Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo 2006

Wahl
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Vorlage:Neuigkeiten Die Wahl in der Demokratischen Republik Kongo am 30. Juli 2006 war die erste freie Wahl im Kongo seit 1965. Gewählt werden ein neuer Präsident und ein neues Parlament.

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Karte der Demokratischen Republik Kongo

Zwischen 6 Uhr und 17 Uhr lokaler Zeit war es den 25 Millionen Wahlberechtigten möglich ihre Stimme abzugeben. Die Wahlkommission will das offizielle Ergebnis frühestens drei Wochen nach der Wahl bekannt geben.[1] Es existieren 50.000 Wahlbüros. Die Kosten der Wahl von etwa 470 Millionen US-Dollar werden zu 80% von der EU bezahlt.[2]

Für das Amt des Präsidenten gibt es je nach Quelle 32[1] oder 33 Kandidaten[3][2]. Für die 500 Parlamentsplätze gibt es 9.707 Kandidaten[2]. Für eine direkte Wahl benötigt ein Kandidat mindestens 50% der Stimmen, ansonsten ist eine Stichwahl am 29. Oktober erforderlich.[4][5]

Die Wahl fand unter reger Beteiligung statt, so haben viele Wähler längere Strecken zu den Wahlbüros zurück gelegt und teilweise vor den Wahlbüros übernachtet.[6][7] Die Wahlbeteiligung lag in den Städten zwischen 60% und 80%.[8]

Die Wahl wird von 17.600 UNO-Soldaten, der Monuc-Mission; 2.000 Soldaten der EUFOR RD Congo, darunter auch 780 deutsche Bundeswehr-Soldaten[9] und drei österreichische Offizieren[7]; so wie 80.000 kongolesischen Sicherheitstruppen überwacht[10]. In den Wochen vor der Wahl war es wiederholt zu Ausschreitungen gekommen[11]. Die Wahl wird von rund 1.200 Wahlbeobachtern kontrolliert, unter ihnen auch der ehemalige kanadische Ministerpräsident Joe Clark.[12]

Im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen sind für die 24 neuen Provinzen Exekutivwahlen vorgesehen.

Vorbereitungen vor der Wahl

Die Monuc-Truppen sollen in den Monaten vor der Wahl die kongolesische Armee bei der Bekämpfung von Milizen im Osten des Kongos unterstützt haben. Dabei soll es am 21. April im Dorf Kazana zu 25 bis 34 Toten Zivilisten größtenteils durch Mörser-Feuer von UN Truppen gekommen sein. Außerdem hätten die UN-Truppen dabei zugesehen, wie die kongolesische Armee danach das Dorf niederbrannte.[13]

Drei Tage vor der Wahl, am 27. Juli, wurde ein Friedensvertrag in der Region Ituri geschlossen. Dabei soll die Rebellenorganisation MRC entwaffnet werden. Für die Kämpfer wurde eine Generalamnestie erlassen und die Offiziere sollen in die kongolesische Armee übernommen werden. Der Konflikt in Ituri habe um die 60.000 Menschen Leben gefordert und rund 200.000 Menschen vertrieben.[14]

Am 29. Juli soll eine große Ladung von T-72-Panzern in der Hafenstadt Matadi angekommen und in der Nacht nach Kinshasa transportiert worden sein. Die Panzer waren eine Bestellung der kongolesischen Armee.[6]

Kandidaten

Joseph Kabila

Hauptartikel: Joseph Kabila
 
Joseph Kabila im Jahr 2003 bei einem Besuch im Pentagon

Joseph Kabila gilt als Favorit der Wahl[15]. Er ist der derzeitige Präsident des Kongos und kam an die Macht, nachdem sein Vater und damaliger Präsident Laurent-Désiré Kabila am 16. Januar 2001 von einem seiner Leibwächter erschossen worden war.

Kabila hatte den Kongokrieg 2002 durch Friedensverträge mit Ruanda und Uganda beendet und wird daher von den USA und der EU favorisiert.[16]

Kabila ist im Exil in Tansania aufgewachsen und spricht nicht die Landessprache Lingala[15][17][16].

