Physikalische Gasphasenabscheidung
Unter dem Begriff physikalische Gasphasenabscheidung (englisch physical vapour deposition, kurz PVD) bezeichnet eine Gruppe von vakuumbasierten Beschichtungsverfahren bzw. Dünnschichttechnologien, bei denen im Gegensatz zu CVD-Verfahren die Schicht direkt durch Kondensation eines Materialdampfes des Ausgansmaterials gebildet wird.
Die Verfahren sind durch folgende Punkte gekennzeichnet:
- Gas- (Dampf-) Erzeugung der schichtbildenden Teilchen
- Transport des Dampfes zum Substrat
- Kondensation des Dampfes auf dem Substrat und Schichtbildung
Einteilung
Zur Gruppe der Verfahren physikalischen Gasphasenabscheidung zählen die unten aufgeführten Technologien sowie reaktive Varianten dieser Prozesse.
- Verdampfungsverfahren
- Thermisches Verdampfen (auch Bedampfen genannt)
- Elektronenstrahlverdampfen (electron beam evaporation)
- Laserstrahlverdampfen (Pulsed Laser Deposition, Pulsed laser ablation): Atome und Ionen werden durch einen kurzen intensiven Laserpuls verdampft.
- Lichtbogenverdampfen (Arc-PVD, arc evaporation): Atome und Ionen werden durch einen starken Strom, der bei einer elektrischen Entladung zwischen zwei Elektroden fließt (wie bei einem Blitz), aus dem Ausgangsmaterial herrausgelöst und in die Gasphase überführt.
- Molekularstrahlepitaxie (molecular beam epitaxy)
- Sputtern (Sputterdeposition, Kathodenzerstäubung): Das Ausgangsmaterial wird durch Ionenbeschuß zerstäubt und in die Gasphase überführt.
- Ionenplattieren
Verfahren
Allen diesen Verfahren ist gemein, dass das abzuscheidene Material, in fester Form in der meist evakuierten Beschichtungskammer vorliegt. Durch den Beschuss mit Laserstrahlen, magnetisch abgelenkten Ionen oder Elektronen sowie durch Lichtbogenentladung wird das Material, das als Target bezeichnet wird, verdampft. Wie hoch der Anteil an Atomen, Ionen oder größeren Clustern im Dampf ist, ist von Verfahren zu Verfahren unterschiedlich. Das verdampfte Material bewegt sich entweder ballistisch oder durch elektrische Felder geführt durch die Kammer und trifft dabei auf die zu beschichtenden Teile, wo es zur Schichtbildung kommt.
Damit die Dampfteilchen die Bauteile auch erreichen und nicht durch Streuung an den Gasteilchen verloren gehen, muss im Unterdruck gearbeitet werden. Typische Arbeitsdrucke liegen im Bereich von 10-4 Pa bis ca. 10 Pa. Da sich die Dampfteilchen geradlinig ausbreiten, werden Flächen, die vom Ort der Dampfquelle aus gesehen nicht sichtbar sind, mit einer geringeren Beschichtungsrate beschichtet. Sollen alle Flächen möglichst homogen beschichtet werden, müssen die Teile während der Beschichtung in geeigneter Weise bewegt werden. Dies geschieht meist durch Rotation des Substrats.
Treffen die Dampfteilchen nun auf das Substrat, beginnen sie sich durch Kondensation an der Oberfläche abzulagern. Die Teilchen bleiben dabei nicht an Ort und Stelle, an der sie auf das Substrat treffen, sondern bewegen sich, je nachdem wie hoch ihre Energie ist, an der Oberfläche entlang (Oberflächendiffusion), um einen energetisch günstigeren Platz zu finden. Dies sind Stellen an der Kristalloberfläche mit möglichst vielen Nachbarn (höhere Bindungsenergie).
