Lockheed U-2

US-amerikanisches Aufklärungsflugzeug (1957)
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Die Lockheed U-2 »Dragon Lady« ist eines der bekanntesten Spionageflugzeuge.

TR1 der US Air Force
Heck des abgeschossenen U2-Aufklärungsflugzeuges im Revolutionsmuseum in Havanna, Kuba
Teile des abgeschossenen U2-Aufklärungsflugzeuges im Revolutionsmuseum in Havanna, Kuba

Entwickelt von der Advanced Development Projects Unit (besser bekannt als Skunk Works) der Firma Lockheed, war es bei einer Einsatzhöhe von über 20.000 m lange Zeit sowohl für bodengestützte Luftabwehr wie auch für Jagdflugzeuge unerreichbar. Ermöglicht wird diese Flugleistung unter anderem durch das von Segelflugzeugen abgeleitete Design. Die Spionageausrüstung bestand ursprünglich aus zwei hoch auflösenden Panoramakameras und wurde im Verlauf der Zeit um weitere Apparate (elektronische Sensoren, GPS etc.) ergänzt.

Der offizielle Erstflug erfolgte am 4. August 1955, das Nachfolgemodell TR-1 steht immer noch in Dienst. Die NASA benutzte lange Zeit eine eigene, spezielle Ausführung, die U-2 ER-2, für zivile Forschungsflüge.

Technik und Ausrüstung

Bei der U-2 handelt es sich um ein düsengetriebenes Segelflugzeug im technischen wie physikalischen Grenzbereich. Die Nutzlasten befinden sich im Rumpf, in der Rumpfnase und zwei Flügelbehältern. Weitere spezielle Nutzlasten wurden an der Rumpfoberseite adaptiert. Der Pilot trägt einen speziellen Höhendruckanzug (wie auch die Besatzungen der SR-71), das Flugzeug verfügt über einen Schleudersitz und ein Mittel/Zentralfahrwerk. Kleine Hilfsräder an den Tragflächenenden werden nach dem Start abgeworfen, bei der Landung dienen die Endscheiben aus Titan dem Schutz der Tragfläche. Kleine Räder am Heck ergänzen das zentrale Fahrwerk.

Durch die große Dienstgipfelhöhe war die U-2 lange Zeit für die bodengestützte Luftabwehr wie auch für Jagdflugzeuge nicht erreichbar. Die UdSSR konzipierte verschiedene Gegenmaßnahmen, von düsengetriebenem Segelflugzeug – ähnlich der U-2 selbst – als Höhenjäger bis hin zu raketenunterstützten konventionellen Jagdflugzeugen im Parabelflug. Zum Einsatz kamen schließlich verbesserte Boden-Luft-Raketen SAMs.

Aufgrund der geringen Luftdichte in der üblichen Einsatzhöhe bewegten sich die U-2-Maschinen auch aerodynamisch an der Grenze. So ist es beim Kurvenflug durchaus vorstellbar, dass die eine Flügelspitze die Schallgeschwindigkeit durchbricht während die andere einen Strömungsabriss durchmacht. Die ersten und zum Teil auch die späteren Maschinen waren zudem schwer zu fliegen. Die Steuerkräfte sind hoch, das Triebwerk neigte zum Flammenabriss (Erlöschen), die Cockpithaube wahlweise zum Einfrieren oder Verölen durch die Heizluft. Ein erneutes Anlassen des Triebwerks war lediglich in geringeren Höhen möglich, zum notdürftigen Reinigen der Scheibe diente zunächst ein Schwamm.

Der Pilot sitzt in einer Druckkabine und trägt zusätzlich einen Druckanzug, um bei einem Druckverlust oder Notausstieg überleben zu können. Aufgrund der Schwerfälligkeit des Piloten im Druckanzug hilft ein zweiter Pilot, bei den Startvorbereitungen und dient auch bei der Landung vom Boden aus als zweites Paar Augen. Ein periskopähnliches Sichtgerät mit Ausblick nach oben und unten half bei den ersten Maschinen bei der Navigation und bei der Kameraauslösung.

