Hermann Paul (Germanist)

deutscher Sprachwissenschaftler und Germanist
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Hermann Otto Theodor Paul (* 7. August 1846 in Salbke; † 29. Dezember 1921 in München) war ein deutscher Sprachwissenschaftler und Germanist. Paul war Professor für Germanistik in Freiburg im Breisgau sowie München und einer der Junggrammatiker.

Leben

Paul wurde als Sohn eines Maurermeisters und Kossethen (Materialwarenhändler) im heute zu Magdeburg eingemeindeten Dörfchen Salbke geboren. Nach dem Besuch der Dorfschule wechselte er 1859 an das Pädagogium des Kloster Unser Lieben Frauen nach Magdeburg. Dort legte er 1866 das Abitur. Anfänglich mathematisch interessiert, schrieb er sich zum Wintersemester 1866 an der Universität Berlin doch in Philologie bei Heymann Steinthal ein. Zum Sommersemester 1867 wechselte er nach Leipzig, wo er 1870 bei Friedrich Zarncke mit der Dissertation "Über die ursprüngliche Anordnung von Freidanks Bescheidenheit" promovierte zum Dr. phil. und sich zwei Jahre später, im Oktober 1872, mit einer Schrift "Zur Kritik und Erklärung von Gottfrieds Tristan" habilitiert. 1874 erhält er einen Ruf an die Universität Freiburg im Breisgau als außerordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur. Im März 1877 wird er zum ordentlichen Professor ernannt. 1888 lehnt einen Ruf nach Gießen ab. 1893 nahm er den Ruf auf eine ordentliche Professur für deutsche Philologie an die Universität München als Nachfolger von Matthias Lexers an, wo er 1909 zum Rektor der Universität avanciert. 1905 mit 59 Jahren heiratet Paul. Bereits seit 1864 litt er an einer Augenerkrankung, was später zur fast völligen Erblindung führte, so daß er ab 1916 von der Verpflichtung entbunden wurde, Vorlesungen zu halten und war bei der weiteren Arbeit auf Helfer angewiesen.

Als einer der Gründer und Exponenten der "junggrammatischen" Schule wurde Paul eine der bedeutendsten Forscherpersönlichkeiten in der Geschichte der deutschen Sprachwissenschaft. Als der Systematiker der junggrammatischen Schule verdanken wir ihm viele wichtige Anstöße und Einsichten insbesondere zur Semantik, Lexikographie und Sprachhistoriographie. Bereits 1873, ein Jahr nach seiner Habilitation, gab er zusammen mit Wilhelm Braune das erste Heft seiner bis heute unter der Sigel PBB (Paul und Braunes Beiträge) geführten Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur heraus, im damals noch in Halle/Saale ansässigen Max Niemeyer Verlag. Von Haus aus Mediävist editierte er mittelhochdeutsche Texte unter anderem Werke Hartmanns von Aue und die Gedichte Walthers von der Vogelweide und verfaßte 1881 die vielbenutzte Mittelhochdeutsche Grammatik und begann mit Herausgabe mittelhochdeutscher Texte in der Altdeutschen Textbibliothek, als deren Begründer er gilt. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wandte sich Paul verstärkt der Gegenwartssprache zu und führte die Sprachgeschichtsschreibung als Lexikograph und Theoretiker des Sprachwandels an die Sprache seiner Zeit heran. Er entwirft eine systematische Bedeutungslehre der deutschen Sprache durch seine beiden Haupwerke Prinzipien der Sprachgeschichte und die lexikographische Arbeit am Deutschen Wörterbuch und gestaltet die Entwicklung der Sprachwissenschaft seiner Zeit entscheidend mit. Durch die Kopplung von Sprach- und Geschichtswissenschaft macht er sie zu einem nützlichen Instrument der Kulturforschung. Seine Sprachwissenschaft hat eine starke empirische Komponente. Als Hochschullehrer leistet Hermann Paul auch viel. Als Rektor der Münchener Universität setzt er sich dafür ein, den Anteil von Seminaren und Übungen - ähnlich wie in der Medizin und den Naturwissenschaften - auch in den geisteswissenschaftlichen Studiengängen zu erhöhen, um die Selbsttätigkeit der Studierenden zu befördern.

