Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands

Wikimedia-Begriffsklärungsseite
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 11. August 2006 um 20:01 Uhr durch Ulitz (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP bzw. SAPD) hießen zwei sozialistische Parteien im Verlauf der Geschichte des Deutschen Reichs:

  • Zum einen die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (abgekürzt: SAP), die letzte Vorläuferpartei der 1890 in SPD umbenannten parteipolitisch organisierten damaligen Sozialdemokratie im Deutschen Kaiserreich, hevorgegangen aus der Vereinigung von ADAV und SDAP im Jahr 1875.
  • Zum anderen die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (abgekürzt: SAPD), die Abspaltung eines Teils des linken Flügels der SPD, gegründet 1931 am Ende der Weimarer Republik, in der sich auch einzelne Abweichler Kommunistischer Organisationen sammelten, und der sich die nur noch kleine Rest-USPD anschloss. Nach 12-jähriger teilweise aus dem Exil geleiteter Untergrundarbeit im Widerstand gegen das NS-Regime löste sie sich 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg auf.

Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (1875-1890)

Im Jahre 1875 entstand die SAP durch den Zusammenschluss der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) August Bebels und Wilhelm Liebknechts mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, der bereits 1863 von Ferdinand Lassalle gegründet worden war. Der Vereinigungsparteitag der marxistischen "Eisenacher" (nach dem Gründungsort der SDAP) mit den gemäßigteren "Lassalleanern" fand vom 22. bis zum 27. Mai 1875 in Gotha statt.

Hier wurde auch das Gothaer Programm der SAP verabschiedet. Drei Jahre später wurde die Partei durch das von Reichskanzler Otto von Bismarck initiierte Sozialistengesetz (Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie) für 12 Jahre in den Untergrund gedrängt. Ihr Parteiorgan, der „Vorwärts“, wurde ebenso verboten wie öffentliche Auftritte oder Versammlungen der Partei. Einzig die Reichstagsfraktion der SDAP, zu der unter anderen Wilhelm Liebknecht, August Bebel und Wilhelm Hasenclever gehörten, behielt ihre Mandate. Viele Parteimitglieder sahen sich zur Emigration gezwungen oder wurden im Zuge des sogenannten Kleinen Belagerunszustandes, der zeitweilig im Rahmen der Sozialistengesetze über einige Hochburgen der SAP (z.B. Berlin, Hamburg, Leipzig oder Frankfurt am Main) verhängt wurde, aus ihren Wohnorten ausgewiesen.

1877 erhielt die SAP bei den Reichstagswahlen knapp 500.000 Stimmen. 1890, noch vor der Aufhebung der bis dahin von Jahr zu Jahr erneuerten Sozialistengesetze, war sie mit gut 1,4 Millionen zur wählerstärksten Partei in Deutschland geworden. Als deutsche Sektion der 1889 in Paris gegründeten Sozialistischen Internationale galt sie trotz Verbot im eigenen Land als einflussreichste sozialistische Partei ihrer Zeit in Europa.

Kurze Zeit nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes im Herbst 1890 benannte sich die SAP in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) um.

Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (1931-1945)

1931-1933

Die Sozialistische Arbeiterpartei (SAPD) war eine linke Abspaltung der SPD im Herbst 1931, sie entstand, als sechs Mitglieder der SPD-Reichstagsfraktion (Kurt Rosenfeld, Max Seydewitz, August Siemsen, Heinrich Ströbel, Hans Ziegler und Andreas Portune) wegen des Bruches der Fraktionsdisziplin ausgeschlossen wurden. Der neu gegründeten Partei schloss sich eine Minderheit des linken SPD-Flügels (darunter auch einige bekanntere Politikerinnen wie Anna Siemsen und Käte Frankenthal) und des Jugendverbandes SAJ, ein Teil der KPO um Paul Frölich, Jakob Walcher, August Enderle, August Ziehl und Heinrich Galm, einige Gruppen und Personen aus der Versöhnlerfraktion der KPD wie Heinrich Stahmer, die Rest-USPD um Theodor Liebknecht, der Sozialistische Bund von Georg Ledebour, die Arbeitsgemeinschaft für linkssozialistische Politik um Fritz Küster, eine entristisch arbeitende Gruppe der Roten Kämpfer um Bernhard Reichenbach (1932 ausgeschlossen) sowie bekannte unabhängige marxistische Intellektuelle wie Fritz Sternberg an.

Ein Durchbruch auf Wahlebene blieb der SAPD größtenteils versagt (Landtagsmandate in Hessen und Stadt-/Gemeinderatssitze in ihren kommunalen Hochburgen (Offenbach, Geesthacht, Breslau, Dresden, Zwickau), auch gelang es ihr nicht, zu einem Attraktionspol für parteilose Linke oder kritische SPD- und KPD-Mitglieder zu werden.