Auf eine angedachte Radarstöranlage in Form einer, das ganze Flugzeug umschließenden, Drahtantenne musste aus aerodynamischen und Gewichtsgründen verzichtet werden.

Die U-2 transportiert eine Aufklärungsausrüstung bestehend aus Kameras, Infrarot, Radar und vermutlich auch Funkaufklärungsgeräten. Eine andere spezielle Ausrüstung sollte Luftproben sammeln, vermutlich zur Analyse sowjetischer Atomtests. Beim auf manchen Abbildungen sichtbaren »Pilz« auf dem Rumpfrücken handelt es sich nicht um eine AWACS-artige Radarantenne, sondern um ein Antenne zur Satelittenkommunikation. Die weitere Ausrüstung reicht von Kommunikations- bis hin zu Navigationsgeräten (Sternennavigation, GPS).

Da das Flugzeug auch weitgehend auf das Gewicht hin optimiert ist, kann lediglich eine begrenzte Nutzlast mitgenommen werden. Je nach Triebwerk und Ausrüstung ist ein Start daher auch nur mit reduzierter Treibstoffmenge möglich. Kleinere Behälter an den Tragflächen dienten bei manchen Maschinen als zusätzliche Treibstoffbehälter.

Die Einsätze können militärischer oder ziviler Natur sein. Die Betreiber (Militär, NASA, Geheimdienst) wechseln. Im Gegensatz zum »Konkurrenten« SR-71 wurde die U-2 in größerer Anzahl produziert und ist bis heute weltweit im Einsatz. Der Aufwand (Wartung, Treibstoff, Kosten) für einen Flug íst wesentlich geringer als bei der SR-71.

Im Laufe der langen Einsatzzeit ging eine ganze Reihe von U-2-Maschinen verloren. Einige Maschinen wurden durch feindliche Raketen abgeschossen, andere stürzten bei Start oder Landung oder durch technische Fehler ab. Ein Bericht spricht von einem Totalverlust auf 100.000 Flugstunden.

Einsätze und Geschichte

Vom 9. bis 10. Juli 1956 starteten von dem Militärflugplatz Erbenheim während der Zeit des Kalten Kriegs die ersten U-2 Aufklärungsflüge in die Sowjetunion. Der US-Geheimdienst CIA leitete die durchgeführten Beobachtungsmissionen zu Raketen-, Radar-, und U-Boot-Stützpunkten in Litauen, Weißrussland und auf der Krim.

Vom 4. bis 27. August 1957 führen die USA auch vom Luftwaffenstützpunkt Adana in der Türkei U-2-Aufklärungsflüge in die Sowjetunion durch.

Am 1. Mai 1960 flog Gary Powers mit einer U-2 eine Aufklärungsmission von Nordpakistan aus über die Sowjetunion. Während des Fluges kam es über dem Uralgebirge zu Triebwerksschwierigkeiten, die dazu führten, dass das Flugzeug an Höhe verlor und in den Wirkungsbereich der sowjetischen Luftabwehrraketen geriet. Die U-2 wurde abgeschossen und Powers, der sich trotz gegensätzlicher Anweisungen mit dem Schleudersitz gerettet hatte, nahe Swerdlowsk gefangengenommen. Der unter großem internationalen Interesse durchgeführte Schauprozess, in dem Powers zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, wurde von den USA als empfindliche Demütigung empfunden. In Folge der Blamage wurden - zumindest bei einigen Maschinen - die Schleudersitze entfernt.

Nach der anfänglichen Darstellung der USA, es habe sich um ein Wetterflugzeug gehandelt, gestand US-Außenminister Christian Herter am 9. Mai 1960, dass derartige Spionageflüge über der Sowjetunion bereits seit dem Juli 1956 stattfanden. In der Operation "Overflight" hatten die USA von Stellungen erster sowjetischer Interkontinentalraketen, dem Bau einer atomaren U-Boot-Flotte und die Erprobung von Raketenabwehr-Raketen Kenntnis erlangt. Am 11. Mai 1960 übernahm US-Präsident Dwight D. Eisenhower, der jeden einzelnen Flug der U-2 vorher genehmigte, die volle Verantwortung, lehnte aber die Forderung des sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Chrustschow ab, den Luftzwischenfall als "aggressiven Akt" der USA anzuerkennen.

