Die Guillotine (auch Fallbeil; sprich: Gijo-ti-ne) ist ein nach dem französischen Arzt Joseph-Ignace Guillotin benanntes Gerät zur Vollstreckung der Todesstrafe durch Enthauptung. Bereits im Mittelalter sind vereinzelt ähnliche Instrumente vorhanden gewesen, wie zum Beispiel The Scottish Maiden 1661 und das Fallbeil von Halifax 1581, sie kamen allerdings bis zum 18. Jahrhundert vollständig außer Gebrauch.


Guillotin beantragte am 10. Oktober 1789 die Einführung eines mechanischen Enthauptungsgeräts, um grausame und entehrende Hinrichtungsarten abzuschaffen. Unterstützt wurde er dabei durch den Henker von Paris, Charles Henri Sanson, der die Nachteile der Enthauptung mit dem Schwert plastisch beschrieb. Die Nationalversammlung beauftragte den königlichen Leibarzt Antoine Louis, ein Gutachten darüber zu erstellen. Am 17. März 1792 legte Louis einen Entwurf vor, der das Fallbeil von Halifax zum Vorbild hatte. Im Gutachten hieß es "Eine solche niemals versagende Maschine wird sich leicht herstellen lassen." Am 20. März 1792 wurde dem Antrag stattgegeben. Die Debatte um die später so genannte Guillotine war von einem leidenschaftlichen Streit um die Todesstrafe begleitet.
Die erste Guillotine wurde im Auftrag von Sanson von dem deutschen Klavierbauer Tobias Schmidt konstruiert. Schmidt hatte zunächst die halbmondförmige Schneide aus Dr. Louis' Entwurf an Schafen ausprobiert, was einwandfrei funktionierte. Als er dann jedoch die Versuche mit Leichen fortsetzte, wurden die Hälse nicht immer vollständig durchgetrennt. Erst durch Erhöhung des Gewichts und die Einführung der abgeschrägten Schneide, die der Guillotine ihre charakteristische Form gibt, arbeitete das Gerät einwandfrei. Später wurde noch die bascule (Wippe) eingeführt, ein Brett, an das der Hinzurichtende festgeschnallt wurde und das dann nach vorne geklappt wurde, um so den Kopf zwischen die Pfosten der Guillotine zu bringen.
Nach Dr. Louis hieß die Guillotine zunächst Louison oder Louisette, durch den Sprachgebrauch der Presse setzte sich jedoch der Name Guillotine durch. Volkstümliche Spitznamen waren le rasoir national (das nationale Rasiermesser) und la raccourcisseuse (die Kurzmacherin).
Aufbau und Durchführung
Die Guillotine besteht im wesentlichen aus einem Tisch, auf den der Delinquent bäuchlings geschnallt wird, und aus einem in senkrechten Führungsschienen beweglichen Fallbeil (bei der modernen, französischen Ausführung ca. 40 kg schwer). Um den Delinquenten schnell in die richtige Position bringen und dort halten zu können, befinden sich vor den Führungsschienen zwei Bretter mit jeweils halbkreisförmiger Öffnung für den Hals, sogenannte Lünetten; die obere Lünette kann zum Durchstecken des Kopfes angehoben und in der unteren Position fixiert werden. Das Fallbeil wird zuvor an einem losen Seil über Rollen hinaufgezogen und eingerastet. Durch Lösen der Sperre fällt es etwa zwei Meter senkrecht hinab und durchtrennt den Hals des Delinquenten.
In späteren Versionen der Guillotine war der Tisch klappbar, so dass der Delinquent im Stehen auf den senkrechten Tisch geschnallt werden konnte. Beobachter aus der französischen Hinrichtungspraxis aus den 1960er Jahren berichten, dass mit dem Herunterklappen des Tisches eine Sperre für die oben gehaltene, obere Lünette gelöst wurde. Sobald diese vollständig herunter gefallen war und auf der unteren Lünette eingerastet auflag, wurde automatisch die Sperre für das Fallbeil gelöst, so dass der gesamte Vorgang ab dem Klappen des Tisches sehr rasch und für den Delinquenten ohne zusätzliche, quälende Erwartungsmomente ablief.
