Das Existenzrecht Israels bezeichnet im engeren Sinne den Rechtsanspruch der Menschen in Israel, in einem Staat mit jüdischer Bevölkerungsmehrheit in international anerkannten Grenzen in physischer Sicherheit (also ohne Angst vor Krieg und/oder Terror) leben zu können.

Im Allgemeinen wird unter diesem Existenzrecht der heutige Staat Israel im Gebiet Palästinas unter Vorraussetzung einer bestimmten Grenzziehung verstanden.
Besonderheit
Das Existenzrecht Israels hat im Vergleich zu dem Existenzrecht anderer Staaten eine Reihe von Besonderheiten:
- Der Staat Israel versteht sich aus den Erfahrungen der Judenverfolgung und insbesondere des Holocaust heraus, als Garant für die Sicherheit der jüdischen Minderheiten in anderen Ländern und der jüdischen Bevölkerungsmehrheit im Inland. Das Existenzrecht Israels ist daher an den Umstand gebunden, dass Israel ein jüdischer Staat in dem Sinne ist, dass Juden dort die Mehrheit der Bevölkerung stellen.
- Die Verneinung des Rechts auf Existenz des Staates Israel als jüdischer Staat, ist ein fester und häufig wiederkehrender Bestandteil von antisemitischem Gedankengut. (Vgl. Antizionismus / Arabischer Antisemitismus)
- Es wird von allen westlichen Staaten und einer Mehrheit der Staatengemeinschaft als conditio sine qua non, also als notwendige Grundbedingung für jegliche Art von Friedensverhandlungen im Nahost-Konflikt betrachtet.
- Das Existenzrecht Israels ist eng verbunden mit der Frage der genauen Abgrenzung des Staatsgebietes Israels, dessen Grenzziehung seit der Staatsgründung 1948 sowohl im Inland als auch im Ausland stets umstritten war. Durch die Friedensveträge mit den Nachbarländern Ägypten und Jordanien wurde der überwiegende Teil des Grenzverlaufs zwischenzeitlich völkerrechtlich festgeschrieben. Im Bezug auf den übrigen Grenzverlauf, hat Israel bisher weder in seiner Verfassung noch in einem anderen völkerrechtlich verbindlichen Dokument einen exakten Grenzverlauf festgelegt.
Anerkennung Israels
Das Existenzrecht des Staates Israel, der 1949 als 59. Mitgliedstaat bei den Vereinten Nationen aufgenommen wurde, wird von der überwiegenden Mehrheit der Staaten der Völkergemeinschaft anerkannt. Von einer Reihe von Anrainerstaaten und Konfliktparteien im Nahost-Konflikt wird dieses Existenzrecht bezweifelt oder gar völlig in Abrede gestellt.
Konfliktparteien, die das Existenzrecht Israels anerkannt haben:
- Ägypten per Friedensvertrag mit Israel 1979
- PLO als Vertreter des palästinensischen Volkes 1993 durch Aufnahme in ihre Charta
- Jordanien per Friedensvertrag mit Israel 1994
Konfliktparteien, die das Existenzrecht Israels bisher nicht anerkannt haben:
Bestreiten des Existenzrechts und Antisemitismus
Zwar haben viele der Argumentationen, die Israel ein Existenzrecht absprechen, einen antisemitischen Hintergrund, jedoch ist Ablehnung des Staates Israel nicht zwingend mit Antisemitismus gleichzusetzen. Auch der Umkehrschluss, also dass die Betonung des Existenzrechts Israels für eine Sympathie gegen das Judentum steht, gilt nicht immer. Nachfolgend einige Beispiele hierfür:
- Unter ultra-orthodoxen Juden gibt es Stimmen, die einen säkularen jüdischen Staat Israel ablehnen, da nach deren Ansicht ein jüdischer Staat erst nach der Ankunft des Messias und der Wiederrichtung des Tempels entstehen kann. Hier wird das Existenzrecht aus religiös-theologischer Motivation und nicht mit antisemitischen Hintergrund abgelehnt. Hierzu sei angemerkt, dass die Mehrzahl der Vertreter dieser Ansicht israelische Staatsbürger sind, in Israel leben und dort umfangreiche Sozialleistungen in Anspruch nehmen, und auf Grund ihrer Auffassung vom Militärdienst befreit sind.
