Vergewaltigung

nicht einverständliches, sexuell bestimmtes vaginales (Scheide), anales oder orales Eindringen in den Körper einer anderen Person
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Als Vergewaltigung wird eine sexuelle Handlung von Menschen bezeichnet, der das Opfer der Vergewaltigung gegen seinen ausdrücklichen Willen ausgesetzt ist. Dabei ist maßgeblich, dass der Täter in den Körper des Opfers bzw. des Vergewaltigten eindringt. Andernfalls spricht man von sexueller Nötigung oder sexueller Belästigung.

Vergewaltigungsszene dargestellt von Utagawa Kuniyoshi
Raub der Sabinerinnen, Statue von Giovanni Bologna

Strafrecht in Deutschland

Von Vergewaltigung (veraltet: Notzucht) spricht man, wenn eine Person eine andere gegen ihren Willen unter Anwendung von Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in welcher das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, zum Vollzug des Beischlafs (vaginale oder anale Penetration) nötigt oder andere besonders erniedrigende sexuelle Handlungen vornimmt oder vom Opfer vornehmen lässt, die insbesondere mit einem Eindringen in den Körper (orale Penetration) verbunden sind (qualifizierte sexuelle Handlungen).

Die Nötigung mit den bei der Vergewaltigung beschriebenen Mittel zu sonstigen sexuellen Handlungen (einfache sexuelle Handlungen), ist als sexuelle Nötigung strafbar.

Maßgeblich ist die innere Willensrichtung des Opfers. Notwehrhandlungen des Opfers sind für das Vorliegen einer Vergewaltigung nicht erforderlich; wohl aber muss das Opfer seinen entgegenstehenden Willen ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln kundgetan haben oder sich ein entgegenstehender Wille aus den sonstigen Umständen des Geschehens entnehmen lassen. Ein bloß geheimer Vorbehalt, den Geschlechtsverkehr nicht zu wollen, schließt eine Strafbarkeit aus, wenn er für den Täter nicht erkennbar war.

Das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 fassten die Notzucht und die Bestimmung zu unzüchtigen Handlungen als Straftaten gegen die Sittlichkeit auf. Durch das 4.Gesetz zur Reform des Strafrechts von 1974 wurde das Schutzgut der Norm von der Sittenordnung auf die sexuelle Selbstbestimmung umgestellt. Nicht mehr unsittliches Verhalten, sondern Bestimmung zu sexuellen Handlungen gegen den Willen des Betroffenen stand nunmehr im Mittelpunkt. Die Notzucht und die Bestimmung zu unzüchtigen Handlungen wurden damit zu besonderen Fällen der Nötigung (Vergewaltigung und sexuelle Nötigung).

1943 wurden auch unzüchtige Handlungen an Personen unter 21 Jahren unter Strafe gestellt.

1998 wurden im deutschen Strafrecht die bis dahin getrennten Tatbestände der Vergewaltigung (§177 StGB a.F.) und der sexuellen Nötigung (§176 StGB a.F.) unter einem einzigen Tatbestand zusammengefasst und inhaltlich beträchtlich erweitert (§177 StGB n.F.). Seitdem ist auch die Bestimmung zum Vollzug des ehelichen Beischlafs bzw. zum Vollzug sonstiger qualifizierter sexueller Handlungen als Vergewaltigung strafbar, welche bis zu diesem Zeitpunkt unter den Tatbestand des sexuellen Nötigung (§176 StGB a.F.) fielen. §§ 176, 177 StGB a.F. schützten nur Frauenpersonen. Die sexuelle Selbstbestimmung eines Mannes hatte der Gesetzgeber nicht über die allgemeine Willensfreiheit hinausgehend als schutzwürdig betrachtet. Außerdem wirkt sich nun der Einsatz von Waffen deutlich strafverschärfend aus, insbesondere um die oftmals kritisierten Unterschiede zum Schweren Raub zu verringern.

Bürgerliches Recht in Deutschland

Bis zum 2. Schadensrechtsänderungsgesetz von 2002 konnte nur eine Frauenperson Schmerzensgeld verlangen, gegen die ein Verbrechen oder Vergehen wider die Sittlichkeit begangen wurde oder die durch Hinterlist, Drohung oder Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt wurde (§ 847 Abs.2 BGB a.F.). Seit 2002 hat jedermann, der in seiner sexuellen Selbstbestimmung verletzt wurde, einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Durch die Reform von 2002 wurde also der Kreis der potentiell Anspruchsberechtigten unabhängig vom Geschlecht gefasst und an dem Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung ausgerichtet.

