Mundharmonika

Musikinstrument
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Die Mundharmonika (auch Harp) ist ein Musikinstrument mit Durchschlagzungen aus Metall in Luftkanälen.

chromatische Mundharmonika

Geschichte

Die Erfindung der Mundharmonika wird zu Unrecht sehr oft dem Thüringer Friedrich Buschmann zugeschrieben. Aufgebracht wurde diese Legende in den 1930er Jahren, in einer Zeit, in der man wohl auch aus politischen Gründen einen Deutschen als Erfinder zu legitimieren versuchte.

„Unausrottbar scheint die Legende, der Thüringer Friedrich Buschmann habe Mund- und Ziehharmonika erfunden. Einer Überprüfung hält diese These nicht stand. Denn der Musiker Buschmann spricht in einem Brief vom 1828 von seiner soeben getätigten Erfindung. Jahre zuvor hatte schon die gewerbsmäßige Herstellung in Wien begonnen.“ „Nachweislich wurden „Mundharmonikas [...]“ 1825 in Wien verkauft.“ (s.u. Literatur Conny Restle:In aller Munde, S. 43)

Zur früheren Geschichte und den Vorläufern siehe Harmonium.

 
diatonische Mundharmonikas

Überblick

Die Mundharmonika hat sich auf Grund ihrer Kompaktheit und des relativ günstigen Preises verglichen mit anderen Musikinstrumenten weltweit als Volksinstrument etabliert. Einfache Melodien wie die bekannter deutscher und internationaler Volkslieder sind leicht zu erlernen, jedoch ergeben sich, bedingt durch die Bauart, teilweise Einschränkungen der möglichen Tonfolgen und Akkorde. Eine besondere Stellung nimmt sie in der Blues- Szene ein, in welcher sie als Blues Harp bezeichnet wird. Oftmals nur von einer Gitarre begleitet, jedoch auch in größeren Combos, unterstreicht sie hier durch ihren teils lauten und "schreienden", teils fast schon als "weinend" zu beschreibenden Ton die typisch düstere Stimmung des Blues.

Bauarten

Chromatische Mundharmonika

Chromatische Mundharmonikas erlauben es über einen eingebauten Schieber alle Halbtöne der westlichen Musik abzudecken. Somit stehen ihnen alle Musikstile offen.

                       C  E  G  C  C  E  G  C     <=  Blastöne
Kanzelle :     =>     (1)(2)(3)(4)(5)(6)(7)(8)
(Blasöffnung)          D  F  A  H  D  F  A  H     <=  Ziehtöne

Die Zellen 1-4 und 5-8 umfassend demnach bereits eine vollständige C-Dur-Tonleiter.

Diatonische Mundharmonika

Eine Diatonische Mundharmonika ist eine Mundharmonika mit 10 Kanzellen, die nicht chromatisch, sondern nach der „Richterstimmung” gestimmt ist. Durch blasen und ziehen lassen sich an jeder Kanzelle zwei unterschiedliche Töne erzeugen. Folgende Grafik veranschaulicht die Richterstimmung einer Diatonischen Harmonika für C-Dur:

                       C  E  G  C  E  G  C  E  G  C    <=  Blastöne
Kanzelle :     =>     (1)(2)(3)(4)(5)(6)(7)(8)(9)(10)
(Blasöffnung)          D  G  H  D  F  A  H  D  F  A    <=  Ziehtöne

Schon allein mit den Kanzellen 4-7 kann also eine vollständige C-Dur-Tonleiter gespielt werden. Bläst man durch mehrere Kanzellen ertönt ein C-Dur Akkor (C E G) und zieht man an Kanzelle 2-4, so ertönt ein G-Dur Akkord (G H D). Damit ermöglicht die Richterstimmung Akkordbegleitung für einfache Lieder.

Diese unflexibel anmutende Lösung - sie eignet sich nur für Lieder in einer Dur Tonart - enthält jedoch einige Effekte die es erlauben mit ihr harmonisch andere Musik zu spielen wie zum Beispiel Blues. Dort heißt die Mundharmonika Bluesharp.

