In den letzten zwanzig Jahren wurden verschiedene Formen der Unterhaltungsmusik immer mehr als Vehikel für rechtsextremes Gedankengut benutzt. Von wenigen Ausnahmen wie dem Liedermacher Frank Rennicke abgesehen (seine Lieder sind größtenteils rechtsradikal, aber von ihrem Charakter her keine Rockmusik), fallen darunter Bands, die der Rockmusik zuzuordnen sind, weshalb sich als Oberbegriff, auch unter den Rezipienten selbst, „Rechtsrock“ eingebürgert hat. Im englischen Sprachraum ist hingegen der Begriff „RAC“ als Abkürzung für Rock Against Communism gebräuchlicher.
Das Phänomen des Rechtsrock
Rechtsrock umfasst mittlerweile eine Fülle von Genres und vermittelt rechtsradikales Gedankengut auf unterschiedliche Art und Weise, wobei der typische Rechtrockhörer weiß, männlich und jünger als 30 Jahre ist. Hierbei fungiert der Rechtsrock mithin als Mittel, Jugendliche für rechtes Gedankengut zu öffnen und dauerhaft zu gewinnen (bspw. kam es in der Vergangenheit häufiger zu kostenlosen CD-Verteilaktionen von Rechtsrock-CDs an deutschen Schulen). Der Kern sind die mehr oder weniger eindeutigen Texte, die sich oft mit simpler, geradliniger Reimform gegen bundesrepublikanische Staatsorgane, Linke und Ausländer richten und zum Widerstand gegen diese aufrufen, sowie Deutschland und seine NS-Vergangenheit glorifizieren; daneben gibt es allerdings auch solche Lieder, die sich um eher allgemeine Themen wie Liebe, Freundschaft und Fußball drehen. Die musikalische Instrumentierung reicht von professionell über überwiegend einfach bis primitiv.
Man sollte diese Musik keinesfalls als "Brüllmusik" herunterspielen. Diese Musik wird nicht, wie weitläufig angenommen, von Leuten gespielt, welche mit Mühe und Not drei Akkorde zusammenzählen können. Produktionen von Rechtsrock-Bands wie Kraftschlag, Sturmwehr, Nordwind oder Lunikoff kann man durchaus als professionell betrachten und sind kaum noch vergleichbar mit dem Rechtsrock der frühen 80er und 90er. Oft wird dem Hörer die wahre Gesinnung dieser Bands und deren Lieder kaum bewusst, weshalb diese Bands auch teilweise im unpolitischen Umfeld Fuß fassen. Paradoxer Weise leugnen einige dieser Bands eine nationalsozialistische Gesinnung, bekennen sich aber z.T. in denselben bzw. anderen Liedern in offener oder "zwischen den Zeilen" versteckter Weise dazu. Zum Beispiel äußert sich die Band Sturmwehr unter Frontmann Jens Brucherseifer auf den legal erhältlichen Tonträgern zwar als nationalistisch, grenzt sich aber weitgehend vom Nationalsozialismus ab. Wohingegen die Band Sturm 18 wiederum offen nationalsozialistische Texte propagiert. Die verwendeten Symbole, das Design der CD-Hüllen, die Musik-Videos sowie das Auftreten der Bandmitglieder bei Konzerten und deren Aussagen in Interviews kennzeichnen das Genre. Vertrieben wird der Rechtsrock durch szeneeigene Labels, Mailorder, Naziskinhead-Fanzines und Neonazi-Magazine. Daneben kommt es zum Vertrieb auch direkt bei Konzerten und Partys. Ferner noch über Militarialäden und - wenige - Plattenläden.
Geschichte des Rechtsrock
Rechtsrock ist ein Phänomen, das es erst seit den frühen 1980er-Jahren gibt. Zwar gab es auch vorher Musik von deutschen beziehungsweise für deutsche Nationalisten, doch bewegten sich solche Lieder (etwa die Hymnen der DVU oder der Wiking-Jugend) eher im Marschmusik-Rahmen, wie er vielleicht alte Nationalsozialisten, nicht aber Jugendliche ansprach.
