Todesfall in der JVA Kleve

Tod eines 26. Jährigen nach Zellenbrand
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Bei dem Todesfall in der JVA Kleve handelt es sich um den Tod des 26-jährigen Syrers Amed A. infolge eines Brandes in der Justizvollzugsanstalt Kleve am 17. September 2018. Wie sich nach dem Brand herausstellte, war Amed A., durch eine fehlerhafte Zusammenführung von Datensätzen in der Polizeidatenbank, mit einem Afrikaner aus Mali verwechselt worden und saß zu Unrecht mehr als zwei Monate in Haft.[1] Zwölf Tage nach dem Brand, am 29. September, erlag Amed A. im Krankenhaus seinen Verletzungen. Die Verwechslung und der Todesfall lösten eine politische Debatte über die Arbeit der Polizei Nordrhein-Westfalens und des Justizvollzugs aus.

Verwechslung

In Hamburg wurde ein aus Mali stammender Mann namens Amedy G. per Haftbefehl wegen Diebstahls gesucht. Dieser soll laut Polizei den auch den Aliasnamen „Amed A.“ verwendet haben, tatsächlich wurde dieser Aliasname allerdings erst drei Tage nach der Verhaftung des Syrers Amed A. in die polizeiliche Datenbank eingetragen, und zwar augenscheinlich mithilfe vorsätzlicher Manipulation des Datensatzes.[2]

Bei einem Polizeieinsatz an einem Baggersee bei Geldern am Niederrhein wird Amed A. am 6. Juli 2018 kontrolliert, da er zuvor Frauen belästigt haben soll. Weil der Syrer sich nicht ausweisen kann, wird er zur Überprüfung der Personalien mit auf die Wache genommen. Durch den Abgleich der Fingerabdrücke kann die Polizei ihn als „Ahmad A.“ identifizieren. Diesen Namen glich man mit den polizeilichen Datenbanken ab und stieß auf den gegen Amedy G. vorliegenden Haftbefehl. Den Syrer und den mit Haftbefehl gesuchten Mann aus Mali hielt die Polizei für die selbe Person und verglich auch nicht die in den Datenbanken hinterlegten Fotos.[3][2] Amed A. wurde daraufhin festgenommen.

Erst nach dem Brand, am 28. September 2018, wurde bekannt, dass der 26-jährige Syrer möglicherweise Opfer einer Namensverwechslung geworden war. Unklar blieb, warum nicht schneller geklärt wurde, dass es sich bei dem in Hamburg gesuchten Mann um eine andere Person handelte.[4] In dem Haftbefehl war vermerkt worden, dass es sich um einen Aliasnamen handelte.[4] Laut Tagesspiegel soll der Syrer zwei Wochen vor dem Brand in seiner Zelle einer Psychologin gesagt haben, dass er verwechselt wurde. Dem wurde jedoch nicht ernsthaft nachgegangen.[5]

Tod

Der verhaftete Amed A. aus Syrien wurde in die JVA Kleve gebracht und saß dort mehr als zwei Monate unschuldig ein. In seiner Gefängniszelle brach Mitte September ein Feuer aus. Zwei Wochen nach dem Brand starb der Mann an seinen Verletzungen.

Ermittlungen

Der Brand in der Zelle wurde auf einen Suizidversuch von Amed A. zurückgeführt. Anhand von Protokollen aus der JVA Kleve ließ sich allerdings nachweisen, dass entgegen ersten Behauptungen am Abend des Brandes die Gegensprechanlage im Haftraum betätigt wurde.[6] Aus einem Bericht des NRW-Innenministeriums geht hervor, dass A.den Alarmknopf in seiner Zelle gedrückt und das Fenster zu seiner Zelle geöffnet hatte.[5]

Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen, u. a. gegen einen Arzt der JVA, wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen auf. Die Ermittler gehen auch der Frage nach, ob und wann das mit der Sprechanlage ausgelöste Lichtsignal deaktiviert wurde. Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass in der Gesundheitsakte des Syrers Hinweise auf Eigengefährdung standen, die pflichtwidrig nicht zur Kenntnis gebracht worden seien. Erst dadurch wurde der Mann von der JVA als nicht als suizidgefährdet eingeordnet.[7]

