Osteopathie (Alternativmedizin)

komplementärmedizinische Behandlungsmethode
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Überschrift

Osteopathie (Osteopathy) ist in den USA eine schulmedizinische Facharztausbildung an Universitaeten und colleges. Nur einer der vielen Fachbereiche ist die manualmedizinische Ausbildung. Im Unterschied dazu ist „Osteopathie“ in vielen anderen Ländern eine komplementärmedizinische, rein manuelle Behandlungsform, die Verbesserungen bei Leiden vor allem im Bereich der Bewegung erreichen will, ähnlich wie die Chiropraktik. Praktizierende dieser „Europäischen Form“ der Osteopathie werden in Amerika als „European Osteopathic Manipulators“ bezeichnet.

Osteopathie war ursprünglich ein komplementärmedizinisches Konzept zur manuellen Behandlung von Krankheiten und funktionellen Beschwerden. Auch heute noch betrachtet man im Gegensatz zur krankheitsbezogenen Sichtweise der Schulmedizin sowohl die Krankheit und auch die Kompensationsmechanismen der Menschen. Die Kompensationsfähigkeit beinhaltet alle relevanten Variablen im aktuellen, psychovegetativen Verlauf. In der Komplementärmedizin werden Probleme vor allem durch Verbesserung der Kompensationsfähigkeit behandelt. Insofern arbeitet man immer ergänzend zur Schulmedizin. Im komplemetärmedizinischen Ansatz der Osteopathie nutzt man alle sinnvoll veränderbaren Variablen im vernetzten Steuer- und Regelsystem eines Menschen. Dazu arbeitet man nach dem Prinzip des clinical reasoning, also mit einer Arbeitshypothese. Diese muss im Verlauf der Behandlung verifiziert werden. Ziel der komplementärmedizinischen osteopathischen Behandlung ist es, die Variablen zu finden und zu verändern, welche den psychovegetativen Gesamtstatus verbessern. Viele „European Osteopathic Manipulators“ betrachten und behandeln Bewegungseinschränkungen dagegen im rein biomechanischen Sinn.

Nur wenige amerikanische Osteopathen behandeln noch mit den Händen. Im funktionellen Bereich kann man durch diese systemische manuelle Arbeit oft Probleme erkennen, die mit den Methoden der Schulmedizin nicht erkennbar oder darstellbar sind. Muskuläre Verspannungen oder Schmerzustände sind in der Regel weder mit laboranalytischen noch mit bildgebenden Verfahren nachzuweisen. Das können aber die Hände eines entsprechend ausgebildeten Therapeuten. Man untersucht sowohl lokale wie auch generelle Parameter und Variablen, um dadurch qualitative Hinweise auf die Funktionskreisläufe des Organismus zu erhalten; (beispielsweise die Sinnesorgane, systemische Bewegungsmuster, Gleichgewichtsreaktion, Reaktionsmuster der Muskelketten, Beweglichkeit und Bewegungsfreiheit, die Gewebequalität, die Haltungsreaktion, die Pulse, das Atmungsmuster, den Ablauf der Verdauung, den Schlaf - und Wachrhythmus, die Erholungsfähigkeit des Menschen). Diese komplementärmedizinische Befragung und Untersuchung erfolgt immer ergänzend zur klassisch medizinischen Untersuchung (Anamnese, IPPAF Schema: Inspektion, Palpation, Perkussion, Auskultation, Funktionsprüfung).

Wenn „European Osteopathic Manipulators“ klassisch manuell behandeln, dann versuchen sie Veränderungen in der Bewegung und im Gewebe des Körpers mit den Händen zu erfühlen und dementsprechend zu behandeln. Wie in fast allen manuellen Behandlungstechniken weltweit gibt es auch in der manuellen Osteopathie lösend harmonisierende Techniken (Impulstechniken, Anspannungstechniken) als auch sensibilisierend beruhigende Techniken (sanfte Berührungstechniken). Die hypothetischen Erklärungsmodelle können jedoch die Wirkung der Behandlung wissenschaftlich nicht begründen. Deshalb bezeichnet man diese Behandlungsformen als Erfahrungsheilkunde. Eine kausale Behandlung von Erkrankungen ist mit den manuellen Techniken der Osteopathie nicht möglich. Eine allgemeine Wirksamkeit manueller Behandlung, wie sie noch der Begründer der Osteopathie Dr. Still postulierte, wird auch heute nicht mehr vertreten. Deshalb ist manuelle Behandlung nur noch ein Fachbereich innerhalb der schulmedizinischen Facharztausbildungen an den Osteopathie-Colleges in den USA.

