Durchgehender Dieselmotor

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Als durchgehender Dieselmotor, (englisch Diesel engine runaway), wird ein außer Kontrolle geratener Dieselmotor verstanden, der übermäßig viel Kraftstoff aus einer unbeabsichtigten Quelle verbrennt und dadurch seine konstruktionsbedingte Drehzahlobergrenze überschreitet. Dies kann zur Zerstörung durch mechanisches Versagen oder zu Lagerschäden durch mangelnde Schmierung führen.[1]

Ein ähnliches unbeabsichtigtes Phänomen kann bei Ottomotoren mit Vergaser nach Abschalten der Zündung das nachdieseln (englisch dieseling) sein. Dann tuckert der Motor unregelmäßig weiter, weil sich Kraftstoff an erhitzten Stellen wie z. B. Ölkohleablagerungen entzündet. Gegenmaßnahme ist ein Abschaltventil in der Kraftstoffzufuhr, wie in einigen Mercedes-Benz /8.

Prinzip

Bei einem klassischen Ottomotor gelangt ein fertiges Gemisch aus Luft und Treibstoff durch das Einlassventil in den Brennraum. Die Menge dieses Gemisches wird mit einer Drosselklappe reguliert, wodurch das vom Motor abgegebene Drehmoment und damit die Motordrehzahl eingestellt wird (Quantitätsänderung). Im Gegensatz hierzu gelangt beim Dieselmotor ausschließlich Luft durch das Einlassventil in den Brennraum, die, anders als beim Ottomotor, nicht mit einer Drosselklappe gedrosselt wird. Das Drehmoment wird nur durch die Menge des eingespritzten Kraftstoffes eingestellt, wobei der Kraftstoff erst innerhalb des Brennraumes mit der Luft vermischt wird (Qualitätsänderung). Je mehr Kraftstoff eingespritzt wird, desto mehr Drehmoment gibt der Motor ab und desto höher ist die Drehzahl. Eine unkontrollierte Kraftstoffzufuhr sorgt somit dafür, dass die Drehzahl unkontrolliert steigt und das Triebwerk seine konstruktiv bedingte Drehzahlobergrenze überschreitet.

Ursachen

In vielen Motoren führt ein Kurbelgehäuse-Entlüftungsrohr in den Lufteinlass, um das Kurbelgehäuse zu entlüften, sodass die unverbrannten Kohlenwasserstoffdämpfe nicht in die Atmosphäre freigesetzt werden. Bei einem stark verschlissenen Motor können die Gase in das Kurbelgehäuse hineingelangen, wodurch übermäßiger Ölnebel entsteht, der dann über die Entlüftung aus dem Kurbelgehäuse in den Lufteinlass gezogen wird. Ein Dieselmotor verbrennt diesen Ölnebel, da Motoröl ähnliche Verbrennungseigenschaften wie Dieselkraftstoff aufweist. Der zusätzliche Kraftstoff verursacht eine Erhöhung der Motordrehzahl, dies bewirkt, dass mehr Ölnebel aus dem Kurbelgehäuse in den Verbrennungsraum gedrückt wird und eine Rückkopplung entsteht. Der Motor erreicht schnell einen Punkt, wo er so viel seines eigenen Kurbelgehäuseöls verbrennt, dass er den Betrieb aufrechterhalten kann, auch wenn die normale Kraftstoffzufuhr abgeschaltet wird. Er beschleunigt nun selbstständig bis er seine Maximaldrehzahl erreicht, die er hält bis er zerstört wird oder der Ölnebel versiegt.[2]

Ein durchgehender Dieselmotor kann auch durch Öl verursacht werden, das durch Ausfall der Öldichtungen in einem Turbolader austritt, ferner auch durch Überfüllen des Kurbelgehäuses mit Öl. Außerdem können auch bestimmte andere mechanische Probleme, wie z. B. eine defekte interne Kraftstoffleitung oder ein verschlissenes oder falsch montiertes Gasgestänge dieses Phänomen verursachen. Wird ein Dieselmotor in einer Umgebung betrieben, in der brennbare Gase erzeugt beziehungsweise für industrielle Anwendungen eingesetzt werden, so kann durch Gaslecks austretendes Gas in das Ansaugrohr des Motors gesaugt werden, von wo es in den Brennraum gelangt und unkontrolliert verbrennt.[3] Insbesondere bei chemischen Anlagen, Raffinerien, Bohrstellen oder in ähnlichen Einrichtungen können dadurch gefährliche Situationen auftreten. In vielen Ländern sind daher Absperrventile für die Luftzufuhr bei der Verwendung von Dieselmotoren bei Offshore-Bohrungen verpflichtend.

Die Möglichkeiten einen durchgehenden Dieselmotor zu stoppen sind den Lufteintritt entweder physisch, unter Verwendung einer Abdeckung oder eines Ventils, zu blockieren, oder alternativ chemisch, indem Kohlenstoffdioxid in den Lufteinlass gesprüht wird, um die Selbstzündung zu ersticken.[4] Motoren, die mit einem Dekompressionshebel ausgerüstet sind, können auch durch dessen Betätigung gestoppt werden. Bei Fahrzeugen mit Schaltgetriebe ist es möglich, den Motor anzuhalten, indem der höchste Gang eingelegt wird, wobei die Fußbremse und die Feststellbremse vollständig angezogen werden. Beim abrupten Einkuppeln wird die Motordrehzahl bis zum Anhalten verlangsamt, ohne dass sich das Fahrzeug bewegt. Hierdurch kann es neben den möglichen Motorschäden ebenfalls zu Getriebe- und Kupplungsschäden kommen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. B. F. Wellington: Diesel Engines and Fuel Systems, Longman Australia 1995, ISBN 0-582-90987-2
  2. Intake air matters. www.primempg.com, abgerufen am 7. Juni 2015.
  3. FIE system; diesel fuel system; boat fuel system. Tb-training.co.uk, abgerufen am 22. Juni 2012.
  4. Donald Launer: Lessons from My Good Old Boat, Sheridan House 2007, ISBN 1-57409-250-2, S. 161–162