Quantenmechanik

physikalische Theorie der Teilchen der Materie, ihrer Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten
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Die Quantenmechanik ist eine physikalische Theorie, die das Verhalten der Materie im atomaren und subatomaren Bereich beschreibt. Sie ist eine der Hauptsäulen der modernen Physik und bildet die Grundlage für viele ihrer Teilgebiete, so z.B. für die Atomphysik, die Festkörperphysik und die Kern- und Elementarteilchenphysik aber auch für verwandte Wissenschaften wie die Quantenchemie.

Begründer der Quantenmechanik waren Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger, weitere wichtige Beiträge wurden unter anderem von Max Born, Wolfgang Pauli, Niels Bohr, Paul Dirac und John von Neumann geleistet. Die wesentlichen Konzepte der Quantenmechanik wurden in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts erarbeitet, nachdem das Versagen der klassischen Theorien (klassische Mechanik und Elektrodynamik) und die Schwachpunkte der Vorgängertheorien (siehe Abschnitt Geschichte) bei der Beschreibung mikroskopischer Systeme erkennbar geworden waren.

Durch die Entwicklung der Quantenmechanik hat sich unser Verständnis von der Struktur der Materie und ihrer Wechselwirkungen revolutionär verändert. Mit ihrer Hilfe konnten zahlreiche Phänomene erklärt und neue vorhergesagt werden, die sich der anschaulichen Vorstellung entziehen. Die betreffenden Phänomene lassen sich jedoch mathematisch präzise beschreiben und konnten experimentell sehr genau bestätigt werden. Mit Ausnahme der Gravitation, die durch die allgemeine Relativitätstheorie beschrieben wird, konnten bisher alle bekannten fundamentalen Wechselwirkungen der Materie durch quantenphysikalische Theorien beschrieben werden. Eine Vereinigung der allgemeinen Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik (zur sog. Quantengravitation) ist bis heute nicht gelungen.

Visualisierung der Wahrscheinlichkeitsdichte eines Teilchens in einem 1/r Potential entsprechend z.B. des Elektrons im elektrostatischen Potential des Wasserstoff-Atom: Die Hauptquantenzahl n läuft von oben nach unten (1,2,3), die Drehimpulsquantenzahl l von links nach rechts (s,p,d).

Grundlegende Aspekte

Messprozesse in der Quantenmechanik

Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Quantenmechanik im Hinblick auf die klassische Mechanik ist die Einbeziehung des Messprozesses in die Theorie. So ist in der klassischen Mechanik die Entwicklung eines gegebenen physikalischen Systems durch Kenntnis der Variablen wie Ort und Impuls der auftretenden Teilchen eindeutig vorhersagbar. Hierbei wird angenommen, dass sich diese Messgrößen – zumindest im Prinzip – gleichzeitig beliebig genau bestimmen lassen. Die Quantenmechanik hingegen sagt aus, dass prinzipiell jede Messung, die an einem quantenphysikalischen System vorgenommen wird, eine Störung desselben hervorruft, die umso größer ausfällt, je genauer die Messung durchgeführt wird. Dies soll an einem einfachen Beispiel verdeutlicht werden:

Will man beispielsweise die Position eines Elektrons mit Hilfe eines Lichtblitzes bestimmen, so wird das Elektron durch die dabei auftretende gegenseitige Wechselwirkung beschleunigt und sein bisheriger Zustand verändert. Aufgrund der Wellennatur des Lichts erfordert eine genauere Ortsbestimmung hierbei auch eine niedrigere Wellenlänge bzw eine höhere Lichtfrequenz. Wegen der Quantennatur des Lichtes bewirkt dies aber eine Zunahme der Energie der Photonen, die dabei mit dem Elektron in Wechselwirkung treten. Die Störung des Zustands des Elektrons fällt also umso größer aus je genauer die Ortsbestimmung vorgenommen wird.

In der Theorie der Quantenmechanik ist eine solche Störung darin begründet, dass bestimmte, miteinander unverträgliche (sog. komplementäre) Observablen (Messgrößen), zusammen nicht beliebig genau messbar sind. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die Position   und der Impuls   eines Teilchens. Das Produkt ihrer jeweiligen Unbestimmtheit   und   kann dabei einen bestimmten Wert nicht unterschreiten:

 .

Diese Formel wird als Unbestimmtheitsrelation bezeichnet und wurde erstmals von W. Heisenberg formuliert. Im Rahmen der Quantenmechanik ist sie darauf zurückzuführen, dass die Reihenfolge der Messung von Ort und Impuls relevant für das Messergebnis ist, die beiden Messungen also ohne Auswirkungen nicht einfach miteinander vertauscht werden können. [1]

Quantenmechanische Zustände

In der klassischen Mechanik wird der Zustand eines physikalischen Systems mit   Freiheitsgraden und dessen zeitliche Entwicklung durch die Angabe von   Paaren kanonisch konjugierter Variablen   vollständig bestimmt. Weil in der Quantenmechanik zwei entsprechend zueinander konjugierte Observable prinzipiell nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar sind, stellt sich die grundsätzliche Frage, inwiefern eine entsprechende Definition des Zustands eines quantenphysikalischen Systems sinnvoll ist. Der fundamentale Ansatz im Rahmen der Quantenmechanik, dass ein physikalisches System ausschließlich über gleichzeitig messbare Observable zu definieren ist, ist einer ihrer wesentlichen Unterschiede zur klassischen Mechanik. Erst durch die konsequente Umsetzung einer solchen Zustandsdefinition lässt sich eine Vielzahl quantenphysikalischer Phänomene theoretisch beschreiben.

Im Rahmen der Quantenmechanik wird ein physikalischer Zustand   über einen maximalen Satz   gleichzeitig messbarer Observable definiert, man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem CSCO (complete set of commutating observables). Observablen können bei einer Messung ganz bestimmte Werte annehmen, deren Spektrum i.d.R. vom betrachteten System abhängen. Die jeweils möglichen Messwerte   werden Eigenwerte der Observablen genannt und können, je nach betrachtetem System, sowohl diskret als auch kontinuierlich verteilt sein. Die zu diesen Eigenwerten zugehörigen Zustände   werden als Eigenzustände der Observablen bezeichnet. Da sich Messungen bezüglich der Observablen eines CSCO nicht gegenseitig beeinflussen, lässt sich durch die Verwendung geeigneter Filter ein gegebenes quantenphysikalisches System zu einem Zustand präparieren, der Eigenzustand zu jeder der Observablen des CSCO ist:

 
Datei:Zustand in Hilbertraum.png
Abb. 2: Schematische Darstellung eines 3-dimensionalen Unterraums des i.A. unendlich-dimensionalen Hilbertraums. Der Zustand ist aus einer Linearkombination der Eigenzustände des CSCO aufgebaut. Die Koordinaten sind die Wahrscheinlichkeitsamplituden.

Ein solcher Zustand wird häufig auch reiner Quantenzustand genannt. Er ist über seine zugehörigen Eigenwerte definiert und maximal bestimmt.

Es sei betont, dass über einen derart präparierten Quantenzustand – im Gegensatz zum Zustand eines klassischen Systems – nicht sämtliche messbaren Eigenschaften des physikalischen Systems bestimmt sind! Für Observablen, die mit dem CSCO unverträglich sind, kann für jeden ihrer Eigenwerte lediglich eine bestimmte Wahrscheinlichkeit angeben werden, mit der dieser aus einer Messung resultiert; das Messergebnis ist in jedem Fall ein Eigenwert der Observable. Diese prinzipielle Unbestimmtheit hängt mit der o.g. Unbestimmtheitsrelation zusammen. Sie ist eine der wichtigsten Aussagen der Quantenmechanik und ist zugleich Ursache für vielerlei Ablehnung dieser gegenüber.

Für ein gegebenes quantenphysikalisches System bilden die zu den Eigenwerten einer Observable gehörenden Eigenzustände einen linearen Zustandsraum   – mathematisch einen sogenannten Hilbertraum. Dieser stellt die Gesamtheit aller möglichen Zustände des Systems dar und hat damit im Allgemeinen bereits bei einfachen Systemen wie dem quantenmechanischen harmonischen Oszillator unendlich viele Dimensionen. Wesentlich ist hierbei, dass auch eine lineare Überlagerung mehrerer Eigenzustände wieder Teil des Zustandsraumes ist, selbst wenn dieser Überlagerungszustand

 

kein Eigenzustand der Observable ist. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Superposition mehrerer Zustände. Diese Eigenschaft ist vergleichbar mit der von Vektoren in einer Ebene, deren Überlagerung ebenfalls ein Vektor in der Ebene ist.

Statistische Aussagen der Quantenmechanik

 
Abb. 3: Wahrscheinlichkeiten diskreter Messwerte der Observablen O, Erwartungswert und Standardabweichung.

