Wendisch-Deutsche Doppelkirche

Kirchengebäude in Vetschau/Spreewald, Landkreis Oberspreewald-Lausitz, Brandenburg
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Die Wendisch-Deutsche Doppelkirche ist eine Doppelkirche in Vetschau/Spreewald. Die evangelische Kirche verfügt, bei gemeinsamen Turm und Sakristei, über zwei nebeneinander errichtete Kirchenschiffe.

Sakristei vor den beiden Kirchenschiffen, links wendische Kirche, rechts deutsche Kirche

Geschichte

Vorgängerbau

Der erste Kirchenbau an dieser Stelle dürfte bereits Ende des 13. Jahrhunderts im Zuge der Christianisierung der hier lebenden Wenden erfolgt sein. Diese wendische Kirche war aus Feld- und Raseneisensteinen gebaut. 1540, die Schlossherrschaft derer von Schlieben war evangelisch, erfolgte die Reformation. Die Kirche wurde evangelisch. Bei einem Stadtbrand im Jahr 1619 brannte die Kirche jedoch ab. Weitere Schäden entstanden bei einem Brand im Jahr 1642. Erhalten blieb nur der Turmsockel, der noch heute den unteren Teil des Kirchturms bildet.

Bau der wendischen Kirche

 
wendische Kirche

Auf den alten Fundamenten wurde, wohl nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs, eine neue schlichte rechteckige Backsteinkirche mit einer flachen Decke, sichtbaren Querbalken und hohen Spitzbogenfenstern errichtet. Der Westturm wurde zunächst nicht wieder aufgebaut. An der nördlichen Seite dieser Dorfkirche wurde eine Schlosskapelle angebaut. Diese Kapelle diente als Raum für die Gottesdienste der deutschen Schlossherren. Für diese und einige wenige Deutsche wurde hier nach Bedarf in Deutsch gepredigt.

Die eigentliche Kirche, die später als wendische Kirche bezeichnete wurde, wird in einer Matrikel aus den Jahren 1673/1674 als die Hauptkirche bezeichnet. Sie diente vor allem für die Gottesdienste in wendischer Sprache für 10 benachbarte wendische Ortschaften. Es wurde aber auch in Deutsch gepredigt. Von deutscher Seite gab es jedoch Bemühungen den Status der Hauptkirche der deutschen Kapelle zu zusprechen.

Bau der deutschen Kirche

 
deutsche Kirche

In der Stadt Vetschau nahm der Anteil der deutschen Bevölkerung zu, während das Umland weiter wendisch geprägt blieb. Das deutsche Bürgertum strebte auch in kirchlichen Fragen eine Abhebung von der wendischen Landbevölkerung an. Die Zahl der Besucher des deutschsprachigen Gottesdienstes nahm zu. Die Kapelle, vermutlich ohne Kanzel und nach einem Brand nur notdürftig repariert, genügte den Ansprüchen nicht mehr. Es gab dann den Befehl die Schlosskapelle abzureißen und durch eine ordentliche Kirche für die wachsende deutschsprachige Gemeinde zu ersetzen. Die örtlichen Pfarrer sollen dem Neubau ablehnend gegenüber gestanden haben.

1689 erfolgte der Abriss der Schlosskapelle. Nach der Grundsteinlegung für die deutsche Kirche am 31. März 1690 erfolgte 1693 die Fertigstellung. Auch dieses aus Backsteinen errichtete spätbarocke Kirchenschiff weist einen rechteckigen Grundriss auf. Es verfügt über zwei bzw. dreigeteilte Rundbogenfenster. Die Decke wurde als hölzernes Tonnengewölbe ausgeführt. Auch wurden an Süd- und Westwand, sowie teilweise an der Nordwand zweigeschossige Emporen eingebaut, in welchen sich die herrschaftlichen Logen befinden. Die Einweihung fand am 30. Januar 1694 durch den Lübbener Generalsuperintendenten Römer statt. Es standen nun zwei Kirchenschiffe direkt Wand an Wand. Unabhängig von einander bestand sowohl eine wendische als auch eine deutsche Gemeinde. Die wendische Kirche blieb jedoch Hauptkirche. Die prächtigere deutsche Kirche fungierte als Tochterkirche mit einem dort amtierenden Archidiakonus. Die Verbindung der Kirche erfolgte durch die vor den gemeinsamen Ostgiebel vorgesetzte gemeinsame Sakristei. Die mit einem zweijochigen Kreuzgratgewölbe ausgestattete Sakristei dürfte zeitgleich mit dem Bau der deutschen Kirche entstanden sein. Neben der Sakristei wurde auch der vor der wendischen Kirche befindliche Kirchturm von beiden Kirchen gemeinsam genutzt.