Die SAPD setzte sich vehement für eine Einheitsfront von SPD, KPD, Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen der ArbeiterInnenbewegung gegen den Faschismus ein; was auf grund der Ablehnung dieser Strategie durch die leitenden Bürokratien wenig erfolgreich war. Gemeinsam mit der KPO und dem Leninbund führte die SAPD eine Reihe von antifaschistischen Kundgebungen und Diskussionsveranstaltungen durch, auf welchen der Einheitsfrontgedanke propagiert wurde.

Anfang 1933 spitzten sich innerhalb der SAPD fraktionelle Auseinandersetzungen zu, als die Mehrheit des Vorstandes um Rosenfeld und Seydewitz eine Auflösung der Partei zugunsten von SPD und KPD propagierten, der linke Flügel widersetzte sich dem und führte, schon unter den Bedingungen der Illegalität einen Parteitag durch, auf welchem ein neuer Vorstand gewählt wurde. Dem Auflösungsaufruf des rechten Flügels schloss sich von den damals 15.600 Mitgliedern ein knappes Zehntel an. Hintergrund für diese Auseinandersetzung war die Unzufriedenheit einer Mehrheit der Mitglieder mit dem gemäßigten - linkssozialdemokratischen und pazifistischen - Kurs der Parteiführung und ehemaligen Reichstagsabgeordneten, die SAPD-Linke (um die ehemaligen KPO-Mitglieder Fröhlich und Walcher, die Intellektuellen Sternberg und Klaus Zweiling und die Leitung des SJVD) strebte den Aufbau einer neuen revolutionären Partei und einer neuen kommunistischen Internationalen an. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die SAPD dem Londoner Büro, einem Zusammenschluss linkssozialistischer und unabhängiger kommunistischer Parteien wie der POUM, der britischen ILP und der niederländischen RSP und OSP angehörte und 1934 mit der Internationalen Kommunistischen Liga Leo Trotzkis Fusionsverhandlungen führte.

Die SAPD gab die Tageszeitung Sozialistische Arbeiter Zeitung, die Wochenzeitung Die Fackel, mehrere regionale Zeitungen wie das Kampfsignal (Berlin) heraus, das bisherige theoretische Organ der SPD-Linken, der Klassenkampf erschien nun unter HerausgeberInnenschaft der SAPD. Junge Mitglieder und SympathisantInnen der SAPD schlossen sich zum Sozialistischen Jugendverband (SJVD) zusammen, der ca. 8.000-10.000 Mitglieder (die SAPD zu Hochzeiten ca. 25.000) zählte. Einen gewissen Einfluss entfaltete die SAPD auf die pazifistische Deutsche Friedensgesellschaft (DFG), zumal deren geschäftsführender Vorsitzender Fritz Küster auch dem SAPD-Vorstand angehörte und in verschiedenen Kulturorganisationen der Arbeiterbewegung (Freidenker, Arbeitersportbewegung). In den Gewerkschaften blieb der Einfluss der SAPD eher mäßig.

Exil und Illegalität

Ab 1933 arbeiteten ihre Mitglieder in der Illegalität gegen den Nationalsozialismus, dabei gelang es der SAPD in den Jahren bis 1936 relativ gut, ihre Strukturen vor der Gestapo zu verbergen. Über die Hälfte der Mitgliedschaft nahm am antifaschistischen Widerstand Teil, ein sehr viel höherer Prozentsatz als bei den Massenparteien SPD und KPD. Viele SAPD-Mitglieder, v.a. die in der Öffentlichkeit bekannten, emigrierten, von den in Deutschland gebliebenen wurden viele in Zuchthäuser oder Konzentrationslager gesperrt, einige, wie Ernst Eckstein und Franz Bobzien ermordet. Nachdem 1937/38 die meisten SAPD-Strukturen zerschlagen worden waren, gab es nur noch kleinere Gruppen und Zirkel, welche weiterhin (teilweise bis zur Befreiung 1945) aktiv waren Im Exil (der Exilvorstand befand sich in Paris) beteiligte sich die SAPD an den Versuchen, eine deutsche Volksfront zu gründen, Mitglieder der Partei kämpften während des spanischen Bürgerkrieges in den Arbeitermilizen der POUM. Zur Unterstützung notleidender oder gefangener GenossInnen wurde eine Unterstützungskasse, der Ernst Eckstein-Fonds ins Leben gerufen. 1937 wurde eine Gruppe von Mitgliedern um Erwin Ackerknecht, Walter Fabian und Peter Blachstein aus der Partei ausgeschlossen, nachdem diese eine zu unkritische Haltung der SAPD gegenüber der KPD und den Moskauer Prozessen kritisiert hatte, die Ausgeschlossenen konstitutierten sich als Gruppe Neuer Weg. 1939 brachen die Kontakte zwischen Exil- und Untergrundgruppen auf Grund des Kriegsausbruches weitestgehend zusammen, die Exilstrukturen selbst zeigten Desintegrationstendenzen (u.a. zerbrach die Exilleitung in rivalisierende Gruppen um Walcher und Frölich), die noch aktiven Gruppen in Schweden (welche noch einzelne Kontakte zu Mitgliedern im norddeutschen Raum unterhielt) und Großbritannien näherten sich wieder der SPD an.