Anfang November 2018 teilte die Staatsanwaltschaft Kleve mit, sie gehe nach der Einschaltung eines Brandsachverständigen davon aus, dass Amed A. das Feuer vorsätzlich in suizidaler Absicht selbst gelegt hatte. Bei den Untersuchungen wurde demnach kein Brandbeschleuniger gefunden.[8]

Der Ruf aus Amed A.s Zelle konnte nur mit Hilfe der IT-Firma rekonstruiert werden. Nachdem es bereits 15 Minuten in der Zelle gebrannt hatte, rief der Häftling mittels der Sprechanlage bei einem JVA-Angestellten an. Dieser überwachte zu dieser Zeit das Telefonat eines anderen Häftlings und drückte den Kontakt nach 9 Sekunden weg, ohne weiteres zu unternehmen.[8]

Politische Reaktionen

Die Opposition im Landtag Nordrhein-Westfalen sieht Klärungsbedarf in dem Fall. Die SPD fordert einen umfassenden, chronologischen Bericht von den Landesministerien für Inneres und Justiz über die fälschliche Inhaftierung und den Tod des 26-Jährigen. Nach den bisherigen Auskünften der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gebe es zahlreiche Widersprüche und unbeantwortete Fragen.[9]

Sven Wolf (SPD) erklärte, es sei kaum nachvollziehbar, dass sich der Syrer während seiner Haft nie über die Verwechslung beschwert haben soll. Unklar sei auch, weshalb der junge Mann, trotz mehrerer diagnostizierter psychischer Störungen, überhaupt haftfähig gewesen sein sollte. Weitere Informationen über eine mögliche Selbstmordgefährdung des Mannes und die Ursache für den Brand in seiner Zelle seien notwendig.[10]

Sollten Herbert Reul (Innenminister) und Peter Biesenbach (Justizminister), beide sind Mitglied der CDU, die offenen Fragen zu dem Fall nicht befriedigend beantworten können, werde man weitere Untersuchungen fordern.[10]

Einzelnachweise

  1. RP: Zeugen widersprechen im Fall Amad A. der Komplott-Variante. 19. Mai 2020, abgerufen am 24. Mai 2020.
  2. a b ARD: Tod in der Zelle: Wurde der Syrer Amad A. Opfer von Polizeiwillkür? | Monitor | WDR. 5. April 2019, abgerufen am 5. April 2019.
  3. Verhaftung von Amad A. : War es eine absichtliche Verwechslung? | tagesschau.de. 6. April 2019, abgerufen am 24. Mai 2020.
  4. a b Kleve: Häftling nach Brand in Gefängniszelle gestorben. In: WDR. 1. Oktober 2018, abgerufen am 28. Oktober 2018.
  5. a b Matthias Korfmann, Stephanie Weltmann und Michael Kohlstadt: JVA Kleve: Warum musste ein unschuldiger Syrer sterben? In: morgenpost.de. 20. Oktober 2018, abgerufen am 28. Oktober 2018.
  6. Tödlicher Brand in JVA Kleve: Zweifel an Suizid-Theorie. In: tagesschau.de. 18. Oktober 2018, abgerufen am 3. November 2018.
  7. Hinweise auf Notruf aus brennender Zelle. In: sueddeutsche.de. 18. Oktober 2018, abgerufen am 3. November 2018.
  8. a b Tobias Blasius: Todesfall in der JVA Kleve: Justizbeamter drückte Notruf weg. In: WAZ. 5. November 2018, abgerufen am 5. November 2018.
  9. Toter Syrer in JVA: Hinweise auf Notruf aus brennender Zelle. 18. Oktober 2018, abgerufen am 18. Oktober 2018.
  10. a b Hinweise auf Notruf bei tödlichem Zellenbrand. 19. Oktober 2018, abgerufen am 19. Oktober 2018.