John Harwood Hick (* 20. Januar 1922 in Scarborough/Yorkshire[1]; † 9. Februar 2012 in Birmingham[2]) war ein britischer Theologe und Religionsphilosoph. Er war ein wichtiger Vertreter der pluralistischen Religionstheologie – also der Überlegung, dass unterschiedliche Religionen wahr und heilsvermittelnd sein können.
Leben und Wirken
Hick wuchs als zweiter von drei Söhnen von Mark Day Hick und Mary Aileen, einer geborenen Hirst in der ostenglischen Küstenstadt Scarborough auf. Er besuchte den Kindergarten in Lisvane, wo er sich als scheues Kind schlecht zurecht fand, dann wurde er von einem Privatlehrer Zuhause unterrichtet. Von 1937 bis 1938 besuchte er die Quäkerschule Bootham in York. Als Anwaltsgehilfe arbeitete er darauf im kleinen Anwaltsbüro Hick & Hands, das seinem Vater gehörte. Ab 17 Jahren begann er wichtige Werke der westlichen Philosophie zu lesen, wobei er besonders von Immanuel Kant beeindruckt war.
Sein Großonkel Edward Wales Hirst, der christliche Ethik an der Universität Manchester lehrte, ermutigte ihn zu einem universitärem Studium. So begann er nebenbei an der Universität Hull Recht zu studieren. Während seinem Studium fand er Freunde, die zur Inter-Varsity Fellowship gehörten und ihn in den evangelikalen Glauben einführten. Daraufhin wechselte er zu Theologie und Philosophie, um später in den kirchlichen Dienst eintreten zu können. In Edinburgh besuchte er Vorlesungen beim Philosophen Norman Kemp Smith, der ihn weiter beeinflusste.
Im Zweiten Weltkrieg verweigerte Hick den Dienst an der Waffe, und er konnte bei einer Ambulanzeinheit der Freunde in Ägypten, Italien und Griechenland eingesetzt werden. In Edinburgh konnte er 1948 sein Studium abschließen, danach ging er ans Oriel College in Oxford. Unter H. H. Price doktorierte in Philosophie, woraus später sein erste Buch Faith and Knowledge (deutsch: Glauben und Wissen) entstand. 1950 bis 1953 studierte er unter H. H. Farmer reformierte Theologie am Westminster College in Cambridge, um presbyterianischer Geistlicher zu werden. 1953 wurde er ordiniert und diente für zweieinhalb Jahre als Pastor der Belford Presbyterian Church in Northumberland.
1956 bis 1959 konnte Hick als Assistenzprofessor für Philosophie an der Cornell University in Ithaca in New York lehren. 1957 wurde beim dortigen Universitätsverlag sein Werk „Faith and Knowledge“ publiziert. 1959 erhielt er den Stuart-Lehrstuhl für Christliche Philosophie an dem Princeton Theological Seminary. Hier geriet er in Konflikt mit Lehren der presbyterianischen Kirche. 1963 bekam er für je ein Jahr den Guggenheim- und den S. A. Cooke Bye-Fellowship, den er am Gonville and Caius College in Cambridge verbrachte. Dort arbeitete er an seinem zweiten Buch Evil and the God of Love. Ab 1966 hatte er den H. G. Wood-Lehrstuhl für Philosophie und Religion an der Universität Birmingham inne. Dort begann seine Wendung zum religionstheologischen Pluralismus öffentlich zu werden, indem er mit multireligiösen Gruppen Themen wie Rassismus und Grundrechte bearbeitete und vermehrt östliche Religionen zu studieren begann. Er reiste zudem nach Indien, um den Hinduismus zu verstehen, nach Punjab für den Sikhismus und nach Sri Lanka, um den Buddhismus vor Ort kennenzulernen. Aus diesen Studienreisen entstand sein Werk Death and Eternal Life (deutsch: Tod und ewiges Leben).