Rechtslage in der Schweiz

Im schweizerischen Strafgesetzbuch lautet der Tatbestand für Vergewaltigung folgendermaßen: „Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.“ (Schweizerisches Strafgesetzbuch 2000, Art. 190.1) Andere sexuelle Übergriffe als der Beischlaf, insbesondere auch Oralverkehr, Analverkehr und gleichgeschlechtliche sexuelle Übergriffe, werden als sexuelle Nötigung behandelt und grundsätzlich gleich bestraft, allerdings mit einer geringeren Mindeststrafdrohung (vgl. op. cit., Art. 189.1). Seit dem 1. April 2004 ist das Bundesgesetz betreffend Strafverfolgung in der Ehe und der Partnerschaft in Kraft. Auch wenn das Opfer und der Täter in ehelicher Gemeinschaft leben, so stellt die Vergewaltigung ein Offizialdelikt dar (Art. 190.2 und 189.2 wurden aufgehoben). Vergewaltigung in der Ehe ist in der Schweiz erst seit 1992 strafbar.

Ebenfalls gilt für Kinder bis sechzehn Jahre ein spezieller Strafrechtssatz, der unter dem Tatbestand „sexuelle Handlungen mit Kindern“ aufgeführt ist (vgl. op. cit., Art. 187; Sexueller Missbrauch von Kindern).

Folgen für die Opfer

Zu den physischen Folgen der Vergewaltigung und der Gefahr, durch Geschlechtskrankheiten angesteckt oder ungewollt schwanger zu werden, kommt häufig eine langfristige psychische Schädigung des Opfers (psychisches Trauma).

Die Reaktion kann bis zu schweren Depressionen, Psychosen, Schuldgefühlen, Angstzuständen, Panikattacken und Suizidversuchen oder vollendetem Suizid reichen, jedoch ist die Schwere der Reaktionen sehr individuell und nicht bei allen Betroffenen gleichartig.

Während einige Opfer auch ohne spezielle Betreuung zu einem normalen Leben zurückfinden, gelingt es anderen langfristig nur durch eine Psychotherapie, die Vergewaltigung zu verarbeiten. Besonders bei sehr jungen, aber auch zahlreichen erwachsenen Opfern ist eine vollständige Heilung der psychischen Wunden auch durch Therapien nicht oder nur sehr schwer möglich. Daher ist es beim Umgang mit Betroffenen wichtig, offen für die individuellen Bedürfnisse zu sein, ohne durch Erwartung einer bestimmten Reaktion Druck aufzubauen.

Kriminologische Betrachtung

Vergewaltigungen finden in der Regel nicht in der Öffentlichkeit statt, Opfer und Täter kennen sich oftmals.

Ein Zusammenhang zwischen der Kleidung und dem Auftreten einer Person und ihrem relativen Risiko, vergewaltigt zu werden, ist statistisch nicht nachweisbar.

Untersuchungsergebnisse zu Häufigkeit und Ablauf von Vergewaltigungen

Laut deutscher Polizeistatistik kam es im Bundesgebiet im Jahr 2004 zu 8.831 gemeldeten Fällen von Vergewaltigung und sexueller Nötigung, ein Anstieg um 0,7 % im Vergleich zum Vorjahr.[1] Darunter fallen laut Bericht "relativ beachtliche Versuchsanteile" von 15%. Damit kommen pro Jahr 11 gemeldete Fälle von Vergewaltigung auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die wahrscheinlich beträchtliche Dunkelziffer wird nicht erwähnt.

Von der Zahl der gemeldeten Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung entfallen 7.334 auf so genannte Mehrfachtäter. Unter Alkoholeinfluss standen laut Bericht 2.026 der Täter. Die Aufklärungsquote erhöhte sich zwischen 2003 und 2004 von 81,7% auf 83,0%. Dabei finden sich deutlich Unterschiede zwischen den Bundesländern: In Bremen und Hamburg liegt dieser Wert bei 67,1% bzw. 68,7%, während in Sachsen 90,9% und in Mecklenburg-Vorpommern 91,4% der Fälle gelöst werden.

Von 7.475 Tatverdächtigen der Vergewaltigung waren 98,8% männlich und 1,2 % weiblich. Bei den männlichen Tatverdächtigen waren 10,5 % zwischen 14 und 18 Jahre alt, 9,6 % waren zwischen 18 und 21, weitere 12,2 % zwischen 21 und 25 und schließlich 65,3% über 25 Jahre alt. Der Anteil deutscher Tatverdächtiger beträgt 69,4 %, dies ergibt einen relativ hohen Anteil an nichtdeutschen Verdächtigen von 30,6 %, die im Vergleich zur Gesamtzahl von mutmaßlichen Straftaten durch Nichtdeutsche von 22,9% gesehen werden muss. 67,1 % der Tatverdächtigen teilen sich mit ihrem Opfer eine Gemeinde, weitere 11,7 % noch den Landkreis und weitere 18,9 % das weitere Bundesland. Aus dem überregionalen Bundesgebiet entstammen 4,3 % und aus dem Ausland 0,9% der Verdächtigen. Die weit überwiegende Zahl von Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung geht demnach von benachbart wohnenden, männlichen und deutschen Erwachsenen aus.