Im Zuge von Punkrock und vor allem „Oi!“ traten dann erstmals Bands auf, die rechtsextreme Botschaften per Rockmusik vermittelten. Hier ist vor allem die britische Band Skrewdriver zu nennen. Auffällig ist für die Entwicklung in Deutschland, dass die rechten Bands noch verhältnismäßig harmlos waren und noch keine klare politische Ausrichtung gefunden hatten (man vergleiche Störkraft oder Endstufe mit Landser). Die Entwicklung des Rechtsrock in den 80er-Jahren beschränkte sich auf ein Wiederaufleben des Chauvinismus in einer Jugendkultur.
Anfang der 1990er Jahre, nach der deutschen Wiedervereinigung und ungefähr zeitgleich mit der Welle von rassistischen Morden und Pogromen, extremisierte sich auch der (deutsche) Rechtsrock. Waren die Bands der ersten Phase deutschnational und eher verhalten rassistisch (im Sinne von: „Ausländer raus!“), so ergingen sich die Bands der 90er-Jahre in Vernichtungsphantasien, offenen Bekenntnissen zum Nationalsozialismus und neigten eher zur Verherrlichung denn zur Leugnung des Holocausts (beides wurde, sogar innerhalb des selben Liedes, vertreten). Aktuell ist die Lage so, dass das Gros der extremen Rechtsrock-Veröffentlichungen rasch indiziert beziehungsweise beschlagnahmt wird. Aus diesem Grund versuchen Bands teilweise, auf offene Mordaufrufe oder Ähnliches zu verzichten und statt dessen auf NS-Verherrlichung zu setzen.
Das Vorkommen rechtsextremer Musik beschränkt sich keineswegs auf Deutschland. So können die britischen Skrewdriver als Pioniere des Rechtsrock gelten. Deren Sänger Ian Stuart war maßgeblich an der Gründung des Blood-and-Honour-Netzwerks beteiligt, dessen Ziel es ist, neonazistische Bands organisatorisch miteinander zu verknüpfen und zu fördern. Auch in Deutschland gibt es eine Division dieses Netzwerks, die trotz ihres Verbots im Jahre 2000 weiterhin aktiv ist. Trotz des extrem nationalistischen Charakters der einzelnen Bands ist die gesamteuropäische Koordinierung der Szene äußerst intensiv. Gründe für diese internationale Koordinierung der einzelnen Szenen ist sicher die rassistische Grundeinstellung der Musiker, durch die sie sich den ausländischen Bands verbunden fühlen.
Rechtsrock wird mittlerweile gezielt zur Werbung Jugendlicher für rechtsextreme Ideologien eingesetzt. In dem so genannten „Projekt Schulhof-CD“ versuchten deutsche Neonazis 2004 mehrere zehntausend Exemplare einer kostenlosen Compilation mit Stücken bekannter deutscher und internationaler Rechtsrock-Bands in der Nähe von Schulen und Jugendtreffs im gesamten Bundesgebiet zu verteilen, bis dagegen ein bundesweiter Beschlagnahmebeschluss erging. Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) griff die Idee wenig später auf und nutzte für verschiedene Wahlkämpfe eigene CD-Produktionen.
Mangels Untersuchungen und Statistiken lässt sich kaum einschätzen, wie groß die verschiedenen rechtsextremen Musikszenen sind. Eine Hauptrolle dürfte jedoch der aus der Skinhead-Musik entstandene Rechtsrock spielen. In Deutschland sind viele Mitglieder rechter Musikgruppen wegen Volksverhetzung und anderen Delikten verurteilt worden.