1977 veröffentlichte Hick ein Buch mit dem provokativen Titel The Myth of God Incarnate (deutsch: Der Mythos der Fleischwerdung Gottes), das im ersten halben Jahr 30.000 mal verkauft und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Ab 1978 hielt er Vorlesungen an der Claremont Graduate University bei Los Angeles, wo ihm die Danforth-Professur für Religionsphilosophie angeboten wurde. Die ersten drei Jahre pendelte er jeweils zwischen Claremont und Birmingham hin und her, um beide Lehraufträge erfüllen zu können. Im Sommer 1980 lehrte er zusätzlich in Südafrika, wo er Desmond Tutu kennenlernte, was zu einer lebenslangen Freundschaft führte. 1982 zog Hick ganz nach Claremont um, um dort seine Religionsphilosophie weiterzuentwickeln. 1986 bis 1987 konnte er sie bei den Gifford Lectures präsentieren. 1989 erhielt er die Auszeichnung des Grawemeyer Award. Infolge seines Austausches mit buddhistischen Philosophen wie Masao Abe und weiteren Personen entfernte er sich zunehmend von der theistischen Gottesvorstellung.
Nach seiner Emeritierung 1992 in Claremont kehrte er nach Birmingham zurück, wo er als Fellow für Forschung und Studien der Sozialwissenschaften an der Universität tätig wurde. Er verfasste weitere Bücher und war für Konferenzen und Vorlesungen weltweit unterwegs. 2011 eröffnete die Universität Birmingham das John Hick Centre for Philosophy of Religion und verlieh ihm einen Ehrendoktor. Zu diesem Anlass hielt er seine letzte öffentliche Rede, und er starb bald darauf kurz nach seinem 90. Geburtstag.[3]
Privates
Am Westminster College in Cambridge lernte Hick seine Frau Joan Hazel, geborene Bowers kennen, sie heirateten am 30. August 1953[4] und hatten eine Tochter und drei Söhne. Hazel starb 1996 an den Folgen eines Schlaganfalls.[5]
Werk und Lehre
Allgemein Religionstheologisches
Nach Hick steht im Zentrum aller legitimerweise so genannten Religionen ein transzendentes Seiendes, das er „the Real“ nennt, das – uneingeschränkt, absolut – ‚Wirkliche‘. Dieses komme in jeder geschichtlichen Religion nur unangemessen zur Sprache und Erscheinung, was die Vielfalt religiöser Traditionen erkläre. Denn das, was die unterschiedlichen religiösen Systeme als das ‚Wirkliche‘ bezeichnen, ist seinen Schlussfolgerungen gemäß nicht das ‚Wirkliche an sich‘, sondern das ‚Wirkliche‘, wie es den Menschen in ihrer beschränkten, jeweiligen Perspektive erscheint, wie es durch die jeweilige Linse wahrgenommen würde. Er greift dabei die Terminologie von Immanuel Kant und dessen Unterscheidung zwischen dem Ding an sich und wie es einem Bewusstsein abhängig von einem bestimmten Wahrnehmungssystem erscheint auf. Dieser Wahrnehmungsapparat ist mit spezifischen Interpretationskonzepten ausgestattet, die wiederum eingebettet sind in ein linguistisches System.[6]
Dabei räumte Hick ein, den Begriff „Gott“ vorbehaltlich zu verwenden, wobei die Frage um einen personalen vs. nicht-personalen Gott offen bliebe, anderseits sei aber die theistische Assoziation des Begriffs so ausgeprägt, dass er stets zu Missverständnissen führte. So blieben in der wissenschaftlichen Diskussion der pluralistischen Religionstheologie die Optionen das Transzendente, das Höchste, die Höchste Wirklichkeit, das Höchste Prinzip, das göttliche, das Eine, das Ewige kurzum in der Hickenschen Terminologie ‚das Wirkliche‘.
Die unterschiedlichen menschlichen Formulierungen über „the Real“ nehmen Anleihen bei kulturspezifischen und individuellen Vorstellungen, seien auf diese zu beziehen und stünden, richtig verstanden, vielfach nicht im Verhältnis eines logischen Widerspruchs, so dass höchstens eine der sich widersprechenden Behauptungen wahr sein könnte. Überhaupt sei die Wahrheit von Sätzen religionstheologisch nicht entscheidend, sondern die praktische Funktion, Heil zu vermitteln. Diese Funktion könnten unterschiedliche religiöse Überzeugungen und Riten in gleichem Höchstmaß ausüben.
In seinem Werk „Religion. Die menschlichen Antworten auf die Frage nach Leben und Tod“ (1989, deutsch 1996) bereitete er auch vielfältiges religionskundliches Material auf und vertritt ähnliche Thesen wie etwa Gustav Mensching. Damit sind Religionen nicht göttliche Phänomene, sondern einzig menschliche Gebilde, die sich aus der personalen Begegnung mit einer gelebten religiösen Transzendenzerfahrung entwickelt haben.
