Die Familienfideikommiss ist eine geschichtliche Rechtseinrichtung des Erb- und Sachenrechts. Sie wurde mit dem Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (RGBl. I 1938, 825) vom 6 Juli 1938 und der Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (RGBl. I 1939, 509) vom 20. März 1939 bereinigt.
Unter einer Familienfideikommiss versteht man eine Anordnung des Erblassers, nach der das Eigentum an seinem Nachlass in Obereigentum und Nutzungseigentum augespaltet werden solle. Dabei wurde einer Person eine Art Nießbrauch an dem Nachlass eingeräumt. Der Familie als ganzes blieb zum Erhalt des Familieneigentums aber das Obereigentum am Nachlass.
Sozialgeschichtliche Bedeutung
Die Familienfideikommisse wurde zum Erhalt des Familienvermögens adeliger Familien über Generationen hinweg eingesetzt. Schlösser, Burgen und Herrensitze waren oft im der Familienfideikommisse gebunden. Sie diente vor allem auch dazu adeligen Söhnen, die schlecht besoldete, aber prestigeträchtige und einflussreiche Ämter in Staat und Heer einnahmen, fianziell aus dem Familienvermögen zu versorgen. Im 19. Jarhundert gerieten die Familienfideikommissen in die Kritik, weil sie durch das sie betreffende Verfügungsverbot nicht am Güteraustausch teilhaben konnten und damit das Wachstum des Sozialproduktes bremsten. Da sie auch einem Belastungsverbot unterlagen, konnten sie ebenfalls nicht als Realkreditsicherheiten eingesetzt werden. Auch das Belastungsverbot behinderte die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit. Ferner wurde die Familienfideikommisse als Sonderrecht des Adels kritisiert. Zumdem wurde die Familienfideikommisse auch in Ansehung der Eigentumsfreiheit als eine zu starke Einschränkung enpfunden. Durch die Familienfideikommisse konnte die "kalte Hand" des Erblassers über Generationen hinweg das Schicksal des Eigentums ohne Mitwirkung der das Eigentum innehaltende Familie lenken.
Geschichte der Familienfideikommisse
Mit der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland entstand ein Bedürfnis die in den zuvor herrschende Rechtsordnungen übliche Rechtsfolge von Todes wegen über den Mannesstamm nach Parantelen vor der Testier- und Eigentumsfreiheit des gemeinen Rechts zu schützen. Es wurde daher dem Erblasser ermöglicht als Stifter einer Familienfideikommisse einen Teil des Vermögens abzusondern, und der römisch-rechtlichen Eigentumsordnung zu entziehen. In Bezug auf Stammgüter war dies bereits durch Observanz und Familienvereinbarung bei Einzug des römischen Rechts in Deutschland anerkannt. Die Familienfideikommisse entwickelte sich aus testamentarischen Anordnungen, die die Teilungs- und Veräußerungsverbote enthielten. Daraus wurde die Fiktion einer succesio ex providentia et pacto maiorum (durch Nachfolge aus Vorsicht und Vertrag der Größeren) gegründet. Diese Rechtsgültigkeit solcher Anordnungen wurde aus der römisch-rechtlichen fideikommissarischen Substitution und in Analogie zum Investiturvertrag abgeleitet. Seit dem nicht nur altadelige Familien Teilungs- und Veräußerungsverbote betreffend den Nachlass treffen konnten, entstanden neben den Stammgütern die Familienfideikommissen.
Durch das preußische Edikt von 9. Oktober 1807 wurde eine Auflösung einer Familienfideikommiss durch Familienbeschluss zugelassen. Dadurch konnte die Familie, die Anordungen, welche der Stifter der Familienfideikommisse nachfolgenden Generationen anheim gegeben hat, aufheben und ihre volle Verfügungs- und Testierfreiheit über das Vermögen wiederherstellen. In den durch Napoleon besetzten deutschen Landesteilen, ist die Familienfideikommisse gänzlich abgeschafft worden oder sehr stark eingeschränkt worden. Seit dem Wiener Kongress sind aber Familienfideikommissen auch dort wieder zugelassen worden.
