
Die Mingottischen Operntruppen waren zwei fahrende Operntruppen, die jeweils die Brüder Pietro (* um 1702 in Venedig; † 28. April 1759 in Kopenhagen) und Angelo Mingotti (* um 1700 in Venedig; † nach 1767) als Impresarios leiteten. Sie zogen von 1730 bis 1767 durch Mittel- und Nordeuropa, arbeiteten teilweise zusammen und führten Opernaufführungen durch.
Leben
Angelo Mingotti trat erstmalig 1730 in Vicenza mit seiner italienischen Operntruppe, bestehend aus drei Sängern und fünf Sängerinnen, auf. In Leipzig erhielt er zur Michaelismesse 1732 für seine Compagnie italienischen Operisten aus Prag eine Spielgenehmigung und Ende 1732 in Brünn die Erlaubnis ein Theater in der Reitschul zu errichten, welches von ihm zum Karneval 1733 mit den Opern Argippo bzw. Gli amori amari des Komponisten Antonio Constantini eröffnet und schon Ende 1733 wieder abgerissen wurde. Ab November 1733 spielte Angelo in dem von der Stadt Brünn neu errichteten Theater In der Taffern (Reduta). Pietro Mingotti trat mit seiner Truppe 1733 in Laibach erstmals in Erscheinung.
Beide bekamen im Frühjahr 1736 das Recht zehn Jahre in Graz in der Wagenremise der Hofstallungen am Tummelplatz, die seit 1690 nicht mehr genutzt wurde, ihre Aufführungen darzubieten. Die Mingottis bauten das Gebäude schließlich zum oper- oder comoedienHauß auf dem Tummelplatz (Kommod-Haus) aus (1813 abgebrochen[1]). Es hatte eine Länge von 31,5 m und eine Breite von 13 m. Der Zuschauerraum war hufeisenförmig und von einem Logenkranz umgeben. Es fasste ca. 400 Zuschauer und hatte 3 Preiskategorien.[2] Das Theater wurde am Sommer 1736 eröffnet. Georg Adam Hoffmann, der Hofmeister des Grafen Johann Adam von Questenberg schrieb am 18. August 1736:
„Jezt gleich höre ich, dass der Mingotti sich nacher Gräz verfüget habe, allwo er das theatrum auf ein jahr veraccordieret haben soll.“

Die Mingottis nutzten ihr Grazer Spielrecht nur bis 1743.
In weiteren Städten traten beide gemeinsam auf. Etwa acht Sängerinnen, Sänger und Täzer reisten mit den Mingottis, die Instrumentalisten wurden in den jeweiligen Spielorten verpflichtet. Es wurden meist italienische Opera serias, Opera buffas und Singspiele aufgeführt. Zur Operntruppe von Pietro gehörte auch seit 1736 die Sängerin Marianne Pirker und ihr Ehemann der Violinist Franz Josef Carl Pirker (1701-1786), der vielmals die italienischen Opernlibretti für die Truppe ins Deutsche übersetzte. Im Jahre 1740 gastierte Angelos Truppe mit Marianne Pirker erstmals in Hamburg. 1741 lösten sie sich von den Minegottis. 1748 kam es zu einer erneuten Zusammenarbeit mit der Truppe bis 1750.
1746 erlebte Lübeck mit Ipermestra seine erste Opernaufführung, dargeboten von Pietro Mingotti, der am Haus von Zimmermeister Hermann Hinrich Schröder auf eigene Kosten für die Belange der Oper notwendige bauliche Veränderungen vornehmen ließ. Im Jahre 1753 wurde dort der Lüneburger Hof in der Beckergrube zu einem einstöckiges Logentheater umgebaut und dort gespielt.[4]
Im Jahre 1742 wurde Paolo Scalabrini bei Pietro Kapellmeister. Am Ende 1743, stellte Pietro Mingotti die damals noch unbekannte Sopranistin Regina Valentini ein, die er Anfang Januar 1747 heiratete.
In den Jahren 1744 und 1751 spielte Pietros Truppe während der Leipziger Messe, 1745 und 1747 auch gemeinsam mit Angelo. Dort erbauten sie ein hölzernes Theater im Reithaus am Ranstädter Tor.