Bluesharp

Durch die Anordnung von einem Blaston und einem Ziehton pro Kanzelle kann durch Veränderung des Mundraumes beim Spielen die Tonhöhe abweichend von der Stimmung verändert werden, z.B. kann dadurch beim Atem-Ziehen durch die Kanzelle auch die Blaston-Stimmzunge in Bewegung versetzt werden (Überziehen). Daraus ergibt sich eine Tonhöhenveränderung um mindestens einen Halbton.

Somit hat ein geschickter Mundharmonikaspieler auf seiner diatonischen Bluesharp mehr Töne zur Verfügung, die ohne diese Effekte (genannt: blas/zieh Bending und Überblasen/Überziehen) in der Richter-Stimmung nicht zur Verfügung ständen.

Das Bending (engl. für Biegen) ist eine besonders bei Blues-Musikern verbreitete Spielweise, da nicht nur mit den von der Tonleiter zu Verfügung stehenden Tönen gespielt werden kann, sondern ein gleitender Ton-zu-Ton-Übergang, wie er beim Blues üblich ist, möglich wird.

Bekannte Mundharmonikaspieler

Einen großen Einfluss auf die Entwicklung des elektrisch verstärkten Harpspiels hatte Little Walter, der im Chicago Blues insbesondere der 40er und 50er Jahre als Topspieler galt und bis heute stilbildend für Bluesharpspieler ist.

Ein weltberühmter Jazz-Mundharmonika-Spieler ist Toots Thielemans (geb. 1922 in Brüssel). Er komponierte und spielte viele Filmmelodien wie Midnight Cowboy, The Getaway sowie für TV-Serien wie Sesamstraße.

Zwischen Jazz und Klassik bewegte sich der erste große Virtuose der chromatischen Mundharmonika Larry Adler.

In der klassischen Musik war Tommy Reilly der vielleicht bedeutendste Mundharmonikaspieler. Franz Chmel und Antonie Serrano gelten als die zur Zeit technisch brilliantesten Klassikspieler.

Als derzeit rundherum bester Harpspieler, der auf keinen Stil festlegbar ist, gilt Howard Levy. Er hatte Ende der 60er Jahre die Overblows entwickelt und dadurch die Bluesharp vollchromatisch spielbar gemacht.

In Deutschland sehr bekannt ist der Bluesmundharmonikaspieler Steve Baker durch seine vielen Mundharmonika-Fachbücher und Workshops sowie seine musikalisch großartigen Auftritte mit Gitarristen wie Abi Wallenstein oder Chris Jones. Daneben sind aus deutschen Landen auch Lars Luis Linnek, Mark Breitfelder und Ralf Söchting zu nennen.

Ein berühmter argentinischer Mundharmonikaspieler war Hugo Díaz (1927-1977), der u.a. viele Tangos auf seinem Instrument interpretierte.

Eine wichtige Rolle spielt die Mundharmonika in dem Western Spiel mir das Lied vom Tod von Sergio Leone, in dem Charles Bronson als Mundharmonika spielender Cowboy eine der berühmtesten Melodien der Filmgeschichte intoniert. In den Winnetou-Filmen mit Pierre Brice und Lex Barker spielte René Giessen mit der Mundharmonika die Titelmelodien.

Literatur

  • Conny Restle: In aller Munde. Mundharmonika, Handharmonika, Harmonium; eine 200jährige Erfolgsgeschichte, Staatl. Institut für Musikforschung, Berlin 2003, ISBN 3-922378-20-X
  • Kim Field: Harmonicas, Harps, and Heavy Breathers. The Evolution of the People's Instrument, Cooper Square Press, New York 2000, ISBN 0-8154-1020-4
  • Christoph Wagner (Hrsg.): Die Mundharmonika. Ein musikalischer Globetrotter, Transit-Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-88747-110-5
  • Robert Lambrecht: Imagination is limitless. Weltreise der Mundharmonika, AbsolutMedien, Berlin 2002 (1 Videokassette, VHS, 60 Min.), ISBN 3-89848-265-0