Seit Oktober 1960 wurden auch Aufklärungsflüge der U-2 über Kuba durchgeführt und am 5. September 1961 wurden erstmals Aufnahmen von Flugabwehrraketen vom Typ SA-2 Guideline und Kampfflugzeuge vom Typ MiG-21 Fishbed auf Kuba gemacht. Während der Kuba-Krise 1962 lieferte das Flugzeug auch die entscheidenden Fotos der Stellungen von sowjetischen SS-4 Mittelstreckenraketen. Im späteren Verlauf der Krise wurde am 27. Oktober 1962 eine U-2 durch eine SA-2-Flugabwehrrakete abgeschossen. Der Pilot, Major Rudolph Anderson, kam ums Leben.

Es wurde in den 60er Jahren intensiv das chinesische Atomwaffenprogramm ausspioniert. Dazu erhielt die taiwanesischen Luftstreitkräfte U-2 der CIA, die meist ohne Kennung flogen.

Verluste in diesem Gebiet:

09.09.62: Eine RoCAF U-2A (378, S/N 56-6711), geflogen von Chen Huai Sheng, wurde von einer SA-2-Guideline-Rakete über dem Festland der VR China 15 km südlich von Nunchang abgeschossen. Sheng konnte aussteigen, starb aber später im Hospital.

1.11.1963: Eine U-2C (Article 355, 56-6688, Pilot "Robin" Yeh Chang Yi) wurde durch SA-2-Guideline-Raketen über Jiagxi abgeschossen. Ziel war das Lanzhou-Nuklearwaffentestgebeit. Yeh überlebte und wurde nach der Gefangenschaft am 10.11.01982 nach Hongkong entlassen.

23.03.1964: Der taiwanesische Pilot Liang Teh Pei starb, als seine U-2C (Article 356, 56-6689) über der Straße von Taiwan auseinanderbrach.

7.7.1964: Eine U-2G (Article 362, 56-6695, Pilot "Terry" Lee Nan Lee) wurde durch SA-2-Guideline-Raketen über Fujian abgeschossen. Lee starb.

10.1.1965: Eine U-2C (Article 358, 56-6691, Pilot "Jack" Chang Liyi) wurde durch SA-2-Guideline-Raketen südwestlich von Peking abgeschossen. Ziel war das Patow-Nuklearwaffentestgebeit. Yeh überlebte und wurde nach der Gefangenschaft am 10.11.01982 nach Hongkong entlassen.

22.10.1965: Eine taiwanesische AF U-2C (Article 352, 56-6685, Pilot "Pete" Wang) stürzte nordwestlich von Taiwan ab. Der Pilot starb.

16.3.1969: Pilot Hsieh Chang starb, als sein Flugzeug südlich der Insel Jeju-do, Korea abstürzte.


Die U-2 wurde ab August 1960 durch Satellitenaufklärung (u.a. Discoverer-13) ergänzt und schließlich durch die SR-71 abgelöst. Seit Ende des Kalten Kriegs setzt die US-Luftwaffe jedoch wieder die kostengünstigere U-2 statt der SR-71 ein.

Am 29. Mai 1975 stürzte eine U-2 in Deutschland, nahe dem Ort Winterberg, ab. Der Pilot überlebte.

In den 1990er Jahren wurden die Maschinen als Version U-2S noch einmal mit überarbeiteten Motoren und Kameratechnik ausgestattet. Auf 100.000 Flugstunden kommt nach Berechnungen des Congressional Research Service der Totalschaden an einer Maschine.

Am 26. Januar 2003 stürzte eine U-2 nahe dem Luftstützpunkt Osan in Südkorea ab, der Pilot konnte sich retten.

Am 22. Juni 2005 stürzte eine U-2S nach offiziellen Angaben der US Air Force „in Südwestasien“ ab als sie von einem Einsatz über Afghanistan (siehe Krieg in Afghanistan, Operation „Enduring Freedom“) zurückkehrte. Dabei starb der Air-Force-Pilot Maj. Duane W. Dively. Gemäß inoffiziellen Aussagen von Vertretern des Pentagon liegt der Absturzort im Gebiet der US-Luftwaffenbasis Al Dhafra in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Über die dort stationierten Flugzeuge und deren Einsätze werden „aus Rücksicht auf das Gastgeberland“ allerdings keine öffentlichen Aussagen gemacht. Einige Beobachter und Medien vermuteten, dass es sich auch um einen Spionageflug über dem Iran gehandelt haben könnte.