Bereits die Paulskirchenverfassung von 1848 forderte die Auflösung der Familienfideikommissen. Mit Inkraftreten des Bürgerliches Gesetzbuches zum 1.1.1900 wurde die bürgerliche Rechtseinheit in den deutschen Gebieten, die das Kaiserreich umfasste, eingeführt. Nach Art.59 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch blieben das Recht der Bundesstaaten über die Famienfideikommisse unberührt. Seit in Kraft treten der Weimarer Reichsverfassung setzte man sich die Abwicklung des gebundenen Vermögen erneut als Ziel. Doch erst 1938 wurden die bis heute geltenden Bereinigungsvorschriften erlassen. Das Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (RGBl. I 1938, 825) vom 6 Juli 1938 und die Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (RGBl. I 1939, 509) vom 20. März 1939 regelten das weitere Schicksal der gebunden Vermögen.
Auch heute noch kann einer Erblasser Interesse daran haben, dass der Nachlass in der Familie bleibt. Dies kann er durch Anordung einer Vorerbschaft teilweise erreichen. Die Vorerbschaft ist aber auf die Dauer von 30 Jahren beschränkt. Auch mit der Gründung von Familienstiftungen und der Eintragung von Nießbrauchsrechten zugunsten einzelner Familienmitglieder oder mit einer Einräumung von vorgemerkten Vorkaufsrechten an eine Familienstiftung kann dieses Ziel teilweise erreicht werden.
Ausgestaltung der Familienfideikommisse
Unter einer Familienfideikommisse wird eine Anordung des Erblassers verstanden, kraft derer ein Teil des Nachlasses vom Rest mit der Wirkung ausgesondert wird, dass der ausgesonderte Teil des Nachlasses rechtlich in ein Ober- und ein Nutzungseigentum aufgespaltet wird. Das Nutzungseigentum stand immer nur einem Familienmitglied zu. Die Familie behielt als ganzes das Obereigentum. Demnach ist derjenige, welcher aus der Familienfideikommisse begünstigt worden ist, weder zur Verfügung noch zur Belastung des Eigentums befugt gewesen (gebundenes Vermögen). Der aus der Familienfideikommiss Begünstigte konnte über sein Nutztungseigentum auch nicht frei von Todes wegen verfügen. Das vermögensrechtliche Schicksal des "Nießbrauchs" an dem gebundenen Vermögen bestimmte sich nach der Successionsordnung der Stiftungsurkunde. Der Stifter der Familienfideikommisse konnte zwischen Senioraten, Majoraten, Minoraten und Primogenituren wählen. Der Familienfideikommiss steht den Lehen, Stammgütern und Familienstiftungen nahe.
Errichtung und Aufgebung
Es konnten nur solche Gegenstände dem Familienkommiss gewidmet werden, mit denen Ackerbau und Viezucht verbunden ist und die keiner Grundherrschaft unterworfen waren. Herrenhäuser und ähnliche Gebäude konnter der Familienfideikommisse aber zugeschlagen werden. Seit der Aufhebung der Grundherrschaft in Preußen entstand die paradoxe Sitaution, dass wegen des Edikts von 1807 einerseits Familienfideikomissen durch Familienbeschluss aufgelöst werden konnten, anderseits aber jeder Bauer einen Familienfideikommiss stiften konnte. Um einerseits die Versorungsfunktion der Familienfideikommisse aufrechten zu erhalten musste gebundene Vermögen eines Mindestertrag abwerfen. Um anderseits dem wirtschaftlichen Verkehr nicht zu viel Vermögen zu entziehen, war der Ertrag aber auf eine Höchstgrenze beschränkt.
Literatur
- Bornemann, Systematische Darstellung des Preußischen Civilrechts mit Benutzung der Materialien des Allgemeinen Landrechts, 2. Ausgabe, Berlin 1842
- Dörffeldt/Viebrock, Hessisches Denkmalschutzrecht, 2. Aufl. 1991