Aus der Zerlegung des Zustandes nach den Eigenzuständen   der Observablen ergibt sich mit dem Betragsquadrat   des entsprechenden Vorfaktors ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, bei einem solchen Überlagerungszustand den Eigenwert   zu messen bzw. das System im Eigenzustand   anzutreffen. Die Koeffizienten   werden daher als „Wahrscheinlichkeitsamplituden“ für die Messwerte   bezeichnet. Sie lassen sich als Projektion (=Skalarprodukt) von   auf den jeweiligen Eigenzustand   berechnen (siehe Abb. 2):

 

Demnach ergeben sich bei wiederholter Durchführung einer Messung einer Observablen i.A. unterschiedliche Messergebnisse, auch wenn das System vor der Messung immer im gleichen Zustand war. Ausnahme: Sofern das System in einem Eigenzustand einer Observablen   präpariert wurde, ergeben weitere Messungen dieser Observablen jeweils den gleichen Messwert. Experimentell lassen sich die statistischen Verteilungen der Messwerte   durch wiederholte Durchführung von Messungen an identisch präparierten Systemen ermitteln (siehe Abb. 3). Dieser Zusammenhang zwischen dem Messprotokoll und dem mathematischen Kalkül der Quantenmechanik bestätigt sich in allen Experimenten.

Ununterscheidbarkeit identischer Teilchen, Pauli-Prinzip

Durch die prinzipielle Unmöglichkeit, den Zustand eines quantenphysikalischen Systems vollständig zu bestimmen, verliert eine Unterscheidung zwischen mehreren Teilchen mit gänzlich identischen intrinsischen Eigenschaften (wie beispielsweise Masse oder Ladung, nicht aber Energie oder Impuls) in der Quantenmechanik gewissermaßen ihren Sinn. Während im Rahmen der klassischen Mechanik noch an mehreren identischen Teilchen simultan genaue Orts- und Impulsmessungen durchgeführt werden können, womit – zumindest prinzipiell – deren zukünftiger Verlauf vorhersagbar ist und man durch eine erneute Messung von Ort und Impuls zu einem späteren Zeitpunkt jedes Teilchen eindeutig wieder zuordnen kann, lässt eine quantenmechanische Betrachtung eine solche Durchnummerierung einzelner identischer Teilchen nicht zu. Es ist also beispielsweise nicht möglich festzustellen, ob bei einem System mehrerer Elektronen zwei Messungen an einzelnen Teilchen (wie beispielsweise ihres Impulses oder ihrer Ladung) zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils an den selben oder an unterschiedlichen Teilchen erfolgten.

Die Ununterscheidbarkeit identischer Teilchen hat weitreichende Auswirkungen auf die Symmetrieeigenschaften des Zustandes und auf die Statistik von Vielteilchensystemen. So kann gezeigt werden, dass der Zustand eines Vielteilchensystems identischer Partikel entweder symmetrisch   oder antisymmetrisch   bzgl. dem Austausch zweier Teilchen "1" und "2" sein muss. Teilchen mit symmetrischem Zustand bezeichnet man als Bosonen, Teilchen mit antisymmetrischem Zustand als Fermionen. Weiterhin ergibt sich die Symmetrie bzgl. Vertauschung aus dem Spin der Teilchen: Partikel mit halbzahligem Spin (z.B.: Elektronen, Protonen und Neutronen) sind antisymmetrisch und damit Fermionen, Partikel mit ganzzahligem Spin (z.B.: Photonen) sind symmetrisch und damit Bosonen.

Dieser als Spin-Statistik-Theorem bezeichnete tiefgreifende Zusammenhang zwischen Spin, Symmetrie und Statistik von Teilchen lässt sich nur im Rahmen der relativistischen Quantenfeldtheorie beweisen, jedoch kann er phänomenologisch in die nicht-relativistische Quantenmechanik integriert werden. Eine wichtige Konsequenz aus der Antisymmetrie der Fermionen ist die als „paulisches Ausschließungsprinzip“ bekannte Regel, dass zwei identische Fermionen nicht die gleichen Einteilchenzustände einnehmen können. Das paulische Ausschließungsprinzip ist von großer praktischer Bedeutung, da es bei der uns umgebenden, aus Atomen aufgebauten Materie die Mehrfachbesetzung elektronischer Zustände ausschließt und eine „Auffüllung“ der elektronischen Zustände bis zur Fermienergie erzwingt, wodurch die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Materie entscheidend beeinflusst werden.

Auch die thermische Verteilung der Zustände von Fermionen und Bosonen unterscheidet sich wesentlich: Bosonen gehorchen der Bose-Einstein-Statistik, während die statistischen Eigenschaften von Fermionen durch die Fermi-Dirac-Statistik beschrieben werden.

Quantenverschränkung

Häufig können die Zustände eines aus mehreren Teilchen zusammengesetzten Systems nicht in unabhängige Zustände für jedes einzelne Teilchen aufgeteilt werden. In diesem Fall spricht man von verschränkten Zuständen. Verschränkte Teilchen weisen bemerkenswerte Eigenschaften auf, die der Intuition widersprechen. Zum Beispiel kann eine Messung an einem Teilchen durch den resultierenden Zusammenfall der Gesamt-Wellenfunktion eine sofortige (instantane) Auswirkung auf ein anderes, u.U. weit entferntes Teilchen haben, mit dem es verschränkt ist. Dieser Effekt steht nicht im Widerspruch zur speziellen Relativitätstheorie, da auf diese Weise keine Information übertragen werden kann (siehe Quantenverschränkung).

Dekohärenz

Falls die Quantenmechanik eine fundamentale Theorie darstellt, muss -da die Gesetze der Quantenmechanik grundsätzlich unabhängig von der Größe des betrachteten Systems formuliert sind- der Übergang der physikalischen Eigenschaften mikroskopischer Systeme zu den Eigenschaften makroskopischer Systeme quantenmechanisch beschreibbar sein. Quantenphänomene wie das im folgenden Kapitel beschriebene Doppelschlitzexperiment werfen jedoch die Frage auf, wie das „klassische“ Verhalten makroskopischer Systeme im Rahmen der Quantenmechanik erklärt werden kann. Insbesondere ist es keineswegs unmittelbar ersichtlich, welche physikalische Bedeutung einem quantenmechanischen Superpositionszustand bei Anwendung auf ein makroskopisches System zukommen soll. So stellte Albert Einstein 1954 in seiner Korrespondenz mit Max Born die Frage, wie sich im Rahmen der Quantenmechanik die Lokalisierung makroskopischer Gegenstände erklären lässt, wobei er darauf hinwies, dass die „Kleinheit“ quantenmechanischer Effekte bei makroskopischen Massen zur Erklärung der Lokalisierung nicht ausreicht:

  und   seien zwei Lösungen derselben Schrödingergleichung. Dann ist   ebenfalls eine Lösung der Schrödingergleichung mit gleichem Anspruch darauf, einen möglichen Realzustand zu beschreiben. Wenn das System ein Makro-System ist, und wenn   und   „eng“ sind im Bezug auf die Makro-Koordinaten, so ist dies in der weitaus überwiegenden Zahl der möglichen Fälle für   nicht mehr der Fall. Enge bezüglich der Makro-Koordinaten ist eine Forderung, die nicht nur unabhängig ist von den Prinzipien der Quantenmechanik, sondern auch unvereinbar mit diesen Prinzipien."[2]

Ein weiteres Beispiel für die (scheinbaren) Paradoxien bei der Anwendung quantenmechanischer Konzepte auf makroskopische Systeme ist das von Erwin Schrödinger erdachte, heute als „Schrödingers Katze“ bekannte Gedankenexperiment.

Erst ab ca. 1970 setzte sich -ausgehend von theoretischen und experimentellen Untersuchungen des Messprozesses- allmählich die Erkenntnis durch, dass die o.g. Überlegungen und Gedankenexperimente zu makroskopischen Zuständen insofern unrealistisch sind, als sie deren unvermeidliche Wechselwirkungen mit der Umgebung ignorieren. So stellte sich heraus, dass Superpositionseffekte wie die oben erläuterte Interferenz am Doppelspalt äußerst empfindlich auf jeglichen Einfluss aus der Umgebung reagieren. Stöße mit Gasmolekülen oder Photonen, aber auch die Emission von Strahlung beeinträchtigen oder zerstören die für das Auftreten von Interferenzeffekten entscheidende feste Phasenbeziehung zwischen den beteiligten Einzelzuständen   des betrachteten Systems. In der Terminologie der Quantenmechanik lässt sich dieses als Dekohärenz bezeichnete Phänomen auf die Wechselwirkung zwischen den Systemzuständen und den Streuteilchen zurückführen, die durch eine Verschränkung der Einzelzustände   mit den Zuständen   der Umgebung beschrieben werden kann. Als Folge dieser Wechselwirkung bleiben die Phasenbeziehungen zwischen den beteiligten Zuständen nur bei Betrachtung des Gesamtsystems (System + Umgebung) wohldefiniert, bei isolierter Betrachtung der Systemzustände   hingegen ergeben sich rein statistische „klassische“ Verteilungen dieser Zustände [3].

colspan="4" align="center" Vorlage:Highlight3|Dekohärenzzeiten in Sekunden[3]
Vorlage:Highlight1 | Vorlage:Highlight1 |Freies Elektron Vorlage:Highlight1 |Staubteilchen 10µm Vorlage:Highlight1 |Bowlingkugel
300K, Normaldruck 10-12 10-18 10-26
300K, Ultrahochvakuum 10 10-4 10-12
Sonnenlicht (auf der Erde) 109 10-10 10-18
Wärmestrahlung (300 K) 107 10-12 10-20
Kosmische Hintergrundstrahlung (2,73 K) 109 10-7 10-18

Eine Vorstellung von der Effizienz dieses Phänomens gibt Tabelle 1, in der typische Größenordnungen der Dekohärenzzeiten (d.h. der Zeitspannen, innerhalb derer die Kohärenz verloren geht) für verschiedene Objekte und Umgebungseinflüsse aufgeführt sind. Offensichtlich zerfallen die Überlagerungszustände makroskopischer Objekte durch den praktisch nicht vermeidbaren Einfluss der Umgebung innerhalb kürzester Zeit in ein klassisches Ensemble unkorrelierter Einzelzustände (bereits das 10µ-Staubteilchen muss in diesem Sinne als makroskopisch bezeichnet werden).