 
Kirchturm - die Kante des alten Turmstumpfes ist im Mauerwerk am Übergang zur Ausführung in Backstein zu erkennen

Umbauten

Der Kirchturm war zunächst als nur als Ruine bestehen geblieben. 1704 begann der Wiederaufbau, der 1709 abgeschlossen werden konnte. In diesem Jahr wurde auf den erhalten gebliebenen quadratischen Turmstumpf ein achteckiger Aufbau errichtet. Dieser wurde in Fachwerkbauweise errichtet, jedoch mit Backsteinen verblendet. Den Turmabschluss bildet eine Welsche Haube mit Laterne und Spitze. Bis zur Fertigstellung des Turms war ein hölzerner Glockenstuhl in Gebrauch. Im Jahr 1715 waren dann auch wieder alle Glocken repariert oder umgegossen. Bekrönt wurde der Turm mit einem aufgerichteten Stern von Bethlehem über einem niederliegenden Halbmond. Die Erbauer drückten damit ihre Freude über den abgewendeten Vormarsch der Türken aus.

In den Jahren 1847 und 1849 trafen starke Blitzeinschläge die Kirche.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts, nach 1853, erfolgte in der wendischen Kirche ein grundlegender Umbau. Um mehr Plätze zu gewinnen wurden doppelstöckige Emporen eingebaut. Ein Holztonnengewölbe ersetzte die bisherige, für die Emporen hinderliche, flache Decke. Da durch die Emporen zu wenig Licht in die Kirche gelangt wäre, wurde hinter dem heutigen Altar ein großes halbrundes Fenster eingesetzt. Zu gleich wurden eine neue Orgel der Firma Kaltschmidt aus Stettin eingebaut. Aus der alten Kanzel, die eher einer Tonne geglichen haben soll, entstand ein von einem Kreuz gekrönter Kanzelaltar. In den Predellen beiderseits des Kanzelstiels ursprünglich angebrachte Bibelsprüche wurden später übermalt.

Die deutsche Kirche erhielt in dieser Zeit eine neogotische Bemalung, wobei die ursprüngliche prächtige spätbarocke Farbgebung verschwand. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde die westliche Vorhalle der deutschen Kirche umgebaut. Bei Beibehaltung der Dachkonstruktion wurde das ursprüngliche Fachwerk gegen einen Backsteinbau ausgetauscht. 1899 wurde auch in dieses Kirchenschiff eine neue Orgel der Firma Schlag & Söhne aus Schweidnitz (Schlesien) eingebaut. Zeitgleich entstanden neue Fenster.

Niedergang der wendischen Kirche

1910 wurde die Parochie der beiden Gemeinden aufgelöst und eine einheitliche evangelische Gemeinde geschaffen.

Die deutschen Behörden waren zur damaligen Zeit bemüht die sorbische Kultur und Sprache zugunsten des Deutschen zurückzudrängen. Mit der Einstellung des wendischsprachigen Schulunterrichts Anfang des 20. Jahrhunderts verlor die wendische Sprache stark an Bedeutung und Rückhalt. Die Zahl der Besucher des wendischen Gottesdienstes ging stark zurück. Der letzte wendische Gottesdienst fand im Jahr 1932 statt. Denkbar erscheint auch, dass im vorauseilendem Gehorsam gegenüber den ab 1933 herrschenden Nationalsozialisten dann keinen wendischen Gottesdienste mehr angeboten worden.

 
Kirchturm

Bis 1977 waren jedoch beide Kirchenschiffe noch als Raum für regelmäßige Gottesdienste im Gebrauch. Die wendische Kirche wurde nun als Landkirche, die deutsche als Stadtkirche bezeichnet. Ab 1977 wurde die wendische Kirche dann nur noch als Lagerraum genutzt. So wurden Teile der Dorfkirche von Pritzen eingelagert, deren ehemaliger Standort einem Braunkohletagebau weichen musste. 1990 wurde die Orgel in der deutschen Kirche restauriert.