Nach 1945

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur schlossen sich die meisten Mitglieder der SAPD in den Westzonen 1945 nach einer Unterredung zwischen dem späteren SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher und dem als SAPD-Vertreter fungierenden Otto Brenner mehrheitlich der SPD an, andere Mitglieder, so vor allem in der sowjetischen Zone wie Klaus Zweiling, Jakob Walcher oder Edith Baumann auch der SED bzw. KPD. Versuche der Wiedergründung einer dezidiert linkssozialistischen Partei auf lokaler Ebene wie unter Heinrich Galm in Offenbach (Arbeiterpartei - AP) oder unter August Ziehl in Geesthacht (dort unter dem Namen SAP) scheiterten. Einige ehemalige SAPD-Mitglieder wie Fritz Lamm spielten in der unabhängigen radikalen Linken der 1950er und 1960er Jahre eine wichtige Rolle, andere schlossen sich der in der Tradition der KPD-O stehenden Gruppe Arbeiterpolitik an.

Willy Brandt und die SAP

In der Autobiographie von Willy Brandt (Mein Weg nach Berlin) heißt es dazu: "Im Herbst 1931 schlossen sich Nazis und Deutschnationale, SA und Stahlhelm in der "Harzburger Front" zusammen. ... Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt kam es auch als Ergebnis organisatorisch-disziplinarischer Maßnahmen der Parteiführung, zur Abspaltung des linken Flügels der Sozialdemokratie. Einige wenige Reichstagsabgeordnete, eine Reihe aktiver Parteigruppen - vor allem in Sachsen -, nicht zuletzt aber ein großer Teil der sozialistischen Jugend folgte denen, die zur Gründung einer Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) aufriefen."

Willy Brandt trat in seiner Heimatstadt Lübeck gegen den Rat seines Mentors Julius Leber der SAP bei, war Mitglied des Ortsvorstandes und Vorsitzender des örtlichen SJVD, im Exil leitete er das SAPD-Büro und die Zentrale Anlaufstelle des SJVD in Oslo, ferner vertrat er vom Februar 1934 bis zum Herbst 1937 den SJVD beim Internationalen Büro revolutionärer Jugendorganisationen.

Neben- und Vorfeldorganisationen

Mitgliederzahlen

  • 1931: ca. 25.000
  • März 1933: ca. 15.600
  • Ende 1933: ca 13.000-14.000 Mitglieder, >100 im Exil
  • Anfang 1935: ca. 10.000, davon ca. 5.000 aktiv und ca. 180 im Exil
  • Januar 1937: ca. 1.000 illegal arbeitende Mitglieder in Deutschland

Siehe auch

Literatur

  • Jörg Bremer: Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP). Untergrund und Exil 1933-1945. Frankfurt am Main-New York 1978. ISBN 3-593-32329-X
  • Klaus Dagenbach/Markus Rupp: Die Pforzheimer SAPD im Widerstand. Pforzheim 1995. ISBN 3980352994
  • Hanno Drechsler: Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung am Ende der Weimarer Republik. Meisenheim am Glan 1965. ISBN 3-445-00431-5
  • Harro Kieser [Hrsg.]/Dagmar Schlünder [Bearb.]: Die Presse der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands im Exil: 1933 - 1939; eine analytische Bibliographie. München 1981. ISBN 3-446-12980-4
  • Einhart Lorenz: Mehr als Willy Brandt. Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) im skandinavischen Exil. Frankfurt/Main 1997. ISBN 3-631-31428-0
  • Heinz Niemann (Hrsg.): Auf verlorenem Posten? Zur Geschichte der Sozialistischen Arbeiterpartei. Zwei Beiträge zum Linkssozialismus in Deutschland. Berlin 1991 (von Helmut Arndt und Heinz Niemann). ISBN 3-320-01699-7