Bei den obigen Ausführungen wurde implizit angenommen, dass makroskopische Systeme spätestens nach Ablauf der Dekohärenzprozesse Zustände einnehmen, welche die vertrauten „klassischen“ Eigenschaften aufweisen. Jedoch ist nicht unmittelbar klar, welche der vielen denkbaren Basissysteme die bevorzugte Basis makroskopischer Systeme darstellen. Warum scheinen z.B. bei makroskopischen Systemen in der Regel lokalisierte Ortszustände eine bevorzugte Rolle zu spielen, während mikroskopische Systeme häufig in delokalisierten Zuständen (z.B. Energie-Eigenzuständen) vorgefunden werden? Auch diese Fragestellung kann auf den Einfluss der Umgebung auf das betrachtete System zurückgeführt werden. Demnach definiert nur eine “robuste“ Basis, die nicht unmittelbar durch Dekohärenz-Mechanismen zerstört wird, die tatsächlich realisierbaren Observablen (verschiedene konkrete Beispiele incl. einer Begründung des bevorzugten Auftretens räumlich lokalisierter Zustände finden sich z.B. in [3] [4]). Diese Bevorzugung bestimmter makroskopischer Zustände wird als Superselektion oder einselection (für environmentally-induced superselection) bezeichnet.

Die Konzepte der Dekohärenz sind heute in allen gängigen Interpretationen der Quantenmechanik ein wichtiger Bestandteil bei der Erklärung des klassischen Verhaltens makroskopischer Quantensysteme [4].

Weiterhin ist die Dekohärenz auch von praktischer Relevanz für die Funktion des Quantencomputers, bei dem ein quantenmechanischer Überlagerungszustand möglichst vieler Zustände über einen hinreichend langen Zeitraum ungestört aufrecht erhalten werden muss. Die rasche Dekohärenz stellt hier bislang eines der Hauptprobleme dar.


Phänomene

In diesem Abschnitt sind physikalische Phänomene aufgeführt und beschrieben, die sich im Rahmen der klassischen Physik nicht mehr beschreiben lassen und erst durch die Quantentheorie erklärt werden können.


Stabilität von Materie

Gewöhnliche Materie
Gewöhnliche, aus Atomkernen und Elektronen aufgebaute Materie wird durch Coulomb-Kräfte zusammengehalten. Nach den Gesetzen der klassischen Physik hätten diese Kräfte aus zwei Gründen katastrophale Auswirkungen: Zum Einen ist der Aufbau von Atomen aus positiv geladenen Atomkernen und negativ geladenen Elektronen bei einer klassischen Beschreibung nicht stabil, da die Elektronen nach den klassischen Theorien innerhalb kürzester Zeit unter Abgabe elektromagnetischer Strahlung in den Kern stürzen würden. Zum Anderen nimmt bei klassischer Betrachtung aufgrund der großen Reichweite des elektrostatischen Potentials die freie Energie F des Systems mit wachsender Teilchenzahl überproportional zu (F ∝ N7/5). Bei Annäherung zweier makroskopischer Körper würden enorme Energien freigesetzt, die bereits bei einer Teilchenzahl von ≈  mit der Energieentfaltung von Atombomben vergleichbar wären [5].

Quantenmechanisch zeigt bereits eine einfache heuristische Betrachtung, dass der Sturz von Elektronen in den Atomkern nicht möglich ist, da das Elektron dann in Verletzung der Heisenberg'schen Unschärferelation einen exakt definierten Ort (am Atomkern) und einen exakt definierten Impuls (Null) hätte.

Der Nachweis, dass auch makroskopische Systeme bei quantenmechanischer Betrachtung stabil sind, erfolgte erst 1967 -über 40 Jahre nach Formulierung der Grundlagen der Quantenmechanik- durch Dyson und Lenard [5]. Als entscheidend stellte sich der stabilisierende Beitrag der quantenmechanischen Austauschwechselwirkung heraus, die eine Folge des für die Elektronen wirksamen paulischen Ausschließungsprinzips ist [5].

Stabilität von weißen Zwergen und Neutronensternen
Während auf der Erde der Einfluss der Schwerkraft auf die Stabilität von Materie vernachlässigbar gering ist, können in Sternen mit hinreichend großer Masse die resultierenden Gravitationskräfte die Coulomb-Wechselwirkungen übersteigen. Wenn diese Sterne ihre thermonuklearen Energiequellen erschöpft haben, fallen sie in sich zusammen. Dabei wird die Struktur der Elektronenhüllen zerquetscht. Die Elektronen bauen mit zunehmender Dichte einen wachsenden (durch das Pauliprinzip bedingten) Entartungsdruck auf, der schließlich zu einer Stabilisierung des Sterns führt. Einen Stern in diesem Zustand bezeichnet man als weißen Zwerg. Ist die Masse des Sterns größer als etwa 1,44 Sonnenmassen, die Chandrasekhar-Grenze, kann der quantenmechanische Entartungsdruck der Elektronen der Gravitationswirkung nicht mehr standhalten, und der Stern kollabiert weiter zum Neutronenstern oder schwarzen Loch.

Die Stabilität eines Neutronensterns beruht in analoger Weise auf dem Pauli-Prinzip, das in diesem Fall bezüglich der Neutronen anstelle der Elektronen zum Tragen kommt.

Physikalische Eigenschaften kondensierter Materie

Warum ist Diamant hart, spröde und durchsichtig, das ebenfalls aus Kohlenstoff bestehende Graphit jedoch weich und undurchsichtig? Wie lassen sich die elektrische und thermische Leitfähigkeit von Metallen und deren Glanz erklären? Wie funktionieren Leuchtdioden, Dioden und Transistoren? Was ist die Ursache für die magnetischen Eigenschaften von Eisen? Welche Mechanismen ermöglichen die Supraleitung?

Die oben genannten Beispiele lassen die Vielfalt an physikalischen Phänomenen kondensierter Materie nur erahnen. Tatsächlich ist die „Physik kondensierter Materie“ der mit Abstand größte Teilbereich der Physik.

Praktisch allen Phänomenen kondensierter Materie (inklusive den oben genannten Beispielen) ist gemeinsam, dass eine Beschreibung dieser Phänomene im Rahmen der klassischen Physik bestenfalls auf phänomenologischer Ebene möglich ist, während sich ihre mikroskopische Beschreibung im Rahmen der Quantenmechanik als überaus erfolgreich erwiesen hat.

Im folgenden ist eine (unvollständige) Auswahl an Phänomenen zusammengestellt, bei welchen sich die Quanteneffekte besonders deutlich zeigen:

Wechselwirkungen von Licht mit Materie

Tunneleffekt

Siehe Tunneleffekt

Interferenz von Materie am Doppelspalt

 
Abb. 2: Schematische Darstellung des Doppelspalt-Experiments mit Elektronen
 
Abb. 3: Ergebnisse des Doppelspalt-Experiments von Tonomura

Bei der Bewegung von Teilchen durch einen Doppelspalt zeigen sich verschiedene quantenmechanische Phänomene in besonders offensichtlicher Form. Bei dem in Abb. 2 dargestellten Experiment werden Elektronen auf einen Detektor geschossen, der das Auftreffen von Elektronen mit räumlicher Auflösung anzeigt. Zwischen Elektronenquelle und Detektor befindet sich ein Hindernis, welches auf zwei möglichen Wegen passiert werden kann.

Die Ergebnisse des Experiments sind in Abb. 3 dargestellt:

  • Die auftreffenden Elektronen werden als lokalisierte Leuchtpunkte angezeigt. Diese Beobachtung deckt sich mit der anschaulichen Vorstellung eines lokalisierten Teilchens.
  • Die Elektronen treffen mit einer statistischen räumlichen Verteilung auf dem Detektor auf. Mit zunehmender Dauer bildet sich ein Streifenmuster aus, wie es bei der Interferenz zweier Wellen zu erwarten wäre, die sich ausgehend von den beiden Spalten ausbreiten. Damit konsistent ist die Beobachtung, dass sich ein für einen Einfachspalt typisches Wellenmuster bildet, wenn eine der zwei Spalten geschlossen wird.

