Elektronische Orgel

Musikinstrument mit elektronischen Schwingern
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Die elektronische Orgel ist eine Orgel mit elektromechanischer, analoger oder digitaler elektronischer Klangerzeugung und wurde ab den 1930ern entwickelt. Bis zum Aufkommen polyphoner Synthesizer Mitte der 1970er Jahre war die elektronische Orgel eines der wenigen elektronischen Instrumente mit polyphoner Klangerzeugung. Inzwischen wurde durch Einsatz der Computertechnik die Klangerzeugung so verbessert, dass sie auch als elektronische Konzert- und Sakralorgel zum Einsatz kommt.

Die ersten elektronischen Orgeln besaßen im Gegensatz zu den Registern des klassischen Vorbilds Zugriegel zur Klangeinstellung. Pro Manual stehen meist neun Zugriegel zur Verfügung, wobei diese in den verschiedenen Tonlagen 16', 5 1/3', 8', 4', 2 2/3', 2', 1 3/5', 1 1/3' und 1' klingen. Durch Herausziehen und Hineinschieben der einzelnen Zugriegel lassen sich die entsprechenden Teiltöne der Obertonreihe in der Lautstärke beeinflussen und somit verschiedene Klangfarben erzeugen.

Außer der Lichttonorgel waren die frühen elektronischen Orgeln alle elektromechanische Orgeln, wie etwa die legendäre Hammond B3. Hierdurch hat sich auch der Begriff Hammond-Orgel als Synonym für die ganze Instrumentenklasse gebildet. Die Klangerzeugung erfolgte zunächst durch Zahnräder, deren Zähne elektrische Sinusschwingungen in Spulen induzierten. Die verschiedenen Sinusschwingungen konnte man mit Hilfe der Zugriegel mischen. Die Klangerzeugung entspricht damit einer einfachen additiven Synthese. Die erste Transistor- und damit vollelektronische Orgel der Welt, die Böhm-Orgel, konstruierte Anfang der 1960er Jahre der Physiker Dr. Rainer Böhm in Minden/Westfalen. Böhm bot erstmals Bausätze für elektronische Orgeln an, die auch von Laien zusammengesetzt werden konnten und später mit technischen Neuerungen erweiterbar waren. Im Jahre 1964 erschien mit der Philicorda AG 7500 der niederländischen „Gloeilampenfabrieken Philips“ ebenfalls eine frühe voll-elektronische Orgel, die eine größere Verbreitung fand.

Bedienteil einer Zugriegelorgel

Wichtiger Bestandteil einer „klassischen“ Hammond-Orgel ist ein Lautsprecher-Kabinett (Leslie-Kabinett), das dem Klang der Orgel über rotierende Lautsprecher wiedergibt und ihm damit zusätzliche Schwebungs- und Tremoloeffekte verleiht. Die Rotationsgeschwindigkeit lässt sich dabei in zwei Stufen (Slow/Fast) bestimmen. Später ging man nicht zuletzt aus Platz- und Gewichtsgründen auf die elektronische Simulation dieses Effektes mittels Eimerkettenschaltungen über. Beispiele für solche Geräte waren das Wersivoice der Firm Wersi und der Phasingrotor der Firma Dr. Böhm.

Heutige Orgeln kombinieren eine Reihe von Klangsynthesen wie Sampling und FM-Synthese. Während die Hammond-Orgel als Inbegriff für den typischen „Sinus-Orgelsound“ steht, gelten neuere Orgeln der Marken Böhm, Roland oder Wersi als Inbegriff für Orchesterorgeln, die neben traditionellen Orgelsounds unterschiedlicher Stilrichtungen (Sinus-, Theaterorgel usw.) auch Orchesterklangfarben in mittlerweile beeindruckender Qualität abbilden. Diese Orgeln sind gerade im Heimbereich sowie bei Alleinunterhaltern beliebt. Im Rock oder Jazz findet man dagegen meist klassische Hammond-Orgeln oder moderne „Clones“. Zunehmend werden diese auch in Software-Synthesizern emuliert.

Digitale Konzert- und Sakral-Orgel

Eine weitere Variante, die sich mit dem Fortschritt der Digitaltechnik zunehmend ihren Platz erobert (hat), ist die Elektronische (oder Digitale) Konzert- und Sakral-Orgel (weniger gebräuchlich: „Digitalorgel“). In den Jahren der frühen Digitaltechnik waren die klanglichen Ergebnisse meist noch wenig überzeugend. Erst in den letzten Jahren hat sich die Qualität dieser Instrumentengattung enorm gesteigert. Ihre Disposition (Zusammenstellung der verschiedenen klingenden Stimmen) entspricht der von Pfeifenorgeln. Auch der Spieltisch dieser Instrumente (Registerzüge oder -wippen, Manuale und Pedal) ist wie bei Pfeifenorgeln gestaltet.

Die Klangerzeugung geschieht hier auf der Basis von zuvor aufgenommenen Samples der verschiedenen Orgelpfeifenregister. Diese werden dann additiv mit einem speziellen Hardwaresampler wieder zusammengefügt und können mittels Tastendruck abgerufen werden. Sie sind vor allem als Übungsinstrument in Privathäusern, sowie in Kirchsälen, kleinen Kirchen und Kapellen zu finden. Die mittlerweile überzeugende Klang- und Reproduktionsqualität macht digitale Sakralorgeln aber auch zunehmend zu einer ernst zu nehmenden Alternative für größere Kirchen und Konzertsäle.

Seit 2003 simuliert Hauptwerk das Samplingprinzip auch auf dem PC. Das Sampling hat jedoch einige Nachteile. Einerseits erfordert Sampling einen enormen Aufwand, da jede einzelne Pfeife eines Originalinstrumentes aufgenommen und digitalisiert werden muss.

Seit 2005 hat VISCOUNT ein neues Verfahren auf den Markt gebracht. Physical modeling erlaubt das Bauen jeder Orgelpfeife auf digitaler Basis. Diese Innovation wird sich in den nächsten Jahren auch in den Orgeln wiederfinden. VISCOUNT hat das Patent auf Physical modeling und das Ergebnis ist heute schon im Expander Accupipe CM 100 zu hören.

Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, dass mittels Sampling der Effekt der gegenseitigen Beeinflussung mehrerer gleichzeitig erklingender Pfeifen nur mit erhöhtem Aufwand simuliert werden kann. Diese Beeinflussung ist umso größer, je näher die Pfeifen räumlich beieinander stehen. Es existiert Software, die anhand mathematischer Rechenmodelle das natürliche Verhalten einer Pfeifenorgel simuliert. Ein Vertreter dieser Art ist die Software Aeolus, die als freie Software unter der GPL für das Betriebssystem Linux zur Verfügung steht.