Nutzung als Kulturkirche

Ab 1995 begann dann die Nutzung der wendischen Kirche als Kulturkirche, für die sich der am 10. Oktober 1995 gegründete Förderverein Wendische Kirche e.V. einsetzte. In den Jahren 2000 und 2001 erfolgte eine Restaurierung beider Kirchen. Als Raum der Kirchengemeinde dient weiterhin die deutsche Kirche. Die wendische Kirche wurde von der Stadt Vetschau als Kulturkirche per Nutzungsvertrag übernommen. Es finden regelmäßig Konzerte und Ausstellungen statt. In einer Ausstellung wird an die durch den Braunkohlentagebau in der Region zerstörten Kirchen erinnert.

Seit dem 28. Mai 1995 findet in der wendischen Kirche immer am Tag des offenen Denkmals ein Gottesdienst in wendischer, also niedersorbischer Sprache statt.

 
Orgelempore in der deutschen Kirche

Ausstattung

Bemerkenswert sind in der wendischen Kirche neben den bereits vorgenannten Gegenständen zwei noch vorhandene Grabsteine. Ein Grabstein für einen 1668 verstorbenen E. von Schlieben befindet sich in der Nordhälfte des Ostgiebels und ist von einem Akanthusrahmen umgeben. Ein weiterer Grabstein stammt vom Anfang des 18. Jahrhunderts und befindet sich in der südlichen Hälfte des Ostgiebels.

Die Ausstattung der deutschen Kirche stammt weitgehend aus ihrer Bauzeit. Die ursprünglich barocke Farbgebung wurde jedoch verändert. Der in der Kirche befindliche Altaraufsatz soll ein Werk von Abraham Jäger aus Doberlug sein. Das Tafelbild des Aufsatzes zeigt das leere Grab Jesu am Ostermorgen. Die hölzerne Kanzel befindet sich an der nördlichen Kirchenwand. Sie wird von einem als Krone gestalteten Schalldeckel abgeschlossen, der von einem Posaunenengel gekrönt wird.

Links vom Altar befindet sich ein Taufstein aus dem 13. Jahrhundert. Sie stammt aus der Dorfkirche Schönfeld die dem Braunkohleabbau zum Opfer fiel. Eine eigentlich dazugehörige Taufschüssel befindet sich in Kittlitz. Rechts vom Altar befindet sich die sogenannte Fürstenloge. Der Name rührt von einem an der Loge befindlichen Wappen her, welches mit einer Fürstenkrone versehen ist.

Die in der deutschen Kirche vorhandene, 1899 innerhalb von fünf Monaten erbaute, Orgel, stellt mit ihrem Abstromverfahren der neumatischen Steuerung ein technisches Denkmal dar.

Bemerkenswert ist auch ein mit der Jahreszahl 1645 versehener Opferkasten, welcher sich in der Vorhalle der deutschen Kirche befindet. Am Kirchturm befindet sich eine Erinnerungstafel an den niedersorbischen Dichter Hans Bock, der 1569 in Vetschau geboren wurde.

Doppelkirche Vetschau in der Literatur

Ehm Welk gibt in seinem Buch Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer eine ihm von seinem Vater Gottfried erzählte Begebenheit wieder, die um 1866 an der Doppelkirche spielt:

Der wendische Oberpfarrer hatte zwei schöne weiße Bänke vor seiner Tür. Da setzten wir uns öfter rauf. Auch mal so`n bisschen mit Mädchen, aber in allen Ehren. Da jagte er uns weg. "Setzt euch lieber auf eine Bank in der Kirche", sagte er, "aber da sehe ich euch nicht!". Da wir nun zwei Kirchen Wand an Wand hatten - nämlich die Wendische und die Deutsche - fragte ich: "In welche von beiden sollen wir uns denn setzen?" Er war wohl verblüfft, aber dann sagte er: "Das ist unserem Herrgott egal!" Na, dachte ich, dann mal zu, und sagte: "Wenn es dem Herrgott egal ist, warum müssen es denn zweie sein?" Da schimpfte er was von "frechen Bengels" und kam hinter uns her."

Literatur

  • Hans-Joachim Beeskow, Führer durch die evangelischen Kirchen des Kirchenkreises Lübben, Lübben 1998, ISBN 3-929600-14-5, Seite 222 ff.
  • Die Wendisch - Deutsche Doppelkirche, Faltblatt der Stadt Vetschau

Beschreibung der Kirche

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