Die Elektronenquelle wird mit sehr geringer Intensität (ca. 10 Elektronen / Sek) betrieben, Interferenzen mehrerer Elektronen untereinander können daher ausgeschlossen werden. Die Mechanismen der Interferenzbildung werden also offensichtlich bei jedem einzelnen Elektron wirksam, die einzelnen Elektronen durchqueren das Hindernis durch beide Spalte und interferieren dabei mit sich selbst – eine Vorstellung, die dem klassischen Weltbild fremd ist. Quantenmechanisch lassen sich hingegen sowohl die statistische Verteilung als auch der Interferenzeffekt unter Annahme eines Zustandes   einfach berechnen, wobei   und   die Pfade 1 und 2 beschreiben. Neben diesem Superpositionseffekt zeigt das Experiment in besonders klarer Weise den Welle-Teilchen-Dualismus.

Mathematische Formulierung

Die wesentlichen Grundlagen für die mathematisch strenge Formulierung der Quantenmechanik wurden im Jahr 1932 durch John von Neumann formuliert. Demnach lässt sich ein physikalisches System allgemein durch drei wesentliche Bestandteile beschreiben: Seine Zustände, seine Observablen und seine Dynamik (d.h. durch seine zeitliche Entwicklung). Von entscheidender praktischer Bedeutung ist weiterhin die Kenntnis der physikalischen Symmetrieeigenschaften.

Die quantenmechanische Beschreibung eines Systems basiert auf Postulaten, die im Folgenden zusammengefasst sind:

Postulate der Quantenmechanik

  • Jedem physikalischen System ist ein separabler komplexer Hilbertraum H mit einem Skalarprodukt   zugeordnet. Den Zuständen des Systems sind Strahlen (eindimensionale Unterräume) in „H“ zugeordnet. Mit anderen Worten können Zustände durch Äquivalenzklassen von Vektoren der Länge 1 in „H“ beschrieben werden, wobei zwei Vektoren dem selben Zustand entsprechen, wenn sie sich nur durch einen Phasenfaktor unterscheiden.
  • Der Hilbertraum eines aus mehreren Subsystemen zusammengesetzten Systems ist das Tensorprodukt der Zustandsräume der Subsysteme. Für ein nicht-relativistisches System einer endlichen Anzahl unterscheidbarer Teilchen sind die einzelnen Teilchen die Subsysteme.
  • Physikalische Symmetrien wirken unitär oder antiunitär auf den Hilbertraum von Quantenzuständen. (Die sog. Supersymmetrie hat hiermit nichts zu tun).

Physikalische Observablen werden durch dicht-definierte selbstadjungierte Operatoren auf „H“ repräsentiert. Der Erwartungswert (d.h. der Mittelwert eines Messergebnisses) einer Observablen „A“ eines durch den Einheitsvektor   beschriebenen Zustandes ist

 .

Unter Anwendung der Spektraltheorie können die Messergebnisse von „A“ für jeden Zustand ψ in Form einer Wahrscheinlichkeitsverteilung beschrieben werden. Weiterhin kann gezeigt werden, dass jeder mögliche Messwert der Observablen „A“ in jedem Zustand ein Spektralwert von „A“ sein muss. In dem Spezialfall, dass „A“ ein diskretes Spektrum hat, sind die möglichen Messwerte von „A“ in jedem Zustand seine Eigenwerte.

Nachdem eine Messung ausgeführt und ein Eigenwert gemessen wurde, befindet sich das System in dem Eigenvektor zum gemessenen Eigenwert; die Messung ist also irreversibel, indem das System von einem Zustand in einen anderen übergegangen ist.

Zur Beschreibung von Quantenzuständen, über die man nicht die maximal mögliche Kenntnis besitzt, wurde der sog. Dichteoperator-Formalismus entwickelt. Die Dichtematrix enthält die maximale Information über Ergebnisse, die man durch Messungen an dem mit der Dichtematrix beschriebenen System erhalten kann.

In dieser mathematischen Beschreibung wird Heisenbergs Unschärferelation zu einem Theorem über nichtkommutierende Operatoren. Grob formuliert: Das Produkt der Unschärfen zweier Observabler „A“ und „B“ ist mindestens halb so groß wie der Betrag des Erwartungswertes des Kommutators von A und B.

Erst in neuerer Zeit ist eine allgemeinere mathematische Beschreibung von Observablen durch positiv-operatorwertige Wahrscheinlichkeitsmaße (positive operator valued probability measures, POVM) entstanden, die in der traditionellen Lehrbuchliteratur noch kaum behandelt wird. Operationen auf Quantensystemen werden in der modernen, aber noch wenig bekannten Version der Quantenmechanik durch "completely positive maps", vollständig positive Abbildungen, sehr umfassend und mathematisch elegant beschrieben. Diese Theorie verallgemeinert sowohl die unitäre Zeitentwicklung als auch die oben beschriebene traditionelle von-Neumannsche Beschreibung der Veränderung eines Quantensystems bei einer Messung. Konzepte, die nur schwer im traditionellen Bild beschrieben werden können, wie z.B. kontinuierlich ablaufende unscharfe Messungen, fügen sich problemlos in diese neuere Beschreibung ein.

Zeitliche Entwicklung

Die Dynamik von Quantenzuständen wird durch unterschiedliche Modelle, die sog. „Bilder“, beschrieben, welche sich durch Redefinition der Operatoren und Zustände ineinander überführen lassen und somit äquivalent sind.

Im sog. Schrödinger-Bild ergibt sich die Dynamik aus folgender Betrachtung: Der Zustand ist definiert durch eine differenzierbare Abbildung der durch t parametrisierten Zeit auf den Hilbertraum der Zustände. Wenn   den Zustand des Systems zu einer beliebigen Zeit „t“ beschreibt, gilt die folgende Schrödingergleichung:

 

mit H als einem dicht-definierten selbst-adjungierten Operator, dem sog. Hamiltonoperator, der imaginären Einheit „i“ und dem reduzierten Planck'schen Wirkungsquantum  . Als Observable entspricht H der Gesamtenergie des Systems.

Im Heisenberg-Bild der Quantenmechanik wird anstelle zeitlicher Änderungen der Zustände, die in diesem Bild konstant bleiben, die Zeitabhängigkeit durch zeitabhängige Operatoren für die Observablen beschrieben. Für die zeitabhängigen Heisenberg-Operatoren ergibt sich die Differentialgleichung

 

Es kann gezeigt werden, dass die sich aus dem Schrödinger-Bild und dem Heisenberg-Bild ergebenden Erwartungswerte für die Observable „A“ identisch sind, sofern A nicht im Schrödingerbild eine explizite Zeitabhängigkeit aufweist.

Das sogenannte Dirac-Bild oder Wechselwirkungsbild hat sowohl zeitabhängige Zustände als auch zeitabhängige Operatoren, wobei für Zustände und Operatoren unterschiedliche Hamiltonoperatoren gelten. Dieses Bild ist dann am nützlichsten, wenn die zeitliche Entwicklung der Zustände exakt lösbar ist, sodass sämtliche mathematischen Komplikationen auf die Zeitentwicklung der Operatoren begrenzt bleiben. Aus diesem Grund wird der Hamiltonoperator für die Zustände als „freier Hamiltonoperator“ und der Hamiltonoperator für die Observablen als „Wechselwirkungs-Hamiltonian“ bezeichnet. Die dynamische Entwicklung wird durch folgende Gleichungen beschrieben:

 
 

Das Heisenbergbild entspricht am ehesten dem Modell der klassischen Mechanik, unter pädagogischen Gesichtspunkten gilt jedoch das Schrödingerbild als am einfachsten verständlich. Das Dirac-Bild wird häufig in der Störungstheorie – speziell in der Quantenfeldtheorie – angewandt.

Manche Wellenfunktionen bilden Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die sich mit der Zeit nicht ändern. Viele Systeme, die in der klassischen Mechanik mit einem dynamischen Zeitverhalten beschrieben werden müssen, weisen in der quantenmechanischen Beschreibung solche „statischen“ Wellenfunktionen auf. Zum Beispiel wird ein einzelnes Elektron in einem Atom im Grundzustand durch eine kreisförmige Trajektorie um den Atomkern beschrieben, während es in der Quantenmechanik durch eine statische, kugelsymmetrische Wellenfunktion beschrieben wird, die den Atomkern umgibt (siehe Bild 1). (Man beachte, dass nur die kleinsten Drehimpuls-Zustände, die „s“-Wellen- kugelsymmetrisch sind).

Die Schrödingergleichung ist wie die eng verwandte Heisenberggleichung und die Gleichungen des Wechselwirkungsbildes eine partielle Differentialgleichung, die nur für einige wenige Modellsysteme analytisch gelöst werden kann (zu den wichtigsten Beispielen gehören der quantenmechanische harmonische Oszillator und das Elektron im Coulombpotential). Selbst die Elektronenstruktur des Helium-Atoms, das nur ein Elektron mehr als Wasserstoff aufweist, ist bereits nicht mehr analytisch berechenbar. Es existieren jedoch eine Reihe verschiedener Techniken zur Berechnung von Näherungslösungen. Ein Beispiel ist die Störungstheorie, bei der vorhandene analytische Lösungen vereinfachter Modellsysteme als Ausgangspunkt zur Berechnung komplexerer Modelle verwendet werden. Diese Methode ist insbesondere dann erfolgreich, wenn sich die Wechselwirkungen des komplexen Modells als „kleine“ Störungen des einfachen Modellsystems formulieren lassen. Eine andere Methode ist die sog. „semiklassische Näherung“, die auf Systeme angewendet werden kann, die nur kleine Quanteneffekte aufweisen. Die quantenmechanisch bedingten Effekte können dann unter der Annahme klassischer Bewegungstrajektorien berechnet werden. Dieser Ansatz wird z.B. bei der Erforschung des Quanten-Chaos zugrundegelegt.

