Leistungsbeurteilung (Schule)

Bewertung von Einzelleistungen die periodisch in Zeugnissen zusammengefasst werden
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Die Leistungsbeurteilung von Schülern durch Lehrer geschieht als Bewertung von Einzelleistungen (mündliche Beiträge, Hausaufgaben, schriftliche Leistungsnachweise, Abschlussprüfungen) sowie als periodische Zusammenfassung in Zeugnissen. Die Bewertung erfolgt in der Regel numerisch mit national vorgegebener Metrik (Schulnote), teilweise aber auch (untere Jahrgänge, Sonderschulen, Waldorfschulen) in Form verbaler Berichte.

Wie jede andere Leistungsbeurteilung ist die Benotung von Schülerleistungen eine verantwortungsvolle Tätigkeit, die unabsehbare Folgen haben kann; sie unterliegt daher detaillierten rechtlichen Vorschriften und kann auf dem Verwaltungsrechtsweg angefochten werden. In Deutschland wird die schulische Leistungsbeurteilung als ein "hoheitlicher Akt" angesehen, was zur Begründung des Beamtenstatus der Lehrer herangezogen wird.

Rechtliche Vorschriften

In Deutschland fällt die Regelung der Leistungsbeurteilung, als Teil des Schulrechts, in die Kompetenz der Bundesländer. Somit ist jedes Bundesland befugt seine eigenen Richtlinien, Verordnungen und Gesetze bezüglich der Leistungsfeststellung zu treffen. Entprechend unterschiedlich wurde dies auch geregelt:

Hessen

In Hessen enthält § 73 des Schulgesetzes sehr allgemeingefasste Rahmenbedingungen und ermächtigt den Kultusminister, die Kriterien und Verfahren der Leistungsfeststellung und -bewertung durch Rechtsverordnung zu regeln, was in §§ 19-29 der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses geschehen ist. Diesen Normen zufolge soll die Leistungsfeststellung und -bewertung

  • die im Unterricht vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten zum Maß nehmen;
  • sich stützen auf
    • Beobachtungen im Unterricht und
    • mündliche, schriftliche und ggf. praktische Leistungskontrollen;
  • sich auf die gesamte Lernentwicklung des Schülers beziehen;
  • sowohl die fachlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten, wie auch die Leistungsbereitschaft und das Verhalten des Schülers darstellen;
  • den Verlauf der Lernentwicklung berücksichtigen;
  • im Dienst der individuellen Leistungserziehung stehen; und
  • dem Schüler eine ermutigende Perspektive für die weitere Entwicklung eröffnen.

Diese überfrachtete Rechtsvorschrift spiegelt die pädagogisch und gesellschaftlich vielschichtigen Funktionen von Schulnoten wieder (s.u.).

Zur Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens siehe Kopfnoten.

Während der Lehrer in der Bewertung mündlicher und praktischer Leistungen weitgehend pädagogische Freiheit genießt, unterliegen schriftliche Leistungskontrollen detaillierten Rechtsvorschriften. Siehe dazu Schriftlicher Leistungsnachweis in der Schule.

Zu Beginn eines Schuljahres sollen Schüler und Eltern informiert werden, nach welchen Gesichtspunkten die Leistungsbewertung erfolgt. Vor den Zeugniskonferenzen sollen die Noten von den Fachlehrern begründet werden. Darüber hinaus sind die Schüler mindestens einmal im Halbjahr über ihren mündlichen Leistungsstand zu unterrichten.

Bayern

In Bayern werden die Rahmenbedingungen für die Kriterien und Verfahren der Leistungsfeststellung und -bewertung in Artikel 52 des bayerisches Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) festgelegt. Eine detaillierte Festlegung erfolgt aber nicht wie in Hessen in Form einer generellen Verordnung über die Schulverhältnisse, sondern über seperate Verordnungen für jede Schulart (Art. 52 Abs. 1 Satz 2). Beispielsweise die Schulordnung für Gymnasien in Bayern (GSO)

Der Artikel 52 BayEUG sieht desweiteren folgende Rahmenbedingungen vor:

  • Leistungsnachweise sind in "angemessenen Abständen" durchzuführen (Abs. 1, Satz 1)
  • je nach Art des Fachs sind schriftliche, mündliche oder praktische Leistungen zu erbringen (Abs. 1, Satz 1)
  • die Art und Weise der Leistungserhebung ist dem Schüler vorher bekannt zu geben (Abs. 1, Satz 3)
  • die Notenstufe ist dem Schüler samt einer Begründung bekanntzugeben (Abs. 1, Satz 3)
  • Leistungsnachweise dienen der Leistungsbewertung und als Beratungsgrundlage (Abs. 1, Satz 4)
  • die Notenstufen 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) sind festgelegt. Die Schulordnungen können Ausnahmen festlegen (Abs. 2)
  • "Unter Berücksichtigung der einzelnen schriftlichen, mündlichen und praktischen Leistungen werden Zeugnisse erteilt" (Abs. 3, Satz 1)

