Sexueller Missbrauch von Kindern

sexuelle Handlungen an oder vor Kindern gegen deren Willen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 11. August 2006 um 16:51 Uhr durch 84.173.215.129 (Diskussion) (Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Sexueller Missbrauch von Kindern bezeichnet willentliche sexuelle Handlungen mit, an oder vor Kindern. Typischerweise spielt dabei ein Macht- oder Wissensgefälle zwischen dem Täter und seinem kindlichen Opfer eine zentrale Rolle. Als Kind werden nach deutschem Strafrecht Personen definiert, die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. In Deutschland ist Sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB strafbar.

Begriffsbestimmung

Für den sexuellen Missbrauch von Kindern als Begriff ist der Missbrauch zentral.

Sexueller Missbrauch von Kindern ist stets eine Verletzung der von vorzeitigen sexuellen Erlebnissen ungestörten Gesamtentwicklung des Kindes und damit seiner Möglichkeit zur Entwicklung sexueller Selbstbestimmungsfähigkeit. Im deutschen Recht wird die Einwilligungsfähigkeit des Kindes in sexuelle Handlungen, mithin die sexuelle Autonomie des Kindes generell verneint. Ab welchem Alter eine solche Selbstbestimmung sicher verneint, vermutet oder vorausgesetzt werden kann, ist stark kulturabhängig. Beispielsweise wird in den meisten Kulturen das heiratsfähige Alter mit einer gewissen sexuellen (nicht notwendig sozialen) Autonomie verknüpft sein. In der Psychologie wird in diesem Zusammenhang unterschieden zwischen einfacher Zustimmung (simple consent) und wissentlicher Zustimmung (informed consent). Die juristisch relevante Alters- und Reifestufe wird im Begriff des Schutzalters gefasst.

Diese Kulturabhängigkeit wird von Fürsprechern der Pädophilie häufig dazu verwendet, sexuellen Missbrauch von Kindern zu relativieren und als hinnehmbar darzustellen. Unabhängig von Kulturvarianten basiert eine solche Betrachtung auf positiven Annahmen (wir wollen es beide und haben uns lieb) und lässt die spezifische Traumatisierbarkeit von Kindern ausser Acht.

Folgen sexuellen Missbrauchs

Die unmittelbaren Auswirkungen von sexuellem Missbrauch auf ein Kind sind sehr unterschiedlich. Etwa die Hälfte der betroffenen Kinder scheint keine negativen Auswirkungen zu haben (Kuehnle, 1998). Die restlichen können Angststörungen, Depressionen, ein geringes Selbstwertgefühl sowie Verhaltensstörungen entwickeln. Wenn die unmittelbare Krise vorüber ist, brauchen viele Kinder weiterhin professionelle Hilfe. Besonders bei schweren Missbrauchshandlungen entwickelt sich häufig eine posttraumatische Belastungsstörung. Untersuchungen lassen einen statistischen Zusammenhang zwischen Erfahrung von sexuellem Missbrauch und Auftreten von dissoziativen Identitätsstörungen, Essstörungen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen erkennen (Davison u. Neale 2002).

Als Folge von sexuellem Kindesmissbrauch gelten außerdem folgende Punkte:

  1. Integrationsstörung: Jeder Mensch ist darauf angewiesen, was ihm widerfährt irgendwie einzuordnen und zu verarbeiten. Einem sexuell absolut unreifen Kind sind die Handlungen des Erwachsenen beim sexuellen Übergriff erst einmal völlig unverständlich: es versteht kurz gesagt die Welt nicht mehr, und kann das Geschehen in seine Welt und seine Geschichte nicht integrieren
  2. Vertrauensbruch: Ein Kind lebt gewissermaßen davon, dass es seinen Eltern Vertrauen entgegenbringt. Dieses Vertrauen ist für das Kind die einzige Quelle von Sicherheit in einer ansonsten durchaus unsicheren und gefährlichen Welt. Wird dieses Vertrauen von den Eltern durch Handeln, Hinnehmen oder Ignorieren verraten, so zerbricht für das Kind die Basis jeglicher Sicherheit.
  3. Unausweichbarkeit: Ein Erwachsener kann, auch wenn die Situation noch so schrecklich ist, sich zumindest emotional distanzieren ("das bin nicht ich", "das ist nicht meine Welt"). Ein Kind kann das nicht. Es kennt nur die eine Welt, die seiner Familie. In dieser Welt wurde es verraten und missbraucht und hat keine Ausweichmöglichkeit ausser den Welten, die schon Produkt psychischer Störungen sind.

Als Konsequenz ergibt sich, dass das Geschehen partiell vergessen wird, es aber aufgrund seiner einschneidenden Bedeutung nicht vollständig vergessen werden kann. Spätfolgen daraus resultierender Traumata sind daher häufig Amnesien und tiefsitzende, schlecht diagnostizierbare Persönlichkeitsstörungen (speziell DIS und Borderline).

Gesetzeslage einzelner Länder

Literatur

  • Gabriele Amann, Rudolf Wipplinger: Sexueller Missbrauch: Überblick zu Forschung, Beratung und Therapie; ein Handbuch. Dgvt-Verlag: Tübingen 2005. ISBN 978-3-87159
  • Deutsches Jugendinstitut; bearb. von Monika Schöttle: Sexueller Missbrauch von Kindern: Dokumentation der Nationalen Nachfolgekonferenz "Kommerzielle Sexuelle Ausbeutung von Kindern" vom 14./15.März 2001 in Berlin. Opladen: Leske & Budrich: DJI München 2001. ISBN 3-8100-3376-6
  • Hartwig, Luise; Hensen, Gregor: Sexueller Missbrauch und Jugendhilfe: Möglichkeiten und Grenzen sozialpädagogischen Handelns im Kinderschutz. Juventa-Verlag: Weinheim 2003. ISBN 3-7799-0735-6
  • Besten, Beate: Sexueller Missbrauch und wie man Kinder davor schützt. Beck: München 1995. ISBN 3-406-39333-0
  • Broek, Jos van den: Verschwiegene Not: Sexueller Missbrauch an Jungen. Kreuz-Verlag: Zürich 1993. ISBN 3-268-00141-6
  • Gertz, Maike: Auch wir dürfen NEIN sagen: sexueller Missbrauch an Kindern mit einer geistigen Behinderung; eine Handreichung zur Prävention. Winter: Heidelberg 2003. ISBN 3-8253-8311-3
  • Van der Kolk, Bessel A.: Traumatic Stress: Grundlagen und Behandlungsansätze; Theorie, Praxis und Forschungen zu Posttraumatischem Stress sowie Traumatherapie. Junfermann: Paderborn 2000. ISBN 3-87387-384-2

Siehe auch

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen

Links und Adressen zu allgemein und rechtlich beratenden Einrichtungen