Pietro Mingottis Reputation war hoch, so dass seine Truppe u. a. die Krönungsoper Alesandro nell'Indie (Musik: Johann Adolph Hasse, Libretto: Pietro Metastasio mit Bearbeitung von Pirker) anlässlich der Krönung Maria Theresias zur Königin von Ungarn 1741 in Pressburg aufführte (mit dem Komponisten Johann Ignaz Beyer) und auch für die Krönungsfeierlichkeiten von Kaiser Franz I. 1745 in Frankfurt a.M. eingesetzt war.

Am Geburtstag von Kaiser Franz I. am 8. Dezember 1745 wurde von Pietros Operngesellschaft in Hamburg Johann Adolf Hasses Oper La clemenza di Tito aufgeführt, die von zwei Werken Scalabrinis umrahmt wurde: dem „Prologo“ Per l’esaltazione al trono imperiale di Francesco re di Gierusalemme auf einen Text von Francesco Darbes und einem „Epilogo“ ohne eigenen Titel mit einem Text von Barthold Heinrich Brockes.[5][6]
Seit 1746 war die Sängerin Margaretha Susanna Kayser Mitglied der reisenden Operntruppe von Pietro Mingotti, wahrscheinlich nur bis ins Jahr 1749.
Im Mai bis September 1747 stand für Pietro Mingotti und seine Truppe die Stadt Dresden auf dem Spielplan. Dort boten sie ihre Vorstellungen zunächst in einem 1746 von Angelo erbauten hölzernem Theater im Zwingerhof. Ihr Theater am Zwinger wurde 7. Juli 1746 mit der von Scalabrini-Oper Argenide nach John Barclay eröffnet, brannte aber bereits am 29. Januar 1748 nach Beendigung der Hasse-Oper Leucippo ab.[7]
Auf Schloss Pillnitz bei Dresden spielten beide Truppen am 29. Juni 1747 im Garten anlässlich der Doppelhochzeit der sächsischen Kurprinzessin Maria Anna mit dem bayerischen Kurfürsten Maximilian III. Joseph bzw. des sächsischen Thronfolgers Friedrich Christian mit der bayerischen Prinzessin Maria Antonia. Christoph Willibald Glucks Oper Le nozze d’ercole e d’ebe wurde dort von ihnen uraufgeführt. Vom sächsischen Kurfürsten wurde Pietro dafür mit 3.100 Taler entlohnt. In Anerkennung seiner Dienste erhielt Pietro Mingotti am 17. Juli 1748 von Friedrich August II. den Titel Comission Rat. Mingottis Frau Regina, die in der Aufführung die Rolle des Ercole gesungen hatte, wurde aufgrund des großen Erfolgs am 22. Juli 1747 an die Hofoper engagiert, trennte sich von Mingotti und machte später noch in Neapel, Madrid, Paris und London Karriere.

Etwa in seiner Zeit in Dresden erhielt Pietro das Angebot am Kopenhagener Hof zu spielen. Dort versuchte er am kurz zuvor errichteten Haus Det Kongelige Teater eine dauerhafte italienische Operntradition zu etablieren. Trotzdem setzte er seine Konzertreisen in verschiedene deutsche Städte, darunter Lübeck (1746, 1752, 1753), Schleswig (1754) und Hamburg (1743-1754), wo er in dieser Zeit im Opernhaus am Gänsemarkt spielen ließ, fort.
Friedrich von Hagedorn verewigte 1753 Pietro Mingotti in sein Gedicht Jodel:[8]
Herr Jodel, Jodels Sohn, erblaßte schnell und satt:
Er, dem die Stadt die Welt, sein Kirchspiel eine Stadt,
Sein Haus das Kirchspiel war: der nie in fremdem Lande
Luft oder Witz geschöpft: ein Feind der welschen Bande,
Die uns Mingotti bringt, der edlen Hetze Freund,
Die Heulen und Musik, und Mensch und Vieh vereint.
Ein Bürger voll von Recht: der schlimmen Zeiten Kenner;
Staats-, Stadts- und Vorstadts-klug: des Kaisers ernster Gönner:
Er starb. Was war sein Tod? Ein fetter Ochsen-Schmaus.
Wie viel verliert die Stadt, sein Kirchspiel und sein Haus!