Funktion von Noten

Noten erfüllen eine ganze Reihe verschiedener pädagogischer und gesellschaftlicher Funktionen:

  • Pädagogische Funktionen:
    • Rückmeldung ("Feedback"):
      • Noten helfen dem Schüler, eigene Schwächen und Stärken wahrzunehmen und so ein realistisches Selbstbild aufzubauen;
      • Noten gewöhnen den Schüler an Leistungsvergleiche;
    • Anreiz:
      • Gute Noten motivieren günstigenfalls, den Erfolg zu halten oder auszubauen;
      • Schlechte Noten sollen motivieren, Defizite auszugleichen;
    • Disziplinierung:
      • Kopfnoten dienen explizit der Beurteilung von Verhalten;
      • Andere Noten als Instrument der Disziplinierung einzusetzen ist pädagogisch problematisch, aber gar nicht zu vermeiden, da Indisziplin in der Regel auch Leistungsausfälle mit sich bringt;
    • Kommunikation mit dem Elternhaus:
      • Zeugnisse informieren die Erziehungsberechtigten, geben Anlass für Rücksprache mit der Schule und für verstärkte Unterstützung des Lernens.
  • Gesellschaftliche Funktionen:
    • Kontrollfunktion: Noten und Zeugnisse machen die Einhaltung der Schulpflicht sowie die Effekte schulpolitischer, organisatorischer und pädagogischer Maßnahmen transparent.
    • Berechtigungsfunktion: Noten dokumentieren und legitimieren gegenüber befugten Dritten (z. B. der Schulaufsicht) das erzieherische Handeln der Lehrer.
    • Allokations- oder Selektionsfunktion: Die Vergabe von (Abschluss-)Noten gestattet es, Ausbildungs- und Arbeitsplätze oder Zugangsberechtigungen nach Leistung zu vergeben, unter der Annahme, dass Noten Leistungsniveaus abbilden. Zur Selektionsfunktion kann auch gezählt werden, dass schlechte Noten zur Klassenwiederholung führen.

Noten- versus Gutachtenzeugnisse

Ob Leistungsbeurteilung durch Noten das Erreichen der Erziehungsziele der Schule fördert, ist umstritten. Dass Rückmeldung der Schule in irgendeiner Form stattfinden muss, wird jedoch weithin akzeptiert. Strittig ist zumeist nur, ob anstelle numerischer Noten frei formulierte Gutachten treten sollen.

Bildungspolitische Implikationen

Die Form der Leistungsbeurteilung hängt eng mit zwei anderen Grundsatzfragen des Schulsystems zusammen: mit der Möglichkeit des Sitzenbleibens und der Einteilung recht junger Schüler in verschieden anspruchsvolle Schulformen. Ein gegliedertes Schulsystem, wie in den deutschsprachigen Ländern, ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die im Alter von zehn Jahren getroffene Entscheidung im weiteren Verlauf der Schulzeit korrigierbar ist. De factor überwiegt allerdings der Wechsel aus der höheren in die niedere Schulform; und weil dieser Wechsel ein sehr harter Eingriff ist, ist als mildere Maßnahme die Nichtversetzung vorgeschaltet; diese wiederum ist ohne Notenzeugnisse kaum vorstellbar, alleine schon wegen der Anforderung der gerichtlichen Überprüfbarkeit.

Internationaler Vergleich

Als empirisches Argument gegen Notenzeugnisse wird gerne auf die skandinavischen Länder verwiesen, die in Schulleistungsvergleichen regelmäßig am besten abschneiden und die bis zur achten Jahrgangsstufe auf Noten und Ziffernzeugnisse verzichten - womit kein Kausalzusammenhang bewiesen ist, wohl aber, dass Gesamtschulen ohne Noten effizient sein können.

Ein extremes Gegenbeispiel sind einige asiatische Länder, in denen ein bei uns kaum vorstellbarer Leistungs- und Notendruck herrscht, und die ebenfalls überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen.

Empirische Lage in Deutschland

In Deutschland erstellen einige Versuchsschulen wie zum Beispiel die Laborschule Bielefeld "Berichte zum Lernprozess" anstelle von Notenzeugnissen; begleitende Studien sind zu einer positiven Beurteilung gekommen.

Der Verzicht auf Noten ist ein Kernpunkt der Pädagogik einiger nichtstaatlicher Schulen, so zum Beispiel der Waldorfschulen.

