Vibrationstraining, auch Biomechanische Stimulation (BMS) oder Whole Body Vibration (WBV) genannt, wurde ursprünglich zur Behandlung von russischen Kosmonauten entwickelt um Muskel- und Knochenschwund bei längeren Aufenthalten im Weltraum entgegenzuwirken.
Wirkungsweise
Die Wirkungsweise ist wie folgt: Die zu behandelnde Person steht auf einer vibrierenden Platte, die in einem Frequenzbereich von ca. 20 bis 50 Hz vibriert. Durch diese Vibration werden Muskelkontraktionen (Dehnreflex) hervorgerufen. Diese Muskelkontraktionen trainieren zum Einen die Muskulatur (hauptsächlich Typ II Fasern) und können bei geeigneten Anwendung indirekt ein Knochenwachstum stimulieren.
Nicht zu verwechseln ist das Vibrationstraining mit dem Begriff der Vibration, wie sie im Bereich des Arbeitsschutz verwendet wird [vipguide]. Hierbei wird meist von stoßartigen Bewegungen (z.B. Arbeit am Preßlufthammer) oder höherfrequenten (>100Hz) Vibrationen (z.B. Motorvibrationen) ausgegangen. Gerade stoßartige Bewegungen setzen sich aber physikalische betrachtet aus einer Vielzahl unterschiedlicher Frequenzkomponenten zusammen (s. Fourieranalyse). Gerade diese hohen Frequenzkomponenten führen jedoch zu den aus dem Arbeitsschutz bekannten negativen Effekten. Gute Vibrationstrainingsgeräte arbeiten jedoch mit einer sinusförmigen (harmonische) mechanischen Anregung in der exakt eine (niedrige) Frequenzkomponente enthalten ist. Somit ist sichergestellt, daß potentiell schädliche höhere Frequenzkomponenten nicht in den Körper eingeleitet werden können.
Typische Anstiegszeiten der Muskelkraft liegen bei etwa 20ms bis 25ms (s. Muskulatur) was also einer Frequenz von 50Hz entspräche. Frequenzen zwischen 0 und ca. 50Hz entsprechen somit dem physiologischen Frequenzbereich, wie sie auch bei der "normalen" Muskelkontraktion auftreten.
Einfluß auf Muskel und Knochen
Geeigneten Übungen auf einem Vibrationstrainingsgerät (z.B. Übungen auf dem Vorderfuß) führen zu kurzzeitigen Maximalkräften die wiederum zu einer leichten elastischen Verformung des Knochen führen. Wenn diese Verformung über einen gewissen Schwelle liegt wird der Knochen zu einem leichten Wachstum (auf der Außenseite, im Wesentlichen also in die Breite) stimuliert was zu einer Erhöhung der Knochenfestigkeit führt (Mechanostat [1]-[3]). Diese Verformung wird in μStrain gemessen (1000μStrain = 0,1% Längenänderung). Für die Tibia liegt diese Schwelle bei ca. 1500μStrain (= 0,15% Längenänderung), am Schädelknochen hingegen liegt die Schwelle etwa um den Faktor 6 bis 8 niedriger.
Diese Maximalverformungen müssen dabei nur wenige Male pro Woche erfolgen um den Knochen ausreichend zu stimulieren. Der Prozeß des Knochenwachstums erfolgt jedoch äußerst langsam. Während Beispielsweise nach einer Immobilisation schon nach 8 Wochen ca. 30% der Muskelkraft und ca. 4,5% der Knochenmasse verloren wird [Berliner BedRest-Studie], erfolgt ein Aufbau der Knochenmasse mit ca. 1-3% pro Jahr. Der Effekt des Vibrationstrainings in Bezug auf Knochenaufbau ist daher erst nach einem oder zwei Jahren deutlich feststellbar. Dennoch eignet sich dieses Verfahren bei regelmäßiger Anwendung (von beispielsweise lediglich 15 Minuten Training pro Woche) um einem Knochenabbau Osteoporose vorzubeugen oder entgegenzuwirken.
Varianten
Vibrationstrainingsgeräte lassen sich prinzipiell in zwei Gruppen unterteilen: seitenalternierende und nicht-seitenalternierende wobei der Trainingseffekt laut der überwiegenden Mehrheit der vergleichenden Studien bei seitenalternierenden Systemen deutlich größer ist.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal sind mechanisch geführte Systeme bei denen die Amplitude (Auslenkung) der Platte mechanisch vorgegeben und somit die Trainingssituation reproduzierbar ist und solche Systeme bei denen eine exzentrischen Masse die gummi- oder federgelagerte Trittfläche Antreibt. Letzteres System hat den Nachteil, daß die Auslenkung der Platte stark vom Gewicht und der Steifigkeit des Trainierenden abhängig ist und somit die Trainingssituation deutlich schlechter Reproduzierbar ist.
Günstige Systeme schwingen jedoch meist nur in der Horizontalen, was aufgrund der fehlenden Maximalkräfte zu keinem nennenswerten Effekt im Bezug auf Muskel und Knochen führt.
Literatur
[1] Frost H.M.: The Utah Paradigm of Skeletal Physiology Vol. 1, ISMNI, 1960
[2] Frost H.M.: The Utah Paradigm of Skeletal Physiology Vol. 2, ISMNI, 1960
[3] Felsenberg D.: Struktur und Funktion des Knochens. Pharmazie in unserer Zeit 30(6), S. 488 - 493 (2001), ISSN 0048-3664
Weblinks
- Berliner BedRest-Studie - Zentrum für Muskel und Knochen (ZMK) Charité, Berlin im Auftrag der European Space Agency (ESA)
- Health & Safety Executive - vipguide - Arbeitsschutz Richtlinien in den USA