Keilschrift

Bilderschrift, deren Formen durch die Eindrücke eines Schreibgriffels in den noch weichen Beschreibstoff Ton entstanden
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Übersicht

 
Keilschrift-Tontafel Vorderseite
 
Keilschrift-Tontafel Rückseite

Als Keilschrift bezeichnet man ursprünglich eine sumerische Bilderschrift, deren Formen durch die keilartigen Eindrücke eines Schreibgriffels in den noch weichen Beschreibstoff Ton entstanden. Die Keilschrift diente zahlreichen Kulturvölkern des alten Orients (Sumerer, Akkader, Babylonier, Assyrer, u.a.) über einen Zeitraum von ca. 3000 v. Chr. bis 400 v. Chr. als bevorzugte Schriftform. Sie entwickelte sich von der anfänglichen Bilderschrift über eine Silbenschrift hin zu einer phonetischen Konsonantenschrift, bis sie schließlich von anderen Schriftformen (z.B. Griechisch) verdrängt wurde und in Vergessenheit geriet.

Geschichte und Verbreitung

Die sumerische Keilschrift gilt allgemein als die älteste bekannte Schriftform. Sie entstand etwa um 3500 v. Chr. im Reich Sumer in Mesopotamien und konnte ihre Vormachtstellung bis ca. 1800 v. Chr. halten. Zunächst begann die sumerische Keilschrift als reine Bilderschrift, bestehend aus Piktogrammen und Ideogrammen, die in Stein und gebrannten Ton geritzt wurden. Die typische Keilschrift-Form erhielt diese Schriftart erst um das Jahr 2700 v. Chr. als die altsumerischen Machtzentren Uruk, Ur, Lagash enorm anwuchsen und deren zentrale Tempelbürokratien einen gesteigerten Schreibbedarf entwickelten, der nach einer Rationalisierung des Schreibprozesses verlangte. Geradezu revolutionär kann die neue Technik bezeichnet werden, bei der mit einem stumpfen Schreibgriffel Keile in den noch weichen Ton gedrückt wurden, der anschließend getrocknet oder auch gebrannt wurde.

Wurde die neue Keilschrift zunächst nur von den Sumerern genutzt, gewann sie bei den übrigen Kulturvölkern des alten Orients schnell an Popularität. Um das Jahr 2350 v. Chr. drang das semitische Volk der Akkader nach Sumer vor, übernahm die Herrschaft über die sumerischen Stadtstaaten und damit auch Schrift und Kultur. Unter der akkadischen Herrscherdynastie Sargons von Akkad breitete sich deren Herrschaftsgebiet und damit auch Sprache, Kultur und Schrift weiter aus.

Etwa zur selben Zeit gelangte die Kenntnis der Keilschrift bis nach Syrien in das Reich Ebla, wo sie der einheimischen semitischen Sprache, des Eblaitischen, verwendet wird. Bereits ab 2500 v. Chr. löst die Keilschricht im benachbarten Königreich Elam (heutiger Iran) die dort geschriebene proto-elamitische Strichschrift ab, wo sie bis in das Jahr 331 v. Chr. Verwendung fand. Auch die Hethiter, deren indoeuropäische Sprache sich vom semitischstämmigen Akkadisch sehr unterscheidet, adaptierten die Keilschrift. Die Hethiter ersetzten zunächst ihre eigenen andersartigen Piktogramme durch die Keilschrift. Dabei verlief die Verbreitung der Keilschrift im Norden bis nach Armenien mit Urartäisch als Landessprache und im Süden bis nach Palästina mit Kanaanäisch als vorherrschende Sprache. Die weiterentwickelte Form der Keilschrift war so anpassungsfähig beim Gebrauch der Symbole als phonetische Zeichen, dass die Schrift in gleicher Weise für die Sprachen der Akkader, Babylonier und Assyrer verwendet werden konnte.

Als Hammurapi im Jahre 1750 v. Chr. den babylonischen Thron bestieg, bestand Mesopotamien lediglich aus einer Reihe rivalisierender Stadtstaaten. Ihm gelang es jedoch aufgrund seiner Feldzüge, das Herrschaftsgebiet Babylons auf ganz Mesopotamien auszudehnen und weit über die Landesgrenzen hinaus die Sprache und Kultur seines Reiches zu verbreiten.

Mit dem Niedergang des babylonischen Reiches und dem Aufstieg des assyrischen verbreitete sich die Schrift und die Kultur des Zweistromlandes bis in das 7. Jh. v. Chr. von Babylonien und Assyrien über Palästina bis nach Ägypten. In dieser Epoche entwickelte sich die Keilschrift zu ihrer endgültigen Form weiter. Ab dem 8. Jh. v. Chr. drangen langsam neue Schriftsysteme, wie die phönizische oder griechische Lautschrift nach Kleinasien vor, die nach und nach die Keilschrift verdrängten bis ihre Kenntnis vollständig verloren ging.