- Die Nationalsozialisten erwogen 1940 die Zwangsumsiedlung von 4 bis 6 Millionen europäischen Juden nach Palästina, verwarfen diese Überlegung jedoch, weil sie befürchteten, dass ein jüdischer Staat im Nahen Osten als ein "zweites Rom" zu mächtig werden könnte. (Siehe auch Madagaskarplan)
- besonders in den USA existieren fundamental-christliche Kreise, die bedingungslose Unterstützer des Staates Israel sind. Hierbei geht es um ein religiös motiviertes „Sammeln des Volkes Israel“ in seinem Land: Juden sollen zur Migration nach Israel veranlasst werden, was wiederum als Anzeichen für die endzeitliche Wiederkunft des Messias gilt. Die Gründe liegen also in einer fundamental-christlichen Ideologie, nicht aber einer pro-jüdischen.
- Neben direkten Bestrebungen zur Vernichtung Israels, die sich offen in Absichtserklärungen zur Vertreibung der Juden aus dem Gebiet Palästinas bzw. deren Vernichtung ("Die Juden ins Meer treiben") oder zumindest in Forderungen zur Eingliederung in einen muslimischen Staat äußern, gibt es unter politischen Machthabern auch Bestrebungen, die Kräfteverteilung innerhalb Israels durch die Durchsetzung eines Rückkehrrechts für alle von dort vertriebenen Nichtjuden und deren Nachfahren zu ändern oder die Juden dort gar zur Minderheit zu machen, um Israels Dasein als jüdischer Staat ein Ende zu bereiten. Die Forderung eines Rückkehrrechts ist allerdings nicht grundsätzlich mit antiisraelischen Motiven zu begründen. Das Rückkehrrecht ist ein zentrales Streitthema im Nahostkonflikt.
Völkerrechtliche Grundlagen
Balfour-Deklaration 1917
Das politische Konstrukt vom Existenzrecht des Staates „Israel als eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk“ geht zurück auf die Balfour-Deklaration der britischen Krone, in der den Zionisten Unterstützung beim Gründen eines solchen Staates zugesagt wurde. In der Erklärung des britischen Außenministers Arthur Balfour an einen britischen Zionisten aus dem Jahr 1917 erklärte sich Großbritannien bereit, die jüdische Einwanderung zu ermöglichen, jüdische Einwanderer geschlossen anzusiedeln und hierfür auch das ehemalige osmanische Staatsland zu verwenden. Es sollte dabei ausdrücklich dafür Sorge getragen werden, dass „nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung, deren sich die Juden in irgendeinem anderen Lande erfreuen, präjudizieren könnte”. Die Balfour-Deklaration gilt seitdem als eine der Rechtfertigungen der Staatsgründung Israels von 1948.
1922 erteilte der Völkerbund dem Königreich Großbritannien ein Mandat für das Gebiet Palästina (heute Israel, Autonomiegebiete und Jordanien) unter der Bedingung, die Balfour-Erklärungen einzuhalten. Der Balfour-Plan erhielt dadurch auch verstärkt internationale Legitimation.
UN-Teilungsplan für Palästina 1947
Um eine Lösung des jüdisch-arabischen Konflikts im britischen Mandatsgebiets von Palästina herbeizuführen und durch internationalen Beschluss verbindlich zu regeln, befasste sich eine von den Vereinten Nationen ernannte Staatenkommission mit dem Projekt der Gründung zweier unabhängiger Staaten. Der Plan, der einen israelischen und einen arabischen Staat Palästina vorsah wurde am 29. November 1947 von zwei Dritteln der Mitglieder der UN-Generalversammlung angenommen.