Ein alternativer Ansatz zur Berechnung quantenmechanischer Systeme ist Feynman's Pfadintegral-Formalismus, bei dem eine quantenmechanische Amplitude als eine Summe über die Wahrscheinlichkeitsamplituden für alle theoretisch möglichen Pfade eines Teilchens bei seiner Bewegung von einem Ausgangszustand zu einem Zielzustand aufsummiert werden. Diese Formulierung ist das quantenmechanische Analogon zu dem klassischen Wirkungsprinzip.

Ein konkretes Beispiel

An diesem Punkt ist ein konkretes Beispiel nützlich, im Folgenden wird das freie Teilchen zugrundegelegt: Der Quantenzustand des freien Teilchens kann als Welle mit einer räumlichen Ausbreitung beliebiger Form dargestellt werden. Die Position und der Impuls sind die Observablen des Teilchens. Ein Eigenzustand der Position ist eine Wellenfunktion, die einen großen Wert bei der Position x und den Wert 0 bei jeder anderen Position hat. Wenn an diesem Zustand eine Ortsmessung durchgeführt wird, erhält man mit 100% Wahrscheinlichkeit das Ergebnis x. Andererseits hat ein Eigenzustand des Impulses die Form einer ebenen Welle. Es kann gezeigt werden, dass die Wellenlänge h/p beträgt, mit dem Planck'schen Wirkungsquantum h und dem Impuls p des Eigenzustandes.

Im Normalfall (sofern das System nicht entsprechend präpariert wurde) wird ein System nicht im Eigenzustand irgendeiner Observable von Interesse sein. Sobald wir jedoch eine Observable messen, wird die Wellenfunktion instantan ein Eigenzustand dieser Observablen. Dieser Prozess wird als Kollaps der Wellenfunktion oder Zustandsreduktion bezeichnet. Sofern wir die Wellenfunktion im Moment vor der Messung kennen, können wir die Wahrscheinlichkeiten des Kollapses in jeden der möglichen Eigenzustände berechnen. So wird zum Beispiel das bereits oben verwendete freie Teilchen im Allgemeinen die Form eines Wellenpaketes haben, welches um eine mittlere Position x0 verteilt ist. Dieses Wellenpaket ist weder ein Eigenzustand der Position noch des Impulses. Wenn wir die Position des Teilchens messen, ist es uns nicht möglich, das Ergebnis der Messung exakt vorherzusagen. Wahrscheinlich wird die Position in der Nähe von x0 sein, wo die Amplitude der Wellenfunktion groß ist. Nach Durchführung der Messung und Beobachtung des Messwertes x kollabiert die Wellenfunktion in einen Positions-Eigenzustand mit der Position x.

Bei Anwendung der Schrödingergleichung auf das obige Beispiel des freien Teilchens ergibt sich für das Zentrum des Wellenpaketes eine Bewegung durch den Raum mit konstanter Geschwindigkeit, analog einem klassischen Teilchen ohne Krafteinwirkung. Jedoch verbreitert sich das Wellenpaket mit zunehmender Zeit, was einer zunehmenden Unsicherheit bei Durchführung einer Ortsmessung entspricht. Dies bedeutet auch, dass ein ursprünglich exakt definierter Positions-Eigenzustand (den man sich als unendlich scharf lokalisiertes Wellenpaket vorstellen kann) sich mit der Zeit zu einem Wellenpaket mit einer endlichen Breite entwickelt, welches kein Eigenzustand des Ortes mehr ist.

Anwendungen

Quantenphysikalische Effekte spielen bei zahlreichen Anwendungsfällen der modernen Technologie eine wesentliche Rolle. Beispiele sind der Laser, das Elektronenmikroskop, die Atomuhr oder die bildgebenden Verfahren auf Basis der Kernspinresonanz. Die Untersuchung von Halbleitern führte zur Erfindung der Diode und des Transistors, die aus der modernen Elektronik nicht wegzudenken sind. Auch bei der Entwicklung von Kernwaffen spielen die Konzepte der Quantenmechanik eine wesentliche Rolle.

Bei der Erfindung bzw. Entwicklung dieser und zahlreicher weiterer Anwendungen kommen die Konzepte und der mathematische Formalismus der Quantenmechanik jedoch nur selten direkt zum Einsatz (eine bemerkenswerte Ausnahme sind die aktuellen Arbeiten zur Entwicklung eines Quantencomputers). In der Regel sind hierfür die anwendungsnäheren Konzepte, Begriffe und Regeln der Festköperphysik, der Chemie, der Materialwissenschaften oder der Kernphysik von größerer praktischer Bedeutung. Die Relevanz der Quantenmechanik ergibt sich hingegen aus der überragenden Bedeutung, die diese Theorie bei der Formulierung des theoretischen Fundamentes vieler wissenschaftlicher Disziplinen hat.

Im Folgenden sind einige Beispiele für Anwendungen der Quantenmechanik beschrieben:

Anwendungen in der Chemie

 
Darstellung von d-Orbitalen

Die chemischen Eigenschaften aller Stoffe sind ein Ergebnis der elektronischen Struktur der Atome und Moleküle, aus denen sie aufgebaut sind. Grundsätzlich lässt sich diese elektronische Struktur durch Lösung der Vielteilchen-Schrödingergleichung für alle involvierten Atomkerne und Elektronen quantitativ berechnen. Es zeigt sich jedoch in der Praxis, dass einerseits die Durchführung der entsprechenden Berechnungen enorm aufwändig ist, andererseits jedoch zur Vorhersage und Beschreibung vieler chemischer Eigenschaften die Verwendung vereinfachter Modelle und Regeln völlig ausreichend ist. Bei der Formulierung dieser vereinfachten Modelle kommt der Quantenmechanik eine wichtige Bedeutung zu.

Ein in der Chemie besonders häufig verwendetes Modell ist das Orbitalmodell. Bei diesem Modell wird der Vielteilchenzustand der Elektronen der betrachteten Atome durch eine Summe der Einteilchenzustände der Elektronen gebildet. Das Modell beinhaltet verschiedene Näherungen (u.a.: Vernachlässigung der Coulomb-Abstossung der Elektronen untereinander, Entkopplung der Bewegung der Elektronen von der Kernbewegung), erlaubt jedoch eine näherungsweise korrekte Beschreibung der Energieniveaus des Atoms. Der Vorteil dieses Modells liegt neben der vergleichsweise einfachen Berechenbarkeit insbesondere in der anschaulichen Aussagekraft sowohl der Quantenzahlen als auch der grafischen Darstellung der Orbitale.

Das Orbitalmodell erlaubt die Klassifizierung von Elektronenkonfigurationen nach einfachen Aufbauregeln (Hund'sche Regeln). Auch die Regeln zur chemischen Stabilität (Oktettregel / Edelgasregel / magische Zahlen) lassen sich durch dieses quantenmechanische Modell rechtfertigen.

Durch Summation mehrerer Atom-Orbitale lässt sich die Methode auf sog. Molekülorbitale erweitern, wobei Rechnungen in diesem Fall wesentlich aufwändiger werden, da Moleküle keine Kugelsymmetrie aufweisen. Zur Berechnung der Struktur und der chemischen Eigenschaften komplexer Moleküle auf Basis von Näherungslösungen der Schrödingergleichung haben sich mit der Quantenchemie bzw. der Computerchemie eigene Teildisziplinen der theoretischen Chemie etabliert.

Anwendungen in der Festkörperphysik

Bändermodell

Theorie der Supraleitung

Anwendungen in der Kernphysik

Schalenmodell

Quanteninformatik

Von aktuellem Interesse ist die Suche nach robusten Methoden zur direkten Manipulation von Quantenzuständen. Es werden z.Zt. größere Anstrengungen unternommen, einen Quantencomputer zu entwickeln, welcher durch Ausnutzung der verschiedenen Eigenzustände und der Wahrscheinlichkeitsnatur eines quantenmechanischen Systems hochparallel arbeiten würde. Einsatzgebiet eines solchen Quantenrechners wäre beispielsweise das Knacken moderner Verschlüsselungsmethoden. Im Gegenzug hat man mit der Quantenkryptographie ein System zum theoretisch absolut sicheren Schlüsselaustausch gefunden, in der Praxis ist diese Methode häufig etwas abgewandelt und unsicherer, da es hier auch auf die Übertragungsgeschwindigkeit ankommt. Ein weiteres aktuelles Forschungsgebiet ist die Quantenteleportation, die sich mit Möglichkeiten zur Übertragung von Quantenzuständen über beliebige Entfernungen beschäftigt.