In seinen Darlegungen greift Hick den Jasperschen Begriff der Achsenzeit auf und betrachtet die Religionen als ‚präaxiale oder voraxiale Religionen‘ oder auch archaische Religionen im Vergleich zu ‚postaxialen oder nachaxialen Religionen‘.[7] So sah er in Ersteren die Religionen deren Anliegen das Erhalten der kosmischen und gesellschaftlichen Ordnung war. Hingegen seien postaxialen Religionen vornehmlich solche denen es hauptsächlich um das Streben nach Erlösung oder Befreiung ginge. Damit sind die Bewegungen der Achsenzeit geprägt von soteriologischen Strukturen. Alle ‚nachaxialen Religionen‘ gingen von der Tatsache aus, dass das gewöhnliche menschliche Dasein beschädigt, unbefriedigt oder mangelhaft sei.[8] Erlösung/Befreiung sei in allen nachaxialen religiösen Traditionen nichts anderes als die ‚Transformation des menschlichen Daseins aus der Selbstzentriertheit in die Wirklichkeitszentriertheit‘.[9] Hieraus zog Hick den Schluss, dass das Ziel jeder ‚nachaxialen‘ Religion die ‚Erlösung/Befreiung‘ sei, schlug er vor, die ‚soteriologische Effektivität‘ einer Religion als das alles entscheidende Bewertungskriterium einzuführen.
Verifikation im Jenseits
Der deutsche evangelische Theologe Wilfried Härle hebt aus „Philosophy of Religion“ (1963) besonders die Idee der eschatologischen Verifikation hervor, indem er den Teil zur Verifikation im Jenseits zu einem Grundtext der neueren Theologie erklärt.[10] Verifikation bedeutet nicht, etwas logisch zu beweisen, sondern vernünftige Zweifel, z. B. durch Erfahrung, auszuräumen. Aussagen, die verifizierbar sind, sind nicht zwangsläufig falsifizierbar. Hick bringt dafür das Beispiel der Dezimaldarstellung der Zahl π, bei der noch niemand drei aufeinanderfolgende 7 gefunden hat. Da man die Darstellung aber bis ins Unendliche fortsetzen kann, wird vielleicht irgendwann die Behauptung „π enthält drei aufeinanderfolgende 7“ verifiziert, aber sie kann niemals falsifiziert werden, weil die Berechnungen endlos fortgesetzt werden können und eine abgeschlossene Überprüfung sich somit unserem Erfahrungsbereich entzieht. Religiöse Aussagen sind ebenso verifizierbar, aber nicht falsifizierbar. Die Behauptung, dass die Seele nach dem Tod weiter existiert, kann dadurch verifiziert werden, dass man stirbt und das eigene Fortbestehen erlebt. Das ist dann nicht unbedingt ein Beweis für den Theismus, aber die christliche Gottesvorstellung wiederum kann verifiziert werden. Das Neue Testament knüpft die Offenbarung Gottes an Jesus Christus und beschreibt symbolisch, dass Christus als das Lamm auf dem Thron erhoben sein wird und im Reich Gottes herrscht. Wenn man diese Herrschaft erleben wird, ist diese christliche Gottesaussage verifiziert. Solche Dinge liegen aber jenseits unseres irdischen Erfahrungsbereiches und können daher nicht falsifiziert werden.
Publikationen (Auswahl)
- Faith and Knowledge. Cornell University Press, Ithaca 1957 und 1966.
- Philosophy of Religion. 1963.
- Evil and the God of Love. 1966, Reprint Palgrave Macmillan, New York 2010, ISBN 978-0-2302-5279-0.
- Arguments for the Existence of God. 1970.
- God and the Universe of Faiths. 1973.
- Death and Eternal Life. Collins, London 1976 und Westminster/John Knox, Louisville 1994.
- God Has Many Names. Westminster, Philadelphia 1980.
- An Interpretation of Religion: Human Responses to the Transcendent. 1984, 1989 und Yale University Press, New Haven 2004.
- Disputed Questions in Theology and the Philosophy of Religion. Yale University Press, New Haven 1993.
- A Christian Theology of Religions: The Rainbow of Faiths. 1995.
- Dialogues in the Philosophy of Religion. Palgrave, New York 2001.
- An Autobiography. Oneworld, Oxford 2002.
- The Fifth Dimension: An Exploration of the Spiritual Realm. Oneworld Publications, London 2004.
- The New Frontier of Religion and Science. November 2006.
