Gemeinschaftsbewegung

Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. August 2006 um 17:54 Uhr durch GLGerman (Diskussion | Beiträge) (Geschichte). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Gemeinschaftsbewegung ist eine pietistische Aufbruchsbewegung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Reihe evangelischer Landeskirchen in Deutschland erfasste. An vielen Orten führte dieser Aufbruch zur Entstehung von Gemeinschaftskreisen (Landeskirchliche Gemeinschaft), die heute in und neben den traditionellen Kirchen ein eigenständiges Gemeindeleben entwickelt haben.

Ursprünge

Nach ihrem Selbstverständnis wurzelt die Gemeinschaftsbewegung vor allem in der lutherischen Reformation. Auf Martin Luthers Vision einer "ekklesiola", einer kleinen, aber geistlich engagierten Gemeinschaft innerhalb der Landeskirche, wird immer wieder in den Geschichtsbüchern der Gemeinschaftsbewegung hingewiesen. Eine weitere Wurzel ist der Pietismus. Zur Gemeinschaftsbewegung gehören sowohl altpietistische Gemeinschaften, die vor allem in Baden-Württemberg beheimatet sind, als auch "neupietistische" Gruppen, die ihre entscheidenden Impulse aus der Erweckungsbewegung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts empfingen. Besonders zu nennen ist hier der Methodismus sowie die amerikanische Heiligungsbewegung. Als Erbin dieser verschiedenen Strömungen entwickelte die Gemeinschaftsbewegung ein alternatives Gemeindemodell, das auch Entkirchlichte sowie soziale Randgruppen anzog.

Geschichte

Die Geschichte der Gemeinschaftsbewegung weist eine Fülle von Keimzellen auf: Fast zeitgleich entstanden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts überall in Deutschland neupietistische Kreise, die sich anfangs zu "Provinzialen Brüderräten" und - nach einem vorläufigen Zusammenschluss von 1894 - sich 1897 zum "Deutschen Komitee für evangelische Gemeinschaftspflege und Evangelisation", dem so genannten Gnadauer Verband zusammenschlossen. Mitgliedsvereine dieses nationalen Dachverbandes waren unter anderen:

Diesem Aufbruch folgte die Gründung zahlreicher Einrichtungen der Gemeinschaftsbewegung: Diakonissenhäuser, Predigerseminare und die Deutsche Zeltmission. Zur herrschenden liberalen Theologie des Rationalismus stand sie in schroffem Gegensatz, ordnete sich aber viele Jahrzehnte ihrer Geschichte dem pastoralen Amt und den kirchlichen Strukturen unter.


Persönlichkeiten

Lehre

Bei aller Vielgestaltigkeit der Gemeinschaftsbewegung lassen sich folgende gemeinsame Lehranschauungen benennen:

  • Die Verkündigung des Evangeliums erfordert den Aufruf zur Entscheidung und Bekehrung vom Unglauben zum Glauben an Jesus Christus. Wo dieser Aufruf nicht (mehr) erfolgt, verliert die Kirche ihre "Salzkraft".
  • "Werk" des Menschen ist die Entscheidung und der Wille zur Umkehr, die eigentliche Neuwerdung des Menschen (Wiedergeburt, Geburt von oben, vergleiche Johannes-Evangelium, Kapitel 3) wirkt der Heilige Geist. Durch diese Neuwerdung wird der Mensch zum Kind Gottes und den anderen Kindern Gottes zum Bruder beziehungsweise zur Schwester. Dass eine Wiedergeburt durch einen sakramentalen Akt (Taufe, Konfirmation) geschieht, lehnt die Gemeinschaftsbewegung ab.
  • Wesentliches Kennzeichen eines "wiedergeborenen" Menschen ist sein persönlicher und gemeinschaftlicher Umgang mit Gott. Das private und öffentliche Gebet (die so genannte "Gebetsgemeinschaft") spielt innerhalb der Gemeinschaftsbewegung eine besondere Rolle, ebenfalls die intensive Beschäftigung mit der Bibel.
  • Einer Bekehrung und Wiedergeburt hat der Bruch mit der Vergangenheit zu folgen. "Neue Menschen" leben in der Heiligung, das heißt in der Nachfolge Jesu und im Gehorsam des Glaubens.
  • Predigt, Gestaltung der Zusammenkünfte, Seelsorge und Evangelisation sind Aufgaben aller Christen.
  • Die Bibel und die reformatorischen Bekenntnisse sind - abgesehen von konfessionellen Engführungen - Maßstab für Lehre, Dienst und Leben der Gemeinschaftsbewegung.


Einrichtungen und Werke innerhalb der Gemeinschaftsbewegung

Gemeinschaftsverbände

Jugendverbände

Theologische Ausbildungsstätten

Missionsgesellschaften

Chrischona-Mission,

Deutscher Jugendverband

"Entschieden für Christus" (EC)

Evangelische Karmelmission,

Gnadauer Brasilien-Mission,

Liebenzeller Mission,

Marburger Mission,

Mission für Süd-Ost-Europa,

Neukirchener Mission,

Diakonissen - Mutterhäuser

Diakonissen-Mutterhaus Aidlingen,

Diakonissen-Mutterhaus St. Chrischona,

Diakonissen-Mutterhaus "Kinderheil",

Diakonissen-Mutterhaus "Lobetal",

Diakonie-Gemeinschaft Puschendorf,

Diakonissen-Mutterhaus Salem-Lichtenrade,

Diakonissenhaus St. Michael,

Sächsisches Gemeinschafts-Diakonissenhaus "Zion",

Schwesternschaft der Liebenzeller Mission

Zusammengeschlossen im Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverband (DGD)

Deutscher Gemeinschafts-Diakonieverband:

Diakonissen-Mutterhaus "Altvandsburg",

Diakonissen-Mutterhaus Bleibergquelle,

Diakonissen-Mutterhaus "Hebron",

Gemeinschafts-Diakonissen-Mutterhaus Hensoltshöhe,

Diakonissen-Mutterhaus Lachen,

Diakonissen-Mutterhaus "Neuvandsburg",

Zendings-Diaconessenhuis

Werke mit besonderer Aufgabenstellung

Christliche Bäcker- und Konditorenvereinigung im Evang. Gnadauer Gemeinschaftsverband,

Blaues Kreuz in Deutschland,

Bruderkreis Burgambach,

Christliche Vereinigung Deutscher Eisenbahner – Eisenbahnermission,

Deutsche Zeltmission,

Evangelischer Sängerbund,

Ev. Volks- und Schriftenmission Lemgo-Lieme,

Gnadauer Posaunenbund,

Stiftung Marburger Medien, Reichgottesarbeiter-Vereinigung,

Taschenbibelbund

Literatur

Grundlegende Literatur:

  • Joachim Cochlovius: Gemeinschaftsbewegung. In: Theologische Realenzyklopädie 12 (1984), S. 355-368 (ausführliche Literaturangaben)
  • Charles H. Lippy: Gemeinschaftsbewegung. In: RGG 4. Aufl. Bd. 3 (2000), Sp. 645-652 (mit weiterführender Lit.)
  • Evangelisches Gemeindelexikon / hrsg. von Erich Geldbach ... Wuppertal, 1978. 577 S.

Speziellere Literatur:

  • Friedrich Wilhelm Kantzenbach: Zur Haltung einiger führender Männer der Landeskirchlichen Gemeinschaft 1933/34. In: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte. 43(1974), S. 445-450

[Exemplarischer Beitrag zur Haltung der Gemeinschaftsbewegung zum Nationalsozialismus]