Nach dem Absturz verfügten die USA nach Angaben der Zeitschrift Aviation Week & Space Technology noch über 38 U-2, von denen fünf zweisitzige Trainingsflugzeuge sind und zwei Maschinen von der NASA betrieben werden.

Technische Daten

  • Länge: 15,24 m
  • Flügelspannweite: 24,38 m
  • Höhe: 4,57 m
  • Höchstgeschwindigkeit: 794 km/h
  • Reichweite: 4635 km
  • Besatzung: 1 Pilot
  • Dienstgipfelhöhe: 21.335 m
  • Bewaffnung: keine

Eine Besonderheit der U-2 ist ihr Fahrwerk. Ein einziehbares Doppelrad befindet sich in der Rumpfmitte. Zur Stabilisation befinden sich links und rechts an den Tragflächen kleine Stützräder an langen Stelzen, die jedoch noch während des Startvorganges abgeworfen werden. Die Landung auf dem Mittelfahrwerk kann nur mit Hilfe von exakter Einweisung durch Bodenbeobachter erfolgen.

sonstige Anmerkungen

  • Der Konstrukteur Kelly Johnson (Clarence Leonard "Kelly" Johnson) der Lockheed Skunk Works war auch für die Konstruktion der SR-71 Blackbird (A-12 Oxcart) sowie für den Starfighters F-104 verantwortlich. Aus den Skunk-Works stammte später auch der Stealth-Bomber F-177.
  • Edwin Herbert Land, der Entwickler des Sofortbildverfahrens (Polaroid), war an der Lösung einiger technischer photographischer Probleme der Luftbildaufklärung beteiligt.
  • Die Vermeidung statischer Aufladung (und einhergehender Entladungen) und die niedrige Temperatur sind einige der Probleme der Photographie in großer Höhe.
  • Die U-2 besitzt im Rumpf zwei Ausrüstungsschächte. Ein Sensorschacht (Equipment) trägt den Namen Q-Bay, während der Schacht für elektronische Ausrüstung entsprechend E-Bay genannt wird.
  • Die Weiterentwicklung der russischen Höhenjagdmaschine Myasishchev M-17 / M-55 Ram-B (Mystic) (einem düsengetriebenem Segelflugzeug) fliegt heute ebenfalls als Forschungsflugzeug Stratosfera bzw. Geofizika.
  • Die am längsten (und bis heute) genutzte X-Forschungsflugzeuge Typ X-26 Frigate sind ebenfalls Segelflugzeuge und dienen dem Training der Testpiloten. Der Flugzeugtyp basiert auf dem (zivilen) Typ Schweizer SGS 2-32.
  • Während der Zeit des Vietnamkrieges diente ein zweiter Segelflugzeugtyp, der extrem leise gebaute, zweisitzige Motorsegler Lockheed Martin YO-3a Quiet Star der Aufklärung in allerdings geringerer Höhe. Die militärisch genutzte Konstruktion basiert auf der motorisierten X-26 B. Die Testflugzeuge vom Typ X-26 B wurden nach den Testflügen wieder zum Stand X-26 zurückgebaut. Eine andere Konstruktion (QT-2) diente ebenfalls der Entwicklung.
  • Eine U-2 photographierte mehrmals den Start des Space Shuttles, um die Ursache für einige Schäden, die beim Start auftraten, herauszufinden. Da der Start jedoch jeweils mehrfach verschoben wurde und die Flugbewegung der U-2 nicht vollständig synchronisierbar war, lieferten die Aufnahmen aus ungünstigem Winkel jeweils nur Hinweise auf mögliche Ursachen. Die Fehlerquellen wurden schließlich, auch ohne Nachweis, durch Umkonstruktion behoben.

Siehe auch: Liste von Flugzeugtypen