Kritiker werfen ihm den Ausverkauf der Rohstoffe Kongos vor, an dem seine Familie verdiene[16]. Die Oppositionspartei Union pour la democratie et le progres social (kurz UDPS) wirft ihm zudem vor, eigene Parteien unter dem Namen der UDPS bei der Wahl angemeldet zu haben, um die Teilnahme der UDPS an der Wahl zu verhindern. Die UDPS boykottierte daraufhin die Wahl.[18]

Jean-Pierre Bemba Gombo

Hauptartikel: Jean-Pierre Bemba Gombo

Jean-Pierre Bemba Gombo, auch einfach als Chairman bezeichnet, ist derzeitig einer von vier Vizepräsidenten des Kongos und Anführer der von Uganda unterstützten Mouvement de Libération du Congo (kurz MLC). Seine Partei tritt die Nachfolge des 1997 gestürzten Diktators Mobutu Sese Seko an. Eine Schwester von ihm ist mit einem Sohn des Diktators verheiratet. Menschenrechtsaktivisten werfen seinen Truppen schwere Vergehen gegen die Menschlichkeit vor.[19]

Im Wahlkampf betonte er besonders, dass Kabila im Exil aufgewachsen und daher kein wirklicher Kongolese sei[16]. Daher wird er von seinen Anhängern auch „Sohn unseres Volkes“ gerufen[9].

Azarias Ruberwa

Hauptartikel: Azarias Ruberwa

Azarias Ruberwa ist ein weiterer Vizepräsident des Kongos und war im Kongokrieg Anführer der ebenfalls von Ruanda unterstützten Rassemblement congolais pour la démocratie (kurz RCD). Kritiker werfen ihm vor eine Marionette Ruandas zu sein.[20] Er bezeichnet seine Partei als sozialdemokratisch, lässt aber ebenfalls seine politischen Ziele im Dunklen.[16]

Weitere Kandidaten

[21]

Wahlboykott

Die UDPS hat zum Boykott der Wahl aufgerufen[22]. Die UDPS ist die einzige Partei im Kongo mit einem politischen Programm und dem Ziel einen Rechtsstaat im Kongo einzuführen. Die UDPS erhob Vorwürfe, dass die Wahl manipuliert werde und Kabila schon als Sieger feststehe,[16] da dieser vom Ausland, unter anderem der USA und der EU, unterstützt wird. Außerdem kritisiert die UDPS, dass es keine Volkszählung gegeben habe, die nach dem Kongokrieg mit über vier Millionen Toten aber nötig gewesen wäre.[18]

Die Katholische Kirche hatte zunächst ebenfalls mit einem Aufruf zum Boykott der Wahl gedroht, da sie ebenfalls Unregelmäßigkeiten befürchtete. Dennoch rief sie ihre Anhänger zur Wahl auf.[17] Entscheidend war dabei die Haltung Roms: Der Papst Benedikt XVI. segnete die Wahlen. Die katholische Landeskirche in der DR Kongo startete 2005 in ihren Medien sogar eine Aufklärungskampagne über die Wahlen. Der katholische Militärbischof Walter Mixa kritisierte mehrmals den Kongo-Einsatz der Bundeswehr, „da der politische Sinn und das spezifische Interesse des Einsatzes nicht offensichtlich seien[23]. Die deutsche Fraktion des Internationalen Katholische Missionswerk missio unterstützt und segnet den Bundeswehreinsatz. Gleichzeitig macht es auf den Zusammenhang zwischen deutschen Kleinwaffenexporten und deren Bedeutung für Kindersoldaten aufmerksam. Weil diese Waffen leicht zu bedienen sind, ermöglichen sie den Einatz von Kindern für das Militär.[24]

Zwischenfälle

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UN-Blauhelm Soldaten im Kongo am 7. März 2005

Nach dem Bemba am 27. Juli in Kinshasa eingezogen war, kam es zu einem Brand in einem von Bembas Lagern und in dem Haus seines Leibwächters. Daraufhin kam es zu Ausschreitungen von Bemba-Anhängern, wobei ein kongolesischer Soldat bei lebendigem Leib verbrannt wurde, der angeblich in die Menge gefeuert hatte. Eine Freikirche wurde von Bemba-Anhängern niedergebrannt, weil vor dieser Kabila-Wahlplakate standen.[11]

Als sich am 28. Juli die Wagenkolonnen von Kabila und dem Gegenkandidat Azarias Ruberwa trafen, eröffneten die Leibwächter von Kabila das Feuer und töteten einen Leibwächter Ruberwas.[17][25]