Geschichte

Im Jahr 1900 entwickelte Max Planck eine Formel zur Beschreibung der gemessenen Frequenzverteilung der von einem Schwarzkörper emittierten Strahlung, wobei er von der Annahme ausging, dass der schwarze Körper aus Oszillatoren mit diskreten Energieniveaus besteht[6]. Einstein erweiterte dieses Konzept und schlug im Jahr 1905 eine Quantisierung der elektromagnetischen Strahlung vor, um den photoelektrischen Effekt zu erklären[7].

In den Folgejahren stellte sich rasch das Potenzial des Konzeptes quantisierter Energieportionen heraus. So weist dieses Modell nicht das Problem der Divergenz der bei kurzen Wellenlängen emittierten Strahlungsleistung von schwarzen Körpern auf, welches sich bei Anwendung der klassischen Theorie des Elektromagnetismus zeigte (Ultraviolett-Katastrophe). 1913 erklärte Niels Bohr die Spektrallinien des Wasserstoffatoms unter Annahme diskreter Energiezustände des Elektrons im Wasserstoffatom (Bohrsches Atommodell). Im Jahr 1924 veröffentlichte Louis de Broglie seine Theorie der Materiewellen, wonach jegliche Materie einen Wellencharakter aufweisen kann, und umgekehrt Wellen auch einen Teilchencharakter aufweisen können[8]. De Broglies Theorie wurde drei Jahre später in zwei unabhängigen Experimenten bestätigt, welche die Beugung von Elektronen nachwiesen. Der britische Physiker George Paget Thomson leitete einen Elektronenstrahl durch einen dünnen Metallfilm und beobachtete die von de Broglie vorhergesagten Interferenzmuster[9]. In einem ähnlichen, in den Bell Labs durchgeführten Experiment beobachteten Clinton Davisson und sein Assistent Lester Germer die Beugungsmuster eines an einem Nickel-Kristall reflektierten Elektronenstrahls[10].

Die oben erwähnten Theorien (heute kollektiv als „alte Quantentheorien“ bezeichnet) waren zwar bei der Beschreibung einzelner, im Rahmen der klassischen Physik unverständlicher Phänomene erfolgreich, wiesen jedoch noch den Makel auf, dass sie auf einer rein phänomenologischen Basis hergeleitet waren: Das Konzept der Quantisierung wurde ohne Einbindung in einen theoretischen Gesamtzusammenhang postuliert. Auch zeigte sich, dass diese Theorien bereits bei Anwendung auf einfache Systeme wie z.B. das Helium-Atom versagten. Diese Probleme führten zunächst zu einer Ernüchterung bei den mit der Quantentheorie befassten Wissenschaftlern.

Die moderne Quantenmechanik fand ihren Beginn im Sommer 1925 mit der Formulierung der Matrizenmechanik durch Werner Heisenberg[11]. Wenige Monate später erfand Erwin Schrödinger über einen völlig anderen Ansatz -ausgehend von De Broglies Theorie der Materiewellen- die Wellenmechanik und die Schrödingergleichung[12]. Kurz darauf konnte Schrödinger nachweisen, dass sein Ansatz mit der Theorie von Heisenberg äquivalent ist. [13]

Heisenberg beschrieb seine Unschärferelation im Jahr 1927; im gleichen Jahr wurde auch die Kopenhagener Interpretation formuliert. In den Jahren ab ca. 1927 vereinigte Paul Dirac die Quantenmechanik mit der speziellen Relativitätstheorie. Er führte auch erstmalig die Verwendung des Operator-Theorie inklusive der Bra-Ket-Notation ein und beschrieb diesen mathematischen Kalkül 1930 in einem bedeutenden Sachbuch[14]. Zur gleichen Zeit formulierte John von Neumann die strenge mathematische Basis für die Quantenmechanik, wie z.B. die Theorie linearer Operatoren auf Hilberträume, die er 1932 in seinem ebenfalls bedeutenden Sachbuch beschrieb[15]. Der Ausdruck „Quantenphysik“ wurde erstmals 1931 in Max Planck's Buch „The Universe in the Light of Modern Physics" verwendet[16]. Die in dieser Aufbauphase formulierten Ergebnisse haben bis heute Bestand und werden allgemein zur Beschreibung quantenmechanischer Aufgabenstellungen verwendet.

Die Vorreiter der Quantenchemie waren Walter Heitler und Fritz London, die im Jahr 1927 eine Untersuchung der kovalenten Bindung des Wasserstoffmoleküls veröffentlichten. Die Quantenchemie wurde in der Folge von zahlreichen Wissenschaftlern weiterentwickelt, unter ihnen der amerikanische Chemiker Linus Pauling, der 1954 für seine Arbeiten auf diesem Gebiet den Nobelpreis für Chemie erhielt.

Ab 1927 wurde versucht, die Quantenmechanik nicht nur auf Partikel, sondern auch auf Felder anzuwenden, woraus die Quantenfeldtheorien entstanden. Die ersten Ergebnisse auf diesem Gebiet wurden durch Paul Dirac, Wolfgang Pauli, Victor Weisskopf, und Pascual Jordan erzielt. Dieses Forschungsgebiet fand seine bislang größten Erfolge in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts mit der Formulierung der Quantenelektrodynamik durch Richard Feynman, Freeman Dyson, Julian Schwinger, und Sin-Itiro Tomonaga. Die Quantenelektrodynamik beschreibt Elektronen, Positronen und das elektromagnetische Feld erstmals in einer durchgängigen Weise. Die hier entwickelten Konzepte und Methoden wurden als Vorbild für weitere, später entwickelte Quantenfeldtheorien verwendet.

Die Theorie der Quantenchromodynamik wurde Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts ausgearbeitet. Die heute bekannte Form der Theorie wurde 1975 durch David Politzer, David Gross and Frank Wilczek formuliert. Aufbauend auf den wegweisenden Arbeiten von Schwinger, Peter Higgs, Goldstone und Sheldon Glashow konnten Steven Weinberg und Abdus Salam unabhängig voneinander zeigen, wie die schwache Kernkraft und die Quantenelektrodynamik zu der Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung zusammengeführt werden können.

Wichtige Personen zur Entwicklung der Theorie

Richtungsweisende Experimente

Zusammenhänge mit anderen physikalischen Theorien

Klassischer Grenzfall:

Niels Bohr formulierte 1923 das sog. Korrespondenzprinzip, wonach die Eigenschaften von Quantensystemen im Limit großer Quantenzahlen (insbesondere im Limit großer Teilchenzahlen) mit hoher Genauigkeit den Gesetzen der klassischen Physik entsprechen. Hintergrund dieses Prinzips ist die Erfahrungstatsache, dass viele makroskopische Systeme (Federn, Kondensatoren etc.) sehr genau durch klassische Theorien wie die klassische Mechanik oder die klassische Elektrodynamik beschrieben werden können. Daraus resultiert die Erwartung, dass die Quantenmechanik im Falle "großer" Systeme diese klassischen Eigenschaften reproduziert bzw. ihnen nicht widerspricht.

Das Korrespondenzprinzip ist daher ein wichtiges Hilfsmittel bei der Konstruktion geeigneter quantenmechanischer Modelle. Die fundamentalen Postulate der Quantenmechanik sind sehr breit gefasst. Sie legen fest, dass der Zustandsraum ein Hilbertraum sein muss und dass die Observablen Hermitesche Operatoren sind, die auf die Zustände wirken. Diese Postulate legen jedoch nicht fest, welcher Hilbertraum und welche Operatoren in einem konkreten Anwendungsfall zu verwenden sind. Hier muss eine auf den jeweiligen Fall zugeschnittene Auswahl getroffen werden, um eine quantitative Beschreibung des Quantensystems zu ermöglichen. Ein wichtiges Hilfsmittel ist in diesem Zusammenhang das Korrespondenzprinzip, welches aussagt, dass die Vorhersagen der Quantenmechanik mit zunehmender Größe des Systems den Ergebnissen der klassischen Theorien annähern. Dieser Grenzwert bei großen Systemen wird als „klassischer Grenzfall“ oder „Korrespondenz-Limit“ bezeichnet. Daher kann man versuchen, ein quantenmechanisches System auf heuristischem Wege so zu modellieren, dass im klassischen Grenzfall das entsprechende klassische Modell reproduziert wird.

Vereinheitlichung mit der Relativitätstheorie:

In den Anfangszeiten der Entwicklung der Quantenmechanik wurde die Theorie noch nicht unter Berücksichtigung der speziellen Relativitätstheorie angewandt. So verwendet z.B. das wohlbekannte Modell des quantenmechanischen harmonischen Oszillators einen explizit nichtrelativistischen Ausdruck für die kinetische Energie des Oszillators, dieses Modell ist daher das quantenmechanische Analogon zum klassischen harmonischen Oszillator.