- The Myth of Christian Uniqueness. SCM PR 1988 zusammen mit Paul F. Knitter.
Literatur
- Reinhold Bernhardt: Der Absolutheitsanspruch des Christentums. Von der Aufklärung bis zur Pluralistischen Religionstheologie. Gütersloh 1990, S. 199–225.
- Gerhard Gäde: Viele Religionen – ein Wort Gottes. Einspruch gegen John Hicks pluralistische Religionstheologie. Gütersloh 1998.
- Lucas Graßal: Wie Religion(en) lehren? Religiöse Bildung in deutschen religionspädagogischen Konzeptionen im Licht der Pluralistischen Religionstheologie von John Hick (= Pädagogische Beiträge zur Kulturbegegnung. Bd. 30). EB-Verlag, Berlin 2013.
- Christian Heller: John Hicks Projekt einer religiösen Interpretation der Religionen. Darstellung und Analyse – Interpretation – Rezeption (= Religion, Geschichte, Gesellschaft. Bd. 28). Münster 2001.
- Reinhard Kirste: Theologische Ansätze des religiösen Pluralismus I. In: Jahrbuch für Interreligiöse Begegnung. Bd. 1, S. 303–317.
- Reinhard Kirste: John Hick und die kopernikanische Wende in der Theologie. In: Michael Klöcker, Udo Tworuschka (Hrsg.): Handbuch der Religionen. Loseblattwerk. Olzog, München 1997 ff., ISBN 978-3-7892-9900-1, 15. Ergänzungslieferung 2007 (I-14.9.1), S. 1–17.
- Werner Neuer: Heil in allen Weltreligionen? Das Verständnis von Offenbarung und Heil in der pluralistischen Religionstheologie John Hicks. Gießen 2009, ISBN 978-3-7655-1755-6 (Brunnen Verlag), ISBN 978-3-86540-074-1 (Freimund-Verlag).
- Klaus von Stosch: Der Wahrheitsanspruch religiöser Traditionen als Problem interkultureller Philosophie. Philosophische Erkundungen im Spannungsfeld zwischen Theologie der , Religionen und komparativer Theologie. In: Claudia Bickmann, Tobias Voßhenrich, Hermann-Josef Scheidgen, Markus Wirtz (Hrsg.): Rationalität und Spiritualität. Traugott Bautz, Nordhausen 2009, S. 203–234 ([2] auf kw.uni-paderborn.de)
Weblinks
- Literatur von und über John Hick im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Offizielle Webseite von John Hick
- David C. Cramer: John Hick. In: James Fieser, Bradley Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
- Fotografie von John Hick [3]
Einzelnachweise
- ↑ Professor John Hick The Telegraph, 16. Februar 2012
- ↑ Leading Birmingham philosopher of religion John Hick dies at the age of 90 Birmingham Post, 23. Februar 2012
- ↑ David C. Cramer: John Hick. In: James Fieser, Bradley Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
- ↑ Elizabeth Sleeman (Hrsg.): International Who's Who of Authors and Writers 2004. Europa Publications. Psychology Press, 2003, ISBN 978-1-85743-179-7, S. 247 ([1] auf books.google.de)
- ↑ David C. Cramer: John Hick. In: James Fieser, Bradley Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
- ↑ John Hick: Religion. Die menschlichen Antworten auf die Frage nach Leben und Tod. Diederichs, München 1996, ISBN 3-424-01311-0, S. 30.
- ↑ John Hick: Religion. Die menschlichen Antworten auf die Frage nach Leben und Tod. Diederichs, München 1996, ISBN 3-424-01311-0, S. 34–48.
- ↑ John Hick: Religion. Die menschlichen Antworten auf die Frage nach Leben und Tod. Diederichs, München 1996, ISBN 3-424-01311-0, S. 46.
- ↑ John Hick: Religion. Die menschlichen Antworten auf die Frage nach Leben und Tod. Diederichs, München 1996, ISBN 3-424-01311-0, S. 182.
- ↑ Wilfried Härle: Grundtexte der neueren evangelischen Theologie. ISBN 3-374-02469-6.
Personendaten | |
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NAME | Hick, John |
ALTERNATIVNAMEN | Hick, John Harwood (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | britischer Theologe und Religionsphilosoph |
GEBURTSDATUM | 20. Januar 1922 |
GEBURTSORT | Scarborough/Yorkshire |
STERBEDATUM | 9. Februar 2012 |
STERBEORT | Birmingham |