Die eigentliche Tötung
Der Tod tritt mittels Durchtrennung der Halsschlagadern und des höchsten Teils des Rückenmarks in der Halswirbelsäule innerhalb von Sekundenbruchteilen ein. Es ist demnach nicht möglich, dass der Kopf der geköpften Person noch miterlebt, wie er dem Publikum präsentiert wird. Es ist strittig, ob der Tod schmerzfrei ist, denn durch die großflächige Schnittverletzung, bei der Muskeln, Sehnen und Knochen durchtrennt werden, ist zumindest kurzzeitig ein Reiz zur Adrenalinausschüttung gegeben. Ob es zur Ausschüttung des Hormons kommt und dieses noch wirken kann, ist fraglich. (Siehe Ereignisse nach Abtrennen des Kopfes aus neurophysiologischer Sicht)
Geschichte
Während der Französischen Revolution wurde die Guillotine per Dekret der Französischen Nationalversammlung vom 25. September 1791 als einziges Hinrichtungswerkzeug eingeführt.
Die Hintergründe sind verschiedener Natur. Zum einen sollte die Maschine die zahlreichen Hinrichtungen rationalisieren. Ferner sollte die Hinrichtung für die Betroffenen schmerzfrei gemacht werden, denn zuvor brauchte ein Henker mit einem von Hand geführten Beil unter Umständen mehrere Schläge. (Tatsächlich waren humanitäre Gründe ausschlaggebend. Guillotin meinte, dass man den Verurteilten die Angst vor dem Sterben nicht nehmen könne, wohl aber die Qualen der Hinrichtung selbst begrenzen.) Die Folter und besonders grausame Hinrichtungsmethoden wie das Rädern sollten mit der Guillotine abgeschafft werden. Tatsächlich gibt es Berichte, nach denen bei den während der französischen Revolution benutzten Modellen bisweilen erst nach mehrmaligen Durchgängen der Kopf vollständig abgetrennt werden konnte - so auch bei der Hinrichtung Ludwig XVI., angeblich aufgrund seines dicken Nackens.
Zudem sollte aber der Gleichheitsanspruch der Revolution auch bei der Hinrichtung gelten: Vorher war das Enthaupten den Adeligen als „edle“ Todesart vorbehalten, einfache Leute wurden am Galgen gehenkt. Mit der Guillotine wurden alle Hinrichtungen vereinheitlicht.
Als erster Mensch wurde am 25. April 1792 der Raubmörder Nicolas Jacques Pelletier mit der neuen Guillotine öffentlich hingerichtet.
Hingerichtet auf der Guillotine wurden u. a. der Französische König Ludwig XVI., Marie Antoinette, Georges Danton, Lavoisier sowie Maximilien de Robespierre und Friedrich Freiherr von der Trenck. Die Hinrichtung von Louis XVI. und Marie Antoinette hatte in der deutschen Aufklärung ein derartiges Echo, dass man sich mit der vorher begrüßten Revolution in Frankreich gegenüber den sich dort abzeichnenden Vorgängen zunehmend kritisch auseinandersetzte. Auch wenn man eine republikanische Verfassung begrüßte, sah man doch eine konstitutionelle Monarchie als notwendig an.
Bis zur Abschaffung der Todesstrafe 1981 wurden in Frankreich Todesurteile durch die Guillotine vollstreckt. Bis 1939 geschah dies öffentlich auf dem so genannten Schafott. Bei der letzten öffentlichen Hinrichtung in Frankreich wurde am 10. September 1939 in Versailles Eugene Weidmann, ein sechsfacher Mörder, gerichtet. Danach wurden die Hinrichtungen in den jeweiligen Gefängnishöfen durchgeführt. Die letzte Hinrichtung durch die Guillotine fand in Frankreich am 10. September 1977 statt.
Verwendung in Deutschland
Im Jahre 1803 wurde in Mainz ein als Schinderhannes bekannter Räuber guillotiniert. Carl Zuckmayer brachte diesen Fall in eine literarische Gestalt.