Am 28. Juli stürzte eine Drohne der EUFOR über Kinshasa ab und verletzte nach Angaben der Militärs 5 Bewohner[26]. Erst am 29. Juli wird bekannt, dass es sich bei dem Absturz über dem Armenviertel Kingabwa in der Hauptstadt Kinshasa um eine der zwei belgischen Drohnen handelte und diese sich im Probeflug befand. Nach taz-Berichten wurden 8 Menschen verletzt. „Nur durch ein Wunder“, so der taz-Korrespondent Dominic Johnson, „gab es keine Toten.“ Die Eingreiftruppe EUFOR stellt vorläufig ihre unbemannte Wahlbeobachtung ein. 16 Bewohner, die zumeist während der Katastrophe im Fischfang auf dem Kongo arbeiteten, wurden durch den Flugzeugabsturz obdachlos. Zwei französische Militärsanitäter erkundigten sich kursorisch nach dem Gesundheitszustand der Bewohner.[27]

In der Stadt Mbuji-Mayi haben Wahlgegner am 28. Juli einen Lastwagen mit Wahlunterlagen angezündet. In den 67 Wahlbüros, für die der Lastwagen die Unterlagen transportierte, könne am Sonntag nicht gewählt werden, sagte der Wahlkoordinator der Region Hubert Tissuaka, da es nicht möglich sei das Material in so kurzer Zeit zu ersetzen.[28][1] In der Region Kasai sollen sieben Wahlbüros niedergebrannt worden sein.[7] Die Monuc flog daraufhin neue Wahlzettel nach Mbuji-Mayi und etwa 200 Wahlbüros wurden am 31. Juli wieder geöffnet[8][5].

Fahrzeuge der EUFOR wurden von Demonstranten angegriffen und nach EUFOR Angaben zum Teil schwer beschädigt[2]. Nach UN-Angaben kam es während der Wahl nur zu kleineren Problemen, so seien zum Beispiel einige Wählerlisten falsch gewesen.[6]

Ein Sprecher von Ruberwas RCD-Partei sprach von Wahlbetrug und RCD-Sekretär General Kabasu Babu Katulondi sagte der BBC, dass RCD-Repräsentanten aus den Wahlbüros gejagt worden seien, als sie die Auszählungen überwachen wollten.[4]

Nach der Wahl kam es zu Protesten von Wahlhelfern, denen das versprochene Gehalt nicht ausgezahlt wurde. Außerdem gab es Beschwerden von Wahlhelfern über die Bedingungen in den Wahlbüros, so hätten sie Tagelang ohne irgend eine Versorgung durch die Wahlkommission gearbeitet.[29]

Kommentare zur Wahl

Die Monuc bezeichnete die Wahlen als großen Erfolg. Das Carter Center, eine vom ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter gegründetes Zentrum für Demokratie und Menschenrechte, sagte die Wahl sei im allgemeinen friedlich verlaufen, man könne aber die Auswirkungen von Änderungen in Wahlbüros und Wahllisten, die kurz vor der Wahl gemacht wurden, noch nicht richtig bemessen.[29]

Die Organisation Human Rights Watch sprach jedoch von Problemen bei den Auszählungen. So wurde beobachtet, wie Wahlzettel weggeworfen und sogar verbrannt wurden; die Zahlen in einigen Auszählungen würden nicht passen und die Zahl der angeblich ungültigen Stimmen würde sich ständig erhöhen. In der Region Ituri, in der noch drei Tage vor der Wahl ein Friedensvertrag geschlossen wurde, seien die Beobachter in ihrer Arbeit stark behindert worden.[30]

Wahlurnen werden zum Teil mit privaten PKWs oder gar Mofas zu den Sammelstellen gefahren, die teilweise unter freiem Himmel liegen.[31]

Ergebnis

Erste Auszählungen und Meinungsmache der Kandidaten

Erste Auszählungen am 31. Juli zeigten, dass Bemba die meisten Stimmen in Kinshasa für sich behaupten konnte[4]. Nach Angaben von Bemba habe er in sechs der elf Provinzen die Wahl gewonnen und würde 40% bis 45% der Stimmen erhalten[5]. Pro-Regierungs-Zeitungen warfen dagegen Bemba vor, falsche Ergebnisse zu veröffentlichen.[29]

Ruberwa gab dagegen bekannt, dass er das Wahlergebnis nicht anerkennen werde, da es zu Wahlbetrug gekommen sei. Er konnte aber bisher keine Beweise dafür vorlegen.[32]

