Willi Münzenberg (* 14. August 1889 in Erfurt; † 21. Oktober 1940 in Saint-Marcellin, Dépt. Isère, Frankreich) war ein deutscher Kommunist, Verleger und Filmproduzent. Mit dem Neuen Deutschen Verlag, seinen Zeitungen Welt am Abend, Berlin am Morgen und vor allem der Arbeiter Illustrierte Zeitung (AIZ) gehörte Münzenberg zu den einflussreichsten Vertretern der KPD der Weimarer Republik.
Leben
Münzenbergs politische Karriere beginnt in der Schweiz, wo er 1912 Mitglied des Zentralvorstands der sozialistischen Jugendorganisation in der Schweiz und Mitarbeiter der Monatszeitschrift Die freie Jugend wird. Im Ersten Weltkrieg leitet er das Internationale Jugendsekretariat in Bern und lernt Wladimir I. Lenin kennen. Nach einem Gefängnisaufenthalt wird er am 10. November 1918 als „mißliebiger Ausländer“ und „Anhänger der Oktoberrevolution“ der Schweiz verwiesen. Er schließt sich in Berlin dem Spartakusbund an. 1919 wird er zum Vorsitzenden der Kommunistischen Jugendinternationale. 1921 erhält Münzenberg von Lenin den Auftrag, die Internationale Arbeiterhilfe (IAH) für die Sowjetunion zu organisieren. Dazu gründet Münzenberg die Illustrierte Sowjetrußland im Bild, die 1926 zur Arbeiter Illustrierten Zeitung wird. 1924 übernimmt er den Neuen Deutschen Verlag für die IAH. Von 1924 bis zur sogenannten Machtergreifung Hitlers gehört Münzenberg dem Zentralkomitee der KPD und dem Reichstag an. Er ist Leiter der Agitationsabteilung der KPD und baut für die Partei das, nach dem Konzern des deutschnationalen Alfred Hugenberg, zweitgrößte Medienunternehmen der Weimarer Republik auf, zu dem die auflagenstarken Zeitungen Welt am Abend, Berlin am Morgen und vor allem die Arbeiter Illustrierte Zeitung (AIZ) gehörten. Auch der Eulenspiegel hat hier seine Wurzeln. Als Produktionschef hat er auch das Programm der beiden proletarischen Filmgesellschaften Prometheus Film und Filmkartell "Weltfilm" GmbH geprägt.
Nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten organisiert Münzenberg gemeinsam mit Sozialdemokraten in der Berliner Kroll-Oper am 19. Februar 1933 im Festsaal der Kroll-Oper den Kongress Das Freie Wort, an dem neben vielen anderen Geistesgrößen auch Albert Einstein teilnahm und etwa Erich Everth ein flammendes Plädoyer für die Erhaltung der Pressefreiheit hielt, bevor er nach dem Reichstagsbrand als einer der gesuchtesten Kommunisten sofort nach Paris emigrieren muss. Relativ bald beginnt Münzenberg mit der Agitation für ein Bündnis aller Hitler-Gegner.
Alle von der IAH herausgegebenen Zeitungen, Zeitschriften sowie deren Verlage und eine Buchgemeinschaft (Universum Bücherei) wurden 1933 verboten. Die AIZ und Unsere Zeit erschienen im Ausland weiter. Die erste Ausgabe der AIZ nach Hitlers Machtergreifung war zu beziehen im April 1933 über den Zeitschriftenvertrieb Joseph Wildner, Reichenberg (CSR) Hafnergasse 7. Sie enthielt z.B. eine Reportage von Egon Erwin Kisch In den Kasematten von Spandau. Die Zeitschrift Unsere Zeit erschien ab dem 1. April 1933 mit Nr. 7/1933 (im VI. Jahrgang) zuerst in Basel und danach in Paris (z.B Nr. 15/1933). Als weitere Zeitschrift erscheint in Prag Der Gegen-Angriff ab 15. September 1933 (Ankündigung im Heft 12 Unsere Zeit).
Auf Grund einer Initiative zahlreicher Intellektueller ( neben Münzenberg u.a. Clara Zetkin, Henri Barbusse, John Dos Passos) wurde ein Deutsches Hilfskomitee beim Zentralkomitee der IAH gegründet. Aufgabe war die Organisation und Durchführung von Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen für die Opfer des Faschismus und die Unterstützung des revolutionären Kampfes der deutschen Arbeiterklasse. Der Kontakt lief über die Anschrift Amsterdam, Elandstraat 33. (Quelle: Unsere Zeit 7/1933) Münzenberg gründete in dieser Zeit den Verlag Editions du Carrefour in Paris. In diesem erschien 1934 z.B. Eintritt verboten von Egon Erwin Kisch und das erste Braunbuch.