Die Prinzipien der Sprachgeschichte sind Hermann Pauls Hauptwerk. Sie dienten Generationen von Linguisten als kanonisches Buch der Sprachwissenschaft. Sie sind, ebenso wie mehrere andere Bücher Pauls, ein Standardwerk insbesondere der germanistischen Sprachwissenschaft geworden und tragen Handbuchcharakter. Sie erleben immer neue Auflagen und Neubearbeitungen, sind in viele Sprachen übersetzt und hochgeachtet.

Werke

  • 1873: Gab es eine mittelhochdeutsche Schriftsprache?, Halle
  • 1877: Die Vocale der Flexions- und Ableitungssilben in den ältesten germanischen Dialecten in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 4, S. 314-475.
  • 1879: Zur Geschichte des germanischen Vocalismus, Halle
  • 1879-1882: Beiträge zur Geschichte der Lautentwicklung und Formenassoziation
  • 1880: Prinzipien der Sprachgeschichte, Tübingen: Niemeyer, aktuell: 10. Auflage 2002, ISBN 3484220058
  • 1881: Mittelhochdeutsche Grammatik, aktuell: 24. Auflage 1998, ISBN 3484102330
  • 1884: Beiträge zur Geschichte der Lautentwicklung und Formenassociation. II: Vokaldehnung und Vokalverkürzung im Neuhochdeutschen in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 9, S. 101-134
  • 1891-1893: Grundriß der germanischen Philologie, 2 Bände, Herausgeber, Strassburg
  • 1894: Ueber die Aufgaben der wissenschaftlichen Lexikographie mit besonderer Rücksicht auf das deutsche Wörterbuch in: Sitzungsberichte der philos.-philol. Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Heft 1. 1894, S. 53-91
  • 1896: Zur Wortbildungslehre; Deutsches Wörterbuch
  • 1897: Deutsches Wörterbuch, Halle, Max Niemeyer Verlag, aktuell: 10. Auflage 2002, ISBN 3484730579
  • 1902: Über die Umschreibung des Perfektums im Deutschen mit `haben' und `sein', Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, I. Kl. Bd. 22 (Abh. 1).
  • 1909: Die Bedeutung der deutschen Philologie für das Leben der Gegenwart (Rede beim Antritt des Rektorats der Ludwig-Maximilians-Universität, gehalten am 11.12.1909) in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung München, Nr. 258 vom 15.11.1909. München
  • 1916 - 1920: Deutsche Grammatik, 5 Bände, Halle
  • 1920: Über Aufgabe und Methode der Geschichtswissenschaften, Berlin und Leipzig
  • 1921: Über Sprachunterricht, Halle

Literatur

  • 1922: 1. Mein Leben; 2. Schriften, PBB 46:495-500
  • 1966: Portraits of Linguists. 2 Bände, Bloomington, London: University of Indiana Press
  • 1967: A Short History of Linguistics. London, New York: Longman
  • 1972: Hermann Paul and Synchronic Linguistics, Lingua 29: 274-307, Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Sc #19: Toward a Historiography of Linguistics: Selected Essays by Konrad Koerner, ISBN 902720960x
  • 1973: Zum Begriff des Lautgesetzes in der Sprachwissenschaft seit den Junggrammatikern, Schneider, Gisela,Tübingen. TBL. 1973. 277, XXIX S.. Tübinger Beiträge zur Linguistik; 46, ISBN 387808468
  • 1973: Zur Studienausgabe von H. Pauls `Prinzipien der Sprachgeschichte'". ZDL 40: 310-322., Cherubim, Dieter
  • 1983: History of Linguistic Thought and Contemporary Linguistics, Berlin, New York: de Gruyter, Herman Parret (Herausgeber), ISBN 3110058189
  • 1997: Germanistik als Kulturwissenschaft: Hermann Paul - 150. Geburtstag und 100 Jahre Deutsches Wörterbuch. Erinnerungsblätter und Notizen zu Leben und Werk, hg. von Armin Burkhardt und Helmut Henne, anläßlich der Ausstellung in Magdeburg (21.1.1997) und Braunschweig (4.2.-11.2.1997). Braunschweig: Ars & Scienta
  • 1998: Hermann Paul: Sprachtheorie, Sprachgeschichte und Philologie. Reden, Abhandlungen und Biographie, Tübingen, Herausgeber: Jörg Kilian, Helmut Henne, (RGL 200 = 200. Band in der Reihe Germanistische Linguistik)
  • 2005: The History of Linguistics, Linguistic Society of America, Frederick J. Newmeyer