Eine Sonderform der Keilschrift stellt die persische Keilschrift dar. Zu Beginn der Regierungszeit Dareios I. im Jahr 521 v. Chr. besaßen die Perser noch keine eigene Schrift. Die Verwaltungssprache des persischen Reiches war elamisch, daneben wurde in Reliefs stets auch eine Übersetzung in babylonisch angebracht. Dareios I. ordnete die Schaffung einer eigenen persischen Schrift (altpersisch). Die persische Keilschrift war viel einfacher strukturiert (34 Zeichen) als die Keilschriften der Elamer (ca. 200 Zeichen) und Babylonier (ca. 600 Zeichen), und hatte zur besseren Lesbarkeit Worttrenner. Die Entzifferung dieser vereinfachten persischen Keilschrift mit Hilfe eines in Bisutun gefundenen dreisprachigen Textes (analog zum Stein von Rosette) führte zur Entzifferung der komplexeren Keilschriften Elams und Babylons. Die persische Keilschrift wurde später (um 400 v. Chr.) durch das Einführen des Aramäischen verdrängt.

Erst 1802 gelang dem deutschen Philologen Georg Friedrich Grotefend der erste Schritt zur Entzifferung der Keilschrift.

Schriftgut

Die frühe sumerische Schriftkultur stand zunächst ganz alleine der Tempeladministration zur Verfügung, die sie für das Steuerwesen und die Verwaltung als Instrument staatlicher Kontrolle einzusetzen verstand. Allerdings dauerte es sehr lange, bis sich die Keilschrift des gesamten funktionalen Spektrums bemächtigen konnte, das den Schriftgebrauchs der antiken Hochkulturen kennzeichnet. Erst nach religiösen und politischen Dokumenten oder privaten Kaufverträgen entstehen wissenschaftliche Schriften und unterhaltende Literatur. Zu den überlieferten Texten in gehören Königsinschriften, Epen, Mythen, Hymnen , Wahrsagesprüche und Klagelieder, darunter auch das Gilgamesch-Epos, eine der ältesten überlieferten Dichtungen der Menschheit, und das berühmteste literarische Werk Altbabylons.

Mit der Adaption der Keilschrift durch andere altorientalische Hochkulturen entstand zwischen den Völkern ein erster Briefwechsel, ein Vorläufer des heutigen Postdienstes, wobei die versandten Tontafeln mit Schutzhüllen aus gebrannten Ton versehen wurden.

Es bildete sich der privilegierte Stand des Schreibers heraus, der über das Ansehen eines Aristokraten verfügte, und aufgrund seines direkten Zuganges zu wichtiger Informationen zum Teil mächtiger wurde, als die meist analphabetischen Herrscher. Schreiberschulen wurden eingerichtet, deren Disziplin und Strenge auch anhand von erhaltenen Hausaufgaben dokumentiert ist.

Schriftentwicklung

Die Entwicklungsgeschichte der Keilschrift ließ sich über Tontafeln mit Abschriften, die Tempelschüler bei ihren Lehrmeistern machten, nachvollziehen. Anfänglich handelte es sich bei den Schriftzeichen um Piktogramme, um vereinfachte bildhafte Darstellungen eines Gegenstandes oder Wesens, die sich im Laufe der Zeit weiter zu miteinander verbunden, komplexere Gedankengänge repräsentierenden Ideogrammen entwickelten. Ab etwa 2900 v. Chr. verloren die Piktogramme mehr und mehr ihre ehemalige Funktion und ihren ursprünglichen Bezug. Nun konnte ein einzelnes Zeichen je nach Sinnzusammenhang verschiedene Bedeutungen haben. Im nachfolgenden Entwicklungsschritt wurde nur noch eine Bedeutung mit einem Zeichen in Verbindung gebracht. Aus ursprünglich 1500 Piktogrammen entwickelten sich so 600 Zeichen, die regelmäßig verwendet wurden. Diese Zeichen bezogen sich mit der Zeit immer mehr auf die Lautung der Worte, die gesprochen wurden. Es entstanden Bilderrätsel (Rebus), in denen ein Piktogramm nicht mehr für das dargestellte Objekt stand, sondern für ein ähnlich lautendes Wort. Ähnlich wie bei den Hieroglyphen vollzog sich bei der Keilschrift über lange Zeiträume hinweg eine Phonetisierung der Schriftzeichen. Damit ein eindeutiges Lesen möglich war, mußten die Schreiber Determinative einführen, um die Zeichen nach Objektbedeutung und Lautbedeutung klassifizieren zu können.

Schriftmedien

Das bevorzugte Schriftmedium der Keilschrift zur Zeit ihrer Verbreitung (3000 v. Chr. bis 500 v. Chr.) waren vor allem Tafeln aus gebrannten oder ungebrannten, weichen Ton und Stein, in die die Schriftzeichen mittels eines Schilfrohr- oder Holzgriffels eingeprägt wurden. Es wurden aber auch mit einem Stichel in Silberplatten geprägte Texte in Keilschrift gefunden.

Literatur

  • Karoly Földes-Papp, Vom Felsbild zum Alphabet - die Geschichte der Schrift von ihren frühesten Vorstufen bis zur modernen lateinischen Schreibschrift, Chr. Belser Verlag, Stuttgart, 1966, ISBN 3-811-20007-0
  • Harald Haarmann: Geschichte der Schrift, C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47998-7
  • Harald Haarmann: Universalgeschichte der Schrift, Campus Verlag, Frankfurt/Main; New York 1990, ISBN 3-593-34346-0