Im September 1748 wurde Gluck Kapellmeister von Pieros Operngesellschaft, nachdem er bereits seit 1746 Vertreter Scalabrinis gewesen war, der nun Kapellmeister am dänischen Hof wurde. Pietro Mingotti wurde 1748 in die Kopenhagener Freimaurerloge St. Martin aufgenommen. Im Jahre 1749 wurde von Pietros Truppe Glucks componimento drammatico La contesa de’ numi in Kopenhagen uraufgeführt. Schon im Frühjahr 1749 trennte sich Gluck jedoch vermutlich von Pietro und an seine Stelle trat 1755 Giuseppe Sarti. Während zur Blütezeit der Operntruppe Mitte der 1740er Jahre berühmte Interpreten wie die Sopranistinnen Giovanne della Stella und Rosa Costa und die Kastraten Filippo Finazzi und Settimio Canini Mingottis Erfolg garantierten, nahm seit etwa 1750 die Qualität seiner Gruppe merklich ab, trotzdem kam es noch 1755 zu einem Gastspiel im Schlosstheater Drottningholm auf Einladung der schwedischen Königin.
Schwere finanzielle Schwierigkeiten zwangen Pietro, seinen Vertrag mit dem Hof in Kopenhagen 1755 zu beenden. 1756 ging er in Konkurs und lebte fortan von einer kleinen Pension des dänischen Königs, bevor er völlig verarmt verstarb.
Angelo Mingottis Spur verliert sich nach der letzten dokumentierten Stagione (Spielzeit) in Bonn im Mai 1767, wo sie im Hoftheater die Oper Anagilda aufführten.
Stationen von Angelo und Pietro Mingotti (Auswahl)
Jahr | Ort | Person | Bemerkung |
---|---|---|---|
1730 | Vicenca | Angelo | |
1732 | Prag | Angelo | |
1732-1736 | Brünn | Angelo | mit Unterbrechungen |
1733 | Venedig | Angelo | |
1736-1740 | Graz | gemeinsam | |
1740 | Laibach | Pietro | |
1740 | Hamburg | Angelo | 2 Konzerte jeweils im Kaiserhof und im Drillhaus |
1741 | Pressburg | Pietro | |
1741-1743 | Graz | Pietro | mit Unterbrechungen |
1742 | Laibach | Pietro | |
1743 | Klagenfurt, Linz | Pietro | |
1743 | Hamburg | Pietro | Oktober bis Dezember |
1743/44 | Prag | Pietro | Dezember 1743 bis Mitte 1744 |
1744 | Leipzig | Pietro | Messe |
1744-1746 | Hamburg | Pietro | Mai 1744 bis Februar 1745 bzw. Dezember 1745 bis Mai 1746; Mai/Juni 1744 im Drill- und Baumhaus, ab Juli 1744 in der umgebauten Oper am Gänsemarkt |
1745 | Leipzig | gemeinsam | Messe |
1745 | Frankfurt a.M. | Pietro | |
1746 | Lübeck | Pietro | Mai bis September 1746 |
1746-1752 | Hamburg | Pietro | Oktober 1746 bis Februar 1747 und November 1747, September bis Dezember 1748, September bis 1751 bis Frühjahr 1752 |
1746 | Lübeck | Pietro | |
1746 | Prag und Graz | Angelo | |
1746 | Leipzig und Dresden | Angelo | |
1747 | Leipzig | gemeinsam | Messe |
1747 | Dresden | Pietro | Mai bis September |
1748 bis 1756 | Kopenhagen | Pietro | mit Unterbrechungen |
1751 | Leipzig | Pietro | Messe |
1752 | Venedig | Angelo | |
1752-1753 | Lübeck | Pietro | |
1753 | Hamburg | Pietro | Juni/Juli 1753 |
1755 | Stockholm | Pietro | |
1757 | Köln | Angelo | Bühne am Heumarkt[9] |
1759 | Wien | Angelo | Januar und Februar 1759[10] |
1760 | Prag | Angelo | |
1764/65 | Bonn | Angelo | |
1765 | Münster | Angelo | 3 Opern |
1766 | Brüssel | Angelo | |
1767 | Bonn | Angelo |
Literatur
- Johann Friedrich Schütze: Hamburger Theater-Geschichte. Treder, Hamburg 1794, S. 193-207.
- Moritz Fürstenau: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden. 2 Bände, Kuntze, Dresden 1861-1862.