Die Wirksamkeit der manuellen Behandlung der Osteopathie ziehlt auf die Linderung oder Behebung funktioneller Beschwerden, vor allem im Bewegungsapparat, nicht auf die Behebung von Krankheiten. Eine therapeutische Wirksamkeit im funktionellen Bereich konnte bisher nur in einzelnen Studien nachgewiesen werden. (Eine Studie wurde veröffentlicht im New England Journal of Medicine; A Comparison of Osteopathic Spinal Manipulation with Standard Care for Patients with Low Back Pain; Andersson G. B.J., Lucente T., Davis A. M., Kappler R. E., Lipton J. A., Leurgans S.; N Engl J Med 1999; 341:1426-1431, Nov 4, 1999). Bei Krankheiten kann osteopathische Behandlung zur Verbesserung der Kompensationsfähigkeit (Bewegung, Atmung) eingesetzt werden.


Geschichte der Osteopathie

Das Konzept der Osteopathie wurde durch den Arzt Andrew Taylor Still (1828 - 1917) Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt. Erst 1884 bekam das Projekt den Namen „Osteopathy“. Etwa ein Jahr später benannte Daniel David Palmer sein eigenes Projekt „Chiropractic“. 1892 gründete Dr. A. T. Still seine erste Schule, die spätere American School of Osteopathy in Kirksville, USA (heute Kirksville College of Osteopathic Medicine KCOM). 1894 besuchte D. D. Palmer für zwei Wochen Dr. Still in Kirksville. Die ursprünglich von Dr. Still für den Unterricht ausgewählten Behandlungstechniken sollten leicht erlernbar sein. H. A. Lipincott D. O. veröffentlichte sie 1949 als „Osteopathic Technique“ seines Lehrers W. G. Sutherland, welcher diese historischen Anfänge 1929 auf einer Tagung noch einmal vorgetragen hatte. Diese Art manueller Behandlung wird deshalb oft fälschlicherweise als „Sutherland Technik“ bezeichnet, obwohl sie von Dr. A. T. Still gelehrt wurde.

Die Ausbildung ist schulmedizinisch und folgt dem Schema der Facharztausbildungen an den Universitäten. Die Ausbildung in osteopathisch manueller Behandlung ist dabei nur ein Fachbereich dieser Colleges. Die meisten Absolventen arbeiten nach ihrer Ausbildung rein schulmedizinisch. Der Abschlusstitel lautet D. O. als ein „Doctor Osteopathy“. Es ist wie der D. C. als „Doctor Chiropractic“ ein rein fachspezifischer Abschluss und wird deshalb nur innerhalb der USA staatlich anerkannt. Weil D. O. kein allgemeiner Hochschultitel ist, wird er in Europa nicht automatisch staatlich anerkannt. Im Unterschied dazu ist der Titel M. D. amerikanischer Ärzte mit universitärem Abschluss in Europa uneingeschränkt staatlich anerkannt.

Die Bezeichnung D. O. bedeutet in den USA „Doktor der Osteopathie“. Die Bezeichnung D. O. wurde traditionell auch in England den Osteopathen zugeteilt. Seit der staatlichen Anerkennung der Osteopathie in England werden nur noch Bachelor B. Sc. Zertifikate verliehen. Der Begriff D. O. wird in England nicht mehr erworben, denn die Verwendung der Bezeichnung D. O. außerhalb der USA ist irreführend und täuscht einen Arztabschluss vor. Die Ausbildung englischer D. O.s hatte auch mit derjenigen amerikanischer D. O.s wenig gemeinsam.