Aus der Perspektive Israels
Die Mehrheit der heute in Israel lebenden Juden begründet die Daseinsberechtigung ihres Staates aus der Entwicklungsgeschichte des Judentums. Mit Beginn der jüdischen Diaspora durch den Untergang des Reiches Juda 586 v. Chr. setzte die Zerstreuung der jüdischen Glaubensgemeinschaft zunächst in Richtung Ägypten und Babylonien, später dann im Mittelmeerraum und im gesamten Römischen Reich und schließlich in der ganzen Welt ein. Damit verbunden war eine territoriale Entwurzelung des Judentums von Palästina, das zionistische Element der gemeinsamen Rückkehr nach Jerusalem blieb jedoch in der jüdischen Glaubenslehre immanent. Nach Auffassung der Judaistik verstärkte sich dieser kollektive Wunsch nach Wiederherstellung eines eigenen Glaubenszentrums durch die jahrhundertelange Verfolgung, Unterdrückung und Diskriminierung der jüdischen Minderheiten insbesondere in Russland und Osteuropa im 19. Jahrhundert.
Die antisemitische Ausrichtung des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland, spätestens aber die 1938 einsetzenden antijüdischen Pogrome der Reichskristallnacht und die in der Endlösung der Judenfrage am 20. Januar 1942 formulierte Ausrottungsdoktrin führten in den dreißiger Jahren zu einer massiven Abwanderungswelle. Die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 durch David Ben Gurion trug deshalb dem jahrtausende alten jüdischen Traum eines neuen jüdischen Staates Rechnung.
Für die erste Generation des neu gegründeten Staates Israel ging es auch vor allem darum, das allgemein vorherrschende Stereotyp, die europäischen Juden hätten sich im Holocaust wie Kälber zur Schlachtbank führen lassen, durch politische Stärke in einem wehrhaften Staat zu widerlegen.
Ansichten westlicher Staaten
Alle westlichen Staaten erkannten den Staat Israel völkerrechtlich, basierend auf dem UN-Teilungsplan für Palästina ohne Verzug an. Die Anerkennung eben dieses Rechtes wird von ihnen als nicht verhandelbar betrachtet. Im Kern ist es die Forderung, Israel müsse in international anerkannten Grenzen frei von Angst, Terror und Gewalt leben können.
Deutschland
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte nach dem Wahlsieg der Hamas im Januar 2006 in den palästinensischen autonomen Territorien eine völkerrechtliche Anerkennung des Staates Israel als zwingende Voraussetzung für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der Palästinensischen Autonomiebehörde.
Muslimische Staaten
Die arabischen sowie die meisten muslimischen Staaten verweigerten lange die Anerkennung. Schon bei der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 erklärten die umliegenden arabischen Staaten dem jüdischen Staat den Krieg. Erst in den siebziger Jahren setzte ein schleichender Wandel ein; 1978 beispielsweise erkannte Ägypten das Existenzrecht formell an.
Palästinenser
Die Existenz des Staates Israel wirft Probleme bei dem von palästinensischer Seite geforderten Recht auf Rückkehr auf. Eine Rückkehr aller Palästinenser und ihrer Nachfahren, die seit der Staatsgründung Israels 1948 das israelische Staatsgebiet verlassen haben (durch Flucht, Vertreibung oder aus anderen Gründen), würde auf Grund des hohen Bevölkerungswachstums der palästinensischen Bevölkerung dazu führen, dass die jüdische Bevölkerung im Staate Israel nur noch eine Minderheit darstellen würde. Somit würde der Staat Israel als jüdischer Staat aufhören zu existieren.
