte, werden nicht berücksichtigt.

Literatur

  • Stephen A. Ross, Randolph W. Westerfield, Jeffrey Jaffe: Corporate Finance. 7. ed., McGraw-Hill Irwin, Boston 2005, ISBN 0-07-282920-6
  • Harry M. Markowitz: Portfolio Selection, Journal of Finance 7(1952), S. 77-91. ISSN 0022-1082
  • Detlef Mertens: Portfolio-Optimierung nach Markowitz; ISBN 3937519092
  • Kurt M. Maier: Risikomanagement im Immobilien- und Finanzwesen; ISBN 3831407568