Christian Dornbusch und Jan Raabe schätzen, dass zwischen der deutschen Wiedervereinigung 1990 und 2004 ca. 380 deutsche Bands annähernd 1.000 Rechtsrock-Platten veröffentlichten, wobei 2003 allein 86 Neuveröffentlichungen zu verzeichnen waren. Während 1990 lediglich das Kölner Label Rock-O-Rama rechtsextreme Musik vermarktete, konkurrieren heute (2004/2005) mehr als 30 Firmen, Labels und Vertriebe um deutsche und internationale Bands.
Einflussreiche Personen sind neben Musikern wie Frank Krämer, Daniel Giese oder Michael „Lunikoff“ Regener auch Produzenten wie Torsten Lemmer oder Herbert Egoldt (Rock-O-Rama Records).
Einige bekannte Bands
- 08/15 (D)
- Blue Eyed Devils (USA)
- Bound For Glory (USA)
- Brutal Attack (GB)
- Die Lunikoff Verschwörung
- Division Germania
- Endstufe (D)
- Gaskammer
- Hauptkampflinie (D)
- Indiziert (CH)
- Kraftschlag (D)
- Landser (D)
- Macht und Ehre (D)
- Noie Werte (D)
- Nordwind (D)
- Radikahl (D)
- Skrewdriver (GB)
- Stahlgewitter (D)
- Störkraft (D)
- Sturmwehr (D)
- Zyklon-B
Für eine Übersicht der in der Wikipedia vertretenen Bands siehe Kategorie:Rechtsrock-Band.
Siehe auch
Literatur
- Christian Dornbusch, Jan Raabe: RechtsRock. Unrast Verlag, Sept. 2002, ISBN 3897718081.
- Christian Dornbusch, Jan Raabe: "Rechtsrock fürs Vaterland". In: Andrea Röpke/Andreas Speit (Hg.): Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis, Berlin : Links, 2004, S. 67-85, ISBN 3861533162.
- Henning Flad: Zur Ökonomie der rechtsextremen Szene - Die Bedeutung des Handels mit Musik. In: Andreas Klärner/Michael Kohlstruck (Hg.), Moderner Rechtsextremismus in Deutschland, Hamburger Edition, Hamburg 2006, S. 102-115, ISBN 3-936096-62-7.
- Searchlight/Antifaschistisches Infoblatt/Enough is Enough/rat (Hg.): White Noise. Unrast Verlag, Jan. 2001, ISBN 3897718073.
- Andreas Speit: Ästhetische Mobilmachung. Unrast Verlag, Dez. 2001, ISBN 3897718049.
Weblinks
- www.ida-nrw.de/ Überblicksartikel mit viel Onlineliteratur
- www.verfassungsschutz.de/ Rechtsextremistische Skinheads: Musik und Konzerte (pdf) Broschüre vom Bundesamt für Verfassungsschutz
- PopScriptum, Nr. 5, Rechte Musik Umfassendes Themenheft zur rechten Musik (von Rechtsrock bis Rennicke), herausgegeben vom Forschungszentrum Populäre Musik der Humboldt-Universität zu Berlin.
- Karl-Otto Albrecht, Ingo Dortelmann: Rechtsradikale Musik - wie erkennen?. Artikel in: Die Berufsbildende Schule (BbSch) 55 (2003) 10 (PDF
- Rechtsrock-Propaganda im Umfeld von Schulen? Artikel in: Telepolis, 12. Juli 2004, über das "Projekt Schulhof-CD"
- www.turnitdown.de Internetplattform, die dem Einfluss von Rechtxextremismus in der Musik- und Subkultur entgegentreten will
- www.antimanifest.de umfassende Auflistung von Bands und Liedermachern der rechten Szene
- Rechtsrock - Seine Entwicklung, seine Fans und die Situation in Österreich Seminararbeit an der Universität Salzburg mit weiterführender Literatur, die besonders die Entwicklung der österreichischen Rechtsrock-Szene darstellt