Um "das Wesentliche [zu] bewahren: eine stabile jüdische Mehrheit in unserem Staat"[1] beabsichtigt der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert "eventually to separate from the Palestinians and to establish secure borders that will be recognized by the international community."[2] Diese Grenzziehung zu Israel wird auf palästinensischer Seite besonders misstrauisch verfolgt, da von dieser die Möglichkeit eines lebensfähigen Staates Palästina abhängt. Insbesondere seit der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert angekündigt hat seinen so genannten Konvergenz-Plan, der voraussichtlich etwa 10% der Westbank Israel zuschlagen würde, notfalls auch ohne Verhandlungen mit den Palästinensern umzusetzen[3], wird von Palästinensern befürchtet, daß mit den im Ausbau befindlichen, und schon durch Grenzzaun abgetrennten drei grossen Siedlungsblöcken um Ariel, Ma'ale Adumim und Gush Etzion herum, etwa zehn Prozent des Territoriums der Westbank und Ost-Jerusalems dauerhaft bei Israel verbleiben. Dies beträfe etwa 50.000 Palästinenser,[4] teilweise in den wasserreichsten Regionen der Westbank.[5] Seit Februar 2006 ist durch die Zugangsbeschränkungen für Palästinenser zum Jordantal etwa ein Drittel der Westbank effektiv nur noch von Israelis zu bewirtschaften.[6] Diese Entwicklungen, die allgemeine Politisierung des Islam und die Wahl der Hamas als stärkste palästinensische Regierungspartei im Januar 2006 führen immer wieder zur öffentlichen Ablehnung des Existenzrechts Israels von seiten grosser Bevölkerungsgruppen. So erkennt zwar die derzeit zweitstärkste Partei PLO und damit auch der von ihr gestellte palästinensische Präsident Mahmud Abbas schon länger offiziell das Existenzrechts Israels, nicht jedoch die Hamas.
Iran
Die islamische Republik hat seit Ausrufung der islamischen Republik 1979 mehrmals das Existenzrecht in Frage gestellt. Der Konflikt gewann erneut an Schärfe, als der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad in einer Rede auf einer Tagung im Oktober 2005 äußerte,
„wenn jemand [...] dazu kommt, das zionistische Regime anzuerkennen – sollte er wissen, dass er im Feuer der islamischen Gemeinschaft verbrennen wird.“ - „Wer immer die Existenz dieses Regimes anerkennt, erkennt in Wirklichkeit die Niederlage der islamischen Welt an“
Türkei
Die Türkei unterhielt schon frühzeitig gute Beziehungen mit Israel – die beiden Staaten unternehmen sogar gemeinsame Militärmanöver.
Sonstiges
- In den 2005 in der Bundesrepublik öffentlich diskutierten Einbürgerungstest wurde auch u.a. auch nach dem Existenzrecht Israels gefragt.
Literatur
- Lozowick, Yaacov: Right to Exist: A Moral Defense of Israel's Wars. Doubleday, 2003. ISBN 0385509057
- Sholom Aleichem. Why Do the Jews Need a Land of Their own?, 1898
Weblinks zum Existenzrecht Israels
- Die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE_GRÜNEN betrachten das Existenzrecht Israels als bundesdeutsche Verpflichtung
- Angela Merkel bekräftigt das Existenzrecht Israels
- Der Vatikan bekräftigt das Existenzrecht Israels
- ↑ http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID5494304,00.html
- ↑ Ha'aretz 21.7.2006: [1]
- ↑ Jerusalem Center for Public Affairs - Olmerts Regierungspartei Kadima nahestehende Initiative: Karte zum Allon-Plan
- ↑ AG Friedensforschung an der Uni Kassel: Norman Paech: Politik der aufgehaltenen Hand, 30. Juni 2006, abgerufen am 31. Juli 2006.
- ↑ haGalil.com: Clemens Messerschmid: Sicherheitszaun und Wasserressourcen, 16. Februar 2004, abgerufen am 11. Aug 2006.
- ↑ Guardian: Israel excludes Palestinians from fertile valley, 14.2.2006, abgerufen am 8.8.2006