Kabila gab bekannt, dass er das Wahlergebnis akzeptieren werde, auch wenn die Wähler sich gegen ihn entschieden hätten.[32]

Auszählungen am 9. August zeigten, dass Kabila im Osten des Landes eine Mehrheit (laut Der Spiegel: 46%) erringen konnte. Nach ihm folge Bemba mit 24%. Dabei seien aber bisher lediglich 1,6 Millionen stimmen von 25 Millionen Wahlberechtigten ausgezählt worden und der Osten ist eine Hochburg Kabilas.[33]. Nach BBC Angaben habe Kabila in den östlichen Provinzen Nord Kivu, Katange, Maniema rund 90% der Stimmen für sich behaupten können. Im Westen des Landes, wo auch die Hauptstadt Kinshasa liegt, habe dagegen Bemba etwa 40% der Stimmen und Kabila nur 16% der Stimmen gewinnen können.[34]

Offizielles Wahlergebnis

Das offizielle Wahlergebnis wird frühstens drei Wochen nach der Wahl von der Wahlkommission bekannt geben.[1]

Siehe auch

Quellen

  1. a b c d BBC: Tight security for DR Congo vote, 30. Juli 2006
  2. a b c d FAZ: „Wichtigster Tag in der Geschichte unseres Landes“, 30. Juli 2006
  3. NZZ: Beginn der Wahlen in Kongo, 30. Juli 2006
  4. a b c BBC: First results posted in DR Congo, 31. Juli 2006
  5. a b c NY Times: Former Rebel Claims Congo Poll Lead, 31. Juli 2006
  6. a b c BBC: Congolese vote in landmark polls, 30. Juli 2006
  7. a b c Der Standard: "Stolz, Kongolesen zu sein", 30. Juli 2006
  8. a b Der Spiegel: EU lobt ersten Schritt in Richtung Demokratie, 31. Juli 2006
  9. a b SZ: Die EU-Militärmission im Kongo, 28. Juli 2006
  10. Der Standard: Erste freie Wahlen seit über 40 Jahren, 30. Juli
  11. a b Der Spiegel: Bestialischer Mord in Kinshasa - Uno-Direktor Conze besorgt, 28. Juli 2006
  12. Der Spiegel: Ansturm auf die Wahlurnen, 30. Juli 2006
  13. NY Times: Congo’s Election, the U.N.’s Massacre, 28. Juli 2006
  14. Der Standard: Friedensvereinbarung für Ituri, 27. Juli
  15. a b SZ: Tote, Brände, Plünderungen in Kinshasa, 28. Juli 2006
  16. a b c d e f DW: Wahlkampf ohne Inhalte im Kongo, 28. Juli 2006
  17. a b c BAZ: Kongolesischer Präsident verspricht Wiederaufbau, 28. Juli 2006
  18. a b FAZ: Der Selbstmord einer favorisierten Partei, 21. Juli 2006
  19. BPB: Wer steht zur Wahl? - Jean-Pierre Bemba Gombo
  20. BPB: Wer steht zur Wahl? - Azarias Ruberwa
  21. Wahlkomitee (CEI-RDC) - Liste définitive des candidats à l'election présidentielle
  22. Der Spiegel: Angst vor Gewalt bei der Kongo-Wahl, 30. Juli 2006
  23. Radio Vatikan: Meldungen vom 7.7.2006, 7. Juli 2006
  24. Segen für die deutschen Soldaten in der Demokratischen Republik Kongo von den Präsidenten von missio, 5. Juli 2006
  25. Baden Online: Leibwächter von Kabila erschießen Leibwächter eines Gegenkandidaten, 29. Juli 2006
  26. Reuters: Flugzeug der Eufor stürzt im Kongo ab - Verletzte, 29. Juli 2006
  27. taz: Drohne der EU stürzt auf Armenviertel, 31. Juli 2006
  28. Der Standard: Oppositionelle zünden Lastwagen mit Wahlunterlagen an, 30. Juli 2006
  29. a b c BBC: Foreign observers hail Congo poll, 2. August 2006
  30. BBC: Congo poll count raises concerns, 5. August 2006
  31. FAZ: Chaos bei Auszählung in Kongo, 3. August 2006
  32. a b BBC: DR Congo candidate rejects poll, 1. August 2006
  33. Der Spiegel: Kabila liegt vor Bemba, 11. August 2006
  34. BBC: Kabila takes DR Congo vote lead, 9. August 2006