Frühe Versuche, die Quantenmechanik mit der speziellen Relativitätstheorie zu verbinden, erfolgten durch Ersetzen der Schrödingergleichung durch kovariante Gleichungen wie z.B. die Klein-Gordon Gleichung oder der Dirac-Gleichung. Diese Theorien waren zwar erfolgreich bei der Beschreibung vieler experimenteller Ergebnisse, jedoch waren sie noch insofern lückenhaft, als sie die relativistische Erzeugung und Vernichtung von Teilchen nicht beschreiben konnten. Eine vollständige relativistische Quantentheorie erforderte die Entwicklung einer Quantenfeldtheorie, die nicht nur eine Quantisierung von Observablen wie Energie oder Impuls beschreibt, sondern die die Wechselwirkung vermittelnden Felder selbst quantisiert. Die erste vollständige Quantenfeldtheorie, die Quantenelektrodynamik, erlaubt die durchgängige quantenmechanische Beschreibung der elektromagnetischen Wechselwirkung.

Der umfassende Formalismus der Quantenfeldtheorie ist häufig nicht zur Beschreibung elektrodynamischer Systeme erforderlich. Eine einfacherer Ansatz, der seit den Anfängen der Quantenmechanik verwendet wurde, ist die Behandlung geladener Teilchen als quantenmechanische Objekte, die der Wirkung eines klassischen elektromagnetischen Feldes unterliegen. So können zum Beispiel die elektronischen Zustände des Wasserstoffatoms in sehr guter Näherung durch Verwendung eines klassischen „1/r“-Potentials berechnet werden. Dieser „semiklassische“Ansatz schlägt allerdings fehl, wenn die Quantenfluktuationen im elektromagnetischen Feld eine wichtige Rolle spielen, wie dies z.B. bei der Emission von Photonen durch geladene Teilchen der Fall ist.

Starke und schwache Wechselwirkung:

Für die starke Wechselwirkung und für die schwache Wechselwirkung wurden weitere Quantenfeldtheorien entwickelt. Die Quantenfeldtheorie der starken Wechselwirkung wird als Quantenchromodynamik bezeichnet. Diese Theorie beschreibt die Wechselwirkungen der Elementarteilchen (Quarks und Gluonen), aus denen die Atomkerne aufgebaut sind. Die schwache Wechselwirkung und die elektromagnetische Kraft wurden in der Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung vereinheitlicht.

Quantenmechanische Beschreibung der Gravitation

Die einzige bekannte Situation, bei der die Quantenmechanik möglicherweise an ihre Grenzen stößt, liegt vor, wenn die Effekte der Gravitation eine relevante Rolle spielen. Dies ist vermutlich in der Nähe von schwarzen Löchern der Fall, oder bei Betrachtungen des Universums als Ganzes. So lässt sich auf Basis der Quantenmechanik und der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) nicht vorhersagen, was mit einem Partikel geschieht, welches die Singularität eines schwarzen Loches erreicht. Wird es tatsächlich - wie es die ART vorhersagt - in einen Zustand unendlicher Dichte gequetscht? Die Quantenmechanik sagt dagegen voraus, dass das Partikel - analog zu dem Elektron des Wasserstoffatoms - eine Unsicherheit in der Position behält, sodass es die Singularität nicht erreichen und damit dem Kollaps in einen Zustand unendlicher Dichte entkommen kann. Man nimmt daher an, dass sich die zwei wichtigsten Errungenschaften der Physik des 20. Jahrhunderts, die Theorie der Quantenmechanik und die allgemeine Relativitätstheorie, widersprechen.

Die Suche nach einer Auflösung dieses Widerspruchs ist Gegenstand aktueller Forschung (siehe z.B. den Artikel über die Quantengravitation). Die Formulierung einer quantenmechanischen Theorie der Gravitation als letzter Grundkraft hat sich allerdings als schwierig herausgestellt. Semiklassische Näherungen konnten erfolgreich angewendet werden, woraus sich z.B. die Voraussage der Hawking-Strahlung ergibt. Jedoch wird die Formulierung einer vollständigen Theorie der Quantengravitation durch Unverträglichkeiten zwischen der allgemeinen Relativitätstheorie und einigen fundamentalen Annahmen der Quantentheorie bislang verhindert. Die Auflösung dieser Unverträglichkeiten ist Gegenstand aktueller Forschung, und Theorien wie die String-Theorie könnten möglicherweise die Grundlage für eine zukünftige Theorie der Quantengravitation bereitstellen.

Interpretationen und philosophische Aspekte der Quantenmechanik

Hinsichtlich ihres empirischen Erfolges gilt die Quantenmechanik als eine der am besten gesicherten physikalischen Theorien überhaupt, seit ihrer Formulierung vor inzwischen einem Jahrhundert konnte die Quantenmechanik bis heute experimentell nicht falsifiziert werden. Die meisten Physiker gehen davon aus, dass sie unter „fast“ allen Umständen eine korrekte Beschreibung der physikalischen Eigenschaften von Energie und Materie ermöglicht. Dennoch weist die Quantenmechanik verschiedene konzeptionelle Schwachpunkte und Lücken auf, darunter insbesondere die fehlende Quantentheorie der Gravitation sowie die bis heute nicht abgeschlossene Diskussion bzgl. der Interpretation der Quantenmechanik:

Interpretation

Akzeptiert man das mathematische Modell der Quantenmechanik als vollständige Beschreibung der physikalischen Phänomene in ihrem Anwendungsbereich, stellt man fest, dass beim Messprozess der zufällige Ausgang eines Einzelexperiments eine andere Bedeutung erhält, als dies in klassischen statistischen Theorien der Fall ist. Selbst bei bestmöglicher Präparation eines quantenmechanischen Zustands verteilen sich die Messergebnisse bestimmter Beobachtungsgrößen zufällig über eine Anzahl möglicher Messergebnisse. Im Gegensatz z. B. zur statistischen Mechanik liegt dies allerdings nicht an der Unfähigkeit des Experimentators den Zustand exakt zu präparieren und auch nicht an der Unzulänglichkeit der Messgerätes, sondern stellt im Rahmen der Standardinterpretation der Quantenmechanik eine prinzipielle Beschränkung der Messung dieser Beobachtungsgröße in diesem Zustand dar. Die Sichtweise, dass die Quantenmechanik trotz ihrer Unfähigkeit, Messergebnisse in Einzelexperimenten definit zu beschreiben, die vollständige Naturbeschreibung liefert, drückt sich daher auch in der Meinung aus, dass es gar keine objektiv existierenden Eigenschaften des Einzelsystems gibt, die mit einem einzelnen Messergebnis korrespondieren. Eine objektive Eigenschaft eines quantenmechanischen Zustands im Kontext einer Messung ist vielmehr nur die statistische Verteilung der Messergebnisse bei Messung eines ganzen Ensembles. Man spricht in diesem Zusammenhang daher auch vom objektiven Zufall in der Quantenmechanik.

Die Debatte zu den obigen Fragen eröffneten Albert Einstein: „Die Quantenmechanik ist unvollständig“ und „Gott würfelt nicht“ und Niels Bohr, der die Komplementarität betonte und Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation verteidigte. Im Lauf der mehrjährigen heftigen Diskussion musste Einstein die Unbestimmtheitsrelation akzeptieren, während Bohr seine Idee der Komplementarität deutlich abschwächte, was zur heute vorherrschenden Kopenhagener Interpretation führte.

Heute gehen Physiker mehrheitlich davon aus, dass die Quantentheorie alles beschreibt, was es über ein System zu wissen gibt, und dass die Messvorgänge irreduzibel sind und nicht nur unser beschränktes Wissen reflektieren. Diese Interpretation hat im Weiteren zur Folge, dass der Akt des Beobachtens die Schrödingergleichung umgeht und das System instantan in einen Eigenzustand fällt (der so genannte Zusammenbruch der Wellenfunktion). Neben der Kopenhagener Interpretation sind aber auch verschiedene andere nennenswerte Deutungen vorgeschlagen worden.

  • David Bohm hat eine nichtlokale Theorie mit verborgenen Variablen entwickelt (Bohmsche Mechanik), wobei die Wellenfunktion als Führungswelle des Teilchens interpretiert wird. Diese Theorie liefert exakt die gleichen empirischen Voraussagen wie die Kopenhagener Interpretation der nichtrelativistischen Quantenmechanik, so dass experimentell nicht zwischen beiden unterschieden werden kann. Obwohl diese Theorie deterministisch ist, verhindert die Heisenbergsche Unschärferelation, dass der Zustand der verborgenen Variablen jemals genau bekannt sein kann. Zusammen mit der in der Bohmschen Theorie postulierten Quantengleichverteilungs-Hypothese hat das zur Folge, dass Messresultate wie bei der Kopenhagener Deutung entsprechend dem Quadrat der Wellenfunktion statistisch verteilt erscheinen. Bisher ist noch nicht abschließend gesichert, dass diese Theorie auch auf die relativistische Quantenmechanik erweitert werden kann. Ähnliche Theorien mit verborgenen Variablen stammen von Louis de Broglie und anderen.
  • Hugh Everetts Viele-Welten-Interpretation behauptet, dass alle von der Quantentheorie nicht ausgeschlossenen Möglichkeiten tatsächlich gleichzeitig geschehen, und zwar in einem Viel-Welt-Universum von meist unabhängigen Paralleluniversen. Diese Interpretation kommt ohne "Zusammenbruch" der globalen Wellenfunktion beim Messprozess aus; vielmehr entwickelt sich die globale "Viele-Welten-Wellenfunktion" deterministisch. Die Tatsache, dass wir Zufälligkeit und scheinbar einen Zusammenbruch der Wellenfunktion beobachten, ist dann darauf zurückzuführen, dass wir subjektiv nur ein Universum beobachten können, während andere Kopien von uns in anderen Universen anderes beobachten. In Everetts Interpretation ist die Messung ein Vorgang, welcher von einer regulären Schrödingergleichung beschrieben werden kann und keine spezielle Behandlung verlangt.
  • Eine andere Richtung versucht, durch eine Abänderung der klassischen Logik in eine Quantenlogik die Interpretationsprobleme zu beseitigen.
  • Die von John G. Cramer entwickelte sog. Transaktionsinterpretation basiert auf Emitter-Absorber-Wechselwirkungen, die sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit gerichtet sind. Diese Interpretation ist ebenso wie die bohmsche nichtlokal und kausal und sie vermeidet einen beobachterabhängigen Kollaps des Quantenzustands durch den Messprozess [5].