Während der napoleonischen Kriege kam die Guillotine unter dem Namen Fallbeil in die besetzten deutsche Gebiete. Ab dieser Zeit kam sie bis zur Einführung des neuen Grundgesetzes im Jahre 1949 zum Einsatz. Während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland wurden die meisten zivilen Todesurteile mit der Guillotine vollstreckt. Insgesamt wurden etwa 30.000 Menschen mit dem Fallbeil hingerichtet, über 3.000 davon im Gefängnis von Berlin-Plötzensee. In München wurden Sophie und Hans Scholl enthauptet.
In Deutschland waren neben "Guillotine" die Bezeichnungen „Fallbeil“ und „Fallschwertmaschine“ im Gebrauch. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde dabei eine von der französischen Bauart abweichende Konstruktion üblich (u.a. wesentlich geringere Fallhöhe des Beils). Im Dritten Reich war man sehr darauf bedacht, nicht die französische Bezeichnung zu verwenden. Berühmte Opfer des Fallbeils waren die Mitglieder der Weißen Rose (z.B. Sophie und Hans Scholl). Das letzte in West-Berlin auf der Guillotine hingerichtete Opfer war am 11. Mai 1949 der Raubmörder Berthold Wehmeyer. Etwa 3 Monate vorher, am 18. Februar, wurde in Tübingen als letztes Opfer der Todesstrafe in Westdeutschland Richard Schuh - ebenfalls wegen Raubmordes - enthauptet. Johann Reichhart gilt als derjenige Scharfrichter, der die meisten Hinrichtungen aller Zeiten vollzog. Von 1950 bis 1960 wurde in der DDR in Dresden und dann bis 1961 in Leipzig mit dem Fallbeil die Todesstrafe vollstreckt, bevor die Vollstreckung durch den "unerwarteten Nahschuss" mit der Pistole ersetzt wurde.
Neben der Guillotine wurde in Deutschland bis 1936 auch mit dem Handbeil hingerichtet. So zum Beispiel in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee durch den Scharfrichter Carl Gröpler.
Die badische Guillotine
Im Großherzogtum Baden wurde zwischen 1848 und 1932 an 37 Männern und 2 Frauen das Todesurteil vollstreckt. Seit 1856 wurde die Vollstreckung mittels der von der Fa. Johann Mannhardt in München für 1.000 Gulden hergestellten Guillotine durchgeführt. Der Standort der Guillotine war in Bruchsal, wobei die Messer stets getrennt aufbewahrt wurden. Zum Transport der Guillotine (mit der Eisenbahn) an die verschiedenen Hinrichtungsorte in Baden wurde die Guillotine zerlegt und in Kisten verpackt. Die badische Guillotine gelangte, da seit 1933 Hinrichtungen in Stuttgart durchgeführt wurden, im Februar 1937 nach Berlin zur Strafanstalt Berlin-Plötzensee.
Die "Scottish Maiden"
Die "Scottish Maiden" (engl.: schottische Jungfrau) war eine frühe und primitive Form der Guillotine, die in Schottland zwischen 1564 und 1708 verwendet wurde.
Literatur
- Stefan Amberg: Vollstreckt. Johann Reichhart, der letzte deutsche Henker. Goldmann, München 1984, ISBN 3-442-06765-0
- Daniel Arasse: Die Guillotine. Die Macht der Maschine und das Schauspiel der Gerechtigkeit. Rowohlt, Reinbek 1988, ISBN 3-499-55496-8
- Johann Dachs: Tod durch das Fallbeil. Der deutsche Scharfrichter Johann Reichhart (1893 - 1972). Ullstein, München 2001, ISBN 3-548-36243-5
- Alister Kershaw: Die Guillotine. Eine Geschichte des mechanischen Fallbeils. Hamburg 1959.
- Gotthold Leistner: Sachsen und die Guillotine. Ein Beitrag zur Geschichte eines Tötungsmonstrums. In: Sächsische Heimatblätter 48. Jg. (2002) S. 130-149
- Guy Lenôtre: Die Guillotine und die Scharfrichter zur Zeit der französischen Revolution. Kadmos-Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-931659-03-8
Filme
- José Giovanni (Regie): Deux hommes dans la ville (Frankreich, Italien 1973, u.a. mit Alain Delon, Gérard Depardieu und Jean Gabin)
- Endstation Schafott (dt. Titel des vorigen)