Aufgrund der noch vorherrschenden Sozialfaschismusthese innerhalb der KPD befand er sich hier bereits im Widerspruch zur Parteilinie. Am 22. März 1938 wird Münzenberg wegen seiner Kritik an Josef W. Stalins Politik der Säuberungen innerhalb der Partei aus dem ZK der KPD ausgeschlossen, am 6. März des Folgejahres kommt es zum Parteiausschluss.
Mit Arthur Koestler gründete er 1938 die Zeitschrift Die Zukunft (Paris, 1938/1940., 1 - 81, Oktober 1938 - Mai 1940 / siehe Die deutsche Bibliothek Frankfurt).
Deutsche Internierung und gelungene Flucht aus dem Lager Chambaran bei Lyon im Jahre 1940. Erhängt wahrscheinlich um den 21. oder 22. Juni 1940 im Wald von Le Caugnet. Sein Leichnam wurde erst am 21. Oktober 1940 gefunden. Bis heute ist unklar, ob sich Willi Münzenberg erhängte, ob er durch die Gestapo oder gar durch sowjetische Agenten des NKWD umkam.
Die Rolle Münzenbergs
Münzenberg spielte für den Erfolg der KPD in der Weimarer Republik eine nicht unwesentliche Rolle. Durch seine privat gehaltenen Presseerzeugnisse konnte er breitere Massen erreichen, als es der reinen, direkt mit der KPD verbundenen Presse gelang. Sie hatte zwar politisch die gleiche Linie wie letztere, stand dem Denken und Interesse der Arbeiter jedoch näher, was sich auch im Artikelprofil ausdrückt. Sie war nicht so theoretisch und doktrinär, wie die direkt mit der KPD verbundene Presse. Margarete Buber-Neumann, die Schwägerin Münzenbergs (Zitat nach Peter de Mendelssohn) gibt hierzu die folgende Beschreibung:
- „… Hierbei hatte Münzenberg als erster Kommunist erfaßt, welche Macht die mit den kommunistischen Parteien sympathisierenden Intellektuellen darstellen. Von da an wandte er seine wesentlichste propagandistische Tätigkeit ihnen zu. Er warf die doktrinäre Arbeitsweise der KP-Führung über Bord und fand den richtigen Ausdruck und die gemäßen Methoden, um sympathisierende Intellektuelle in einer breiten Peripherie um die Kommunistische Partei zu scharen.“
Die Arbeit Münzenbergs zeichnete sich durch eine Breite aus, in der die Auseinandersetzung mit breiten Teilen auch der Intellektuellen einen bedeutenden Wert hatte, der zu einer Integration der KPD in das Diskursgerüst der Weimarer Republik führte. Ablesen lässt sich dies hervorragend an den vielschichtigen Mitarbeitern der AIZ.
Zitat
- “Alle Nachrichten sind Lügen und alle Propaganda wird als Nachrichten getarnt.“
Literatur
- Münzenberg, Willi: Die dritte Front. Aufzeichnungen aus 15 Jahren proletarischer Jugendbewegung. Berlin, Neuer Deutscher Verlag 1930
- Münzenberg, Willi: Propaganda als Waffe. Paris, Carrefour 1937
- Babette Gross: Willi Münzenberg. Eine politische Biographie. Stuttgart 1967
- Peter de Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse Berlin. Ullstein, 1959, 2., überarb. u. erw. Aufl. Ullstein, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1982
- Till Schulz (Hrsg.): Willi Münzenberg-Propaganda als Waffe-Ausgewählte Schriften 1919-1940. Frankfurt am Main 1972
- Heinz Willmann: Geschichte der Arbeiter-Illustrierten Zeitung 1921 - 1938. Dietz, Berlin 1974
- Tania Schlie: Alles für die Einheit. Zur politischen Biographie Willi Münzenbergs (1935-1940). MA Univ., Hamburg 1990
- Harald Wessel: Münzenbergs Ende. Ein deutscher Kommunist im Widerstand gegen Hitler und Stalin. Die Jahre 1933 bis 1940. Dietz, Berlin 1991
- Tania Schlie, Simone Roche (Hrsg.): Willi Münzenberg. Ein deutscher Kommunist im Spannungsfeld zwischen Stalinismus und Antifaschismus. Frankfurt am Main 1995
- Marcus G. Patka: Zu Nahe der Sonne. Deutsche Schriftsteller im Exil in Mexiko. Aufbau Taschenbuchverlag GmbH, Berlin 1999
Weblinks
- http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MuenzenbergWilli/ Biografie beim DHM
- http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/SET=2/TTL=29/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1004&SRT=YOP&TRM=M%FCnzenberg%2C+Willi Bücher bei der DDB
- http://www.kokhavivpublications.com/kuckuck/archiv/brand/muenzenberg.html Zum Reichstagsbrand
Personendaten | |
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NAME | Münzenberg, Willi |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kommunist und Verleger |
GEBURTSDATUM | 14. August 1889 |
GEBURTSORT | Erfurt |
STERBEDATUM | 21. Oktober 1940 |
STERBEORT | Saint-Marcellin, Dépt. Isère, Frankreich |