Es folgt eine Auflistung wichtiger Schlüssel- und Gedankenexperimente zur Interpretation der Quantenmechanik:

  • Dass Quantenphänomene nichtlokal sein können, verdeutlicht das Paradoxon von de Broglie.
  • Das EPR-Experiment (ein Gedankenexperiment von Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen) und damit zusammenhängend die Bellsche Ungleichung und das real durchgeführte Aspect-Experiment zeigen klar die Unverträglichkeit der Quantenmechanik mit einer Theorie ausschließlich lokaler verborgener Variablen. Nichtlokale Interpretationen der Quantentheorie mit verborgenen Variablen werden dadurch nicht ausgeschlossen.
  • Das Messproblem und das Problem der Verständlichkeit werden - neben anderen grundlegenden Eigenschaften der Quantenmechanik - am Doppelspaltexperiment sichtbar. Die hier gezeigte scheinbare Doppelnatur von physikalischen Objekten als Teilchen und Welle führte Niels Bohr auf die Idee des Welle-Teilchen-Dualismus: Wellen- und Teilchenmodell als zwei komplementäre Sichtweisen, die beide für ein vollständiges Verständnis notwendig sind und sich dennoch gegenseitig ausschließen. Außerdem zeigt das Doppelspaltexperiment das unterschiedliche Verhalten des Systems mit und ohne Messung.
  • Schrödingers Katze, ein Gedankenexperiment von Erwin Schrödinger wirft die Frage nach der Realität nichtbeobachteter Phänomene auf.
  • Wigners Freund ist eine Variation von Schrödingers Katze, wobei die Betonung auf den Einfluss des menschlichen Bewusstseins auf den Messprozess gelegt wird.
  • Wechselwirkungsfreie Messung (Bomben-Experiment)

Philosophische Fragen

Viele Interpretationen der Quantenmechanik werfen allgemeinere philosophische Fragen auf, die Grundbegriffe und Ansätze der Ontologie, Epistemologie und Wissenschaftstheorie betreffen. Dies betrifft etwa die folgenden Probleme:

  • Determinismus: Gibt es in der Natur Zufall oder sind die Naturgesetze streng deterministisch?
  • Lokalität / Separabilität: Sind alle Wechselwirkungen lokal beschränkt, oder gibt es Fernwirkungen? Sind weit voneinander entfernte Ereignisse unabhängig voneinander?
  • Kausalität: Welche Theorie der Verursachung kann den eben genannten Problemen Rechnung tragen?
  • Realität: Gibt es eine reale Außenwelt? Gibt es physikalische Objekte, die physikalische Eigenschaften objektiv besitzen?
  • Komplementarität: Kann die Welt inklusive aller beobachtbarer Phänomene mit einer einzigen widerspruchfreien Theorie erklärt werden (Grand Unified Theory (GUT) oder Theory of Everything (TOE) genannt)? Oder sind bestimmte Aspekte nur von bestimmten (sich jeweils ausschließenden) Theorien erfassbar? Wie ist es zu verstehen, dass (wie in der sogenannten "Kopenhagener Deutung" formuliert wird) Aspekte komplementär sind?

Dass diese Fragen keineswegs trivial sind, verdeutlichen auch zahlreiche Gedankenexperimente, die z. T. konkretisiert und auch real durchgeführt wurden.

Einige Zitate

Wenn es doch bei dieser verdammten Quantenspringerei bleiben soll, so bedaure ich, mich überhaupt jemals mit der Quantentheorie abgegeben zu haben.- Erwin Schrödinger in einer Diskussion mit Niels Bohr
Diejenigen, die nicht schockiert sind, wenn sie zum ersten mal mit Quantenmechanik zu tun haben, haben sie nicht verstanden. - Niels Bohr
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Liebe Gott mit Würfeln spielt! - Albert Einstein
Einstein, schreiben Sie Gott nicht vor, was er zu tun hat. - Niels Bohr
Ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass niemand Quantenmechanik versteht. (I think it is safe to say that no one understands quantum mechanics.) - Richard Feynman
Die Feststellung, dass die gegenwärtigen Wandlungen unseres Wertsystems viele Wissenschaftszweige beeinflussen werden, mag jene überraschen, die an eine objektive, wertfreie Wissenschaft glauben; sie ist jedoch eine der wichtigen Implikationen der Neuen Physik. Heisenbergs Beiträge zur Quantentheorie, (...) führen eindeutig zu der Erkenntnis, dass das klassische Ideal wissenschaftlicher Objektivität nicht mehr aufrechterhalten werden kann. - Fritjof Capra
Ich bin immer noch verwirrt, aber auf einem höheren Niveau. (I am still confused, but on a higher level.) - Enrico Fermi

Siehe auch

Wikibooks: Quantenmechanik – Lern- und Lehrmaterialien

Literatur

Standard-Lehrbücher

Allgemeinverständliche Einführungen

Interpretationen der Quantenmechanik

Originalarbeiten und sonstige Quellen

  1. http://plato.stanford.edu/entries/qt-measurement/ Measurement in Quantum Theory.
  2. A. Einstein, M. Born: Briefwechsel 1916-1955, Langen/Müller 2005, ISBN 3-784-42997-1
  3. a b c E. Joos et al.: Decoherence and the Appearance of a Classical World in Quantum Theory, Springer 2003, ISBN 3-540-00390-8
  4. a b Schlosshauer, Maximilian: "Decoherence, the Measurement Problem, and Interpretations of Quantum Mechanics", Reviews of Modern Physics 76(2004), 1267–1305 [1]
  5. a b c FJ Dyson, A. Lenard: „Stability of Matter I“, J. Math. Phys. 8, 423 (1967). FJ Dyson: „Ground State Energy of a Finite System of Charged Particles“, J. Math. Phys. 8, 1538-1545 (1967).[2]
  6. M. Planck: "Zur Theorie des Gesetzes der Energieverteilung im Normalspektrum", Verhandlungen der Deutschen physikalischen Gesellschaft 2(1900) Nr. 17, S. 237 - 245, Berlin (vorgetragen am 14.12.1900)
  7. A. Einstein: "Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt", Annalen der Physik 17 (1905), Seite 132-148. [3]
  8. L. de Broglie: “Recherches sur la théorie des Quanta“, Doktorarbeit. Engl. Übersetzung (übers. A.F. Kracklauer): Ann. de Phys., 10e serie, t. III, (1925)
  9. G. P. Thomson: "The Diffraction of Cathode Rays by Thin Films of Platinum." Nature 120 (1927), 802
  10. C. J. Davisson, L. H. Germer: “Diffraction of Electrons by a Crystal of Nickel“, Phys. Rev. 30 (1927), 705. Abstract: [4]
  11. W. Heisenberg: “Über quantentheoretische Umdeutung kinematischer und mechanischer Beziehungen" Zeitschrift für Physik 33 (1925), S. 879-893
  12. E. Schrödinger: "Quantisierung als Eigenwertproblem I", Annalen der Physik 79 (1926), 361-376. E. Schrödinger: "Quantisierung als Eigenwertproblem II", Annalen der Physik 79 (1926), 489-527. E. Schrödinger: "Quantisierung als Eigenwertproblem III", Annalen der Physik 80 (1926), 734-756. E. Schrödinger: "Quantisierung als Eigenwertproblem IV", Annalen der Physik 81 (1926), 109-139
  13. E. Schrödinger: "Über das Verhältnis der Heisenberg-Born-Jordanschen Quantenmechanik zu der meinen", Annalen der Physik 79 (1926), 734-756.
  14. P. A. M. Dirac: “Principles of Quantum Mechanics“, Oxford University Press, 1958, 4th. ed, ISBN 0-198-51208-2
  15. John von Neumann: “Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik“, Springer Berlin, 1996, 2. Auflage. Engl. (autorisierte) Ausg. (übers. R. T Beyer): “Mathematical Foundations of Quantum Mechanics“, Princeton Univ. Press, 1955 (dort p. 28 sqq.)
  16. M. Planck: "The Universe in the Light of Modern Physics“, WW Norton & Company, Inc., New York, 1931

Weblinks