Vergewaltigung im Sinn der Sozialwissenschaft

In den Sozialwissenschaften wird grundsätzlich nicht zwischen einer Vergewaltigung und einer sexuellen Nötigung unterschieden. Stattdessen wird jede traumatisierende sexuelle Handlung als Vergewaltigung betrachtet, unabhängig davon, von wem, an wem, unter welchen Umständen und in welcher Situation sie ausgeübt wird. Charakteristisch ist die Traumatisierung. „Letztendlich ist die Definition einer Vergewaltigung Ergebnis der jeweiligen Perspektive.“ (Heynen 1998, S. 20)

Vergewaltigungen im Krieg

In Konfliktfällen wie Kriegen oder Bürgerkriegen oder bei so genannten ethnischen Säuberungen kommt es häufig zu massenweisen und systematischen Vergewaltigungen. Vergewaltigung wird auch als Foltermethode eingesetzt.

Im Februar 2001 fällte der Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ein historisches Urteil, als erstmals Vergewaltigung im Zusammenhang mit kriegerischen Aktionen als schwerer Verstoß gegen die Genfer Konventionen verurteilt und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft wurde (siehe Foca-Fall).

Vergewaltigung von Jungen und von Männern

Es existieren Vergewaltigungen von Jungen sowie von Männern durch andere Männer oder Frauen. Das verbreitete Bild einer Vergewaltigung zeigt demgegenüber im allgemeinen eine Frau oder ein Mädchen als Opfer. Eine männliche Opferschaft ist generell nicht mit dem Bild eines starken Jungen und Mannes vereinbar. Daher verdrängen Jungen und Männer eine solches Erleben stärker als Frauen und versuchen öfter die Tat und ihre Folgen zu bagatellisieren. Die möglichen Folgen einer Traumatisierung durch eine Fragmentierung der Persönlichkeit und die Zerstörung der Integrität lassen sich jedoch dadurch nicht abwenden und können bei beiden Geschlechtern gleichermaßen auftreten.

In vielen Gesellschaften gilt die Vergewaltigung von Jungen und Männern als weniger schändlich als die von Mädchen und Frauen, obwohl die Folgen für das Opfer keinesfalls geringer sind.

Siehe auch

Quellen

  1. Bundeskriminalamt (2005): Polizeiliche Kriminalstatistik 2004 - Bundesrepublik Deutschland. (PDF)

Literatur

  • Brillstein, Arik: Antiterrorsystem. Verlag Engel 2005 - ISBN 3938547006
  • Brison, Susan J.: Vergewaltigt. Beck, Juli 2004 - ISBN 3406521991
  • Diefenbach, Jonathan C.: Ich kann nicht anders Juni 2005 - ISBN 3-8329-5847-2
  • Gerber, Daniel: Fünfzehn Dollar für ein Leben. Basel, Brunnen 2005, ISBN 3-7655-3843-4
  • Greuel, Luise: Polizeiliche Vernehmung vergewaltigter Frauen. Weinheim 1993
  • Hanisch, Gregor Maria: Vergewaltigung in der Ehe – Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion einer Änderung des § 177 StGB unter Berücksichtigung der Strafbarkeit de lege lata und empirischer Gesichtspunkte. Bochum, 1988
  • Heynen, Susanne: Vergewaltigt – die Bedeutung subjektiver Theorien für Bewältigungsprozesse nach einer Vergewaltigung. Weinheim, 2000
  • Leuenberger, Peter M.: Vergewaltigungsmythen in der Literatur von 1980–2000 zum Thema Vergewaltigung. Solothurn 2003 (PDF)
  • Palmer, Craig T. und Randy Thornhill: A Natural History of Rape: Biological bases of sexual coercion. Cambridge, Mass. : MIT Pr., 2000 - ISBN 0-262-20125-9
  • Schliermann, Brigitte: Vergewaltigung vor Gericht. Hamburg 1993
  • Sick, Brigitte: Sexuelles Selbstbestimmungsrecht und Vergewaltigungsbegriff -- ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion einer Neufassung des §177 StGB unter Berücksichtigung der Strafbarkeit de lege lata und empirischer Gesichtspunkte. Berlin 1993