- Erich Hermann Müller (von Asow): Angelo und Pietro Mingotti. Ein Beitrag zur Geschichte der Oper im XVIII: Jahrhundert. Bertling, Dresden 1917.
- Erich Hermann Müller (von Asow): Gluck und die Brüder Mingotti in Gluck-Jahrbuch 1917 S. 1–14.
- Ortrun Landmann: Quellenstudien zum Intermezzo Comico per Musica und zu seiner Geschichte in Dresden., Diss. Rostock 1972, S. 103-108.
- Karl-Heinz Viertel: Anmerkungen zum Dresdner Opernpublikum während der Direktionszeit Johann Adolf Hasses. in: G. Stephan/H. John (Hrsg.): Dresdner Operntraditionen. 9. Sonderheft, Dresden 1985, S. 108-118.
- Sybille Dahms: 'Le nozze d’ercole e d’ebe' und das Gastspiel der Mingotti-Truppe in Dresden und Pillnitz. in: Dresdner Operntraditionen. 11. Sonderheft, Dresden 1987, S. 439-449.
- Margita Havlíčková: Berufstheater in Brünn 1668 - 1733 (Übersetzung: Eva Hudcovaá und Christian Neuhuber] Masarykova Univerzita, Brno 2012.
- Rainer Theobald: Die Opern-Stagioni der Brüder Mingotti: 1730-1766. Ein neues Verzeichnis der Spielorte und Produktionen. Hollitzer, Wien 2015.
- Michael Walter: Oper. Geschichte einer Institution Metzler, Stuttgart 2016, S. 216.
- Jana Perutková: Der glorreiche Nahmen Adami: Johann Adam Graf von Questenberg (1678–1752) als Förderer der italienischen Oper in Mähren Hollitzer, Wien 2015.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Wiltraud Resch: Die Kunstdenkmäler der Stadt Graz: die Profanbauten des I. Bezirkes, Altstadt, Band 2. Schroll, Wien 1997,S. 659.
- ↑ Harald Heppner, Nikolaus Reisinger (Hrsg.): Steiermark: Wandel einer Landschaft im langen 18. Jahrhundert Böhlau, Wien u.a. 2006, S. 325f.
- ↑ Jana Perutková: Der glorreiche Nahmen Adami: Johann Adam Graf von Questenberg (1678–1752) als Förderer der italienischen Oper in Mähren Hollitzer, Wien 2015.
- ↑ https://www.theaterluebeck.de/seiten/historie.html
- ↑ Roland Dieter Schmidt-Hensel: »La musica è del Signor Hasse detto il Sassone…« Johann Adolf Hasses ›Opere serie‹ der Jahre 1730 bis 1745. Quellen, Fassungen, Aufführungen. Teil II: Werk-, Quellen- und Aufführungsverzeichnis. V&R unipress 2009, ISBN 978-3-89971-442-5, S. 430.
- ↑ Dorothea Schröder: Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Barockes Musiktheater in Hamburg im Dienst von Politik und Diplomatie (1690–1745). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-27900-0, S. 282–284.
- ↑ Hubert Georg Ermisch: Der Dresdner Zwinger. In: Schriften des Instituts für Theorie und Geschichte der Baukunst der Deutschen Bauakademie. Dresden 1953, S. 60–62.
- ↑ Friedrich von Hagedorn: Moralische Gedichte. Zweyte, vermehrte Ausgabe. Hamburg, Bohn, 1753, S. 77.
- ↑ Carl H. Hiller: Vom Quatermarkt zum Offenbachplatz: ein Streifzug durch vier Jahrhunderte musiktheatralischer Darbietungen in Köln. Bachem, Köln 1986, S.24
- ↑ Gustav Zechmeister: Die Wiener Theater nächst der Burg und nächst dem Kärntnerthor von 1747 bis 1776Böhlau, 1971, S.240.
Personendaten | |
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NAME | Mingotti, Pietro |
KURZBESCHREIBUNG | italienischer Opernimpressario |
GEBURTSDATUM | 1702 |
GEBURTSORT | Venedig |
STERBEDATUM | 28. April 1759 |
STERBEORT | Kopenhagen |
Personendaten | |
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NAME | Mingotti, Angelo |
KURZBESCHREIBUNG | italienischer Opernimpressario |
GEBURTSDATUM | 1700 |
GEBURTSORT | Venedig |
STERBEDATUM | nach 1767 |