In deutschen Grundschulen sind Gutachtenzeugnisse in den 1970er Jahren eingeführt worden (je nach Land in unterschiedlichem Maße); in den 1990er Jahren sind in den oberen Grundschulklassen (je nach Land in unterschiedlichem Maße) wieder Noten eingeführt worden. Auch hier gibt es einen bildungspolitischen Zusammenhang mit der Frage, ob die von der Grundschule ausgesprochene Empfehlung für eine weitergehende Schule bindend sein soll (wie in Bayern) oder von den Eltern beliebig ignoriert werden darf.

Gestaltung von Gutachtenzeugnissen

Es gibt PC-Programme, die ein Notenzeugnis in ein Textzeugnis umwandeln. Das zeigt, dass der Umstieg auf Gutachtenzeugnisse alleine keinen pädagogischen Fortschritt garantiert. Pädagogisch relevant sind die Qualitätsunterschiede, die sich zwischen Zeugnissen mit zensurennahen Aussagen (z.B. "Beteiligung am Unterricht: befriedigend" oder "NN. beteiligte sich nicht immer regelmäßig am Unterricht")und individuelleren Lernberichten zeigen. Ein solcher individuellerer Bericht müsste dann situative Randbedingungen aufzeigen, unter denen die Beteiligung des Schülers am Unterricht zugenommen oder abgenommen hat.

Argumente für und gegen Noten

Implikationen des Objektivitätsanspruchs

Noten suggerieren in weitaus stärkerem Maße als individuell formulierte Gutachten eine quantitative Vergleichbarkeit der beurteilten Leistungen ("warum ist NN um eine Stufe besser als ich ?") und können damit zu einer Verstärkung von Leistungsmotivation oder Leistungsdruck führen.

Für Noten spricht, dass genau dies, die quantitative Bewertung von Leistung, in unserer Gesellschaft ein normaler Vorgang ist, auf den die Schule vorbereiten soll und dessen sie sich zur Motivierung auch bedienen darf.

Gegen Noten spricht, dass dauerhaft schlechte Noten eher leistungshemmend wirken.

Praxisnahe Kritiker wollen Noten nicht grundsätzlich abschaffen, aber auf höhere Jahrgangsstufen beschränken; sie zielen zumeist darauf ab, jüngere Schüler vor Leistungsdruck zu schützen

Reproduzierbarkeit und Bewertungsmaßstäbe

Gegen Schulnoten wird angeführt, dass Noten in der Praxis ihrem inhärenten Objektivitätsanspruch nicht gerecht werden. Häufig wurde aus der schlechten Reproduzierbarkeit von Noten geschlossen, dass die Notenvergabe weitgehend von Zufall oder Willkür gesteuert und daher ungerecht sei. Zum Beispiel wurde ein und derselbe Deutschaufsatz von verschiedenen Lehrern mit Noten zwischen sehr gut und mangelhaft beurteilt. Ein solcher Vergleich übersieht natürlich, dass Beurteilung in der Schule immer im Zusammenhang mit vorangegangenem Unterricht steht.

Eine weitere, problematischere Ursache für unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe ist, dass die Beurteilung von Schülerleistungen implizit immer als Leistungsvergleich innerhalb einer Schulklasse erfolgt: die meisten Lehrer ajustieren ihre Leistungserwartungen so, dass in beinahe jeder Klasse der gleiche Notenvorrat ausgeschöpft wird; oft genug wird der "Notenspiegel" in Richtung Gaußsche Normalverteilung getrimmt, ohne dass die starken Annahmen, die dieser mathematischen Beschreibung zugrundeliegen, bewusst wären. Eine solche Anpassung kann pädagogisch als der unter den gegeben Verhältnissen bestmögliche Kompromiss zwischen der motivierenden und der selektierenden Wirkung von Noten begründet werden, führt aber dazu, dass Noten außerhalb des Klassenvergleichs nur eingeschränkt aussagefähig sind.

Ob Noten außerhalb des Klassenvergleichs, womöglich landesweit, vergleichbar sein sollen, erfordert somit eine Abwägung zwischen pädagogischer und gesellschaftlicher Funktion; Vergleichbarkeit wird insbesondere dann gefordert, wenn Abschlussnoten zur Allokation von Lebenschancen verwendet werden (siehe dazu auch Zentralabitur).

Für die relative Zuverlässigkeit von Schulnoten werden empirische Untersuchungen angeführt, die zeigen, dass selbst ohne zentralisierte Prüfungen Schulabschlussnoten (Mittlere Reife und Abitur) mit dem Ausbildungs- oder Studienerfolg stark korreliert sind.

Weitere Informationen

Siehe auch Schule, Schulrecht, Schulnote, GFS.