D. O. ist in Europa im Gegensatz zu den USA eine rein private, keine staatliche Bezeichnung. Sogenannte europäische D. O.s haben im Gegensatz zu anderen, gleichermaßen ausgebildeten und qualifizierten „European Osteopathic Manipulators“ eine Studie geschrieben. Bisher wurde aber noch keine dieser „Studien“ von seriösen schulmedizinischen Fachblättern veröffentlicht. Die Bezeichnung D. O. hat in Europa nur symbolischen Charakter und ist Teil einer Marketingstrategie. Eine Aussage über die praktische Erfahrung des Therapeuten enthält der europäische D. O. nicht. Dagegen gibt es in einzelnen Ländern College-/Fachhochschul- und Hochschulabschlüsse in Osteopathie. Diese Titel lauten B. Sc. und M. Sc., aber auch hier gibt es einen unseriösen grauen Titelmarkt. Gewarnt werden muss vor einzelnen unseriösen „Osteopathie-Schulen“, die Ausbildungen mit dem Abschluss B. Sc. bewerben, aber keine seriösen Titel oder überhaupt keinen derartigen Titel vergeben können. Seriöse Anbieter findet man in der Datenbank für Hochschulabschlüsse unter www.anabin.de.

Ein sich in Deutschland als D. O. bezeichnender Therapeut ist in Deutschland kein Doktor und hat auch kein Diplom, denn diese Bezeichnungen sind in Deutschland nur für Hochschulabsolventen rechtlich zulässig. Die missbräuchliche Verwendung des Hochschultitels „Diplom“ ist ein Straftatbestand, wenn der Abschluss nicht an einer Hochschule erworben wurde. Dagegen bekommt man in manch anderen europäischen Ländern schon für Wochenend-Kochkurse ein „Diplom“. Eine in Europa erworbene Bezeichnung D. O. ist eine privat vergebene oder angeeignete Bezeichnung. Sie ist von keinerlei staatlicher oder hochschulrechtlicher Relevanz. In Deutschland ist die Bezeichnung D. O. eine Marke, die markenrechtlich durch Eintrag beim Patent- und Markenamt geschützt ist. Die Verwendung des D. O. in Deutschland ist rechtlich umstritten. Durch die Verwechslung mit dem amerikanischen D. O. könnte ein Hochschulabschluss vorgetäuscht werden.

Anfang des 20. Jahrhunderts erreichte Osteopathie noch als klassisch manuelles Behandlungskonzept England und in den fünfziger Jahren in dieser Form auch Frankreich. Osteopathie wird in Europa als rein manuelle Behandlungsmethode praktiziert. Die Ausbildungskonzepte in Osteopathie in Europa verstehen sich demzufolge als Wahrung des traditionellen manuellen Teils der Osteopathie. Darin unterscheiden sich die erheblich von dem Gesamtkonzept der Facharztausbildungen an den Osteopathie Colleges in den USA, welche manuelle Behandlung nur als einen Teilaspekt beinhaltet. Die dort unterrichtete Einheit aus Schulmedizin, komplementärmedizinischem Verständnis und manueller Behandlung entspricht dem Verständnis von Dr.  A.  T. Still, der weitaus mehr konnte, als nur manuell zu behandeln.

Teilgebiete des Fachbereichs manuelle Behandlung in der Osteopathie

Auch wenn der Name Osteopathie ein einheitliches Grundkonzept andeutet, werden im Bereich der manuellen Behandlung doch verschiedene Methoden unterrichtet, die sich mit der Chiropraktik oder der manuellen Medizin überschneiden. Einige solcher Behandlungsmethoden sind:

  • Strain/Conterstrain – positional release
  • Faszien-Techniken
  • HVLA-Techniken („high velocity, low amplitude“, also kleine schnelle Bewegungen; sie entsprechen dem „Einrenken“ in Chirotherapie und Chiropraktik)

Sie werden z. T. verschiedenen Entdeckern zugeschrieben und sind verschieden gut mit schulmedizinischen Ansichten vereinbar.