Um die Beschichtungsrate und Schichthomogenität zu steigern werden abhängig vom Beschichtungsprozess und dem abzuscheidenen Material die Anlagen leicht variiert. So wird beispielsweise beim thermischen Verdampfen an die zu bedampfenden Teile eine negative Spannung (Bias- Spannung) angelegt. Diese beschleunigt die positiv geladen Dampfteilchen bzw. Metallionen (siehe entsprechende Artikel).
Da Verfahren zur physikalische Gasphasenabscheidung Vakuumbeschichtungen sind, werden sie in der Produktion zumeist im Stapelbetrieb (Batch-Betrieb) betrieben: Chargieren der Vakuumkammer/Evakuieren/Beschichten/Belüften, Öffnen und Entnahme der beschichteten Teile. Für bestimmte Anwendungen (Beschichtung von Blechen, Fasern oder Drähten und Architekturglas) gibt es jedoch Durchlaufanlagen, bei denen der Unterdruck über ein Schleusensystem erreicht wird und das zu beschichtende Gut kontinuierlich zugeführt wird.
Interessant sind einige PVD-Verfahren dadurch, dass sie sehr niedrige Prozesstemperaturen verwirklicht werden können, dadurch können selbst niedrigschmelzende Kunststoffe beschichtet werden.
Schichten
Mit den verschiedenen PVD-Varianten können fast alle Metalle und auch Kohlenstoff in sehr reiner Form abgeschieden werden. Führt man dem Prozess Reaktivgase wie Sauerstoff, Stickstoff oder Kohlenwasserstoffe zu, lassen sich auch Oxide, Nitride oder Karbide abscheiden.
Verfahren zur physikalischen Gasphasenabscheidung werden vorwiegend zur Abscheidung dünner Schichten im Bereich einiger Nanometer bis hin zu einigen Mikrometern verwendet, da durch die Notwendigkeit eines Unterdrucks der Materialfluss zu den zu beschichtenden Bauteilen begrenzt ist und damit auch die Abscheiderate.
Anwendungen
Schichten der physikalischen Gasphasenabscheidung finden in vielen Bereichen der Industrie Verwendung. Vorallem im Bereich der spanenden Bearbeitung werden heute fast ausschließlich nur noch beschichtete Werkzeuge eingesetzt. Als Beschichtungen kommen heute vorallem Hartstoffschichten auf Basis von mit TiN (Titannitrid), TiCN (Titancarbonitrid) oder TiAlN (Titanaluminiumnitrid)zum Einsatz. Bereits Anfang der 90er Jahre wurden durch verschiedene Forschungseinrichtungen weitere EInsatzmöglichkeiten im Bereich der Werkzeugbeschichtungen für den [Druckguss] von Aluminium und Magnesium untersucht. Bei diesen Anwendungen kommen vorallem chrombasierende Schichtesysteme wir CrN (Chromnitrid), CrVN (Chromvanadiumnitrid) und CrAlN (Chromaluminiumnitrid) zum Einsatz. Des WeiterenSo werden PVD-Schichten in der Mikroelektronik zum Erzeugen von u. a. Metall- oder (organischen) Halbleiterschichten eingesetzt. Auch Architekturgläser oder Displays werden mit Schutzschichten im PVD-Verfahren überzogen. PE-Folien in der Lebensmittelindustrie (z. B. Kartoffelchipstüten) erhalten von innen eine dünne PVD-Schicht als Dampfsperre. Im Bereich der Unterhaltungselektronik werden die Datenträger wie Festplatten und CD, DVDs mit PVD-Verfahren bedampft.
Literatur
- Thomas Hornig: Entwicklung von Werkstoffverbunden für den Einsatz in Thixoformingwerkzeugen für die Aluminium- und Stahlverarbeitung, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Dissertation 2002, ISBN 3896539353
- Sergio Stefano Guerreiro: Korrosions- und Verschleißuntersuchungen an PVD-beschichteten Aluminium Druckgußformen, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Dissertation 1998, VDI-Schriftenreihe Nr. 533, ISBN 3183533057